Kapitel 1 Großes Evangelium Johannes, Buch 6 Der Herr und die Tempelpriester. (Ev. Joh. Kap. 5) 1. — Die Heilung eines Kranken am Teiche Bethesda (Ev. Joh. 5,1-13) 1. Ich aber zog mit Meinen Jüngern an diesem Tage bis in die Nähe von Jerusalem, allwo wir in einer Mir und den Jüngern wohlbekannten Herberge die Nachtruhe nahmen. Der Wirt hatte eine große Freude an uns und erzählte uns viel von dem nunmaligen argen Treiben in Jerusalem und ließ uns ein recht gutes Abendmahl zurichten. 2. Ich aber sagte zu ihm: „Komme du morgen nur hinauf zum Tempel, und du wirst da sehen, was Ich mit den Pharisäern für ein Wesen haben werde! Morgen sollen sie es genau und ohne allen Vorbehalt erfahren, mit wem sie es in Mir zu tun haben!“ 3. Dessen war unser Wirt sehr froh und brachte uns noch Brot und Wein zur Genüge. Er hatte zwar schon vieles von Mir gehört, aber auch er wußte noch nicht, wer Ich so ganz eigentlich sei, obwohl ihm Meine Jünger so einige Winke gaben, die er gut aufnahm. – Bald darauf begaben wir uns zur Ruhe. 4. Am Morgen des Sabbats zogen wir hinauf nach Jerusalem. (Joh.5,1) Warum denn hinauf? Weil die große Stadt und vor allem der Tempel auf einem ziemlich weitgedehnten, klippigen Bergrücken lag und nahe zuhöchst der Tempel mit seinen weiten Hallen, Ringmauern und Hochgärten. Daß uns der Wirt, dessen Haus in einem Tale stand, hinaufbegleitete, versteht sich von selbst. 5. Als wir in die Nähe des Tempels kamen, da mußten wir zuerst an dem Teiche Bethesda (Vedes da = er gibt Erweckung oder Genesung) vorübergehen, der zunächst bei dem Schafstalle des Tempels sich befand und ringsum fünf Hallen hatte. (Joh.5,2) In diesen Hallen lagen stets viele Kranke, wie Blinde, Lahme, Dürre und noch mit allerlei anderen Krankheiten Behaftete, und warteten, bis sich das Wasser bewegte. (Joh.5,3) Nach einer sehr alten Sage seit Melchisedeks Zeiten und nach dem festen Glauben, besonders des armen Volkes, fuhr ein Engel von Zeit zu Zeit vom Himmel herab und bewegte das Wasser. Die Menschen sahen zwar den Engel nicht und schlossen auf seine Gegenwart nur aus der eigentümlichen Bewegung des Wassers. 6. Die gelehrten Pharisäer glaubten selbst zwar nicht an die Niederfahrt des Engels, sondern hielten den Teich nur für eine besondere Heilquelle, sowie desgleichen auch die Römer und Griechen; aber sie verstanden es zu ihrem Vorteile dennoch, das Volk bei dem frommen, alten Glauben zu erhalten. 7. Wenn aber das Wasser sich bewegte – was etwa alle Wochen ein- bis zweimal der Fall war –, so hatte es wahrlich eine so außerordentliche Heilkraft, daß ein jeder mit was immer für einer Seuche Behaftete geheilt war, so er das Glück hatte, als der erste ins Wasser zu kommen. (Joh.5,4) Es versteht sich von selbst, daß da auch nur die reichen und wohlhabenden Kranken den Vorzug hatten, und daß die Armen, weil sie nichts zahlen konnten, oft viele Jahre da vergeblich warteten, bis irgendein etwas barmherzigerer Wärter einen solchen Armen zuerst ins Wasser tauchte, worauf er dann auch gesund wurde. 8. Der uns begleitende Wirt hielt sich darüber sehr auf und erklärte dieses Treiben für eine höchst schmutzig-ungerechte Sache. Er zeigte Mir auch einen sehr alten, armen Menschen, der bereits achtunddreißig volle Jahre da auf die Heilung warte (Joh.5,5); aber noch nie sei es einem schmutzigen Wärter eingefallen, ihn nach so vielen Jahren doch endlich einmal in das bewegte Teichwasser als ersten steigen zu lassen. 9. Mich erregte das offenbar sehr, und Ich sagte zum Wirt: „Obwohl heute ein Sabbat ist, so soll diesem Menschen dennoch sogleich geholfen werden!“ 10. Da Ich zuerst Selbst wußte und auch von dem biedern Wirte vernommen hatte, wie es mit dem Menschen stand, da trat Ich sogleich hin zu ihm und sagte: „Willst du gesund werden?“ (Joh.5,6) 11. Da antwortete mit trauriger Miene der Kranke: „Bester Herr! Ich habe keinen Menschen, der mich zuerst in den Teich ließe, wenn das Wasser bewegt wird; und wenn ich selbst komme, so steigt ein anderer, der begünstigt ist, vor mir ins Wasser. (Joh.5,7) Wie möglich kann ich da gesund werden?!“ 12. Darauf sagte Ich: „So stehe auf, nimm dein Bett und gehe hin, von wannen du gekommen bist!“ (Joh.5,8) 13. Und alsbald ward der Kranke gesund, hob sein mageres Bett auf und ging nach der Sitte hin zu einem Priester als Genesener, und das an einem Sabbat, an dem das Wasser nach vielen Erfahrungen nahezu gar nie bewegt ward. (Joh.5,9) Daher war es den Juden gleich auffallend, wie dieser Mensch an einem Sabbat gesund geworden war. 14. Sie (die Juden) hätten aber eben zu dem Gesundwerden nicht soviel gesagt; aber da er an einem Sabbat sein Bett trug, so war das bei ihnen schon ein großer Fehler, und sie sagten: „Es ist heute Sabbat, und es ziemet sich nicht, das Bett zu tragen!“ (Joh.5,10) 15. Er (der Geheilte) aber entgegnete ihnen: „Höret! Der mich gesund machte, der auch sagte zu mir: Nimm dein Bett, und gehe hin! (Joh.5,11) Der aber solch eine Macht hat und Der mir solch eine Wohltat erwies, dem gehorchte ich auch an diesem Sabbat! Denn volle achtunddreißig Jahre hindurch hat mir niemand solch eine Wohltat erwiesen wie jener Mensch! Warum sollte ich ihm dann nicht gehorchen auch an einem Sabbat?!“ 16. Da fragten die Juden ihn: „Wer ist denn hernach jener Mensch, der zu dir sagte als heute an einem Sabbat: Nimm dein Bett, und gehe hin!?“ (Joh.5,12) 17. Der Gesundgemachte und Gefragte aber wußte nicht, wer Ich war und welchen Namen Ich führte. Er konnte auch nicht mit dem Finger nach Mir hindeuten, da Ich die Stelle schnell verließ des vielen Volkes wegen, das hier versammelt war. (Joh.5,13) Kapitel 2 Großes Evangelium Johannes, Buch 6 2. — Der Herr zeugt von Sich und Seiner Mission als Messias (Ev. Joh. 5, 14-27) 1. Ich ging etwa nach einer Stunde Zeit mit den Jüngern in den Tempel, nachdem wir zuvor mit der Familie des Lazarus von Bethanien, mit der Ich schon von Meinem zwölften Jahre an bekannt war, und die Ich alljährlich bei unseren Wallfahrten nach Jerusalem zu besuchen pflegte, zusammentrafen und so manches besprachen über die Führung Meines Lehramtes. Die Familie wie auch unser bekannter Wirt geleiteten uns in den Tempel, und als wir in den Tempel kamen, da fand Ich den Geheilten, und der drängte sich, als er Mich ersah, zu Mir hin und fing von neuem an, zu loben und zu danken. 2. Ich sagte zu ihm: „Sieh zu, so du nun gesund geworden bist, daß du in der Folge nicht mehr sündigest, auf daß dir nicht noch etwas Ärgeres widerfahre!“ (Joh.5,14) 3. Er beteuerte das und erfuhr bei dieser Gelegenheit Meinen Namen, was eben ein leichtes war, da Mich viele von früheren Zeiten her kannten. Da verließ uns der Mensch und ging zu den scharfen Tempeljuden und verkündigte es ihnen, daß Ich, Jesus, es war, der ihn geheilt hatte. (Joh.5,15) 4. Da ergrimmten alsbald diese Tempeljuden, fingen an, Mich verfolgend, sich zu Mir hinzudrängen, um Mich sogleich zu ergreifen und zu töten, weil Ich solches – an einem so großen Sabbat noch dazu! – getan habe. (Joh.5,16) 5. Der Wirt ersah die grimmige Bewegung der ihm über alles verhaßten Juden und riet Mir, so schnell als möglich zu entweichen, ansonst Mir leicht etwas Übles begegnen könnte. 6. Ich aber vertröstete ihn und sagte: „Fürchte dich nicht; denn bevor Ich Selbst es nicht will, werden sie Mir nichts tun können! Aber Ich werde ihnen, sowie sie Mich zu fragen anfangen werden, eben erst ganz unverhohlen sagen, wer Ich bin, und da wirst du dann erst ihren Grimm sehen, vor dem sich aber nun niemand zu fürchten hat!“ 7. Während Ich solches privatim zum Wirte geredet hatte, waren die Ergrimmten auch schon bei Mir und fuhren Mich an: „Warum tatest du solches an einem hohen Sabbat und hast ihn vor allem Volke geschändet? Hättest du das nicht morgen tun können, und dem Kranken wäre noch früh genug geholfen gewesen, und der hohe Sabbat wäre nicht geschändet worden?!“ 8. Da sah Ich die Ergrimmten sehr ernst an und sagte ganz einfach zu ihnen: „Mein Vater (im Himmel) wirket bisher, und Ich wirke auch!“ (Joh.5,17) 9. Da ergrimmten die Tempeljuden noch mehr und trachteten Mich zu ergreifen und gleich zu töten; denn sie schrien zum Volke: „Nicht genug, daß er den hohen Sabbat geschändet hat, sondern er lästerte auch Gott, indem er Ihn seinen Vater nannte und sich Ihm ganz gleichstellte! Darum ergreifet und erwürget ihn sogleich!“ (Joh.5,18) 10. Da entstand ein förmlicher Tumult im Tempel, und es machten einige Miene, Mich zu ergreifen. Ich aber erregte Mich und gebot Ruhe. 11. Alsbald ward auch alles ruhig, und Ich sagte zu den ergrimmten Juden: „Wahrlich, wahrlich, Ich sage es euch: Ich als der Sohn kann nichts von Mir Selbst aus tun – außer nur das, was Ich sehe den Vater tun! Was demnach Mein Vater tut, dasselbe tue auch Ich! (Joh.5,19) Der Vater aber hat den Sohn lieb und zeigt Ihm alles, was Er Selbst tut, und wird Ihm noch größere Werke zeigen, daß ihr selbst euch darob höchlichst verwundern werdet! (Joh.5,20) Denn gleich wie der Vater die Toten auferweckt und macht sie lebendig, also macht auch der Sohn lebendig, welche Er will. (Joh.5,21) Ich sage es euch, ihr Blinden: Der Vater im Himmel richtet nun niemand; denn alles Gericht hat Er Mir, Seinem Sohne, übergeben (Joh.5,22), auf daß alle Menschen – Juden und Heiden – den Sohn ebenso ehren sollen, wie sie den Vater ehren. Wer aber den Sohn nicht ehrt, der ehrt auch den Vater nicht, der Ihn gesandt hat.“ (Joh.5,23) 12. Als Ich also redete, da war die größte Ruhe und die ergrimmten Juden schwiegen; denn Ich wollte es also. 13. Und Ich redete darum weiter und sagte: „Wahrlich, wahrlich, wer Mein Wort hört und glaubt wahrhaft an Den, der Mich zu euch Menschen auf diese Erde gesandt hat, der hat das ewige Leben und kommt seiner Seele nach nimmer in ein Gericht, das der Tod der Materie ist, sondern er ist durch solchen ernsten und lebendigen Glauben vom Tode zum wahren, ewigen Leben durchgedrungen! (Joh.5,24) 14. Und wieder sage Ich euch: Wahrlich, wahrlich, es kommt die Stunde und ist schon jetzt da, wo die Toten an Leib und Seele die Stimme des Sohnes Gottes hören werden, und die sie gläubig hören werden, die werden dadurch auch leben ewiglich! (Joh.5,25) Denn wie der Vater das Leben hat in Sich Selbst, ebenalso hat Er auch dem Sohne gegeben von Ewigkeit her, das Leben zu haben in Sich Selbst. (Joh.5,26) Auch hat Er Ihm die Macht gegeben, das Gericht zu halten über alle Menschen, und das darum, weil der ewige Sohn Gottes nun für diese Zeit auch ein Menschensohn ist.“ (Joh.5,27) Kapitel 3 Großes Evangelium Johannes, Buch 6 3. — Der Herr spricht von dem Zeugnis Seiner Werke (Ev. Joh. 5,28-39) 1. Hier machten viele große Augen und fingen an, sich über solche Meine Worte sehr zu verwundern. Einige meinten, das sei eine Frevelei, die noch nie dagewesen sei. 2. Andere wieder sagten: „Nein, wahrlich, da muß etwas daran sein; denn so etwas hat noch nie ein Mensch von sich geredet!“ 3. Ich aber sagte zu ihnen: „Denn es kommt die Stunde, in welcher alle, sogar die in den Gräbern sind (hier wurden die Heiden gemeint, was die Juden nicht verstanden), Meine Stimme hören werden und werden hervorgehen, die danach Gutes getan haben, zur wahren Auferstehung des Lebens, – die aber Übles getan haben, zur Auferstehung des Gerichtes, das da ist der wahre Tod der Seele.“ (Joh.5,29) 4. Da fingen wieder einige an zu murren, und andere wieder sagten: „Der Mensch hat sich übernommen und fängt nun ganz ordentlich zu faseln an! Er redet von sich ja gerade also, als so er und Gott ganz eins wären!? Wer hat je so etwas gehört?!“ 5. Ich aber sagte: „Ihr irret euch sehr, so ihr über Mich also urteilet; denn Ich kann als Mensch auch nichts von Mir Selbst tun. Ich höre aber allzeit die Stimme des Vaters in Mir, und wie Ich sie höre, ebenso handle, rede und richte Ich, und Mein Gericht ist sodann recht, weil Ich nicht Meinen Menschenwillen, sondern nur den Meines Vaters erfülle, der Mich in diese Welt gesandt hat. (Joh.5,30) So Ich als Mensch von Mir Selbst zeugen würde, so wäre solch Mein Zeugnis unwahr (Joh.5,31); aber ein Anderer, den ihr nicht kennet und noch nie erkannt habt, ist es, der durch Meine Taten, die schon allbekannt sind, von Mir zeuget, und darum weiß Ich nur zu bestimmt, daß das Zeugnis, das Er Mir allzeit gab und gibt, vollwahr ist. (Joh.5,32) 6. Ihr schicktet hinaus zu Johannes dem Täufer und sahet, daß er von der Wahrheit zeugte. (Joh.5,33) Ich aber nehme, wie ihr sehet, kein Zeugnis von den Menschen; denn Ich zeuge von Mir Selbst vom Vater aus, und das tue Ich, damit ihr alle wahrhaft selig werden sollet. (Joh.5,34) Warum mag euch solches denn nicht gefallen?“ 7. Da sagten einige: „So Johannes nach deinem Worte von der Wahrheit zeugte, so war sein Zeugnis ja ohnehin gut und genügend; wozu sollte uns nun noch dein sonderliches Zeugnis dienen?! Denn nach dem Zeugnisse des Johannes können wir ja ohnehin selig werden.“ 8. Sagte Ich: „Johannes war wohl ein brennendes und hell scheinendes Licht; aber ihr ginget nur darum hinaus, weil ihr euch bei seinem Lichte nur so ein wenig fröhlich machen wolltet. (Joh.5,35) Ich aber habe ein größeres Zeugnis für Mich, als da war das Zeugnis des Johannes; denn die Werke, die Mir Mein Vater zu verrichten gegeben hat, daß nur Ich allein sie vollende, diese Werke also, die Ich allein tue vor aller Welt Augen, zeugen aller Wahrheit gemäß, daß Mich der Vater als Seinen Sohn zu euch gesandt hat. (Joh.5,36) 9. Und eben dieser Vater, der Mich nun zu euch gesandt hat, hat schon lange durch den Mund der Propheten von Mir gezeugt, obwohl keiner von euch je Seine Stimme gehört und Seine Gestalt gesehen hat. (Joh.5,37) Ihr habt zwar Sein Wort aus der Schrift der Propheten wohl vernommen; aber ihr habt es nicht in euch, weil ihr nun Dem nicht glaubet, den Er zu euch gesandt hat. (Joh.5,38) 10. Suchet es selbst in der Schrift, von der ihr meinet, daß euer ewiges Leben darin sei! Und sehet, gerade sie ist es, die hundert- und tausendfältig von Mir zeugt! (Joh.5,39) 11. „Was habt ihr wider Mich? Ist es denn nicht recht also, daß Ich ohne irgendein äußeres Ansehen zu euch komme, um euch nicht kleinmütig und verzagt und sehr furchtsam zu machen?! Hat Elias, als er eine Weissagung von Meiner Ankunft im Geiste, also auch geistig, erhielt, Jehova etwa im Sturmwinde oder im Feuer vorüberziehen sehen, als er in der Höhle verborgen war? Nein, in einem sanften Säuseln zog Jehova vorüber! Und sehet, das ist nun hier vor euren Augen! Warum wollet ihr es denn nicht glauben? Geben Mir denn nicht Meine Werke, die Ich unter tausend und abermals tausend Zeugen schon gewirkt habe, das wahrhafteste Zeugnis dafür? Hat denn je jemand auf der Welt solche Taten verübt?“ Kapitel 4 Großes Evangelium Johannes, Buch 6 4. — Von der Verstocktheit der Tempeljuden (Ev. Joh. 5,40-47) 1. Sagten einige Juden: „Deine Taten sind wohl stark außergewöhnlich, aber du selbst hast doch nicht das entfernteste Ansehen dazu, und zudem wirken die Essäer ebendasselbe, obwohl sie unsere Feinde sind, aber dennoch den Juden angeben, daß der Messias aus ihnen hervorgehen werde.“ 2. Sagte Ich: „Oh, Ich kenne euch nur zu gut! Ihr wisset nicht erst jetzt, sondern schon seit lange her, wie die Essäer ihre Wunderwerke wirken, und habt dagegen auch schon mit Recht geeifert und habt dem Volke die essäische Blindfechterei auch schon zu öfteren Malen mit gutem Erfolg gezeigt; denn auf derlei Künste und Kniffe versteht ihr euch ebensogut wie die Essäer, und das Ansehen Meiner Person ist gerade auch nicht das letzte unter euch. Also darin liegt es gar nicht, darum ihr Mich als das, was Ich allerwahrst bin, nicht anerkennen und annehmen wollt, – sondern ihr wollet, ganz einfach gesagt, nicht zu Mir kommen, daß ihr von Mir und aus mir das ewige Leben haben möchtet. (Joh.5,40) 3. Ich nehme freilich – irgendeines größeren und äußeren Ansehens wegen – nicht Ehre von den Menschen (Joh.5,41), da sie Mir ohnehin ewig nie eine größere geben können, als die in Mir wohnt; aber Ich kenne euch von einer ganz andern Seite! Eures Hochmutes, eurer Welt- und Selbstliebe wegen ist die Liebe Gottes schon lange nicht mehr in euch, – und darum nehmet ihr Mich nicht an!“ (Joh.5,42) 4. Sagten abermals einige Juden: „Das sind wohl recht feine und kluge Worte, aber sie beweisen noch lange nicht, daß nun auf einmal eben du der verheißene Messias bist! Du kannst, was wir allenfalls annehmen können, wenn wir wollen, ein Weissager in Seinem Namen sein, obwohl es geschrieben steht, daß aus Galiläa kein Prophet ersteht; aber von einem Messias wird bei dir wohl noch lange keine Rede sein! Haben wir recht oder nicht?“ 5. Sagte Ich: „Mitnichten; aber Ich will euch allerwahrhaftigst sagen, wie sich die Sache verhält! Und so höret: Ich bin nicht als ein Weissager im Namen des kommenden Messias, sondern als Selbst der verheißene Messias im Namen Meines Vaters, mit dem Ich völlig eins bin, zu euch gekommen, wofür Mir die Werke und Taten, die Ich wirke, das wahrhaftigste Zeugnis geben, und ihr nehmet Mich dennoch nicht an! Wenn aber ein anderer mit großem Pomp kommen wird in seinem eigenen, höchst eigennützigen Namen, den werdet ihr sicher ohne Bedenken annehmen! (Joh.5,43) Aber wie könntet ihr Mir auch glauben, die ihr alle die Ehre voneinander nehmet und euch auch von aller Welt ehren lasset, aber jene bescheidene Ehre, die von Gott ist, nie gesucht habt und nun auch nicht suchet!“ (Joh.5,44) 6. Sagten die Juden: „Nun gut, – du sagst ganz frei heraus, daß der allmächtige Gott dein Vater ist! So wir denn nun unrecht tun, daß wir dir nicht glauben, da verklage uns bei deinem Vater, und es wird sich dann schon zeigen, was uns dafür begegnen wird!“ 7. Sagte Ich: „Oh, meinet ja nicht, daß Ich euch bei Meinem Vater verklagen werde! Es ist ein anderer, der euch verklagen wird, und das ist Moses, auf den ihr hoffet, daß er zuvor noch einmal kommen wird mit Elias. (Joh.5,45) Und er ist auch gekommen, aber von euch ebensowenig erkannt worden wie nun Ich Selbst. (Notabene: Mosis Geist war in Zacharias und Elias' Geist in Johannes.) 8. Hättet ihr in eurem Weltsinne je an Moses geglaubt, so glaubtet ihr auch Mir; denn Moses hat von Mir gezeugt. (Joh.5,46) Da ihr aber seinen Schriften noch nie geglaubt habt, wie könnet ihr nun Meinen Worten glauben?!“ (Joh.5,47) 9. Sagten die Juden: „Wie kannst du sagen, daß wir, die wir auf seinem Stuhle sitzen, Moses nicht geglaubt hätten?“ 10. Sagte Ich: „Was der Mensch glauben soll, das muß er zuvor wissen, Ich aber sage euch, daß ihr nur ums Geld Priester geworden seid und seit eurer Kindheit es nicht einmal der Mühe wert gefunden habt, Mosis Schriften durchzulesen. Warum auch; denn es ist euch ja ohne solche Mühe immer sehr gut gegangen! Wisset ihr, wer zu allen Zeiten euer Moses und eure Propheten waren? Ich sage es euch: Das war euer Bauch!“ 11. Da machten die Judenpriester etwas verdutzte Gesichter, und einer sagte: „Wird uns denn nicht allwöchentlich die Schrift in der gewissen Tageszeit vorgelesen?! Wir besitzen nur fünf Exemplare und die Urschrift, die als Heiligtum außer dem Hohenpriester niemand anrühren darf, ohne mit dem Tode bestraft zu werden. Wie kannst du da sagen, wir wüßten nicht, was Moses und die Propheten niedergeschrieben haben?! Selbst können wir's freilich wohl nicht lesen, aber wir hören sie allzeit, wenn sie gelesen wird!“ 12. Sagte Ich: „Mit den Ohren höret ihr wohl, so ihr mit euren vollen Bäuchen während des Lesens nicht einschlafet; aber mit dem Herzen habt ihr sie noch niemals angehört, weil dieses stets in aller Welt herum zerstreut ist mit seinen Begierden. Die Gebote beachtet ihr ohnehin nur zum Scheine vor den Augen der Welt, weil ihr in priesterlichen Gewändern einhergehet; für euch aber haltet ihr nichts darauf! Das sage Ich euch, dieweil Ich euch um vieles besser kenne als je jemand in der Welt.“ 13. Hier fingen viele aus dem Volke, die das mit angehört hatten, ganz gewaltig an zu schmähen und über diese Judenpriester zu murren, und diese zogen sich alsbald in ihre Gemächer zurück. Ich aber ging mit den Meinen ebenfalls aus dem Tempel und begab Mich mit den Jüngern und dem Wirte zufolge der Einladung mit Lazarus nach Bethanien hin, das ein Flecken war, ungefähr fünfzehn Feldweges (nach jetzigem Maße nahezu an sieben viertel Stunden gemächlichen Schrittes) von Jerusalem entfernt. Daß wir dort überaus gut aufgenommen waren, versteht sich von selbst. Kapitel 5 Großes Evangelium Johannes, Buch 6 5. — Die Pharisäer in Bethanien 1. Ich aber konnte Mich allda diesmal nicht lange aufhalten, da aus Jerusalem stets zu viele angesehene Juden hinkamen, und darunter auch solche, die an Mich nicht glaubten. Ich nahm hier bloß auf drei Tage die freundliche Pflege an, lehrte aber nichts und tat auch nichts der ungläubigen Juden wegen. 2. Es sind wohl etliche zu Mir getreten und wollten Mich über so manches ausfragen, aber Ich sagte ganz einfach zu ihnen: „Hier ist kein Ort und keine Zeit! Was ihr aber da zu wissen nötig habt, das habe Ich allen im Tempel gesagt, und eines mehreren bedürfet ihr vorderhand nicht!“ 3. Darauf kehrte Ich ihnen den Rücken und ging mit Lazarus und mit dem Wirte ins Freie, allwo wir viel über den Unfug der Templer und über ihr Gebaren mit dem Volke sprachen, und der sehr gläubig gewordene Wirt konnte Mich darob nicht genug loben, daß Ich diesen Tempelheuchlern so ganz unverhohlen die reinste Wahrheit ins Gesicht gesagt habe. Auch Lazarus, der schon lange wußte, wer hinter Mir steckt, war dessen auch überaus froh. 4. Als wir so unter verschiedenen Besprechungen unter uns im Freien umherwandelten, da kam zu uns der Jünger Johannes, Mein Liebling, und sagte: „Herr, was sollen wir nun machen? Die Juden, die Du früher im Hause so ganz kurz abgefertigt hast, und denen Du dann schnell den Rücken kehrtest, sind nun darob sehr aufgebracht, brüten Rache und sagen: ,O warte, wir werden dir deinen stolzen Messias bald austreiben!‘ Wir versuchten sie zu beschwichtigen, allein da ward es noch ärger, und sie drohten, sogleich um Wache nach Jerusalem zu schicken!“ 5. Sagte Ich: „Gehe hin und sage es ihnen, daß Meine Zeit, von der Ich euch in Galiläa schon zu öfteren Malen geweissagt habe, noch nicht da sei; daher mögen sie immer die Wache holen lassen und bei solcher Gelegenheit noch mehr die Macht und Ehre des Sohnes Gottes kennenlernen! Gehe und richte ihnen das aus!“ 6. Voll Freude lief Johannes zu den stolzen und übermütigen Juden hin und richtete das auch ganz wortgetreu aus. Diese aber entbrannten darauf vor Wut und schrien (die Juden): „Wir werden sehen, wie weit dieses Nazaräers Macht reicht!“ 7. Darauf eilten bei zwanzig zur Tür hinaus, um die Wache von Jerusalem zu holen. 8. Ich aber wollte nicht, daß solches dem freundlichen Hause des Lazarus widerfahren möchte; daher ließ Ich die Wüteriche nur genau hundert Schritte vom Hause eilen und dann auf der Stelle ihrer Füße Glieder erstarren. Sie gaben sich nun alle Mühe, vom Flecke zu kommen; aber es war solches gegen Meinen Willen wohl sicher die reinste Unmöglichkeit. Da fingen sie an zu schreien und zu heulen und um Hilfe zu rufen. Da merkten das die Besseren, die schon im Tempel sich auf Meine Seite geneigt hatten, gingen hin und fragten sie, warum sie denn da nun stehenblieben und gar so jämmerlich um Hilfe schrieen. 9. Da riefen die Gebannten, mit den Zähnen knirschend: „Höret, wir sind an den Boden, da wir stehen, festgebannt, und unsere Beine sind plötzlich also fest geworden wie Erz! Welcher böse Geist hat uns das angetan? O helfet uns aus dieser allererbärmlichsten Not!“ 10. Die Guten aber sagten: „Ihr habt den, der heute am Sabbat den Kranken heilte, einen Sabbatschänder und Gotteslästerer gescholten, was er nicht verdient hat! Wäret ihr nun aber nicht zu tausendmal größeren Sabbatschändern geworden, so ihr eures bösen Hochmutes wegen als Priester sogar selbst die Wache geholt hättet, auf daß sie Hand an diesen Unschuldigen legete und dadurch das allerehrbarste Haus des Lazarus in einen mißlichen Ruf brächte?! Wir Bürger und nicht Priester Jerusalems aber sagen es nun euch schlechten Priestern: Dafür hat euch hier wahrhaft Gottes Strafe sichtbar ereilt! Jetzt erst glauben wir fest, daß der erhabene Galiläer eben das ist, was er heute nur zu wahr im Tempel von sich ausgesagt hat! Der allein kann euch helfen als der Sohn Dessen, der euch hier gestraft hat, und sonst aber niemand in der ganzen Welt mehr! Den bittet, und bekehret euch einmal zum Guten und Wahren, ansonst ihr bis zum Jüngsten Tage gleich dem Weibe Lots hier stehenbleiben könnet!“ 11. Diese Anrede wirkte, und die Gebannten schrien: „So bringet ihn her, und wir wollen ja tun, was er von uns verlangt!“ 12. Da gingen die Bürger wieder zurück in des Lazarus Haus und trafen Mich noch daselbst und erzählten Mir schnell die ganze Begebenheit. 13. Ich aber sagte zu ihnen: „Diese, die Meinetwegen die Wache aus der Stadt holen wollten, sollen nun nur eine Weile selbst Wache stehen, und es wird ihnen für fernerhin der Sinn schon vergehen, ein künftiges Mal ihrem starren Hochmute auf eine ähnliche Weise zu frönen! Wir werden nun noch vor dem Untergange der Sonne ein stärkendes Mahl einnehmen und dann erst sehen, was mit den von Gott aus Gebannten geschehen kann. Denn der Mensch soll auch am Sabbat essen, wenn es ihn hungert, und nicht erst nach dem Untergange der Sonne; denn was hat wohl die Sonne mit dem Sabbat zu tun und was der Juden dummer Sabbat mit der Sonne?! Ist denn die Sonne an einem Sabbat besser und ehrbarer denn an irgendeinem andern Tage, da doch ein jeder Tag ein Tag des Herrn ist, nicht nur der Sabbat allein?! Gehen wir daher zu den Tischen und lassen wir uns dabei recht gut geschehen!“ 14. Lazarus und seine beiden Schwestern waren darob völlig außer sich vor Freude, und es wurde auch sogleich reichlich aufgetragen, und wir fingen an zu essen und zu trinken und waren dabei voll guter Dinge. 15. Erst nach ein paar Stunden, als wir alle vollends gespeist waren, sagte Ich zum Lazarus: „Bruder, jetzt erst gehen wir zu den Gebannten hin und wollen sehen, was mit ihnen zu machen sein wird! Wahrlich, bei nur einiger Widerspenstigkeit sollen sie Mir bis morgen zum Aufgange hin dort stehenbleiben und dabei einsehen lernen, daß der Gottessohn nicht nötig hat, von den Menschen Zeugnis und Ehre zu nehmen! Und so wollen wir uns denn hin zu ihnen begeben!“ 16. Wir standen auf von den Tischen und gingen hin zu ihnen. Kapitel 6 Großes Evangelium Johannes, Buch 6 6. — Das Bekenntnis der Pharisäer 1. Als sie Mich kommen sahen, da fingen sie alsbald zu schreien an (die Gebannten): „Herr, hilf uns aus unserer wunderbaren Not, und wir wollen an deinen Namen, wie an deine göttliche Sendung vollauf glauben! Wir haben uns versündigt an Gott, indem wir an Seinen Geheiligten die Hände legen wollten. Wir bekennen offen, daß wir in unserer großen Blindheit gesündigt haben; darum erlöse uns, o Herr, von diesem Übel!“ 2. Sagte Ich: „Eure Worte klingen wohl gut; aber in euren Herzen klingt es anders!“ 3. Da fragten die Gebannten: „Wie klingt es denn in unseren Herzen?“ 4. Sagte Ich: „So ihr der Wahrheit nach bekennet, so soll euch geholfen sein, und zwar sogleich nach dem offenen und wahrhaftigen Bekenntnisse; so ihr aber leugnet, da sollet ihr harren bis morgen!“ 5. Sagte einer: „Aber wie können wir wissen, was ein jeder von uns für sich denkt?“ 6. Sagte Ich: „Da ist in euren Gedanken gar kein Unterschied! Redet darum, so ihr wollet!“ 7. Hier fing einer an zu reden und sagte: „Herr, du weißt es, daß man in dieser Welt aus Klugheit gar oft anders reden muß, als man denkt! Denn reden kann man so und so, und die Gedanken sind dennoch verdeckt und, wie man sagt, zollfrei; aber so du auch in unseren Herzen die Gedanken liesest, da bleibt uns freilich wohl nichts übrig, als genau nach unseren Gedanken zu reden. Du wirst uns schon vergeben, daß wir dich in unseren Gedanken nur so für einen außerordentlichen Zauberer hielten und gegen dich auch die gröbsten Verwünschungen ausgestoßen haben, dieweil wir darauf hielten, daß du uns solches angetan habest; denn wir haben einmal vor zehn Jahren in der Tat in Damaskus einen indischen Zauberer gesehen, der nicht nur Menschen, sondern sogar Tiere an den Boden gebannt hat. Nun, bei so vielen Erfahrungen, die wir in unserem Leben schon durchgemacht haben, ist es wahrlich schwer, ein rechtes Wunder von einem falschen zu unterscheiden, und du mußt es uns darum schon ein wenig zugute halten, so wir aus so manchen Rücksichten dich nicht sogleich als das anerkennen, als was du dich bei uns im Tempel vorführtest. 8. Dazu steht es auch in der Schrift, daß man nur allein an einen Gott glauben und nicht irgend mehrere fremde Götter neben Ihm haben soll. Du stelltest dich uns aber als ein rechter und gleicher Gott mit dem alten Gotte dar, da du offen sagtest, daß du Sein Sohn seiest und ganz die gleiche Macht habest wie Er, und das Gericht noch darüber. Wer kann dir – als dem Anscheine nach nur ein Mensch, aus Galiläa auch noch, wo ohnehin mehr Heiden als Juden wohnen – auf ein noch so feines Wort gleich glauben, daß du wirklich der bist, als den du dich vorgeführt hast?! Wir vermochten das auch nicht trotz deines tüchtigen Zeichens, welches du dazu noch heute als an einem Festsabbat ausgeübt hast, das uns deine vorgegebene Göttlichkeit noch mehr in einen Verdacht ziehen mußte. Jetzt geht uns freilich ein anderes Licht auf, und es wird uns noch mehr aufgehen, so du uns nun hoffentlich von dieser großen Plage erlösen wirst. Wir bitten dich darum!“ 9. Hier sagte Ich: „So seid denn frei!“ 10. In dem Augenblicke wurden sie frei und konnten wieder gehen, und dankten Mir. 11. Ich aber sagte zu ihnen: „Ihr seid nun frei; aber das sage Ich euch und allen: daß von dem, was sich hier zugetragen hat, gegen niemand anders auch nur ein Wort verraten wird! Denn Ich wirke Zeichen, die jedermann sehen und wissen darf, aber auch solche, die nur für wenige Menschen taugen, und diese müssen vorderhand vor der Allgemeinheit verschwiegen bleiben. Das wichtige Warum kenne Ich. Dann aber dürft ihr heute nicht nach Jerusalem zurück; denn Ich will eben heute noch so manches verhandeln mit euch. 12. Denn Der einst auf Sinai dem Moses die Gesetze unter Blitz und Donner gab, und dessen Geist vor Adam über den Wassern schwebte, Der steht in dieser schlichten Person vor euch. Möget ihr es nun glauben oder nicht, die Folge wird das Licht geben! Gehen wir nun nach Hause, und ihr zwanzig, die ihr noch nüchtern seid, werdet zuvor ein stärkendes Mahl einnehmen!“ 13. Hier wurden alle stumm und getrauten sich nicht, ein Wort miteinander zu tauschen. 14. Als wir aber ins Haus des Lazarus kamen, da sagte Petrus zu Mir: „Herr, das hast Du uns, Deinen beständigen Jüngern, noch nicht gesagt!“ 15. Sagte Ich: „Mit Händen zu greifen schon oft genug; aber euer Verstand war bis jetzt noch stets zu kurz und wird noch eine Zeitlang sicher also verbleiben! – Aber nun beschäftiget euch mit etwas anderem; Ich habe mit den Juden noch so manches abzumachen!“ 16. Damit waren die Jünger zufrieden und gingen ins Freie. 17. Die Speisen für die zwanzig aber standen schon auf dem Tische, nur war die Sonne noch nicht untergegangen; darum getrauten sie sich nichts anzurühren und blickten öfters nach der Sonne, ob sie noch nicht bald untergehen werde. 18. Ich aber sagte zu ihnen: „Höret! Wer ist denn mehr: die Sonne, der Sabbat oder Ich, der Ich in Meinem Geiste der Herr beider bin und schon von Ewigkeit her war?“ 19. Da sagten sie: „Ja, so du im Ernste das bist, als was du dich uns vorführtest, so bist du sicherlich allerhöchst mehr als die Sonne und der Sabbat!“ 20. Sagte Ich: „Setzet euch, und esset und trinket wohlgemut! – Einst hieß es: ,Gott kann niemand sehen und behalten das Leben; denn Gott ist ein alles verzehrend Feuer.‘ Nun aber könnet ihr Gott schauen und essen und trinken und dabei noch sogar das ewige Leben ernten!“ 21. Da sagten sie: „Es wäre schon alles recht, wenn nur das Gesetz Mosis nicht wäre!“ 22. Sagte Ich: „Wo Ich bin, da ist auch Moses und alle die andern Propheten; darum tut das, was der Herr will!“ 23. Da saßen endlich alle zu Tische und aßen und tranken noch vor dem Untergange der Sonne. Und als sie gegessen und getrunken hatten, führte Ich sie alle auf einen kleinen Hügel hinter dem Hause des Lazarus, allwo wir so manches verhandelten, wovon die nächste Folge einiges dartun wird. Kapitel 7 Großes Evangelium Johannes, Buch 6 7. — Der Herr mit den Seinen auf einem Hügel bei Bethanien 1. Als wir alle auf dem Hügel versammelt waren, der, wie bekanntgegeben, hinter dem Hause des Lazarus sich befand und auf seiner Höhe eine schöne Ebene hatte und mit vielen Ruhebänken wohl versehen war, da ließen wir uns bei der vollmondhellen Nacht nieder; und, obwohl wir unser aller zwar bei fünfundfünfzig Köpfe stark an der Zahl waren und doch völlig Raum zur Genüge hatten, so fingen dennoch einige Juden darüber zu wörteln an, daß man die Sitze nicht völlig der Rangordnung gemäß eingeteilt habe. 2. Lazarus aber bemerkte dagegen und sagte: „Meine Freunde! Nach dem, was wir gehört, gesehen und erfahren haben, gebührete der allererste Vorrang nur dem Einen unter uns, und Der hat Sich gerade den schlechtesten Platz ausgesucht! Wie mögen wir denn gar so vorrangsüchtig sein, da wir im Grunde als pur sterbliche Menschen vor Ihm doch gar nichts sind?!“ 3. Diese Anrede des Lazarus als des allgemein geachteten Hausherrn machte eine gute Wirkung und beseitigte die lästige und völlig nichtige Wörtlerei. 4. Als sogestaltig alles zur Ruhe und zur Ordnung gebracht war, da sagte Ich: „Vor allem gebiete Ich euch hier, daß ihr das, was ihr nun hören und sehen werdet, strenge für immerdar bei euch behaltet, auf daß da niemand dadurch mit einem Willens- und Gewissenszwang genötigt werden soll, an Mich und Meine Sendung zu glauben, denn allein durch die dafür bestimmte neue Lehre und durch die durch Meine Weisheit dazu gewählten Zeichen. 5. Jeder innere, moralische Zwang ist schon an und für sich ein Gericht; denn was ein Mensch nicht annimmt und tut mit seinem freiesten Willen und aus seiner völlig selbsteigenen Erkenntnis und Überzeugung, das gereicht ihm nicht zum Leben, sondern nur zum Gerichte. Soll der Mensch ganz gut und voll des wahren, geistigen Lebens werden, so darf er dazu durch gar kein anderes Zwangsmittel genötigt werden als allein durch seinen eigenen, ganz freien und festen Willen. 6. Weder Gesetz noch Lohn oder Strafe dürfen ihn irgend dazu bestimmen, sondern allein sein freier Glaube, seine innere Überzeugung, sein reines Erkennen, dann seines Außenmenschen Gehorsam und sein freier Wille, der aus der reinen Liebe zu Gott und zu allem Guten und Wahren hervorgehen muß. 7. Ich sage es euch als eine allerlichteste Wahrheit darstellend: Ebenso leicht und eigentlich noch leichter hätte Ich in Menschengestalt, und zwar in der riesenhaftesten Größe, begleitet von zahllosen Engelscharen und unter Feuer, Blitz und Donner und Sturm, zur Erde Mich herablassen und mit Berge zertrümmernder Donnerstimme euch verkünden können das neue Wort der Gnade. Da wäre sicher keiner unter euch gewesen, der in sich nur den allergeringsten Zweifel hätte können emporkommen lassen. Denn der höchste Schreck und die höchste Angst hätten ihn augenblicklich derart geknebelt, daß er dabei nicht einmal eines allerbeschränktesten Gedankens fähig gewesen wäre. Würde aber jemandem das zu seiner innern, wahren Freiwerdung etwas genützt haben? Oh, mitnichten! Das wäre ein Gericht für jedes Menschen Seele gewesen und eine Gefangennehmung aller Gemüter, derart, daß sie ordentlich zu den härtesten Steinen geworden wären! 8. Sehet, darum bin Ich in dieser Niedrigkeit ganz unvermerkt in diese Welt gekommen, wie Ich Mich auch durch den Mund der Propheten also angekündigt habe, auf daß keines Menschen Herz gefangen würde und sie allein durch die segensreiche Macht der Wahrheit Meiner Worte und Lehren Mich liebend erkennen und dann ganz frei ihren Lebenswandel einrichten! 9. Meine Zeichen sollen nur zur Bekräftigung dessen dienen, daß Ich wirklich Der bin, als der Ich Mich den Menschen darstelle. Darum verwarne Ich euch noch einmal, von dem, was ihr in dieser Nacht alles hören und sehen werdet, ja niemandem etwas zu sagen, damit in seinem Gemüte ja keines Menschen Herz gefangen werde! Ihr selbst aber sollet euch davon auch nicht gefangennehmen lassen in euren Herzen, sondern euch allein leiten lassen durch Mein Wort und dessen Wahrheit. 10. Denn so ihr frei aus euch heraus allen Meinen Zeichen widersprechet und euch frei füget nach der Wahrheit Meiner Worte, so habet ihr dennoch das ewige Leben in euch und dessen vollste Freiheit; lasset ihr euch aber nur von den Zeichen bestimmen und achtet auf die Wahrheit Meiner Worte nicht, so seid ihr gefangen, stehet im Gerichte, seid nichts als pure Maschinenmenschen ohne inneres, wahres Geistesleben und somit tot, so wie ein Stein tot ist. 11. Damit ihr euch auch nun danach benehmen könnet in eurem Gemüte, habe Ich als der alleinige Herr und Meister alles Lebens und Seins euch allen solches zum voraus gesagt. Richtet euch danach, so werdet ihr leben!“ 12. Diese Meine Rede hatte alle tief erschüttert, und es fing viele darob zu bangen an, was da nun alles kommen werde. 13. Ich aber sagte zu ihnen: „Ja, Meine lieben Kinder, wenn es euch darob schon jetzt bange wird und euch allerlei Furcht zu übermannen anfängt, da werde Ich vor euren Augen eben nicht gar zu viel tun können!“ 14. Sagte Lazarus: „O Herr, mich banget es nicht und Deine Jünger auch nicht! Wem es aber nun bangen wird, nun, dem soll es nur bange werden, – es wird ihm das auch nicht schaden!“ 15. Sagte Ich: „Nun wohl denn, so wollen wir denn hören und sehen!“ Kapitel 8 Großes Evangelium Johannes, Buch 6 8. — Moses und Elias erscheinen auf des Herrn Geheiß. Mosis Anklage wider die Tempeljuden 1. Hierauf wandte Ich Mich zu den Juden und sagte: „Ihr wolltet nicht glauben, daß Moses und Elias schon jüngst vor Mir da waren; darum sollen sie selbst wohlkenntlich hierher treten und euch selbst sagen, wessen Geistes Kinder ihr seid!“ 2. Sogleich standen die beiden Propheten mitten unter uns und beugten sich zuerst tief vor Mir. 3. Und Elias sagte laut: „Vor Dir und Deinem Namen müssen sich beugen alle Knie und Herzen im Himmel, auf Erden und unter der Erde!“ 4. Hierauf sprach Moses zu den Juden: „Ihr Frevler im Tempel Salomos, ihr Kinder der Schlange, welcher Teufel hat denn euch gezeugt, daß ihr sagen möget: Abraham sei euer Vater, und ihr säßet auf meinem und Aarons Stuhle?! So ihr aber schon euch im höchsten Grade unberufen darauf gesetzt habt, um darauf das von Gott mir gegebene Gesetz den Völkern zu verkünden, wie möget ihr denn nun den Allererhabensten nicht erkennen, der mir eben auf Sinai das Gesetz auf zwei steinernen Tafeln gegeben hat?! 5. Ihr saget, daß ich und dieser Bruder Elias hätten zuvor kommen sollen, – und sehet, wir beide waren da! Wer von euch aber hat uns erkannt und wer an uns geglaubt?! Und habt ihr uns nicht ganz dasselbe angetan, was ihr beinahe allen Propheten und Heiligen des Herrn angetan habt?! Was ist denn das hernach, so ihr argen Heuchler euch vor meinem Namen bis zur Erde niederbeuget und mich selbst aber verfolget und zuletzt zwischen dem Altare und dem Allerheiligsten erwürget? Redet und gebet Antwort!“ 6. Da sagte einer mit bebender Stimme: „O – großer Prophet –, der, – der – da – erwürget worden ist –, der hieß ja nur Zacharias!“ 7. Sprach Moses: „Du nun leibesalter Bösewicht warst aber Augen- und Ohrenzeuge, was ich da zu der Priesterversammlung, als Ich aus dem Allerheiligsten zurückkam, gesagt habe! Siehe, die Worte lauteten also: ,Höret, Brüder, Gott der Herr hat in Seiner großen Gnade und Erbarmung mir mein Inneres aufgetan, und Mosis Geist trat in mich, und nun ist meine Seele und Mosis Geist ein Mensch, der nun vor euch steht, wie er einst vor Pharao und auf Sinai vor Gott stand! Ich war der erste, der diesen Stuhl gestellt und auf Gottes Geheiß sich darauf gesetzt hat, – und nun sitze ich als von Gott also beschieden als der Letzte darauf; denn in Zukunft wird der Herr allein, der schon in dieser Welt wunderbarsterweise das Fleisch der Menschen angenommen hat, mit diesem Stuhle machen, was Er wird wollen nach Seinem nie erforschlichen Rate!‘ Da ergrimmtet ihr ob solcher meiner wahrsten Weissagung, risset mich vom Stuhle und erwürgtet meinen Leib. Ist es nicht also geschehen?“ 8. Sagte ein anderer, ebenfalls schon alter Jude noch kleinlauter: „Ja – also war es – fürwahr –; aber – wer hätte da so etwas glauben können?!“ 9. Sagte Moses: „Warum haben es denn etliche Fromme geglaubt, die ihr darum aus dem Tempel in ferne Lande unter die Heiden vertrieben habt, deren etliche noch am Leben des Fleisches sind und wider euch zeugen können?“ 10. Sagte wieder ein anderer alter Jude: „Ja, das mag schon sein, – diese müssen dafür ein Gesicht gehabt haben; aber wir haben kein Gesicht jemals gehabt!“ 11. Sagte Moses: „Oh, du redest falsch und belügst dich selbst! Denn solches ist im Geiste allen bis zum allergeringsten Tempelknechte sieben Male nacheinander klar und verständlich in hellen Träumen angezeigt worden, und ihr alle habt sie euch untereinander noch wochenlang in der Zeit, als ich stumm war, ausgelegt. Wie kannst du nun sagen, daß ihr kein Gesicht dafür gehabt habt?“ 12. Sagte abermals derselbe Jude: „Ja – war denn der Traum auch ein Gesicht? Da seht nun, da seht nun! Ja, – wer hätte damals so etwas ahnen können!?“ 13. Sagte Moses: „O ihr weltschlauen Weltfüchse, ihr wußtet recht wohl aus vielen Exempeln aus der Schrift, was die lichten Träume zu bedeuten haben! Zum Beispiel Jakobs Traum, Josephs Träume, des Pharao Traum und dergleichen noch gar viele, diese haben euch gar wohl ins Ohr geraunt, was eure siebenmaligen Visionen zu bedeuten haben; aber euer Weltsinn, euer priesterlicher Hochmut, eure Lust zum unbeschreiblichen Wohlleben und zum stinkendsten Müßiggange und zur Hurerei aller Art und Gattung haben euch geblendet und betäubt, und so habt ihr euch sehr gefürchtet, laut solcher meiner Weissagung alle eure gar so angenehmen irdischen Lebensvorteile zu verlieren, habt, anstatt euch in den Willen Gottes zu fügen, lieber alles gegen ihn aufgeboten und habt bis zur Stunde, bis zu diesem Augenblicke, völlige Meuterer gegen Gott gemacht. Wie gefällt euch, ihr Würmer des Staubes, diese allerhöchst wahre Geschichte?! 14. Sehet, der Herrliche und der Allerhöchste, dessen Antlitz ich, Moses, nie würdig sein kann anzuschauen, hat es euch Selbst im Tempel gesagt: ,Nicht Ich, sondern Moses, auf den ihr hoffet, wird euch beim Vater anklagen!‘ Und seht, es ist seit der Zeit noch lange kein Tag vergangen, und des allerhöchsten Herrn Voraussage gehet bereits in Erfüllung, und ich, Moses, im Namen des Herrn euer aller Hauptprophet, klage euch nun vor Seinem heiligsten Angesichte alles dessen an, dessen ihr euch in der allerhimmelschreiendsten Weise schuldig gemacht habt! Was könnt ihr nun zu eurer Rechtfertigung sagen?“ 15. Hier fangen die total in die engste Enge getriebenen Juden vor lauter Furcht und Entsetzen ganz wie sprachlos bloß nur bebend zu stammeln an, ohne ein verständliches Wort mehr über ihre armseligen Lippen zu bringen. 16. Nur ein Jüngerer unter ihnen sagte mit sehr bebender Stimme: „Mein Gott und Herr, fängt denn heute schon das erschrecklichste Jüngste Gericht an?“ 17. Sagte Moses: „Meine Anklage stehet jeden Augenblick in meiner Hand; der Zorn und die Rache aber liegt in der Hand des allmächtigsten Herrn! Euer jüngster Tag aber ist dem Endziele nun schon um ein bedeutendes näher gerückt; aber nun hängt alles von dem Herrn ganz allein ab. Redet nun, wie ihr das alles versteht!“ 18. Sagte ein alter Jude, vor Angst mit den Zähnen klappernd: „O du großer Prophet Moses, sage es uns doch, ob wir etwa gar unrettbar in die Hölle kommen werden, und ob denn ein jeder Mensch seinen eigenen Jüngsten Tag hat!“ 19. Sagte Moses: „Was die Hölle anbelangt, so brauchet ihr in eurer gegenwärtigen Lebensweise gar nicht zu fragen, ob ihr hineinkommen werdet; denn eure Denk- und Handlungsweise war ja schon seit lange her eine derartige, daß ihr bis jetzt in der Hölle waret, und ihr habt auch alles getan, was ihr (der Hölle) tauget. Ihr könnt daher nicht mehr in die Hölle kommen, weil ihr eigentlich schon darinnen seid. 20. Was aber den Jüngsten Tag betrifft, so werdet ihr nach der Ablegung eures Leibes in der andern Welt ebensogut einen jüngsten Tag haben, als ihr in dieser Welt auch einen letzten und ältesten haben werdet. Allein, solange ihr noch in dieser Welt lebet, könnet ihr, so ihr wollet, noch leicht aus der Hölle einen Ausweg finden; denn hier sitzet unter euch der große Führer und Erlöser, den höret, und handelt danach! – Ich habe geredet vor Dir, o Herr, und nun mag Elias an meine Stelle treten!“ Kapitel 9 Großes Evangelium Johannes, Buch 6 9. — Die Anklage des Elias 1. Sagte Ich: „Elia, du Vorbereiter und Ebner Meiner Wege! Was weißt du vorzubringen gegen diese Diener des Tempels?“ 2. Sagte Elias: „Herr, Moses hat alles gesagt! Mit ihm hat der Tempel aufgehört, ein Gotteshaus zu sein; er ist nun nichts denn eine Räuber- und Mördergrube geworden. Ich habe diesen das am Jordan haarklein und sonnenhell gezeigt und mit richtiger Rechnung bewiesen. Als sie aber sahen, daß sie mir nichts von nur irgendeiner Haltbarkeit entgegenzustellen imstande waren, und als sie wohl merkten, daß sie auf die unwiderlegbarste Weise vor dem Volke verraten und waren angeklagt jeder möglichen Ungerechtigkeit gegen Dich, o Herr, und gegen das Volk, da lachten sie offen, erklärten mich für einen frommen Narren, den man wohl, um sich zu erheitern, ein paar Stunden lang anhören kann, bedrohten aber dennoch das Volk geheim, meine Lehre für etwas mehr als nur für eine lächerliche Raserei zu halten. 3. Heimlich aber wurden sie voll Grimmes, da sie wahrnahmen, daß das Volk mich denn doch für einen Propheten hielt und ehrte, Buße tat und sich taufen ließ. Diese argen Frevler im Heiligtume Gottes merkten nur zu bald, daß ihnen durch mich die Axt an die Wurzel gelegt war und dadurch ihrer schnöden Herrschaft Ende vor der Türe stehe. Da umringten sie den Herodes und bewiesen mit allerlei grundfalschen Gründen und schlechtesten Winkelzügen, wie seiner Herrschaft durch mich die größte Gefahr drohe. Herodes konnte das zwar nicht einsehen, da er in festen Kontrakten mit Rom stand, denen er stets pünktlich nachkam, und daher bei was immer für widrigen Vorkommnissen unbedingt sogar so als bedingt auf den römischen Schutz rechnen konnte. Allein, das half aber alles nichts; sie bestürmten den Herodes so lange, bis er mich gefangennahm. 4. Als ich einmal gefangen war, aber meine Jünger dennoch den freien Zutritt zu mir hatten, da konnten sie den Herodes nicht mehr belästigen; doch aber merkten sie, daß meine Lehre durch meine Jünger gewaltig fortwuchere. Da stieg ihr Groll und Grimm von Stunde zu Stunde, und sie steckten sich hinter die arge Mutter der schönen Herodias, daß diese, so ihr Herodes sich eine Gnade von ihm zu erbitten bei seinem gewöhnlichen Eide das Fürstenwort geben werde, nichts als mein Haupt begehren solle. Dafür aber werde die Mutter geheim zehntausend Pfunde Goldes aus dem Schatze des Tempels erhalten. Der schönen Herodias aber dünkte diese Forderung zu arg, weil sie wohl wußte, daß Herodes geheim mich liebte; aber es fuhr ein böser Geist in die Alte und enthüllte ihr, daß ich dem Herodes das unlautere Verhältnis nicht billige und ihn davon abbringen wolle. Das machte denn auch die Herodias arg gegen mich also, daß sie dann am Feste auf ein nochmaliges Zureden ihrer geheim bestochenen Mutter mein Haupt verlangte, was zwar den Herodes sehr betrübte, – aber dieweil er einmal den Eid geschworen hatte, so mußte er ihn auch halten, und ich ward denn auch im Gefängnisse enthauptet. 5. Als die Templer das erfuhren, da brach bei ihnen ein großer Jubel aus, und sie fingen gleich an, das Volk, das an mich glaubte, nach Möglichkeit zu verfolgen. – Das, o Herr, ist, mit Hinweglassung aller Dir ohnehin nur zu bekannten Nebenumstände, der ganz einfache Grundzug ihrer gänzlichen Verworfenheit, und ich klage sie dessen nun vor Dir an! Du allein aber bist der Herr von Ewigkeit; Du richte sie nach Deiner unendlichen Macht, Weisheit und Gerechtigkeit! Dein allein heiliger Wille geschehe!“ 6. Hierauf sagte Ich: „Ja, also ist es! Es gab dabei zwar noch so manche anderen Umstände, deren Ich Selbst bei Gelegenheit erwähnt habe, wie davon auch andere Augen- und Ohrenzeugen gesprochen haben vor Meinem Angesichte; aber das ist der eigentliche, innerste Kern ihrer überhöllischen Bosheit! Aber nun sage Ich zu euch, ihr Meine getreuesten Propheten und nun Engel Meiner Himmel, und frage euch, ob ihr diesen großen Frevlern in Meinem Heiligtume vergeben könnet die große Unbill, die sie an euch begangen haben.“ 7. Sagten beide: „Ja, Herr; denn Du allein bist ja unser aller Versöhnung! Nur wolle Du nach Deiner großen Barmherzigkeit sie erleuchten, auf daß sie einsehen mögen, wie groß ihr Arges ist!“ 8. Hierauf verschwanden die beiden auf Meinen geheimen Wink, und wir waren wieder allein. Kapitel 10 Großes Evangelium Johannes, Buch 6 10. — Die Selbstanklage der Priester 1. Es dauerte eine geraume Zeit, ehe sich jemand getraute, auch nur ein Wörtlein zu sprechen; denn die Erscheinung der beiden Propheten hatte alle tief ergriffen und die anwesenden Juden besonders tief erschüttert. 2. Nur der Wirt, der neben Mir auch ganz durch und durch ergriffen saß, sagte so halblaut zu Mir: „Herr, Herr, das zeigt mehr denn alles, daß Du in der höchsten Wahrheit das bist, als was Du Dich im Tempel vor dem ganzen Volke dargestellt hast! 3. Jetzt liegt es klar am Tage, daß die verheißene große Zeit der Zeiten herbeigekommen ist mit allen Gnaden, aber auch mit allen Gerichten aus den Himmeln. Oh, wenn ich doch nur würdig wäre, an den Gnaden einen kleinsten Teil zu nehmen!“ 4. Sagte Ich: „Nicht nur einen kleinsten, sondern einen allergrößten Teil kannst du dir nehmen! Das kommt nur allein auf deinen Willen an, mit Freude und Lust zu wandeln nach Meiner Lehre, mit der du in Kürze vollauf vertraut werden wirst. – Aber nun wollen wir die Juden fragen, wie ihnen diese wahre Erscheinung gefallen hat!“ 5. Hierauf wandte Ich Mich an die zwanzig Judenpriester und fragte sie, was sie zu dieser Erscheinung nun sagen. 6. Da erhob sich einer vom Sitze und fing an, also zu reden: „Daß die Erscheinung kein irgend hergezaubertes Blendwerk war, davon sind wir alle vollkommen überzeugt; denn eine pure Blenderscheinung, wie ich etliche einmal in Damaskus gesehen habe, hat keine Sprache und weiß nicht um die geheimsten Daten von Begebenheiten, die sich irgend vor kurz oder lang zugetragen haben. Aber weil die Erscheinung eben kein Blendwerk war, so hat sie auf uns alle sicher einen höchst unheilvollen Eindruck machen müssen, und das darum, weil wir daraus nur zu klar ersehen haben, daß wir ob unserer bösen Taten von Gott unmöglich je mehr eine Vergebung unserer zu großen Sünden zu erwarten haben. 7. Es ist wahrlich eine höchst schwere Sache, auf der Welt ein Mensch zu sein! Man ist allen Verlockungen der Welt und der Teufel ausgesetzt, zweier Feinde des menschlichen Lebens, von denen man den minder schädlichen wohl sieht, aber den zweiten, der den Menschen in die Welt hinein verlockt und mit aller Gewalt zieht, sieht niemand, und es kann sich daher auch sehr schwer jemand ihm zur Gegenwehr stellen. 8. Daß wir zu großen Sündern geworden sind, das sehen wir nun klar ein; aber wie wir so nach und nach dazu gekommen sind, das ist uns völlig unbegreiflich. Wir können nun nichts anderes sagen als: Herr, wenn es für uns in Dir noch eine Barmherzigkeit gibt, so erbarme Dich unser und richte uns wenigstens nicht zu hart! 9. Hätten wir damals das so eingesehen wie jetzt, so wäre Zacharias und nun später Johannes nicht also behandelt worden. Aber wir waren ja alle stockblind, von der Welt und vom Teufel geblendet, und so handelten wir denn auch rein nach unserer wahrlich echt teuflischen Blindheit und nach dessen ärgstem Willen. 10. Wie uns aber nun Moses und Elias ganz gerecht vor Dir, o Herr, angeklagt haben, so klagen wir denn nun vor Dir auch den Teufel, diesen ärgsten Feind der Menschen an, und Du wolle auch ihn vor Deinen Richterstuhl ziehen!“ 11. Sagte Ich: „Was an euch des Teufels Anteil ist, das steht schon lange an seiner Rechnungstafel; aber Ich sage euch, daß es nun etliche im Tempel gibt, die schon lange den Teufel übertreffen und also mit der Menschheit handeln, daß sie darin von keinem Teufel übertroffen werden können. 12. Noch sage Ich euch, daß eben an den Verlockungen von seiten der Teufel lange nicht so viel liegt, als ihr in eurem törichten Glauben meinet! Der eigentliche Teufel ist der Mensch mit seinen Weltgelüsten selbst! Aus denen geht hervor die Selbstliebe – das ist ein Teufel –, die Sucht zum Wohlleben – ein zweiter Teufel –, die Ehrsucht, der Hochmut, die Herrschsucht, der Zorn, die Rache, der Neid, der Geiz, die Hoffart, die Hurerei und die Geringschätzung seines Nebenmenschen – das sind lauter Teufel, auf eigenem Grunde und Boden erzeugt! Darum sollet eben ihr keine so große Furcht vor dem Teufel haben und ihn auch nicht anklagen; aber euch selbst klaget in eurem Gewissen an, und bereuet es recht, und fasset den festen Entschluß, ganz andere Menschen zu werden, und werdet es dann auch! 13. Liebet Gott wahrhaft über alles und den armen Nächsten wie euch selbst, so werden euch auch eure vielen und großen Sünden vergeben werden! Denn so ein Mensch die Sünde nicht völlig verläßt, so kann sie ihm auch nicht erlassen werden. Denn die Sünde ist ja des Menschen eigenstes Werk, weil sie hervorgeht aus seinem Fleische und aus dem Willen seiner Seele. 14. Die guten Werke nach dem Willen und nach dem Worte Gottes sind und bleiben eigentlich, wenn der Mensch sie auch tut aus freier Selbstbestimmung, eine Gnade von oben, ein Verdienst des Geistes Gottes im Menschenherzen, und der Mensch wird dessen teilhaftig eben durch die Gnade Gottes. – Nun wisset ihr, wie die Sachen stehen. Ihr seid frei und könnet tun, was ihr wollet!“ Kapitel 11 Großes Evangelium Johannes, Buch 6 11. — Die guten Vorsätze der neubekehrten Judenpriester 1. Sagte der Jude: „O Herr, verlasse nur Du uns in dieser Welt nimmer, – dann sind wir alle geborgen! Freilich, wohl zählt der Tempel noch bei siebenhundert, die uns gleichen; aber die sind noch um vieles verhärteter denn wir, – die mögen für sich sorgen, wie es ihnen ergehen wird! Wir werden aber schon morgen unsere Sachen nehmen und unseren Überfluß an die Armen verteilen. Dann ziehen wir ein anderes Gewand an und werden Dir nachfolgen, – und solltest Du uns auch mit Blitz und Donner zurücktreiben! Haben wir erst Deinen Willen vollends erkannt, dann werden wir auch als alte Juden zeigen, daß sich auch alte Bäume noch ganz gut biegen lassen. Wir haben nun gesehen, daß es außer Dir, o Herr, kein Heil und kein Leben geben kann; darum soll uns von Dir, o Herr, auch ewig nichts mehr abwendig machen! 2. Siehe, o Herr, wir waren im Grunde uranfänglich so grundböse nicht; denn wir suchten im Tempel nur die Urwahrheit, als wir uns demselben einverleiben ließen! Aber was gab es da? Nichts als tiefe Geheimnisse über Geheimnisse! Fragten wir jemand um ein Licht, so hieß es: ,Ihr braucht nichts denn allein den Glauben! Was euch der Tempel zum Glauben vorstellt, das glaubet ungezweifelt, und käme es euch noch so widersinnig, unvernünftig und unnatürlich vor; denn der Hohepriester hat allein den Schlüssel zu den Geheimnissen Gottes, und das genüge euch! Er allein opfert für euch und für das ganze Volk!‘ Nun, das waren so recht anziehende Worte, die aber leider durch die traurige Geschichte mit dem Hohenpriester Zacharias für unser Gemüt einen gar sehr bedeutenden Stoß erlitten haben; denn darauf sahen wir es bei uns erst so recht fest ein, daß an Moses, an allen Propheten und an der ganzen Schrift aber schon gar nichts sein könne. Denn wäre da irgend etwas daran, so könnten unsere Vorgesetzten unmöglich gar so gewissenlos handeln! 3. Da wir uns denn doch also überzeugt hatten, daß an der Schrift auf solche Weise nicht ein sterbenswahres Wörtlein hängt, da erst entzügelten denn auch wir alle unsere argen Leidenschaften und wurden im Grunde dann ärger denn eine ganze Legion der ärgsten Teufel. Denn diese weichen vor dem Namen des Allerhöchsten; wir aber wichen nicht, sondern wurden darauf noch erboster und boshafter. Siehe, Du allweisester, allgütigster und gerechtester Herr und Meister, da wir eigentlich denn doch nur zuallermeist durch unsere Vorgesetzten in diesen Zustand, in welchem wir uns nun befinden, versetzt worden sind durch ihre bösen Beispiele, so erhoffen wir von Dir um so mehr die Vergebung unserer Sünden, als wir alle nun den festesten Vorsatz gefaßt haben, alle Sünde zu verabscheuen und rein nach Deiner Lehre zu leben, – und sollte es selbst dies unser irdisches Leben kosten!“ 4. Sagte Ich: „Gut denn; es sollen euch denn nun alle eure Sünden erlassen sein, – aber nur auf so lange, als keiner von euch je wieder eine Sünde begeht! So ihr aber im Ernste Mir als Jünger nachfolgen wollet, da machet es im Tempel klug, auf daß es die schlauen Füchse nicht merken, was ihr im Sinne habt! Denn Meine Zeit ist noch nicht da, in der Ich Mich der Sünden der Welt wegen will von den argen Füchsen verfolgen lassen; denn es muß auch noch das geschehen, auf daß ihr Maß voll werde. – Jetzt aber habet acht darauf, was da nun kommen wird, und nehmet es euch alle wohl zu Herzen!“ Kapitel 12 Großes Evangelium Johannes, Buch 6 12. — Der nächtliche Gewittersturm 1. Hierauf erhob sich ein großer und starker Wind, und im Osten stiegen schwere und wie glühend aussehende Wolken auf. Diese Erscheinung fiel allen um so mehr auf, als sie hier zu den großen Seltenheiten gehörte. Man sah nun auch schon eine Menge Blitze in dem schweren Gewölke hin und her und auf und ab fahren und vernahm auch ein fernes, aber gewaltiges Rollen des Donners. 2. Da wurde allen ein wenig ängstlich zumute, und Lazarus sagte zu Mir: „Herr, siehe das starke Gewitter! Es scheint die Richtung gerade gegen uns her nehmen zu wollen! Wie wäre es denn, so wir etwa doch lieber ins Haus gingen; denn solche Nachtgewitter sind oft sehr böse!“ 3. Sagte Ich: „Sei ruhig, Lazarus; denn dies Gewitter käme ohne Meinen Willen nicht! Warum Ich es aber kommen lasse, das wirst du nachher schon erfahren.“ 4. Auf das ward Lazarus ruhig; aber die Juden, als das Gewitter stets näher und näher kam, fingen an, zaghaft zu werden und heimlich die Jünger zu fragen, ob Ich Mich denn vor dem starken, schnell herannahenden Gewitter wohl nicht scheuete. 5. Die Jünger aber sagten: „Er ist auch ein Herr über die Stürme und Gewitter, und alle Elemente müssen gehorchen Seinem Willen; darum brauchen wir uns in Seiner Gegenwart vor keinem Gewitter zu fürchten.“ 6. Die Juden nahmen diesen Trost gut auf und wurden ruhiger. Aber die zwanzig Judenpriester wurden ganz entsetzlich unruhig und voll Furcht, besonders als ein Blitz mit großem Gekrache dem andern in jedem Augenblicke folgte. Sie erhoben sich von ihren Sitzen, traten zu Mir hin und sagten: „Herr, dem alle Dinge möglich sind, gebiete doch dem argen Gewitter, sonst gehen wir alle übel zugrunde; denn das ist ein böses Gewitter! Wir haben in unserem ganzen Leben nur drei solche erlebt, und da sind an einem gleichen Spätabende viele Menschen und Tiere dabei ums Leben gekommen. Es hat damals, so wie jetzt, Blitze und Donnerkeile geregnet, und wer getroffen ward, der war auch schon ein Kind des Todes. Nur die, die sich in die gut gebauten Häuser flüchteten, blieben am Leben. Besonders heftig war das große Gewitter vor zwanzig Jahren in Damaskus. Wer da im Freien war, der kam schwerlich mit dem Leben davon. Darum wäre es auch vielleicht hier besser, so wir uns dennoch ins Haus begäben; denn hier kann es uns allen gar sehr übel ergehen, so das böse Gewitter über uns zu stehen kommen wird. Auch der Wind wird nun schon so heftig, daß man ihn wohl kaum mehr ertragen kann!“ 7. Sagte Ich: „Lasset das, denn auch in diesem Gewitter sollet ihr die Kraft und Macht Gottes im Menschensohne kennenlernen!“ 8. Als Ich solches kaum ausgesprochen hatte, da stand das Gewitter, weithin nach allen Seiten ausgedehnt, gerade über uns, und tausend Blitze entfuhren in jedem Augenblick dem schweren Gewölk. Mehrere schlugen ringsherum mit großem Gekrache in den Hügel. 9. Da fingen die Juden ganz gewaltig zu schreien an: „O Herr, hilf uns, sonst sind wir alle verloren!“ 10. Ich aber sagte: „Hat denn jemanden schon ein Blitz getroffen, daß ihr gar so schreiet?! Die bei Mir sind, denen droht keine Gefahr. Lernet aber nun die Macht des Vaters im Sohne kennen; denn dieses Gewitter ist auch ein Gericht und stehet in Meiner Macht! Ich habe es hervorgerufen und kann es auch wieder vergehen lassen, wann und wie Ich es will. Für euch, ihr zwanzig Priester, aber ist es ein Symbol eures Gemütes; denn geradeso hat es vor kaum noch drei Stunden in euren Herzen ausgesehen und ärger noch, als es jetzt da über uns aussieht. 11. Doch – glaubet es Mir – ist es Mir ein leichteres, diesem Gewitter zu gebieten, daß es verstumme samt dem starken Sturmwinde, als zu gebieten eurem Herzen mit seinen bösen Leidenschaften! Da hat es viel Redens und großer Zeichen benötigt, um eures innern Ungewitters Meister zu werden; bei diesem losen und heftigsten Gewitter bedarf es bloß eines Wortes, und es wird nicht mehr da sein! 12. Aber wie nach der Vertreibung eures innern bösesten Ungewitters euch Meine Gnade zu leuchten begann, so soll auch hier nach der Vertreibung dieses bösen Ungewitters dasselbe symbolisch am Firmamente ersichtlich werden. Sehet, es ist bereits eine große Anzahl Blitze dem schweren und weithin ausgebreiteten Gewölk entfahren, aber es hat solche Anzahl noch lange nicht die Zahl eurer Sünden erreicht! Hieraus könnet ihr nun wieder ersehen, wie ihr beschaffen waret! Ich müßte das Gewitter noch eine volle Stunde währen lassen, um die Anzahl der Blitze mit der Zahl eurer Sünden auszufüllen; aber es hätte solches für euer Inneres weiter keinen Wert, und so lassen wir denn dies euch alle nun schon sehr beängstigende Gewitter vergehen! Und so gebiete Ich dir, du Ungetüm, daß du dich auflösest und vergehest! Amen.“ 13. Im Augenblick verstummte das Gewitter samt dem Sturmwind, das Gewölk verrann, die Sterne erglänzten in ihrer alten Pracht und Majestät, und gerade über uns leuchtete ein großer Stern, der allen fremd war. Kapitel 13 Großes Evangelium Johannes, Buch 6 13. — Der neue Stern mit dem Neuen Jerusalem. Die Bedingung fürs ewige Leben 1. Da fragte Lazarus: „Herr, es ist das ein fremder Stern, den ich zuvor noch niemals gesehen habe! Was ist das für ein Stern, und was hat er zu bedeuten?“ 2. Sagte Ich: „Sei du nur ruhig; denn ihr alle werdet diesen Stern bald näher kennenlernen!“ 3. Hierauf öffnete Ich allen Anwesenden auf einige Augenblicke die innere Sehe, und der Stern ward zu einer Welt voll Lichtes, und in seiner Mitte stand ein neues Jerusalem, das zwölf Tore hatte, und die Ringmauern im Viereck waren aus ebenso vielen Gattungen von Edelsteinen erbaut, als wie viele Tore die Stadt hatte. Durch alle Tore gingen Engel aus und ein; auch zeigten sich abermals Moses und Elias und viele andere Propheten. Da staunten die Juden darob über alle Maßen und fingen an, Mich zu loben und zu preisen, dieweil Ich ihnen so große Gnaden erwiesen und gezeigt habe. Ich aber rief sie wieder in ihren natürlichen Zustand zurück, und sie sahen wieder nur den hellen Stern, der sich nach und nach, stets kleiner werdend, gänzlich verlor. 4. Als sonach die ganze Szene zu Ende war, da fragten Mich beinahe alle auf einmal, was wohl das gewesen wäre. 5. Sagte Ich: „Da war zu sehen diese Meine neue Lehre, die Ich euch aus den Himmeln gebe! Sie ist das wahre, neue Jerusalem aus den Himmeln; denn das alte, irdische ist nichts nütze mehr. Die zwölf Tore bezeichnen die wahren zwölf Stämme Israels, und die zwölf Edelsteingattungen der Ringmauern bezeichnen die zehn Gesetze Mosis, und die obersten zwei Reihen als Diamant und Rubin bezeichnen Meine zwei Gebote der Liebe zu Gott und der Liebe zum Nächsten. Die Engel, die bei den Toren aus und ein gingen, bezeichneten die vielen Wahrheiten, die den Menschen offenbar werden durch die getreue Beachtung Meiner Lehre. Die aus der Stadt Wandelnden zeigten an die große Weisheit dieser Meiner Lehre, und die vielen in die Stadt Wandelnden bezeichneten, wie die Menschen diese Meine Lehre als pur Liebe auch in ihre Herzen sollen eingehen lassen und danach handeln, so werden sie dadurch zur wahren Wiedergeburt im Geiste gelangen und dadurch in alle Wahrheit und Weisheit geleitet werden. 6. Das ist die Bedeutung dieser Erscheinung, und das ist denn auch die wahre Gnadensonne für jeden, der Mein Wort hört und danach lebt, und in dieser werden auch alle, die an Mich glauben und glauben werden, für ewig bei Mir sein und wohnen und mit Mir leiten und führen alles, was da geschaffen ist im ewigen Raume. 7. Dieses verstehet ihr jetzt zwar noch nicht und könnet es auch nicht verstehen; aber so ihr bleibet im Glauben an Mich und tut nach dieser Meiner Lehre, so werdet ihr in eurer Glaubens- und Liebereife getauft werden vom Heiligen Geiste, den Ich allen senden werde, die lebendig an Mich glauben und an Den, der Mich aus Sich im Fleische als einen Menschensohn in diese Welt gesandt hat; denn das ist das eigentliche wahre, ewige Leben, daß ihr an Mich als an den wahrhaftigen Sohn des Vaters im Himmel glaubet und lebet nach Seiner Lehre. 8. So aber der Geist, von dem Ich nun zu euch geredet habe, zu euch kommen und euch durchdringen wird, dann werdet ihr aus euch selbst alles begreifen, was ihr nun alles sehet und höret, aber nun in eurer puren Naturmäßigkeit nicht begreifen könnet; denn das Fleisch kann den Geist nicht fassen und ist in sich ohnehin tot und hat kein anderes Leben als allein nur das zeitweilige Mitleben aus der Lebenskraft der Seele, die mit dem Geiste verwandt ist und ihm ganz ähnlich und eins mit ihm werden kann, so sie sich von der Welt ganz abwendet und ihre Sinne allein dem Innersten, Geistigen zuwendet nach der Ordnung und Weise, wie es euch zeigt Meine Lehre und Mein höchsteigenes Beispiel. 9. Darum suche ein jeder von euch, seine Seele durch ihre eigene Kraft zu retten; denn so sie ins Gericht kommt, wird sie sich dann wohl retten können ohne Mittel dazu, so sie hier mit so vielen Mitteln, die ihr zu Gebote stehen, sich nicht retten kann, ohne zu bedenken, daß sie sich selbst ein unschätzbares Gut sein sollte, das, so es verlorengeht, aus sich mit nichts wieder erkauft oder erworben werden kann?! 10. Jeder suche daher vor allem zu retten seine Seele! Denn Ich sage es allen, daß es jenseits also sein wird: Wer da hat die Liebe, die Wahrheit und also die rechte Ordnung Gottes in sich, dem wird dort alsogleich noch gar vieles hinzugegeben werden; wer aber das nicht hat oder viel zuwenig hat, dem wird auch noch das, was er allenfalls noch hat, genommen werden, auf daß er dann gar nichts habe und nackt, mittellos und somit ohne Hilfe dastehe. Wer wird sich da seiner erbarmen und für ihn geben eine Löse?! Wahrlich, sage Ich euch: Hier zählt eine Stunde mehr denn dort tausend Jahre! – Diese Worte schreibet euch tief ins Herz; aber vorderhand behalte sie ein jeder bei sich!“ Kapitel 14 Großes Evangelium Johannes, Buch 6 14. — Bekenntnis eines Judenpriesters 1. Sagte ein Jude aus dem Priesterstande: „O Herr, Du bist allzeit wunderbar, voll Liebe, Erbarmung, Gerechtigkeit und Weisheit, und was Du sagst oder auch nur bloß denkst, das ist schon unwiderruflich für ewig eine vollbrachte Tat, und es kann darum ein Mensch schwer mit Dir reden! Aber dessenungeachtet will ich denn doch der Brüder wegen ein Wort mit Dir reden; wolle mich also gnädigst anhören! Siehe, o Herr, wer den Weg genau kennt, der zu einem erwiesen sicheren Ziele führt, das dem Wanderer auch erwiesen den größten Lebensvorteil geben kann und muß, so er nur das Ziel erreicht, der wird auch ganz sicher nichts anderes tun, als auf dem wohlbekannten Wege das Ziel verfolgen und auch sicher erreichen; nur ein ganz blinder Narr könnte daneben aus purster Dummheit und gänzlicher Unkunde einen andern Weg einschlagen. 2. Nun, wir kennen jetzt den Weg und das Ziel und können darum denn auch leicht aller Welt und ihren Lockungen den Rücken zukehren und als wahre Helden über Dornen und Schlangen sogar auf diesem Wege das wahre und sichere Lebensziel verfolgen; selbst gegen ein Heer von Teufeln würden wir nun kämpfen und unaufhaltsam dem Ziele nachstreben! Ja, wir alle haben es nun leicht; denn wir haben es nicht nur gehört, sondern auch gesehen und mit allen unseren Sinnen empfunden, daß es also ist und ewiglich nicht anders sein kann. Aber wie viele sind unser hier, denen von Dir diese unbegreifliche Gnade zuteil ward?! 3. Was ist aber mit den zahllos vielen anderen Menschen, die seit Adam überall zerstreut auf dieser Erde ungemessen weitem Boden in aller Geistesfinsternis gelebt haben, jetzt leben und noch leben werden? Wer wird denen die Augen öffnen, und wer ihre Seelen jenseits erlösen? Selbst wir Juden und – sage – Priester als Lehrer und Führer des Volkes haben wohl Moses und die Propheten; aber was nützten sie uns? Wo lagen die Beweise, daß sie wirklich einmal da waren? Bloß nur im blinden Glauben! Denn die gewissenhaftest Frommen starben vor unseren Augen nicht selten eines gar bittern und schmählichen Todes, und nie kam jemandes noch so fromm Verstorbenen Seele zurück und gab uns über das Jenseits irgendeinen Aufschluß. Alles, was wir davon wußten, war nur eine dunkle, unverständige und mit den besseren Grundsätzen der Vernunft ganz entsetzlich kontrastierende Mythe, mit der man halbwegs nur den ungebildetsten Pöbel noch im Zaume halten konnte. 4. Was Wunder, daß wir und gar viele mit den griechischen Weisen Bekanntschaft machten und dann zwar das Judentum predigten, selbst aber als Epikureer lebten! Denn der Mensch hat einmal einen unverlöschbaren Trieb nach einer Seligkeit und wenigstens halbwegigen Zufriedenheit; von einer ewigen, jenseitigen konnten wir uns auf keine Art und Weise nur irgendeine noch so geringe Wahrscheinlichkeit verschaffen und noch weniger irgendeinen sichern und haltbaren Beweis. Wir waren gesunde und rüstige Leute, die Welt lag evident mit allen ihren Freuden und Üppigkeiten vor uns; es ist da ja augenscheinlich, daß wir da nicht Säumens machten, danach zu gieren und zu greifen! Denn warum sollten wir uns für unsere Mühe, das Volk mit allen Mitteln in den blinden Glauben an Gott und Unsterblichkeit ordentlich hineinzulügen und -zubetrügen, nicht auch eine Seligkeit bereiten, da wir für die jenseitige doch, wie schon gesagt, nirgends einen Beweis ausfindig machen konnten?! 5. Siehe, o Herr, das war unsere Geheimlehre für uns, nahe ganz ähnlich der der Essäer, obwohl wir aus bekannten Gründen keine Gemeinschaft mit ihnen unterhielten! Wir verfolgten auch die Sadduzäer wegen ihres Zynismus, aber nicht um unser selbst willen, sondern des gläubigen Volkes wegen; denn wäre das Volk zur Sekte der Sadduzäer übergegangen, so hätte dann unsere irdische Glückseligkeit bald ihr Ende erreicht. Jetzt aber, da wir endlich einmal die überzeugendsten Beweise über das Jenseits durch Deine pure Gnade erhalten haben, da ist uns freilich alles Irdische nun zu einem wahren Ekel geworden! Aber was geschieht mit den andern, die diese Gnade nicht hatten und auch schwerlich je haben werden?“ 6. Sagte Ich: „Darum habt ihr euch nicht zu kümmern! Sorget ihr vorderhand nur für euch, für alle andern wird noch hinreichend gesorgt werden! Wer dann, euch gleich, will, der wird so wie ihr gerettet sein; wer aber dann nicht wollen wird, der wird es sich selbst zuschreiben müssen, so er verlorengeht. 7. Denn eine jede Seele wird auch jenseits fortleben ganz aus ihrer Liebe und aus ihrem Glauben und daraus nach der vollen Freiheit ihres Willens. Ist die Liebe rein und gut, so wird auch ihr jenseitiges Leben ein reines, gutes und seliges sein; ist aber ihre Liebe schlecht und unrein und für keinen Nebenmenschen eine Seligkeit bereitend, so wird auch ihr jenseitiges Leben ein unreines, schlechtes und seligkeitsloses sein. 8. Einer Seele aber ihre Liebe nehmen und ihr eine andere geben, hieße sie vernichten und an ihrer Stelle eine ganz andere Seele schaffen. Das aber wäre wider die ewige, göttliche Ordnung; denn was Gott einmal ins Dasein gerufen hat, das kann nicht mehr vergehen, sondern nur stets in ein Edleres und Besseres übergehen. Es wird demnach auch jenseits für solche verlorenen Seelen gesorgt werden; aber das sage Ich, wie Ich schon früher gesagt habe: Hier ist eine Stunde besser denn dort tausend Jahre! 9. Allein darum geschieht keiner Seele ein Unrecht; denn so man einer Seele ihre Liebe und ihren Willen unbeschadet beläßt und sie nur insoweit von den andern abscheidet, daß sie den Guten nicht schaden kann, übrigens aber in ihrer ihr ganz entsprechenden Geisterweltsphäre tun kann, was sie will ihrer Lebensliebe und Intelligenz zufolge, so tut man da sicher keiner Seele ein auch nur scheinbares Unrecht. 10. So wie ihr nun bisher gelebt habt, so leben auch alle bösen Teufelsseelen in der Hölle, deren arges Feuer eben ihre böse, nie zu sättigende Selbstliebe und Herrschsucht ist, und ihr saget es selbst, daß es euch dabei ganz gut ergangen ist. Aber dennoch nagte an jedem Tage mehr und mehr der Wurm des Todes in euch und verbitterte euch unsäglich das Dasein! Was hattet ihr dann von eurem Wohlleben?! 11. Und so wird es jenseits vielen gar lange gehen, woran aber nur sie allein schuld sind. Denn sie werden dort nicht einmal, sondern gar oftmals die Schrecken des Todes zu erdulden haben, was aber auch sein muß; denn ohne diesen wäre jede solche Seele wahrlich für ewig ganz verloren. 12. Für heute wisset ihr genug, und da es nun bald um die Mitternacht ist, so wollen wir denn nun ins Haus gehen und dort Ruhe nehmen. Was der morgige Tag alles bringen wird, das werden wir sehen, und so gehen wir!“ 13. Hier verließen wir alle den Hügel und begaben uns ins Haus, wo schon für unsere Ruhe bestens gesorgt war. Die Juden aber hatten ein eigenes, großes Gemach. Da saßen sie um die Tische und besprachen sich beinahe die ganze Nacht, was sie tun wollten, um vom Tempel los zu werden. Das sicherste Mittel fanden sie im Sich-Auskaufen. Dann ward Ruhe auch bei ihnen. Kapitel 15 Großes Evangelium Johannes, Buch 6 15. — Die Judenpriester werden des Herrn Jünger 1. Am Morgen noch vor dem Aufgange waren wir, das heißt Ich, die Jünger, unser Wirt und Lazarus mit dem ganzen Hause schon auf den Füßen. Des Lazarus Schwester Martha war mit ihren Helferinnen schon auf das emsigste beschäftigt, um uns ein reichliches und gutes Morgenmahl zu bereiten; Maria aber ging mit uns ins Freie und war nur Aug und Ohr wie immer, um von Mir etwas für ihr Herz und ihre Seele zu erbeuten. 2. Als wir schon bei einer Stunde lang im Freien umhergewandelt waren, da wurden erst die Juden wach, wuschen sich nach ihrer Sitte und fragten dann eiligst, ob Ich noch schliefe. 3. Martha aber sagte: „Oh, der Herr ist schon vor einer Stunde mit Seinen Jüngern, mit meinem Bruder, meiner Schwester und dem Wirte hinaus ins Freie gegangen und wird wahrscheinlich bald wieder zurückkehren, weil das Morgenmahl auch bald bereitet sein wird!“ 4. Sagte ein Priester: „Wohin hat Er Sich gewendet, auf daß wir Ihm nacheileten und Ihm die Nachricht brächten von dem bereiteten Morgenmahle?“ 5. Sagte Martha: „Oh, dessen hat's beim Herrn wohl nicht vonnöten; denn Er weiß es um den Augenblick, in welchem das Morgenmahl bereitet sein wird!“ 6. Als die Juden solches vernahmen, fragte einer von ihnen die Martha, sagend: „Also mußt du Ihn wohl schon länger kennen, weil du mit Seinen unverkennbar göttlichen Eigenschaften schon so sehr vertraut bist?“ 7. Sagte Martha: „Ich kenne Ihn wohl seit einer geraumen Zeit; aber es ist eben nicht sehr löblich von euch, daß ihr Ihn bis jetzt noch nicht erkannt habt!“ 8. Sagten die Juden: „Jawohl, jawohl, dieser dein Vorwurf trifft uns ganz gerecht, und wir bedauern es nun selbst, daß wir in unserem Weltgetümmel uns noch nie näher nach Ihm erkundigt haben, obwohl wir schon so manches von Seinem Treiben aus Galiläa erfahren haben. Auch kommt es uns vor, daß Er auch am Osterfeste hier in Jerusalem war und merkwürdigermaßen alle Käufer und Verkäufer aus dem Tempel trieb und den Wechslern und Krämern ihre Buden umstieß!“ 9. Sagte Martha: „Ja, ja, Er ist Derselbe, aber damals waren eure Augen noch sehr geblendet und eure Ohren und Herzen verstopft; darum habt ihr Ihn nicht erkannt!“ 10. Sagten die Juden: „Jawohl, jawohl, du hast recht; aber da wir Ihn nun erkannt haben, so werden wenigstens wir zwanzig gar nicht mehr von Seiner Seite weichen, und wir haben uns fest vorgenommen, in anderen Kleidern als Jünger mit Ihm zu ziehen, auf daß uns die Templer und andere überall zerstreute Judenpriester, Pharisäer und Schriftgelehrte nicht vorwerfen können, als hätten auch wir Tempelpriester uns von Ihm als einem Neusektenstifter und Volksverführer verleiten lassen. Wir wollen hernach gleich nach Jerusalem ziehen und uns auskaufen zu einer vorgeschützten Reise nach Persien und Indien, was uns gerne und nur zu gerne gewährt werden wird. Haben wir das in wenigen Stunden abgemacht, dann kommen wir noch heute wieder und werden Ihm als Seine Schüler auf unsere Unkosten überallhin nachfolgen.“ 11. Sagte Martha: „Das ist von euch ein ganz löblicher Entschluß und wird euch Seine Segnungen bringen! Aber sehet nur hinaus; Er kommt schon, dieweil ich völlig fertig bin mit der Bereitung des Mahles, und wir wollen Ihn mit der Ihm allein gebührenden höchsten Achtung und Liebe empfangen, Ihm noch einmal aus dem tiefsten Grunde unserer Herzen danken für die gestrigen großen Tröstungen, die Er uns bereitet hat, und wollen Ihn dann bitten, daß Er gnädigst dieses Morgenmahl segnen und mit uns verzehren möchte!“ 12. Während Martha noch also mit den Juden sprach, die sie ganz andächtig anhörten, trat Ich schon ins Zimmer ein und sagte: „Meine liebe Martha, dessen hat es mit dem Munde nicht vonnöten; wer es in seinem Herzen tut, der tut wohl und gut daran. Der Lippengruß kann dann da schon ganz füglich unterbleiben; denn Ich sehe nur allein auf das Herz und seine inneren Gedanken. Aber es haben bei dir schon auch deine Worte einen rechten Wert vor Mir, weil sie ganz genau aus deinem Herzen kommen.“ 13. Darüber war die Martha sehr beruhigt und wurde voll Fröhlichkeit. 14. Ich aber wandte Mich zu den Juden und sagte zu ihnen: „Ihr wollt also im Ernste Meine Jünger werden?“ 15. Sagten nun gar alle, auch die Nichtpriester, die da nur ganz wohlhabende Bürger Jerusalems waren: „Ja, Herr, so Du uns nur für würdig hältst, Deine Jünger sein zu dürfen! Wir wollen sogar alles aufbieten, um desto ruhiger und sicherer auf allen Deinen Wegen und Stegen Dir, o Herr, folgen zu können!“ 16. Sagte Ich: „Da tut ihr wohl daran; aber eines muß Ich euch bemerken, und das besteht darin: Seht, die Vögel der Luft haben ihre Nester und die Füchse ihre Löcher, aber Ich, als purer Menschensohn Meinem Leibe nach, besitze nicht einmal einen Stein, den Ich mir als Mein irdisches Eigentum unter Mein Haupt legen könnte!“ 17. Sagten die Juden: „Darum ist dennoch der Himmel und die ganze Erde Dein Eigentum! Für diese Welt aber haben schon wir für Dich, für Deine Jünger und für uns genug auf zehn und noch mehrere Jahre! Laß uns nur mit Dir ziehen und vernehmen Deine Worte des Lebens, um alles andere werden wir uns nach Deinem Willen überall sorgen und kümmern!“ 18. Sagte Ich: „Nun wohl denn, so gehet nach dem Mahle nach Hause, und bestellet eure Sachen gut! Dann kommet wieder, und Ich werde euch dann sagen, was wir dann tun und unternehmen werden! Nun aber zum Mahle!“ 19. Darauf setzten sich alle zu den Tischen, sprachen ihre Danksagung und aßen und tranken dann gleich Mir. Kapitel 16 Großes Evangelium Johannes, Buch 6 16. — Die bekehrten Priester sagen sich vom Tempel los 1. Als das Mahl verzehrt war, dankten alle wieder, und die Juden begaben sich dann nach Jerusalem. Die Templer samt dem Hohenpriester machten anfangs freilich große Augen, als die zwanzig schon sehr bejahrten Priester vorgaben, nun eine weite Reise machen zu wollen; aber weil diese ihnen dafür viel Goldes und Silbers hinterließen, so willigten sie endlich doch ein und wünschten ihnen viel Glück auf die Reise. Die zwanzig empfahlen sich schnell und verliefen sich in der großen Stadt, daß man ihnen nicht so leicht nachspionieren konnte, welchen Weg sie eigentlich einschlugen. Sie kannten aber außerhalb der Stadt einen Griechen, der griechische Kleider stets in großem Vorrate hielt und damit Handel trieb. Zu dem gingen sie hin, kauften ihm griechische Kleider ab und ließen die ihrigen dort, was den Griechen sehr wundernahm, darum er sie aus Neugier denn doch ganz bedächtig zu fragen anfing, was denn diese Verkleidung etwa wohl zu bedeuten hätte. 2. Sie aber sagten (die Priester): „Freund, in diesen Kleidern läßt sich besser allerlei Handel treiben, und da dem Tempel nun von Jahr zu Jahr die früheren Einkünfte ausbleiben, so muß nun ein kluger Handel mit den auswärtigen Heidenvölkern das ersetzen.“ 3. Mit dieser Erklärung war unser Grieche ganz zufrieden, bekam sein Geld und dazu noch die ganz guten und teuren Priesterkleider, war damit ganz vollkommen zufrieden und sagte darauf kein Wort mehr. Nur haben ihm die zwanzig streng aufgetragen, davon gegen niemand je eine Erwähnung zu machen, da er dadurch in große Unannehmlichkeiten geraten könnte. Und der Grieche schwieg dann auch wie eine Mauer. 4. Die zwanzig aber begaben sich auf einem bedeutenden Umwege als Griechen wieder zu uns hin und kamen nachmittags bei uns an, etwa zwei Stunden nach dem Mittage. Als sie bei uns ankamen, als wir noch am Tische saßen und noch kaum unser Mittagsmahl verzehrt hatten, da wunderten sich Lazarus, der Wirt und auch Meine Jünger darüber, wie diese ihr Geschäft doch so bald abgemacht hatten. 5. Da sagte einer aus ihrer Mitte: „Ja, hochliebe Freunde, ums Geld geht bei uns alles sehr schnell; aber ohne Geld oder um zuwenig Geld heißt es warten, und das auf einer sehr langen Bank, und nachher geschieht dann auch blutwenig! Aber wir ließen hübsch viel Gold und Silber zurück, und unser Geschäft war darum auch leicht und bald abgemacht. Der Tempel trägt jetzt bei weitem nicht mehr das, was er einstens getragen hat, als die Samariter, die Sadduzäer und nun auch schon ein großer Teil der Essäer, die man im Anfange gar nicht beachtet hatte, von uns noch nicht getrennt waren, und so sind die Haupttempler nun schon recht froh, wenn sich von Zeit zu Zeit ihre inneren Kostgeher vermindern. 6. Wir kamen darum so ganz leicht durch; aber wir dachten wohl auch sehr daran, der Herr, der uns gestern unsere Bande wieder löste, werde uns nach Seinem heiligen Willen wohl behilflich sein, daß wir unser Vorhaben so anstandslos als möglich durchführen könnten. Und sehet, es ging gerade also, wie wir uns dachten, und daher auch unseren innersten Dank Dir, o Herr! Aber wo harren denn noch unsere Bürger? Es waren ihrer doch auch bei zwölf oder dreizehn! Können die bei ihren Familien denn nicht wenigstens so leicht abkommen, wie wir mit den Templern abgekommen sind?“ 7. Sagte Ich: „So leicht nicht, dieweil sie Familienväter sind! Aber sie werden nicht lange auf sich warten lassen; denn es sind das wahre Ehrenmänner von Jerusalem, wie es deren wenige gibt. Aber nun setzet euch zu uns, und esset und trinket nun als Griechen, und seid heitern und fröhlichen Mutes!“ 8. Da dankten die zwanzig Pseudogriechen, saßen zum Tische, allda wir saßen, und fingen mit aller Lust zu essen und zu trinken an und erzählten uns viele heitere Dinge aus dem gegenwärtigen Zustande des Tempels, von der neuen und falschen Bundeslade, weil die alte merkwürdigermaßen seit dem grausamen Tode des damaligen Hohen- und Oberpriesters Zacharias ihre ganz wunderbare Kraft gänzlich verloren habe. Die neue aber sei darum nun schon beinahe dreißig Jahre alt, und es sei mit ihr in diesem Zeitraume gar kein Wunder mehr verrichtet worden, und dennoch bete das dumme Volk die neue für die alte an. 9. Es ward auch viel über offenbare Aufhebung der Mosaischen Satzungen und An-ihre-Stelle-Setzung von neuen, allerwidersinnigsten Gesetzen, Strafen und Bußen geredet, und wie sich statt der früheren, wahren Wunder Gottes nun die indischen, persischen und ägyptischen breitmachten, aber mit wenig Glück, weil überall verkappte Essäer sie dem Volke dann bei Gelegenheit wieder auf eine ganz natürliche Art so erklärten, daß es selbst der dümmste Mensch am Ende ordentlich mit Händen greifen müsse, daß das ganze Wunder nichts als ein sogar plump und ungeschickt ausgeführter Betrug sei. Die Folge davon sei, daß der Tempel in seinem Ansehen von Tag zu Tag tiefer heruntersinke, was sie selbst nur zu gut gemerkt hätten. Denn was komme da heraus? Heute werde von einem Oberpriester ein einverstandener, gut bezahlter Blinder, der aber sonst so gut sieht wie unsereiner, vor dem Volke sehend gemacht, – in ein paar Tagen wirkten die Buben auf den Gassen und Straßen zu Dutzenden solche Wunder. 10. Sie hätten darum im Hohen Rate des Tempels das Petitum (Antrag) gestellt, daß man wegen der steten Profanation solcher Verrichtungen mit eben solchen Verrichtungen einen längeren Einhalt tun solle; denn dafür ließe sich ja doch irgendein vernünftiger und glaubbarer Grund ermitteln. Aber das sei alles zu tauben Ohren gesprochen worden. Wunder gewirkt müsse sein, wenigstens des gemeinen Volkes wegen, – dann aber schon oft im Tempel ausgelacht werden auch dazu! Was nütze da ein priesterliches Ansehen, eine ernste Miene und der falsche Aaronsstab, wenn das Wunderwerk an und für sich so dumm sei, daß das schon die gemeinsten Gassenbuben zu belachen anfangen?! 11. Und so in dieser Weise erzählten unsere Griechen noch so manches, worüber sich Lazarus, seine beiden Schwestern und mitunter sogar unser Wirt, der auf den Tempel schon lange nichts mehr hielt, zu wundern anfingen, und Lazarus, der noch so manche Stücke auf den Tempel hielt, sagte: „Nein, das hätte ich vom Tempel nicht geglaubt! Denn ich muß es offen gestehen, ich habe den Tempel noch stets als ein echter Jude besucht, und so eben nicht selten mich die Tempelherren besuchten, so konnte ich ihren guten Reden und Lehren gerade nichts anhaben und gestand mir selbst gegenüber oft, daß es sehr wünschenswert wäre, so die Menschen nach solchen Lehren lebten. 12. Aber nun bekommt die Sache ein ganz anderes Gesicht! Was nützen da Wort und Lehre, wenn sie eine pure Heuchelei sind und der fromm scheinende Lehrer bei sich selbst ein verächtlicher Halunke ist?! Solche Lehrer kommen mir gerade so vor wie nach einer guten, alten Fabel die Wölfe in Schafspelzen, die, weil sie die schnellbeinigen Schafe als offene Wölfe nur mühsam erhaschen konnten, sich dann mit Schafspelzen bekleideten, um mit weniger Mühe sie zu erhaschen und zu zerreißen. Na, das werde ich mir wenigstens geheim sehr zum guten Merkzeichen machen! – Was sagst denn Du, o Herr, dazu?“ Kapitel 17 Großes Evangelium Johannes, Buch 6 17. — Das selbstsüchtige Treiben der Priester im Tempel 1. Sagte Ich: „Meinst denn du, diese haben uns etwas Neues gesagt?! Oh, mitnichten! Das ist Mir schon sogar als einem Menschensohne sehr lange bekannt! Erinnerst du dich noch an Mein zwölftes Jahr, wo Ich als Knabe drei Tage hindurch mit den Pharisäern und Schriftgelehrten und Ältesten verkehrte?! Siehe, schon damals sah es im Tempel geradeso aus wie jetzt, und schon früher auch; aber es waren doch wenigstens einige würdige und wahrhaftige Nachfolger Mosis und Aarons wirklich aus dem Stamme Levi auf dem Stuhle Mosis und seines Bruders Aaron. Zacharias aber war der letzte, und jetzt sind im Tempel gleich schon alle Stämme vertreten, da sich ein jeder darin ein Amt nach Belieben ums Geld erkaufen kann. 2. Kurz und gut, Mein Haus – wie der Prophet sagt – haben sie zu einer Mördergrube gemacht, und daher ist darin kein Heil mehr zu suchen! Aber dennoch sage Ich euch allen: Die Lehren derer, die auf dem Stuhle Mosis und Aarons sitzen, wenn sie Gottes Wort predigen, möget ihr noch immer anhören; aber auf ihre argen Werke sehet nicht, und machet sie ihnen noch weniger nach, denn diese sind ein allerabscheulichster Betrug! 3. Daß sie aber nun so sind, wie sie sind, das ist das Gericht Gottes über sie, dieweil sie von Ihm abgewichen sind und sich gewendet haben zum Mammon, der nun ihr Gott ist. Wer weiß es nicht, daß früher die Erstlinge aus jeder Ehe im Tempel als Opfer Gott dem Herrn bis zu ihrem vierzehnten Jahre frei und bestens erzogen worden sind, und daß solche Erstlinge gar oft sichtbar von den Engeln des Himmels bedient und belehrt worden sind?“ 4. Sagen alle: „Ja, das ist eine buchstäbliche Wahrheit!“ 5. Rede Ich weiter: „Wo geschieht so etwas jetzt?“ 6. Sagte ein Jude: „O ja, das geschieht jetzt auch noch, aber freilich auf eine ganz andere Art! Anstatt der Erstlinge als Opfer für Gott den Herrn nimmt der Tempel lieber das Geld; wer aber kein Geld hat, der kann den Erstling entweder selbst behalten ohne allen Anstand, und es werden um ein paar Groschen zum künftigen Wohle desselben etliche Gebete in den Gotteskasten hineingemurmelt, oder, wenn die Eltern des Erstlings sich als noch echtgläubige Juden auf die alte Satzung versteifen, so wird der Erstling wohl angenommen mit der vorgeschriebenen Zeremonie, aber sodann gleich irgendeiner Hebamme um ein geringes Geld übergeben. Wenn das Kind am Leben bleibt, so wird es dann als ein Dienstbote an irgendeinen Landmann ordentlich veräußert, wo es dann aufwächst ohne Lehre und Unterricht wie ein Tier, und verlangen es die Eltern dann nach dem zurückgelegten vierzehnten Jahre zurück, so wundern sie sich dann freilich nicht wenig, daß ihr Erstling im Tempel so wenig Gnade gefunden hat, und haben dann erst ihre rechte Not mit ihm. 7. Darum geben die Armen nun ihre Erstlinge auch gar nicht mehr in den Tempel, sondern halten sich lieber an die neue Satzung, von der wir früher geredet haben. Bei den Reichen ist es freilich anders; die werden wohl im Tempel, natürlich ums Geld, ganz ordentlich gepflegt und mit der Zeit auch zuweilen von Pseudoengeln besucht, bedient und auch mit einigen auswendig gelernten Schrifttexten unterwiesen, die aber die Engel ebensowenig verstehen wie ihre frommen Zöglinge.“ 8. Sagte Ich: „Nun ist's aber auch schon ganz gut mit diesen leider nur zu wahren Kundgaben; denn es kommen nun unsere Bürgerjuden, und wir wollen sie nicht über die Maßen ärgern. Sie wissen zwar auch manches, aber das alles natürlich nicht, und so wollen wir sie zum voraus nicht zu tief in die inneren, bösen Geheimnisse einweihen. Auch ihr alle redet nicht viel davon; denn sonst könntet ihr euch in große diesirdische Verlegenheiten stürzen, die dann auch eurer Seele Schaden bringen könnten! Denket vielmehr: ,Wir sind in unseren Herzen frei und haben das rechte Licht und den rechten Weg zum Leben gefunden!‘ Solange aber Ich sie noch dulde, damit ihr böses Maß voll werde, so lange duldet auch ihr sie, und haltet euch an ihre guten Lehren; von den schlechten aber wendet Augen und Ohren ab! Und nun genug von diesem Kapitel; denn unsere Bürger stehen schon an der Flur und haben auch noch nichts gegessen; darum sollen sie auch hier etwas zu essen und zu trinken bekommen.“ Kapitel 18 Großes Evangelium Johannes, Buch 6 18. — Ein Evangelium des Frohsinns 1. Darauf eilten Martha und auch Maria sogleich in die Speisekammer, brachten Brot und Wein und gebratenes Hammelfleisch und setzten alles auf einen Nebentisch, weil an dem unsrigen kein Platz mehr war. 2. Als die Bürger mit großer Ehrfurcht zu uns ins Zimmer traten, da sagte Ich gleich ganz freundlich zu ihnen: „Lasset nun eure zu große Ehrfurcht fahren! Ihr seid hungrig und durstig, darum esset und trinket frohen Mutes! Sind doch die Kinder der Nacht, des Gerichtes und des Todes fröhlich bei ihren Schmäusen, – warum sollen da die Kinder des Lichtes und des Lebens in Gegenwart ihres himmlischen Vaters es nicht sein?! Denn Ich sage es euch: Wo Ich bin, da ist auch der Vater. Also seid alle fröhlich und heiter, und esset und trinket!“ 3. Da dankten die Bürger, setzten sich und fingen an, recht wacker zu essen und zu trinken, und erzählten uns, wie sie sich auf eine Zeit von etlichen Monden von ihren Angehörigen ganz gut davongemacht hätten. Ich belobte sie darum und empfahl ihnen den rechten Mut und die rechte Ausharrung, ohnedem sie Mir mit wenig Erfolg nachfolgen würden. Sie versprachen das und hielten auch ihr Versprechen, wie es sich später einmal schon noch zeigen wird. 4. Während dieser Besprechung mit den Bürgern Jerusalems aber bemerkte heimlich die Martha dem Lazarus, sagend: „Du, Bruder, stelle dir vor: schon wieder ein Wunder! Wir haben gestern und heute für so viele Menschen doch hübsch was verbraucht, und siehe, es fehlt in unserer großen Speisekammer nicht nur nichts, sondern es ist nun von allem zehnmal mehr da, und in unserem großen und kleineren Weinkeller sind alle Schläuche voll Weines! Das kann niemand anders als nur allein der Herr in Seiner zu großen Güte und Liebe uns getan haben, und so hat Er nicht von uns Speise und Trank genommen, sondern wir alle speisten nur an Seinem Tische!“ 5. Da ward Lazarus ordentlich verlegen und wußte nicht, was er darauf hätte erwidern sollen. 6. Ich aber merkte seine Verlegenheit und sagte auch ganz leise zu ihm: „Mache dir nur nichts daraus; denn siehe, wir wollen uns nahe den halben Winter so hübsch im stillen in dieser Gegend aufhalten, und da werden wir noch oft deine Gäste sein und bald wieder Gäste dieses Meines Wirtes! Es wird in dieser Winterszeit gar viele Kranke in diesen Gegenden um Jerusalem geben, und die werde Ich bei dieser Gelegenheit heilen, auf daß sie erfahren sollen, daß nun der gekommene Messias ihnen geholfen hat, und sie werden an Seinen Namen glauben. 7. Nach dem halben Winter werde Ich auf eine kurze Zeit den biedern Galiläer Kisjonah besuchen, darauf einige Tage vor dem Osterfeste wieder hierherkommen, aber noch vor dem Feste wieder nach Galiläa abgehen. Siehe, wir werden uns sonach recht lange bei dir aufhalten und auch recht viel brauchen; und darum segnete Ich also sehr deine Speisekammern und Weinkeller! Seid aber stille und saget niemandem etwas davon!“ 8. Lazarus dankte Mir im stillen und beruhigte darauf seine Schwestern; und diese, als sie das vernahmen, wurden so sehr voll Freude, daß sie beinahe zu weinen anfingen und auf eine kurze Zeit ins Freie zu gehen genötigt waren, um sich da so recht ihrer Freudentränen entledigen zu können, ohne von jemandem bemerkt zu werden. Darauf kamen sie wieder zu uns und freuten sich mit uns. Als die Bürger sich denn auch gesättigt hatten, da dankten sie und erhoben sich von ihren Plätzen. 9. Ich aber sagte zu ihnen: „So ihr sonst nichts zu tun habt, da bleibet sitzen, und wir wollen miteinander fröhlich sein; zum zeitweiligen Traurigsein wird die Zeit noch früh genug kommen! 10. Meine Jünger dürfen keine Kopfhänger sein und nicht mit gleisnerischen und Frömmigkeit heuchelnden Gesichtern einhergehen, auf daß die Menschen glauben sollen, sie beträten nur noch mit den Füßen der Erde Boden, mit dem ganzen andern Leibe aber steckten sie schon ganz in den Himmeln und seien ganz erfüllt von dem Geiste Gottes, – sondern ihr müßt vor jedermann mit offenem und heiterem Gesichte einhergehen, damit ein jeder Mensch ein gutes Vertrauen zu euch fassen kann, und ihr werdet also viel des Segens aus den Himmeln unter den Menschen verbreiten. 11. Sehet, in Mir wohnt alle Fülle des wahrhaftigsten Geistes Gottes, und ihr habt Mich noch nie mit hängendem Kopfe und frömmelnden Augen einhergehen sehen, sondern Ich gehe offenen und ganz natürlichen Gesichtes einher, und Mein Weg ist stets ein gerader, und Ich bin mit Ehrlichen und Heiteren freundlich und heiter, und die Trauernden und Ängstlichen mache Ich fröhlich und mutig, und ihr müsset als Meine Jünger nach eurem höchst freien Willen ganz dasselbe sein! 12. Darum sage Ich euch allen noch einmal, daß ihr ganz freien Geistes sein und fröhlich und heiter durch die Welt gehen sollet, ohne an ihr zu hängen. Denn wie Ich Selbst nur darum in die Welt gekommen bin, um allen Menschen eine fröhliche und höchst beseligende Kunde aus den höchsten Himmeln zu überbringen, die jedermann den höchsten Trost derart geben muß, daß sogar ein größter Martertod ihn nicht unheiter stimmen wird – weil er es sieht und sehen muß, daß es für ihn keinen Tod mehr gibt und geben kann, und daß für ihn in Meinem ewigen Reiche weder diese Erde noch der ganze sichtbare Himmel je mehr verloren gehen kann, sondern daß er noch dazu eine große Herrschaft über gar vieles überkommen wird –, also werde auch Ich euch, wenn ihr tüchtig werdet im Geiste und in der Kraft Meiner Lehre, hinaussenden in Meinem Namen, allen Völkern der Erde zu überbringen diese frohe Kunde aus den Himmeln. 13. Wer wird aber eine so überfrohe Kunde mit einem traurigen, zaghaften, furchtsamen, ängstlichen und kopfhängerischen Gesichte überbringen wollen oder können? Daher weg für immer mit allem dem, und weg mit der übertriebenen Ehrfurcht selbst vor Mir; denn mit all dem würdet ihr nie fähig sein, zu etwas Großem berufen und erwählt zu werden, und noch weniger, etwas Wichtigstes und Größtes zu vollführen! 14. So ihr Mich liebet aus dem Grunde eurer Herzen, so genügt Mir das vollkommen; alles, was darüber ist, ist dumm, ist zu nichts nütze und macht aus dem Menschen, der Mein Ebenmaß ist, eine feige und zu nichts Großem brauchbare und taugliche Kreatur.“ Kapitel 19 Großes Evangelium Johannes, Buch 6 19. — Die Reinigung von der Sünde 1. Sagte ein Bürger: „O Herr, das wäre also wohl schon alles recht, wenn wir nur in unserem ganzen Leben nie gesündigt hätten! Die Sünden brennen uns nun in unseren Herzen vor Dir, der Du unsere Herzen und Nieren durchschauest und heilig bist durch und durch, und wir sind aber gerade das Gegenteil! Daher ist es für uns schwer, nun so ganz heiter und fröhlich zu sein!“ 2. Sage Ich: „Glaubt ihr denn, daß Ich das früher nicht gewußt habe, als Ich euch angenommen habe?! Ich aber habe euch eure Sünden vollkommen erlassen, dieweil ihr euch selbst von aller Sünde abgewendet habt und hinfort nimmer sündigen wollet und auch sicher nicht werdet, und so seid ihr keine Sünder mehr, sondern nun vollkommen frei von aller Sünde, und so meine Ich, daß ihr desto mehr Grund haben solltet, aus ganzem Herzen fröhlich zu sein!“ 3. Sagte einer von den Bürgern: „Herr, was ist denn mit den Sündenflecken an der Seele? Denn wir haben gehört, daß, so jemand einmal gesündigt hat und ihm bei seiner Besserung durch Bußwerke die Sünde auch erlassen ward, an seiner Seele noch immer ein schwarzer Fleck haften bleibt, durch den sie gebrandmarkt wird dahin, daß ihr dann ob des Fleckes jede ganz reine Seele im andern Leben ausweicht und keine Gemeinschaft mit ihr pflegt, und daß eine solche befleckte Seele so lange nicht zur Anschauung Gottes gelangen kann, bis sie den Fleck im schlimmen Hadesfeuer (Scheol) ganz verloren hat.“ 4. Sagte Ich: „Ja, ja, der Fleck bleibt so lange an der Seele, bis der Mensch der Sünde völlig entsagt hat! Wer aber der Sünde vollernstlich darum entsagt hat, weil sie böse ist und den Menschen verdirbt und von Gott und von allem Guten und Wahren abwendet, der hat auch gar keinen Fleck mehr an seiner Seele und hat Scheols schlimmes Feuer gar nicht mehr zu fürchten. So ihr aber vor euren Seelensündenflecken so einen Respekt habt, wie möglich konntet ihr denn Mich anschauen, da ihr doch nun auch wisset, wer hinter Mir und eigentlich in Mir ist?! Sehet darum, wie schwach und albern ihr noch seid! 5. Ich sage es euch: So ihr Meine Jünger sein wollet, da müsset ihr euren alten Menschen ganz ausziehen wie ein altes Kleid und einen ganz neuen anziehen; denn Ich und die überaus zerlumpten und verrosteten Tempellehren dieser Zeit taugen durchaus nicht mehr füreinander. Dieses beachtet, und seid vernünftig, edel, heiter und voll guten Mutes!“ 6. Diese Meine für sie sehr tröstliche Belehrung hatte auf unsere Bürger eine gute Wirkung gemacht, und sie griffen nun wacker zum Weine, wurden bald recht heiter und fingen auch bald eine Menge ganz heiterer Geschichten zu erzählen, und die Griechen fingen an, ihnen zu sekundieren, und so verging bis zum Untergange die Zeit. 7. Lazarus bekam bei dieser Gelegenheit auch so manches zu hören, was ihm einen ordentlichen Stoß versetzte, so daß er alle Achtung vor dem Tempel verlor und zu Mir im stillen sagte: „Herr, nun bin ich ganz vom Grunde aus geheilt, und meine Tempelbesuche werden stets seltener werden!“ 8. Sagte Ich: „Da wirst du sehr recht tun; aber tue das mehr im Herzen denn mit der äußeren Tat, auf daß du dir bei den Füchsen keinen argen Verdacht an den Hals ziehest, dieweil du im Tempel bis jetzt noch in einem großen Ansehen stehst! Ein plötzliches Sichzurückziehen würde weder dir noch Meiner Sache zu irgendeinem Vorteile dienen, und Ich sehe ja nur auf den inneren Menschen; denn der äußere ist nichts nütze.“ Kapitel 20 Großes Evangelium Johannes, Buch 6 20. — Die Vergänglichkeit der Materie 1. (Der Herr:) „Nun aber bringe du Mir einen Stein, so groß und so hart du irgendeinen hast und hereinbringen kannst, und Ich werde euch allen dann etwas zeigen!“ 2. Hierauf erhob sich Lazarus schnell vom Sitze und brachte bald einen bei zehn Pfund schweren und sehr harten Quarzstein herein und legte ihn vor Mich hin auf den Tisch und sagte: „Herr, da ist ein äußerst harter Stein!“ 3. Da sagte Ich: „Der ist ganz recht, weil er ebenso hart ist wie die Herzen der Templer zu Jerusalem und die alten Mauern des Tempels; den kann Ich nun ganz gut gebrauchen!“ 4. Alle waren nun voll der gespanntesten Aufmerksamkeit, was Ich mit dem Steine machen werde. 5. Ich aber sagte: „Höret! Wir sind heute als am Nachsabbat recht heiter und fröhlich beisammen, und warum sollten wir es auch nicht sein?! Denn ihr habt Mich begriffen und erkannt, wennschon mit mancher Mühe und Opferbringung, und so habe denn auch Ich euch anerkannt! Ihr seid alles Gerichtes dadurch losgeworden, dieweil ihr euch selbst zum allein Wahren und Guten gerichtet habt durch euren schließlich ganz freien Willen. Und so kann Ich euch nun weiter, ganz unbeschadet eurer freien Erkenntnis und eures freien Willens, hier ein Zeichen Meiner inneren Göttlichkeit wohl schon geben, und so habt denn nun auf alles gar wohl acht! Was meinet ihr wohl, was da leichter wäre: entweder diesen Stein bloß durch Meinen Willen in einem Augenblicke zunichte zu machen – oder den Tempel samt allem, tot und lebend, was immer darin ist, auf dieselbe Weise zu vernichten? Prüfet noch zuvor den Stein, auf daß da niemand sage, er sei schon irgend zuvor dafür vorgerichtet worden!“ 6. Da sagten alle: „O Herr, das tut hier nicht not; denn diesen Stein kennen wir schon lange! Er ist aus dem Flusse Jordan von einem Fischer wegen seiner schönen, runden Form hierher gebracht worden.“ 7. Sagte Ich: „Nun gut; saget denn, was für Mich da leichter wäre: diesen Stein – oder den Tempel zu vernichten!“ 8. Sagte einer von den – nun Griechen: „Herr, wir meinen, daß Dir das ziemlich einerlei sein dürfte; denn uns kommt eines wie das andere für eine pur menschliche Kraft gleich unmöglich vor! Wir haben zwar zu verschiedenen Malen von ägyptischen Magiern auch Steine verschwinden machen sehen; aber da wurden wir bald inne, wie die Sache vor sich ging, als wir dieselben Steine darauf wieder zu sehen bekamen, und es dauerte auch gar nicht lange, daß wir ganz dasselbe mit vielem Geschicke nachmachten und uns dann, uns selbst gegenseitig auslachend, fragten, wie es nur möglich war, daß wir anfangs selbst daran glaubten, daß das ein wahres Wunder sei. 9. Aber das hier ist etwas ganz himmelhoch anderes! Das ist ein wirklicher Stein und ein härtester, der nur immer irgend bei uns vorkommt. Die Griechen verstehen zwar die Kunst, diesen Stein im Feuer zu schmelzen und das kostbare Glas daraus zu bereiten, was vor ihnen zu den Zeiten der ersten Pharaonen schon die Phönizier verstanden haben sollen, – aber da wird aus dem Steine nur eine veränderte Materie. Aber solchen Stein bloß durch den puren Willen gänzlich zu vernichten, dazu gehört eine göttliche Kraft, von der wir schwachen Menschen uns nie einen wahren und klaren Begriff werden zu machen imstande sein!“ 10. Sagte Ich: „Also – gut! Gebet nun alle wohl acht, daß Ich den Stein nicht anrühre, sondern bloß zu ihm sage: Werde zunichte, du altes Gericht!“ 11. Als Ich solches ausgesprochen hatte, da war in demselben Augenblick von dem Steine keine Spur mehr vorhanden. 12. Da schlugen alle die Hände über den Köpfen zusammen und schrien förmlich: „Ja, ja, das kann nur einer rein göttlichen Kraft möglich sein! So etwas ist noch nie erhört worden!“ 13. Sagte Ich: „So, wie nun dieser Stein bloß durch Meinen Willen aufgelöst wurde in seine Urelemente, ebenso könnte Ich es mit dem Tempel, mit allen Bergen, mit der Erde, mit Sonne und Mond und mit allen Sternen tun und sie auflösen in ihr ursprüngliches, förmliches Nichts, das heißt in pure Gedanken Gottes, die so lange auch keine Realität haben, bis sie nicht durch die Liebe und durch den allmächtigen Willen Gottes ihre reelle Form und Feste bekommen. Aber in Gott herrscht nicht das Prinzip des Zerstörens und Vernichtens, sondern in Seiner ewigen Ordnung steht die Erhaltung aller einmal erschaffenen Dinge, aber freilich nicht im beständigen Gerichte der Materie, sondern ungerichtet frei im Geiste und Leben, aus welchem Grunde auch keine Materie in dieser Gerichtswelt eine Beständigkeit hat und haben darf, sondern alles nur eine gewisse Zeit hindurch dauert, dann sich allmählich auflöst und nach der Ordnung ins Geistige, Beständige und Unvergängliche übergeht. 14. Die Materie ist ein Grab des Gerichtes und des zeitweiligen Todes, und die toten Geister in diesen Gräbern müssen auch Meine Stimme hören und gehorchen Meinem Willen, wie ihr es nun erfahren habt. Und so wie dieser Stein nun plötzlich aufgelöst worden ist, dasselbe wird nach und nach mit der ganzen Erde geschehen, und es wird dann aus ihr hervorgehen eine neue, geistige und unvergängliche Erde voll Leben und Seligkeit für ihre geistigen Bewohner, und kein Gericht und kein Tod wird herrschen auf ihren himmlischen Gefilden; denn sie wird hervorgehen aus dem Leben aller, die aus ihr hervorgegangen und auf ihr geboren worden sind.“ 15. Ihr habt nun gesehen die Macht des göttlichen Willens in Mir, und Jerusalem und der Tempel hätten es lange verdient, daß Ich mit ihm das täte, was Ich nun mit dem Steine getan habe. Aber nein, er soll sein und walten bis zu seiner Zeit. Durch sein Walten wird er sich selbst zerstören, aber nicht also, wie Ich nun diesen Stein zerstört habe, der dadurch von seinem alten Gerichte nur in ein freieres, seelengeistig freies spezifikales Sein übergegangen ist, sondern wie sich ein Selbstmörder zerstört, dessen Seele dann dadurch in ein noch härteres Gericht und in einen vielfachen Tod übergeht. Darum lassen wir sie bis zu ihrer Vollmaßzeit, auf daß sie dereinst nicht sagen können: ,Ihr habt uns keine Kunde gegeben und habt uns dennoch zerstört!‘ – Begreifet ihr nun dieses Zeichen, das Ich nun vor euren Augen gewirket habe?“ 16. Sagten die Griechen: „Herr, das ist ein sehr vielsagendes Zeichen, das wir teilweise wohl begreifen, – aber es vom Grunde aus zu durchschauen, das ist nur Dir allein möglich; uns aber wird es vielleicht erst jenseits durch Deine Gnade möglich werden! Wahrlich, das war ein Zeichen höchst ernster Art und enthält in sich eine unendlich große Bedeutung, so klein es im Anfange auch aussah! – Aber da Du, o Herr, heute gerade schon so gut aufgelegt zu sein scheinst, so möchten wir Dich ja nicht etwa versuchsweise, sondern also nur freundlichst bitten, uns zu sagen, wie Du es denn machst, um so gewisserart aus nichts etwas ins Dasein zu rufen.“ Kapitel 21 Großes Evangelium Johannes, Buch 6 21. — Ein Weinwunder. Die Arbeit im Weinberge des Herrn 1. Sagte Ich: „Ihr möchtet euch wohl so an Meinen Wunderzeichen ergötzen?! Aber sehet, Ich bin nicht wie irgendein Magier, der seine falschen Zeichen und Wunder zustande bringt, daß sich darüber die blinden und dummen Weltmenschen wundern und sich daran höchlich ergötzen, sondern Ich wirke Meine Zeichen nur dem Willen Dessen gemäß, der Mich als einen Menschen mit Fleisch und Blut in diese Welt gesandt hat und nun auch in Mir wohnt; und so Ich denn ein Zeichen wirke, so muß es zur tiefen inneren, geistigen Belehrung der Seele dienen und daneben aber zu allerlei Gutem dem Menschen frommen! Aber das von euch zwar in keiner unreinen Absicht gewünschte Zeichen hat hier keinen rechten Zweck, keinen Nutzen und kein Frommen, und es ist darum besser, so Ich es nicht wirke; denn das könnet ihr euch nun schon auch so vorstellen, daß bei Gott alle Dinge möglich sind.“ 2. Sagte derselbe Judgrieche: „Herr, Du mußt uns schon unsere noch große Blindheit vergeben, derzufolge allein wir es nur wagen konnten, Dich noch um ein Zeichen anzureden! O Herr, vergib uns unsere zu vorlaute Dreistigkeit!“ 3. Sagte Ich: „Nein, nein, Meine Freunde! Euer Verlangen war in der ganz natürlichen Ordnung; denn Der etwas ganz ins materielle Nichts befördern kann, Der muß auch das Gegenteil bewerkstelligen können! Also habt ihr es euch gedacht und genau also auch ausgesprochen, und das war ja gut und recht! Es wäre das nur dann nicht recht gewesen, wenn ihr anders gedacht und anders geredet hättet. Daß aber das verlangte Zeichen schnell auf das bereits gewirkte nicht völlig in der Ordnung gewesen wäre, das konntet ja ihr nicht wissen, sondern nur Ich allein! Und so habt ihr durch euren Wunsch durchaus keinen Fehler begangen, aber auch Ich nicht, daß Ich eurem Wunsche nicht sogleich nachgekommen bin. Aber da ihr nun von eurem Verlangen in euren Herzen völlig abgegangen seid und dennoch auch ohne ein Zeichen glaubet, daß Ich auch ein Gegenzeichen bewirken kann, so will Ich denn nun erst auch ein solches bewerkstelligen! – Sehet nach, ob ihr in euren Krügen noch Wein habet!“ 4. Sie sahen nach, und sieh, die Krüge waren leer. 5. Da sagte der Sprecher: „Herr, sie sind alle leer!“ 6. Und Ich sagte: „Nun, so sollen sie alsogleich alle voll sein!“ 7. Und sieh, alle Krüge waren bis oben voll des besten Weines! 8. Da staunten die Judgriechen und sagten: „Da sehet an die Wunderkraft des Herrn! Kaum das Wort ausgesprochen, und schon stehen die Krüge alle voll des köstlichst duftenden Weines! O möchten wir durch Deine Lebensworte doch auch so voll Deines Lichtes und Deiner Gnade werden! O Herr, habe Geduld mit unserer großen Schwäche!“ 9. Sagte Ich: „Das kann und darf Ich mit dem Menschen nicht also wie mit diesen Weinkrügen tun; denn das steht allein bei eurem Eifer und eurem eigenen freien Willen. Aber an Meiner Hilfe sollet ihr keinen Mangel haben. Soviel ihr selbst vermöget nach dem Maße eurer Kraft, soviel müsset ihr auch selbst tun; was darüber ist, das wird dann schon Meine Sache sein. Denn wahrlich, sage Ich euch: Um was ihr den Vater in Meinem Namen und in Meiner euch bekannten Ordnung bitten werdet, das wird euch auch gegeben werden in dem Maße, wie es euren Seelen frommen kann. Jetzt aber trinket, da es bereits wieder Abend geworden ist!“ 10. Die Judgriechen hoben nun die Krüge auf, dankten und sagten: „Auf ein allgemeines Gedeihen des großen Glückes, das wir gestern gefunden haben, für alle Juden und alle Völker der Erde! Dein Wort, Deine Lehre und Deine Gnade möge sie alle also durchdringen, wie unsere Eingeweide und Glieder dieser köstlichste, geistigste und süßeste, ganz frei und neu geschaffene Wein durchdringen und beleben wird! Herr, Dein Wille geschehe!“ 11. Hierauf sagten alle Amen, und Ich erhob Mich vom Sitze und sagte: „Das war ein wahrer und guter Wunsch; darum trinken wir alle von dieser Gottesgabe auf das sichere Gedeihen dieses Wunsches, und auch Ich sage dazu Mein Amen! Es wird zwar noch sehr viele Mühe und Arbeit geben; denn der Weingarten Gottes ist groß und hat jetzt noch wenig Reben. Darum heißt es graben und neue edle Reben setzen ohne Ruhe und Rast, damit der Weinberg voll edler und fruchtbarer Reben werde, dann wird die große Ernte uns den tausendfachen Lohn für unsere Mühe und Arbeit geben! 12. Wir werden bei dieser Arbeit wahrlich viel Ungemach aller Art zu bestehen haben, wir werden noch auf das äußerste von groß und klein verfolgt, verachtet und verspottet werden; aber da wir wohl wissen, was wir haben, und was wir geben, so werden wir die blinde Bosheit der Welt auch leicht in aller Geduld, Demut und Sanftmut ertragen. Denn der Vater will es also, daß die Seinen in dieser Welt so recht bis auf das äußerste sollen zuvor gedemütigt werden, ehe sie erhoben werden zu der unvergänglichen Ehre, die ihnen ewig niemand mehr nehmen wird. 13. Auch dieser Mein Fleischmensch wird davon nicht ausgenommen sein, wie Ich solches Meinen Jüngern schon zum voraus gesagt und gezeigt habe. Aber alles dessen ungeachtet werden wir den großen Zweck doch sicher erreichen und siegen über alles Gericht, Tod und Hölle. Und ist dieser Sieg erfochten, dann werden die lange versperrten Pforten der Himmel den neuen Kindern Gottes für ewig geöffnet werden, und der Sieg wird bleiben für immerdar. 14. Wohl werden die Widersacher auch noch in allerlei Gestalt und Form fortwuchern, und es wird unter dem Weizen auch das Unkraut gedeihen, und im Weinberge werden sich Wildlinge ansetzen und fortwuchern, aber stets nur bis zu einer gewissen Zeit; dann werden sie aber ausgeschieden und ins Feuer des Gerichtes geworfen werden, wo es dann viel Heulens und Zähneklapperns geben wird.“ 15. Da fragten einige: „Herr, was wolltest Du denn damit sagen?“ 16. Ich aber sagte: „Wie Mosis reine Lehre mit der Zeit verunreinigt ward durch die Habsucht der Menschen und durch ihren Weltsinn, also wird es auch mit dieser Meiner reinsten Lehre gehen. Sie, die Weltmenschen, werden wieder Tempel bauen und werden sie zur Gewinnung von Geld und anderen irdischen Gütern benützen und werden dabei die Gewinnung Meines Reiches gar nicht achten. Sie werden einhergehen stolzer denn die größten Fürsten und Könige der Erde, in Gold und Edelsteine gehüllt. – Sehet, das wird sein das Unkraut unter dem Weizen und die Wildlinge in Meinem Weinberge!“ Kapitel 22 Großes Evangelium Johannes, Buch 6 22. — Die falschen Lehrer des Evangeliums 1. Fragten die Jünger nun: „Herr, wie wird das möglich sein? Denn wir werden es geben, wie wir es empfangen haben, und die es von uns empfangen werden, die werden es nicht verunreinigen. Dazu wird Deine Gotteshilfe aus den Himmeln ja doch das meiste vermögen!“ 2. Sage Ich: „Das verstehet ihr jetzt noch nicht! Es gibt in der Erde, auf der Erde und in der Luft ungegorene böse Geister, die stets darauf ausgehen, sich des Menschen Fleisches zu bemächtigen. Sie sind notwendige Ausgeburten des alten Gerichtes der Erde, suchen ihresgleichen unter den Kindern dieser Welt und beschleichen ihre Sinne. Das tut den Kindern dieser Welt wohl, und sie folgen den geheimen Lockungen solcher Geister. 3. Solche Kinder der Welt aber ergreifen dann alles, was irgend in der Welt Aufsehen macht. Da sie aber den wahren Geist nicht haben, weil sie eben Kinder dieser Welt sind, so richten sie sich das, wodurch sie viele irdische Güter zu gewinnen wähnen, nach ihrer geistigen Blindheit und nach ihrer Weltklugheit ein, alles mit äußerem Pomp und äußerer Würde und Majestät und verlocken dann viele, auch bessere Geister, zu sich. 4. Und siehe, das ist dann schon eine große und grobe Verunreinigung einer noch so reinen Lehre! Und weil die reine Lehre nur höchst geringe irdische Vorteile bietet, sondern nur geistige, die unreine aber nebst den vorgeschützten geistigen Gütern hauptsächlich große irdische Vorteile ihren Bekennern in sichere Aussicht stellt, da könnet ihr es dann schon so halbwegs begreifen, wie da mit der Zeit eine Verunreinigung in die reinste Lehre kommen kann. 5. Darum seid auf eurer Hut! Denn es werden mit der Zeit noch bei eurer irdischen Gegenwart viele falsche Propheten und Lehrer aufstehen und mit großem und keckem Geschrei sagen: ,Sehet, hier ist Christus (Wahrheit aus Gott) und dort ist Er!‘ und werden sogar nach Art der Essäer große Zeichen tun, mitunter derart, daß sie, so Ich es zuließe, sogar euch auserwählte erste Jünger berücken könnten. Aber höret sie ja nicht an, sondern strafet sie durch Meinen Namen ihrer Lüge wegen, und verweiset sie zur Demut und zur Annahme der Wahrheit aus Gott, so werdet ihr und eure rechten Jünger eines reinen Weges wandeln! 6. Die Zeichen, an denen ihr sie ganz leicht erkennen werdet, aber sind Großsprecherei, große und grobe Anmaßung von göttlichen Kräften, die sie nie hatten und auf dieser Welt nie haben werden, dann großer Glanz, große Pracht, ein mystischer Pomp wie bei den Heiden und die möglich größte Herrschsucht, wie auch eine nimmer zu sättigende Gier nach den größten Schätzen und Gütern dieser Welt. An diesen doch so hübsch handgreiflichen Merkmalen werden sie hoffentlich eben nicht schwer zu erkennen sein.“ 7. Sagten alle samt den Jüngern: „Oh, da werden wir sie wohl erkennen, solange wir auf der Welt sein werden; dann aber mögen sie unsere Nachjünger selbst auf die gleiche Weise beurteilen und wohl erkennen, und Du wirst Deine wahren Jünger nicht verlassen!“ 8. Sagte Ich: „Ich werde im Geiste bleiben bei ihnen bis ans Ende dieser Welt! Für heute aber genügt es an Zeichen und Lehren. 9. Von jetzt an werde Ich außer den Heilungen der Kranken keine anderen Zeichen wirken den ganzen Winter hindurch und keine Lehren geben; denn jetzt habt ihr an den bereits empfangenen zur Genüge. So ihr für euch irgend etwas nicht verstehet, so bin Ich bei euch. Ihr, Meine Jünger, aber unterweiset in dieser Zeit gelegentlich diese neuen Jünger! 10. Morgen und die andern Tage bis zum Sabbat hin werden wir uns hier in diesem Hause ausruhen; aber am Sabbat werden wir gen Bethlehem gehen und dort mehrere Kranke heilen. Dann werden wir einige Tage bei unserem Wirte zubringen und dann auch bei Meinem Lazarus, und so wechselweise bis zum halben Winter. Dann besuchen wir den Kisjonah und kommen vor dem Osterfeste wieder hierher. Sodann erst werden wir mit vielen Begleitern und neuen Jüngern wieder nach Galiläa ziehen, allwo Ich wieder neu zu lehren und zu wirken anfangen werde. 11. Jetzt aber bringet Lichter, und wir wollen bei Brot und Wein fröhlich sein und wollen auch an diesen Tischen sogleich die Nachtruhe nehmen!“ 12. Dieser Antrag war allen recht, niemand aber verspürte irgendeinen Schlaf, und so wurde nahe über die Mitternacht hinaus von allerlei gesprochen, was aber keinen öffentlichen Wert für die allgemeine Menschheit hat und haben kann; denn Ich Selbst habe oft mit Menschen, die Mir lieb waren, so manches besprochen und habe ihnen Rat in allerlei häuslichen Dingen gegeben, die natürlich nicht ins Evangelium gehören, was auch Meine Jünger taten, und was sie bei den Menschen oft sehr angesehen und beliebt machte. Denn auch das ist Nächstenliebe, daß man den bedrängten und unkundigen Menschen in allerlei guten und nützlichen Dingen mit gutem Rate beisteht. 13. Am Morgen waren wir schon eine halbe Stunde vor dem Aufgange auf den Füßen. Es ward bald ein kleines Morgenmahl eingenommen, und nach demselben ward ins Freie gegangen und da über verschiedenes gesprochen. Und so ging es bis zum Sabbat. 14. Wir besuchten auch mehrere Nachbarn des Lazarus, die eine große Freude hatten, Mich zu sehen und zu sprechen; aber unter diesen Nachbarn fanden wir auch nicht einen, der da ein Freund des Tempels gewesen wäre. 15. Die zwanzig Judgriechen wurden aber nicht erkannt, obwohl sie viel von des Tempels Umtrieben sprachen und sich dadurch bei den Nachbarn sehr beliebt machten. Kapitel 23 Großes Evangelium Johannes, Buch 6 23. — Der Herr und die Seinen in Bethlehem. Heilung und Versorgung vieler Kranker 1. Am Sabbat frühmorgens aber brachen wir auf und zogen nach Bethlehem. Es war dort ein Fest, und da gab es eine große Menge armer, bresthafter und mit allerlei Übeln behafteter Menschen, die außerhalb der Tore der Stadt umherlagen und um ein Almosen baten. 2. Da sprach Lazarus, der mit uns gezogen war: „Herr, da sieh hin, diese Menge Armer! Und wie elend diese Menschen doch aussehen!“ 3. Da sagte Ich: „Da sind viele darunter, die von den Pharisäern in dieses Elend und in diese Armut gestürzt wurden; dafür aber dürfen sie nun betteln. Strafen, Traurigkeit, Ärger und heimlicher Zorn und Grimm haben sie endlich auch zu solchen Krüppeln gemacht. Ich aber bin eben darum nun hierher gekommen, um ihnen leiblich zu helfen, damit sie sich in der Folge doch ihr Brot mit ihren Händen verdienen können.“ 4. Da baten uns einige um ein Almosen. 5. Ich aber sagte zu ihnen: „Möchtet ihr euch nicht lieber mit euren Händen euer Brot verdienen, als hier so elend betteln?“ 6. Da sagten alle: „O Herr, wer du auch sein magst, um tausend Male lieber, so wir, wie einst, gesund wären! Aber da sieh unsere Füße und Hände an, und urteile selbst, ob wir möglicherweise einer Arbeit fähig sind!“ 7. Sagte Ich: „Ja, das sehe Ich wohl; Ich wollte aber damit nur fragen, ob ihr nicht lieber vollkommen gesund werden möchtet und dann lieber arbeiten, denn hier so elend betteln!“ 8. Da sagten alle: „O Mensch, wenn das möglich wäre, da stünden wir sogleich auf und zögen von dannen und suchten uns Arbeit und Brot!“ 9. Sagte Ich: „Aber wisset, es ist heute Sabbat, und da wird es etwa wohl nicht so recht geziemend sein, euch von euren vielen alten Übeln zu heilen!“ 10. Sagten die Armen: „Herr, wir sind gut unterrichtete Juden, – aber wir wissen nichts davon, daß Moses noch irgendein Prophet es je verboten hätten, am Sabbat ein gutes Werk zu tun! Wenn man am Sabbat sogar einem kranken Tiere beistehen darf, ohne dadurch den Sabbat entheiligt zu haben, warum sollte man denn da einem Menschen nicht helfen dürfen, so ihm noch zu helfen ist?! Und warum rennen die Pharisäer, wenn sie zugleich Ärzte sind, auch an den Sabbaten zu den reichen Kranken?! Die sollten doch zunächst wissen, ob sie dadurch den Sabbat entheiligen oder nicht!“ 11. Da sagte Ich zu ihnen: „Eure Antwort ist ganz gut, und nun will Ich und sage: Werdet alle völlig gesund!“ 12. Da erblickten sie ihre verkrüppelten Glieder wieder ganz gerade und gesund, und einer darunter, dem seine rechte Hand vom Ellbogen an fehlte, bekam auch diese Hand wieder. Das war den Geheilten denn doch etwas zu wunderbar stark. Es fragte darum einer, wer Ich denn sei, daß Mein Wort solches vermöge, was keines Arztes Kunst mehr vermöchte. 13. Da sagte Ich: „Das werdet ihr schon noch einmal erfahren, – für jetzt aber erhebet euch, und gehet und suchet Arbeit und Brot!“ 14. Da sagte Lazarus zu ihnen: „Wenn ihr sonst keine Arbeit findet, da ziehet nur nach Bethanien hin; der Herr des großen Gutes hat Arbeit für Hunderte!“ 15. Da erhoben sich alle, dankten und zogen hin. 16. Dasselbe Zeichen der Heilung wurde noch an den andern sechs Toren der Stadt ausgeübt; denn die alte Stadt Davids hatte sieben Tore, davon drei große und vier kleine. Beim letzten großen Tore aber wurden wir von drei vorüberziehenden Pharisäern angehalten und beanstandet, daß sich solches nicht zu tun gezieme an einem Sabbat. 17. Aber die Geheilten erhoben sich schnell und sagten zu ihnen mit sehr drohender Miene: „Zehn Jahre hindurch lagerten wir Elenden vor den Toren, und noch nie hat einer von euch uns gefragt, was uns fehle, und noch weniger hat uns je einer von euch ein Almosen gegeben, – und ihr wollt nun diesen wahren Wunderheiland beanstanden darum, daß er uns unsere geraden und sogar teilweise fehlenden Glieder wiedergab?! 18. Hat denn Moses nicht sogar geboten, auch am Sabbat sogar einem kranken Vieh Hilfe zu leisten?! Um wieviel mehr wird es dann erst geboten sein, am Sabbat einem leidenden Menschen zu helfen?! Jetzt seht, daß ihr weiterkommt – sonst werden wir euch den Moses besser verstehen und begreifen lehren!“ 19. Hier sahen die drei, daß es eben nicht sehr rätlich wäre, mit den Geheilten sich in einen weiteren Wortwechsel einzulassen, und sie machten sich schnell davon. Die Geheilten aber dankten und entfernten sich dann schnell auch nach Bethanien hin, nachdem sie Lazarus zuvor beteilt hatte. Und so bekam Lazarus, dem es bei seinen sehr ausgedehnten Besitzungen schon lange an Arbeitern fehlte, auch bei hundertzwanzig Arbeiter, die er alle gar gut verwenden konnte, und mit denen er nicht in der Gefahr war, daß sie ihm, wie es schon oft der Fall war, von den Templern abgelockt werden möchten. 20. Wir entfernten uns aber auch schnell und zogen in einen andern Ort, der von Bethlehem bei zwei Stunden entfernt lag und zumeist von Griechen und Römern bewohnt war. Wir suchten uns da eine gute Herberge und traten ein. Kapitel 24 Großes Evangelium Johannes, Buch 6 24. — Die Heilungen des Herrn in einem Orte bei Bethlehem 1. Der Hauswirt, ein biederer Römer, der auch recht gut hebräisch sprach, sagte: „Ja, meine lieben Gäste, euer zahlreicher Besuch freut mich gewiß sehr, aber es ist in dieser, meiner großen und mit allem reichlichst versehenen Herberge ein wahres MALUM OMEN [schlechtes Zeichen, im Sinne von Mißgeschick] eingetreten. Es liegen nämlich mein braves und in der Küchenwirtschaft sehr bewandertes Weib und auch meine zwei ältesten ebenso brauchbaren Töchter schon acht Tage hindurch an einem bösen Fieber danieder. Weder griechische noch jüdische Ärzte können ihnen helfen, und so sieht es nun in meiner Küche sehr schlimm aus. Brot und Wein habe ich wohl, aber mit anderen Speisen sieht es nun sogar für mich selbst sehr mager aus!“ 2. Sagte Lazarus, der den Wirt seit langem kannte: „Mache dir aus diesem deinem Hausübel nichts daraus; deinem Hause ist nun ein Großheil widerfahren! Siehe, der große Wunderheiland ist hier unter uns, von dem du aus Galiläa durch Reisende vieles wirst erfahren haben! Den bitte, und mit deinen Kranken wird's auf der Stelle besser sein!“ 3. Fragte der Wirt: „Welcher ist es? Ich habe Unaussprechliches von ihm schon mehrere Male vernommen!“ 4. Lazarus sagte: „Dieser da fest an meiner Seite ist es!“ 5. Als der Wirt solches von Lazarus vernahm, da fiel er förmlich vor Mir nieder und bat Mich, seinen drei Kranken zu helfen; denn er glaubte fest, was ihm Lazarus anzeigte. 6. Ich aber sagte zu ihm: „Stehe auf und gehe hin; denn mit deinen Kranken geht es schon völlig besser, und sie mögen uns nur ein gutes Mahl bereiten!“ 7. Da erhob sich der Wirt eilig und eilte zu den Kranken, und diese sagten zu ihm ganz heiter: „Siehe, wir sind plötzlich so gesund geworden, daß wir eigentlich noch nie gesünder waren! So du willst, so stehen wir auf und besorgen die Küche!“ 8. Sagte der Wirt: „Tut das; denn ich weiß es, daß ihr völlig gesund seid! Das Weitere werdet ihr erfahren!“ 9. Die Weiber aber fragten dennoch den Wirt, daß er ihnen nur kurz sage, wer der große Wohltäter wäre, daß sie zu ihm gingen und ihm zum voraus den schuldigsten Dank abstatteten. 10. Der Wirt aber sagte, er sei mit etlichen fünfzig Gästen angekommen, und sie alle möchten vor allem ein gutes Mittagsmahl. Es sei nahezu die fünfte Stunde nach dem Mittage, und er könne ihnen nichts geben denn Brot, Wein und Salz. Daher sollten sie ihre Dankbarkeit an den großen Wohltäter vor allem in der Küche ausrichten, für das andere wäre auch nach dem Mahle noch Zeit zur Genüge. 11. Diese Rede wirkte, und die Köchinnen waren in Windesschnelle in der Küche, und die vielen Dienstleute mußten sich gleich nach allen Ecken hin tummeln und den dreien beim Abkochen nach allen Kräften behilflich sein. Darauf kam der Wirt ganz frohen Mutes in das große Gastzimmer und dankte Mir mit Tränen in den Augen für diese ihm erwiesene große Gnade, wie er sich ausdrückte. 12. Ich aber sagte zu ihm: „Mache kein Aufhebens davon; dir ist geholfen, und eines Weiteren bedarf es nicht!“ 13. Sagte der Wirt: „O Meister und Freund, da bedarf es noch sehr eines Weiteren! Erstens bin ich dein offenbarster großer Schuldner, und zweitens muß ich nun offen bekennen, daß ich dich für mehr halte denn für einen puren Menschen! Und da wäre es wohl sehr in der guten Ordnung, solch einem wahrsten Gottmenschen ein Opfer zu bringen!“ 14. Sagte Ich: „Lasse das alles gut sein! Ich bin jetzt nur ein Mensch wie ein anderer mit Fleisch und Blut; ein Weiteres wirst du schon noch früh genug erfahren! Jetzt aber sei heiter und fröhlich, so wie wir alle es sind!“ 15. Das freute den Wirt sehr, und er nahm Krüge und brachte uns gleich den allerbesten Wein aus seinem Keller, den er sonst nur den höchsten Römern, wenn sie diese Gegend bereisten – was eben an dieser Hauptheeresstraße nichts Seltenes war –, vorzusetzen pflegte. 16. Unser Judas griff gleich nach einem Kruge und leerte ihn mit starken Zügen nahe bis auf den Boden. Das bemerkten die andern Jünger und fragten ihn, wem denn unter ihnen der Vorrang gebühre, den ersten Trunk von dem besten Weine des Wirtes zu machen. 17. Da erwiderte er (Judas Ischariot): „Es hat mich sehr gedürstet, und der Vorwein war mir zu gering; so es aber nicht recht ist, so wird es mir schon Der verweisen, und ihr habt mir nichts darum vorzuwerfen!“ 18. Ich aber sah Mich um und sagte zu den Jüngern: „Lasset ihn; denn den zu bessern, hieße mit aller Gewalt einen Mohren weiß waschen!“ 19. Als Judas solches vernahm, da schämte er sich, ging hinaus und verlief sich irgendwohin, so daß wir ihn dann drei Tage lang nicht zu Gesichte bekamen. Er suchte sich aber eine andere Herberge aus, in der er um sein Geld zehrte; denn er wußte sich auf den Reisen heimlich immer irgend ein Geld zu verdienen. 20. Es waren aber alle froh, daß er sich entfernt hatte, und wir brachten bei dem Wirte unter guter Bewirtung noch volle acht Tage zu, und Ich heilte in diesem Orte noch mehrere Kranke. 21. Als aber bald nachher der Zudrang von Menschen zu stark wurde, da machten wir uns frühmorgens auf den Weg und zogen in eine andere Gegend, wo wir desgleichen wieder gut aufgenommen wurden und die Kranken heilten. Da mußten auch, mit Ausnahme des Judas, die Jünger den Kranken die Hände auflegen, und es ward besser mit allen, denen die Jünger die Hände auflegten. Ich Selbst aber tat da wenig Zeichen, sondern unterhielt Mich mit dem noch immer mit uns ziehenden Lazarus und mit dem andern Wirte. 22. Mittlerweile kamen wir wieder nach Bethanien zu Lazarus und zu unserem Wirte. Und beide, obwohl sie bei vier Wochen lang mit Mir umhergezogen, fanden zu Hause alles in der schönsten Ordnung. Bei dem Wirte brachten wir wieder bei acht Tage zu, und darauf wieder beim Lazarus, der eine große Freude hatte an seinen zu Bethlehem aufgenommenen Arbeitern, denen in seinem Dienste nichts abging. 23. Als Mich die Geheilten ersahen, fielen sie vor Dank förmlich vor Mir auf die Knie nieder und wollten Mich ordentlich anbeten; denn sie hätten es schon durch Martha und Maria erfahren, wer Ich so ganz eigentlich wäre. 24. Ich aber sagte zu ihnen: „Schweiget vorderhand! Es wird jüngst schon noch eine Zeit kommen, wo auch ihr werdet reden können!“ 25. Da erhoben sie sich bald, versprachen zu schweigen und gingen sofort an ihre ihnen zugewiesenen Arbeiten. Kapitel 25 Großes Evangelium Johannes, Buch 6 25. — Die Reise des Herrn zu Kisjonah 1. Wohl aber hatte uns die Martha erzählt, wie schon unter der Zeit mehrere Templer zu ihr gekommen wären und sich sehr angelegentlich erkundigt hätten, wo denn Lazarus hingereist sei, und woher nun auf einmal die vielen braven Arbeiter gekommen seien. Da habe sie ihnen erwidert, Lazarus, der Bruder, sei wichtiger Geschäfte halber vielleicht gar nach Ägypten verreist und habe bald nach seiner Abreise irgendwo diese notwendigen Arbeiter gedungen und sie nach Bethania gesandt. 2. Ein Pharisäer aber habe sie gefragt und gesagt: „Kannst du uns nicht zwanzig dieser Arbeiter überlassen?“ 3. Martha aber sagte: „Redet selbst mit ihnen, – denn ich weiß gar nicht, ob sie Juden, Griechen oder Römer sind; denn sie reden untereinander allerlei Zungen!“ 4. Da ging der Pharisäer bald hinaus und fing mit einigen der Arbeiter zu unterhandeln an. Aber diese schienen ihn zu kennen und sagten, daß sie erstens nicht mehr Juden seien, und so sie es wären, da dürfte er versichert sein, daß sie keinem Pharisäer mehr dienen würden. 5. Da seien die Templer heimgezogen, und es wäre seit der Zeit noch keiner wieder in Bethanien gewesen; sie würden wahrscheinlich des Bruders Rückkunft abwarten. 6. Da fragte Mich Lazarus, was da in dem Falle zu machen wäre. 7. Und Ich sagte zu ihm: „Tue, was deine Schwester tat! Sie werden mit den Arbeitern nichts ausrichten, und dir können sie darum keine Schuld geben.“ 8. Und so war es auch gut, und Lazarus hatte dann mehr Ruhe in seinem Haushalte. 9. Wir aber blieben, da es schon ziemlich winterlich geworden war und Ich wenige Kranke mehr zu heilen hatte, wie gesagt, nun so bis Mitte Winter noch wechselweise bald bei Lazarus und bald wieder bei unserem Wirte, in welcher Zeit die neuen Jünger von den alten Jüngern die ganze neue Lehre mit vieler Liebe und festem Glauben annahmen und sogar die neue Taufe verlangten. 10. Aber Ich sagte zu ihnen: „Es genügt vorderhand, daß ihr die Taufe der Wahrheit angenommen habt; wenn aber, so ihr bei der Lehre verbleibet und nach derselben lebet und handelt, die wahre, lebendige Taufe über euch kommen wird, da werdet ihr auch die Taufe des Johannes nehmen können. Es wird aber jüngst eine Zeit kommen, in der viele eher die wahre Lebensfeuertaufe des Heiligen Geistes erhalten werden denn die Taufe mit dem Wasser.“ 11. Damit waren die neuen Jünger ganz zufrieden. 12. Um die bestimmte Zeit an einem Montage aber verließen wir mit Segen Bethanien und unseren Wirt und zogen ganz wohlgemut hinauf gegen das Galiläische Meer. Allda trafen wir ein gutes Schiff und dingten es nach Kis. Da es aber schon Abend war, so getrauten sich die Schiffer nicht, in der Nacht über das Meer zu fahren, da sie vorgaben, daß um diese Zeit gen Mitternacht hin das Meer sehr stürmisch werde. 13. Aber die Jünger sagten: „Ihr seid doch aus Genezareth – und kennet die Macht des Herrn Jesus aus Nazareth nicht?“ 14. Sagten die Schiffer: „Was? Jesus aus Nazareth ist hier?“ 15. Und Ich sagte: „Ja, Ich bin es!“ 16. Da sagten die Schiffer: „Ja, wenn Du es bist, dann mögen die Wogen zu den Wolken hinansteigen, so fahren wir noch! Besteiget nur das geräumige Schiff; denn es hat guten und sicheren Raum für zweihundert Menschen!“ 17. Wir bestiegen nun das Schiff und fuhren bei einem guten Wind ab, und obwohl gegen Kis hin die Wogen hochgingen, so achteten ihrer die Schiffer doch nicht, und wir erreichten bei mäßigem Mondlichte dennoch ganz gut die ruhige Bucht von Kis. 18. Als wir in den Hafen des Kisjonah einliefen, da waren sofort seine Diener und Zöllner bei der Hand und befragten uns emsig und amtlich, was uns hierher gebracht hätte, was wir hier machten und wohin unsere Reise ginge, und ob wir mautbar seien. 19. Ich aber sagte: „Heißet Mir den Kisjonah her, und dann werdet ihr es gleich erfahren, was wir hier zu machen haben!“ 20. Sogleich wurde Kisjonah geholt. 21. Er kam alsbald, mit Fackeln beleuchtet, ans Ufer, und als er Meiner ansichtig ward, da schrie er völlig vor Freuden (Kisjonah): „O Herr, wie würdigest du mich sündigen Menschen, noch in so später Nacht zu mir zu kommen?! Oh, so sei mir mit allen, die mit Dir sind, tausendmal willkommen! Kommet alle herein in mein großes Haus, auch ihr Schiffer; denn heute werdet ihr nicht weiterfahren! Ich will euch mit allem und dem Besten bedienen! Oh, diese höchste Freude, die mir nun so unerwartet zuteil ward, ist geradezu unbeschreiblich! O kommet, kommet, kommet!“ 22. Wir stiegen rasch aus dem Schiffe ans Ufer und gingen sogleich in Kisjonahs Haus, in dessen großem Zimmer es recht warm war, da es durch vier gute Kamine, in denen ein reges Feuer loderte, ganz wohl erwärmt war. Das ganze Haus ward gleich in eine volle Tätigkeit versetzt, und ehe eine halbe Stunde verging, waren schon eine Menge bestbereiteter Edelfische auf den Tischen und des Brotes und des Weines bester Sorte in Hülle und Fülle, was uns allen sehr gut zustatten kam; denn wir hatten von Lazarus' Hause an seit frühmorgens nichts gegessen und getrunken. 23. Ich Selbst fühlte nach einer so langen Reise das Bedürfnis nach einer Leibesstärkung auf einem natürlichen Wege, und um so mehr die Jünger, und diese ward uns hier im reichsten Maße zuteil. Wir aßen und tranken ganz wohlgemut, und nahe die ganze Nacht wurde viel erzählt von unseren Reisen und Begebenheiten, was alles den Kisjonah und seine Familie im höchsten Grade interessierte, und worüber er sein Lob und seine Verwunderung nicht genug aussprechen konnte. Nur bedauerte er, daß Maria, die nahezu den ganzen Sommer bei ihm zugebracht hatte, nun auf einige Tage nach Nazareth verreist sei, aber bald wieder zurückkehren werde. Sie habe aber dennoch vieles gehört von Meinen Reisen und Taten und könne nicht begreifen, wie sie von Gott einer solchen Gnade wert sei. Sie wisse wohl um alle die wunderbaren Vorgänge; aber daß denen das folgen würde, davon konnte sie sich vorher keine so recht klare Vorstellung machen. 24. Und so erzählte uns Kisjonah noch so manches aus dem Leben und Verhalten Mariens in Meiner Abwesenheit, wie auch von den zwei Söhnen Josephs, nämlich von Joel und Joses, die daheimblieben und das Werk Josephs fortführten. Allein solches alles hier wiederzugeben, wäre nutzlos, und so sei es unterlassen. 25. Wir gingen auch in dieser Nacht in kein eigentliches Ruhebett, sondern blieben auf den weichen Kanapees sitzen und ruhten uns im warmen Gemache ganz wohl aus, und das um so mehr, da wir unserer Ruhe über die Morgenstunde pflegten. Wir nahmen darum auch kein Morgenmahl zu uns; dafür aber war das Mittagsmahl desto ergiebiger, zu dem auch unser bekannter Philopold aus Kane an der Grenze Samarias geladen ward und noch einige andere Freunde von Mir und von Kisjonah. 26. Nun, auch das ist alles Nebensache; aber weil dabei eine Haupterörterung über Gottes Geisturwesen im Gegensatze zu aller Kreatur, über Zeit und Raum, Unendlichkeit und Ewigkeit, über Gottes Dasein und Sein und über das Dasein und Sein aller Kreatur in Zeit und Raum, von Philopold angeregt, von Mir ganz klar erfolgte, die bis in die späte Nacht dauerte und sogestaltig das Mittags- und Abendmahl vereinte, so kann diese Erörterung hier wohl angeschlossen werden, weil sie jedem Denker einen vollkommenen Aufschluß über das materielle und geistige Sein des Menschen und über das reinst-geistige Ursein Gottes gibt und geben muß. Kapitel 26 Großes Evangelium Johannes, Buch 6 26. — Philopolds philosophische Fragen 1. Unser Philopold, der Mich auch mit Kisjonah beim alten Markus besuchte, hatte zwar über diesen Gegenstand gar manches und vieles vernommen und glaubte auch, daß es also sich verhalte; aber er war einmal ein Weltweiser, zwar bester und reinster Art, und begnügte sich darum nicht mit dem puren Glauben allein, sondern er wollte das auch wie einen mathematischen Grundsatz erwiesen haben. 2. Er legte darum seine Erkenntnismängel an den Tag und sagte gleich nach dem Mittagsmahle (Philopold): „Herr, alles, was ich erfahren, gesehen und gehört habe, glaube ich fest; aber gründlich einzusehen und zu begreifen vermag ich bei aller Schärfe meiner Denkkraft das wenigste, und das beklemmt oft gar sehr meine Seele! Ich habe mir daher fest vorgenommen, mit Dir Selbst bei einer glücklichen Zusammenkunft, die soeben erfolgt ist, darüber näher zu reden, und so es Dir eben nicht unangenehm wäre, da möchte ich mich eben jetzt von Dir näher und begreiflicher belehren lassen.“ 3. Sagte Ich: „Ich habe euch wohl allen verheißen, jüngst Meinen Geist zu senden und ihn über euch auszugießen, der euch dann in alle Wahrheit und Weisheit leiten wird, und sagte auch, daß ihr euch bis dahin gedulden sollet; aber einem redlichen Bestreben wie dem deinigen will Ich auch also mit Meinem Munde helfen, und das jetzt in dieser Winterszeit um so eher, da Ich sie der Winterruhe wegen versprochenermaßen ohnehin bis nahe gegen die Osterfeste allhier zubringen will und werde, und so kannst du deine Zweifel schon auftischen, und was sich heute nicht alles erörtern lassen wird, dafür werden wir schon der Zeit in Menge finden. Nach beendetem Mahle, da wir ohnehin wieder am Tische sitzen bleiben, kannst du dein Anliegen schon anbringen. 4. Morgen, so Meine Jünger es selbst wollen, können sie auf einige Tage zu ihren Familien heimkehren; die aber keine Familie haben, die bleiben hier, vor allem Johannes und Matthäus, denn die haben hier noch manches ins reine zu schreiben.“ 5. Hier fragte auch Judas, ob er auch gehen oder bleiben solle. 6. Sagte Ich: „Du hast ja den größten Besitz unter allen Jüngern, hast Weib und Kinder und mehrere Diener; daher hast du auch am nötigsten, nach Hause zu gehen, und kannst erst gegen Ostern, so du willst, wiederkehren!“ 7. Mit diesem Bescheide war zwar Judas nicht gar absonderlich zufrieden; da ihn aber niemand bleiben hieß, so fügte er sich des andern Tages dennoch Meinem Ausspruche. Die andern Jünger gingen zwar auch, aber sie kamen alle in etlichen Tagen wieder und blieben dann mit wenigen Unterbrechungen bei Mir. 8. Kisjonah brachte nach der Mahlzeit noch einen Extrawein, den er ,Noahs Liebling‘ nannte, und kredenzte ihn herum. Der begeisterte den Philopold sehr, und er fing mit seinen Skrupeln bald an auszupacken, – aber alles in der besten und bescheidensten Ordnung. 9. Was sagte er denn eigentlich, und um was fragte er? Hier folgte eine Frage um die andere! 10. „Herr“, sagte er (Philopold), „wenn ich nach Deinen Lehren beim alten Markus so recht nachdenke, so sind Zeit und Raum wie hier auf Erden durch gewisse Perioden und Fakta und in den Formen, die im Raume vorkommen, begrenzt und meßbar; aber an und für sich sind sie ewig und unendlich, was im Grunde ein und dasselbe ist. 11. So aber Zeit und Raum das sind, so verstehe ich die Schriften der alten Gottesgelehrten und Weisen durchaus nicht, die da fest behaupten und sagen: Gott als das Ursein alles Seins und Daseins befinde sich außer Zeit und außer Raum. 12. Wie ist das möglich bei einer ewigen Zeitendauer, die ohne Anfang und Ende ist, und bei der Existenz eines unendlichen Raumes, der auch nirgends einen Anfang und nirgends ein Ende hat? 13. Wenn demnach aber Gott für sich gänzlich außer Zeit und Raum besteht, so kann sich selbst die reinste menschliche Vernunft unmöglich von Gott einen anderen Begriff machen als: Entweder gibt es gar keinen Gott, weil es außer der ewigen Zeit und außer dem ewig-unendlichen Raume unmöglich etwas geben kann, oder Gott besteht so wie wir alle in der Zeit und im Raume, und die alten Gottesweisen haben mit ihren Definitionen den größten Wahnsinn niedergeschrieben. 14. Zu dieser meiner Behauptung dienst mir sogar nun Du; denn, daß in Dir eine Fülle der Gottheit wohnt, das kann niemand leugnen, der Dich reden gehört und wirken gesehen hat. Welcher Gottesweise aber kann nun von Dir behaupten, daß Du nicht mit uns in Zeit und Raum seiest?! 15. Und behauptet er das, so bist Du Selbst damit vollkommen entgöttlicht! Du bist dann kein Gott mehr, sondern nur ein höchst seltener Mensch, der durch Geburt, Genius, außergewöhnliches Talent, Übung in der Festung des Willens und am Ende auch durch Erlernung von allerlei geheimen Künsten und Wissenschaften es dahin gebracht hat, daß Dich notwendig die Menschen von echtem Schrot und Korn für einen Gott ansehen müssen. 16. Aber Deine Eigenschaften, besonders in Deinem Wirken, sind dennoch von einer solchen Art, daß man zu ihrem Besitze nahe unmöglich durch obige Voraussetzungen gelangen kann. Und somit möchte ich denn nun aus Deinem Munde vernehmen, was da Rechtens ist.“ Kapitel 27 Großes Evangelium Johannes, Buch 6 27. — Die Reifeentwicklung des Menschen 1. Sagte Ich: „Du hast deine Frage gut und die Sache ganz richtig und wahr gestellt, insoweit ein fein denkender Mensch so etwas nur immer stellen kann; aber dennoch sage Ich dir, daß die alten Weisen ebenso und noch mehr recht haben denn du! 2. Glaubst denn du nicht, daß man in Zeit und Raum und auch zugleich ohne Zeit und Raum sein und ganz vollkommenst bestehen kann?“ 3. Sagt Philopold: „Ja, glauben kann man das schon, besonders so man es aus Deinem Munde vernimmt! Aber ich habe das ja schon gleich beim Eingange meiner Vorfrage und Bitte gesagt, daß alles von Dir Gesagte und auch Gezeigte bei mir gar keinen Anstand findet; es handelt sich hier pur ums Begreifen. Denn ein purer, sogenannter frommer Glaube kommt mir wie eine Verhöhnung aller menschlichen Vernunft, alles Verstandes und alles Denkens vor, die doch auch sicher von Gott dem Menschen gegeben wurden als ein geistiges Licht, durch das allein er sich, alle die Dinge außer sich und endlich sogar Gott erkennen kann. 4. Und so bin ich der ganz festen Meinung, daß es einem reellen Menschen nicht genügen soll, bloß nur blindhin zu glauben, was ihm irgendein Weiser oder sonstiger außerordentlich befähigter und faktisch in allen Sphären und Dingen wohlkundiger Mensch gesagt hat, sondern er soll dabei auch, und zwar am allermeisten, um ein rechtes Verständnis des in seinen Glauben Aufgenommenen sich emsigst erkundigen.“ 5. Sage Ich: „Da hast du wieder ganz vollkommen recht; nur hat es dabei noch so manchen Haken, der da auch sehr in die volle Berücksichtigung zu ziehen ist! 6. Siehe, zu allem in dieser Welt und sogar auch in der Geisterwelt gehört eine gewisse Reife und zu der Reife eine gewisse Zeit! 7. Sieh dir einen Apfelbaum oder eine Rebe im Winter an! Wo ist da die reife, süße Frucht?! Aber es kommt dann das Frühjahr, – das Licht und die Wärme der Sonne werden ergiebiger, die Knospen werden voller und saftiger, darauf merkst du bald zarte Triebe und endlich Blätter und Blüten. Nach kurzer Zeit fallen die Blüten als weiterhin zur Erreichung des höheren Zweckes gar nicht mehr nötig ab, und du kannst bald darauf den Ansatz der werdenden Frucht schon bemerken. 8. ,Was ist denn das für ein Vergleich?!‘, fragst du nun in dir. Siehe, Knospen, ihr Saftigerwerden, ihre ersten Triebe, Blätter, Blüten und die ersten Fruchtansätze entsprechen alle dem kindlichen, frommen Glauben des Menschen; aber von einer Reife kann da noch keine Rede sein. Denn Gott ist die höchste Ordnung Selbst, und was da irgend in aller Welt geschieht, das muß seine Zeit haben, welche da entspricht der göttlichen Ordnung. 9. Das Kind lallt zuerst; aus dem Lallen kommt nach und nach die Sprache. Ist die Sprache etwas gebildeter, so fängt man an, dem Kinde etwas vorzusagen, und es merkt sich bald die kurzen Sprüche. Und was man ihm ferner sagt, das glaubt es nahezu unbedingt; es fragt noch um kein Wie und Warum. Auf der Basis des frommen Glaubens erlernt es dann bis zum Schlusse des Jünglingsalters eine Menge und fängt in diesem Alter schon oft recht scharf zu denken an und den Grund von so manchem Gelernten und Innegehabten zu suchen; aber es hat noch zuwenig der vollen inneren Lebenswärme in sich und gleicht da völlig dem ersten Fruchtansatze. 10. Wenn aber dann im vollen Sommer die volle Kraft des Lichtes und der Wärme aus der Sonne kommt, so kommt auch der erste Fruchtansatz zur innerem, allbelebenden Wärme. Diese dehnt dann die junge Frucht stets mehr und mehr aus und verkocht die in die neue Frucht strömenden Säfte. Dadurch wird die Frucht größer und voller der stets reineren Säfte. Da kann dann auch das Licht stets mehr und mehr die Frucht durchdringen, und so erfolgt dann erst die Reife der Frucht. 11. Und sieh, also geht es auch beim Menschen! Bevor seine innere Liebelebenswärme nicht den möglichst vollsten Grad erreicht hat und das Licht dieser Wärme ihn nicht ordentlich durch und durch durchdringt, da wird er trotz der besten äußeren Erklärung die inneren, geistigen Wahrheiten schwer oder am Ende gar nicht verstehen; wenn er aber durch die innere zunehmende Lebenswärme und von ihrem Lichte wie eine reife Traube recht durchdrungen wird, dann ist er reif und hat die beste Erklärung aller seiner früheren Zweifel schon in sich. 12. Aber da du dich schon so ziemlich der Reife näherst, so kann man dir schon aus der großen Gnadensonne, von der alle Himmel und ihre Bewohner, wie auch alle materiellen Welten und was in ihnen, auf ihnen und über ihnen ist, lebt und atmet, ihr Leben und Dasein haben, ein wenig mehr Licht und Wärme zukommen lassen. Und so gib denn acht!“ Kapitel 28 Großes Evangelium Johannes, Buch 6 28. — Zeit und Raum 1. (Der Herr:) „Sieh, du warst von Mir vor einem halben Jahre deiner Seele nach in einen Zustand versetzt, vermöge dessen du in eine von hier äußerst entfernte Sonnenerdwelt versetzt worden bist, wie Ich solche Zeichen nachher auch bei anderen Gelegenheiten und Orten gewirkt habe, was alle Meine Jünger hier treulichst bezeugen können. Dann warst du beim Markus selbst schon zugegen, als der Engel die kostbare Leuchtkugel aus der sehr fernen Mitte von Afrika holte. 2. Siehe, so ein Pfeil in seiner größten Schnelle von dieser Erde abginge, so hast du als ein Hauptrechner gar keine so große Ziffer, durch die die Zahl der Erdenjahre bezeichnet werden könnte, die dazu erforderlich wären, damit der Pfeil jene Sonnenerdwelt erreicht, – und dein Übergang war hier und dort eins! Also hast du da mit dem irdischen Raume nichts zu tun gehabt und warst sonach deiner lebendigen Seele nach ganz sicher außer Zeit und Raum! 3. Von Markus weg nach Afrika hättest du auf einem gut gebahnten Wege sogar über zwei volle Jahre zu gehen nötig bis dahin, von wo der Engel den Leuchtstein geholt hat. Bei ihm war hin und zurück völlig eins. Konnte da für ihn Zeit und Raum etwas sein?! 4. Und weiter! Denke dir eine noch so schnelle Bewegung eines irdischen Gegenstandes, der zum Beispiel die Entfernung von dieser Erde bis zu der gewissen Sonnenerdwelt in einem Augenblicke zurücklegt, so könnte ein Geist in ein und demselben Augenblick eine tausend Male größere Entfernung für dich zahllose Male durchmachen; Ich sage zahllose Male, weil du für eine große Vielheit des Hinbewegens und Zurückkehrens keine so große Zahl kennst. 5. Aus dem aber geht hervor, daß selbst die größte diesirdische Bewegungsschnelligkeit mit der geistigen ewig in kein Verhältnis treten kann. Daher ist das Irdisch-Materielle ein Eigenes und alles Geistige wieder ein ganz Eigenes. Beide haben nur entsprechungsweise Beziehungen zueinander, aber der Wesenheit nach sind sie endlos weit voneinander unterschieden. 6. Wie du aber solchen Unterschied zwischen allem Irdischen und Geistigen nun sicher klar wirst wahrgenommen haben, so besteht derselbe und gleiche Unterschied zwischen allem, was sich dir diesirdisch als begreifbar, fühlbar, hörbar und beschaulich darstellt. 7. In Hinsicht der den Raum nicht beachtenden geistigen Bewegung kann Ich dir noch die Schnelle des Gedankenfluges deiner Seele als ein gutes Beispiel dartun. Siehe, du denkst dir nun Rom, wo du schon warst, und dessen Entfernung von hier du wohl kennst, wie auch die Gestalt dieser großen Heidenstadt! Mit dem Gedanken bist du auf eins schon in Rom und siehst gewisserart die Stadt, ihre Plätze, Gassen und Straßen und Umgebungen. Also, dein Gedanke hat sonach bis nach Rom hin auch keiner Zeit bedurft, weil der Raum für ihn gleich Null war! 8. Aus dem kannst du abermals den sicheren Schluß ziehen, daß deine Seele, als ein geistiges Wesen, samt ihrer Tätigkeit sich auch außer Zeit und Raum befindet, und du kannst dich mit deinem Gedanken auch in der gleichen Schnelle in den dir bekannten Stern hin versetzen und wieder hierher zurück, und du wirst auch nicht mehr Zeit zum Durchfluge solch eines ungeheuer weiten Raumes bedürfen. 9. Da wirst du denn doch einsehen, daß es für den reinen Geist weder eine Zeit noch einen Raum geben kann! 10. Der Geist Gottes und alle Engel bestehen freilich auch im unendlichen Raume und dauern fort und fort durch alle ewigen Zeitenläufe; denn ohne Solchen gäbe es keine Kreatur, gäbe es auch keinen irdischen Raum, noch eine irdische Zeit. Aber diese rein geistigen Mächte und höchsten Intelligenzen stehen in allem endlos weit über Zeit und Raum.“ Kapitel 29 Großes Evangelium Johannes, Buch 6 29. — Das Maß der Kraft 1. (Der Herr:) „Nun nehmen wir noch das Maß einer rein geistigen Kraft gegen das Maß der größten irdischen Kraft in die Betrachtung. Was wird sich wohl da ergeben? Siehe, es gibt im unendlichen Weltenraume so ungeheuer große Sonnenweltkörper, gegen deren Größe im guten Verhältnisse diese ganze, große Erde sich geradeso verhielte wie die Größe eines kleinsten Sandkörnchens gegen die Größe der ganzen Erde! Siehe, wenn hier über die Sandsteppen ein Wind weht, so hebt er solchen Sand schon in die Höhe und führt ihn mit großer Leichtigkeit fort, und ein Orkan desto leichter in großen Massen! Nun denke dir aber einen verhältnismäßig starken Wind auf jenem großen Sonnenweltkörper! Der würde doch offenbar mit solchen Erden, wie diese da ist, ein ganz gleiches Spiel treiben! ,Ja‘, würdest du in deiner Weltweisheit sagen, ,wenn dort so mächtige Winde wehen, da sollte man davon ja bis zur Erde herab etwas verspüren!‘ Und Ich sage es dir, daß dies sogar nicht selten der Fall ist, und auch noch um sehr vieles weiter! 2. Du wirst schon die fliegenden Sterne gesehen haben. Manche von ihnen sind nicht selten so groß, daß man sie eine kleine Erdenwelt nennen könnte. Das ist mehrfach durch unterirdische Sturmausbrüche von den Sonnenweltkörpern in den weiten Ätherraum hinausgewehter Weltenstaub, der nach und nach infolge der starken Anziehungskraft eines solchen Sonnenweltkörpers wieder dahin zurückfällt, von wo er hinweggeweht worden ist, wenn er nicht etwa einem andern Weltkörper zu nahe gekommen ist und von diesem angezogen wurde, was jedoch seltener der Fall ist. 3. Du ersiehst da die ungeheure Potenzierung der diesweltlichen, im endlosen Raume waltenden sogenannten Naturkräfte; du kannst aber nun diese und noch andere dir bekannten Naturkräfte ohne Aufhören noch tausend und tausendmal tausend Jahre hindurch potenzieren, so wird die von dir gefundene letzthöchste Kraftpotenz gegen die göttliche Allkraft dennoch stets in einem solchen Verhältnisse stehen wie ein bares Nichts zu etwas Wirklichem oder wie eine Lüge zur Wahrheit. 4. Wie aber jede noch so allerhöchst potenzierte Naturkraft zu der göttlichen in gar keinem Verhältnisse steht, ebenso steht sie auch zu der Kraft jedes reinen Engelsgeistes. 5. Da aber sonach im Raume und in der Zeit nimmer eine Kraft besteht, die sich auch nur mit der Kraft eines Engels messen könnte, so muß sie als geistige Kraft auch außer oder über allem Raum und über aller Zeit stehen, obschon als eigentümlich in sich abgeschlossen selbständig im Raume und in der Zeit seiend, aber von den beiden überall frei und unabhängig und mit diesen nur durch eine innere und lebendige Entsprechung alles leitend in Verbindung stehend. 6. Um das unendlich Überwiegende der göttlich-geistigen Kraft über alle noch so großen Naturkräfte noch klarer zu zeigen, so brauche Ich dir bloß das zu sagen: Wenn alle die größten diesirdischen Kräfte durch die weiten Schöpfungsräume wüteten Myriaden und Äonen von Erdenjahren lang, so würden sie in der ganzen Schöpfung wider die Kraft des Gotteswillens auch nicht ein Atom zu vernichten imstande sein; aber mit der göttlichen Zulassung vermöchte das ein Engelsgeist in einem Augenblicke derart, daß er nur wollen dürfte, so wäre schon der ganze endlose Raum aller materiellen Kreatur völlig bar, und keine Sonne und keine Erde bestünde mehr im selben. 7. Sage Mir, Philopold, ob du nun schon so ein wenig einzusehen anfängst, wie Gott und alles Himmlische und Reingeistige völlig außer Zeit und Raum enthalten ist und also für sich bestehend da ist und da sein muß, weil ohne das ewig keine materielle Kreatur hätte entstehen können!“ Kapitel 30 Großes Evangelium Johannes, Buch 6 30. — Die Stärke des Lichtes 1. Sagt Philopold: „Herr, es fängt in mir nun wohl schon so zu dämmern an; aber mir fängt es vor Deiner zu ungeheuren Weisheit auch schon ordentlich zu schwindeln an! Dennoch bitte ich Dich aber, daß Du also fortfahren wollest!“ 2. Sage Ich: „Das werde Ich schon tun; aber nimm dich nur zusammen, daß du es auch fassest und es dir ordentlich in deine Seele einprägst! 3. Gehen wir nun auf das Licht über! Siehe das Licht dieser helleuchtenden, reinen Naphthalampe an! Es beleuchtet dieses große Zimmer derart zur Genüge, daß wir alle uns recht gut zu sehen und wohl zu erkennen vermögen. Was deucht dich: Würden hundert solche hellbrennende Lampen nicht auch ein hundertfach stärkeres Licht im Zimmer verbreiten? Du sagst: ,Allerdings; denn man kann sich davon bei großen Festbeleuchtungen mehr denn zur Genüge überzeugen!‘ Gut, sage Ich; denke dir aber nun tausendmal tausend solcher Lichter irgendwo auf einem freien Berge! Würden sie gemeinschaftlich nicht eine recht große Gegend recht hell erleuchten? Ganz sicher! Aber obwohl sie eine Gegend weithin erleuchten würden, so wären sie aber dennoch nicht im geringsten zu vergleichen mit dem Lichte des Vollmondes, der, obwohl er dem Auge eben nicht zu groß erscheint, dennoch auf einmal die halbe Erde noch ganz gut erleuchtet. Was ist aber das Licht des Mondes dann gegen das Licht der Sonne?! 4. Nun denke dir aber das ganze Firmament mit dem Sonnenlichte überzogen! Würde da ein Sterblicher imstande sein, auch nur einen Moment so ein mächtigstes Licht zu ertragen, augenblicklich gleich einem Tropfen Wassers auf glühendem Erze zerstört und aufgelöst zu werden? Ich sage es dir: Die Wirkung des Lichtes und seiner unbeschreibbaren Hitze wäre da schon so groß, daß es selbst dieser ganzen Erde in wenigen Augenblicken nicht besser erginge, und vielen Hunderttausend solcher Erden auch nicht! 5. Siehst du da den ungeheuer großen Unterschied zwischen diesem Lampenlichte und einem so sehr ausgedehnten Sonnenlichte?! 6. Aber es gibt im weiten Schöpfungsraume Urzentralsonnen, die Myriaden Male größer sind denn unsere Tagessonne, obwohl unsere Sonne auch gut um tausendmal tausend Male größer ist denn diese ganze Erde. Solche Urzentralsonnen haben im Verhältnis dann auch ein ebenso vielfach größeres und stärkeres Licht, in dessen größerer Nähe dann solche Sonnen, wie da die unsrige ist, auch dem Wassertropfen auf glühendstem Erze gleich in einem Momente aufgelöst würden. 7. Nun potenziere du diese irdische Lichtstärke, so weit du willst, nahe ins Endlose hin, und du wirst mit all solchem potenzierten Lichte der Raumes- und Zeitsonnen im Vergleiche mit dem Gotteslicht dasselbe Verhältnis finden, welches du gefunden hast bei der Bewegung und Kraft. 8. Und da das Gotteslicht im Raume und in der Zeit ewig nie erreicht werden kann, so folgt daraus klar, daß das rein geistige Licht Gottes, so wie dessen nie meßbare Liebelebenswärme, aus dem Lichte hervorgehend, nicht in Zeit und Raum, sondern außer diesen zweien allein nur enthalten sein kann. 9. Daß aber dennoch eine lebenswahre und stets wirkende Entsprechung besteht zwischen dem Urlichte Gottes und dem nur partial geschaffenen Lichte der Sonne, kannst du aus dem leicht ersehen, daß auch das Licht der Sonne die belebende Kraft für die Kreatur auf den Weltkörpern und Erden hat, wovon dich jedes Frühjahr hinreichend überzeugen kann. – Kennst du dich nun schon besser aus, wie und auf welche notwendige Weise alles Reingeistige außer Zeit und Raum enthalten ist und sein muß?“ Kapitel 31 Großes Evangelium Johannes, Buch 6 31. — Die göttliche und die menschliche Wesenheit des Herrn 1. Sagte Philopold: „Das Beispiel mit dem Lichte hat mir in dieser Sache sehr viel Licht verschafft; aber es bleibt dennoch so manches im Hintergrunde noch stark umhüllt, und zu dem stark Umhüllten gehört vor allem Deine jetzige allervollendetst göttliche Gegenwart, von der ich augenscheinlichst nun nichts anderes sagen kann als: So Du vor Deiner Menschwerdung irgendwo in einem höchsten, außerzeitlichen und außerräumlichen Himmel mit Deinen reinen Engeln als Jehova gewohnt hast, so muß dieser Himmel nun Deiner gewisserart menschlich-persönlichen Gegenwart ledig sein, indem Du nun ganz in Zeit und Raum unter uns wohnst! Wie kannst Du nun in Zeit und Raum, aber als Gott auch zugleich außer Zeit und Raum bestehen? Herr, das ist für meinen Verstand noch eine ungeheure Kluft, über die ich mich selbst nicht hinüberzuschwingen vermag; darum bitte ich Dich auch darüber um ein rechtes Licht!“ 2. Sagte Ich: „Dieweil du ein echter Weltweiser nach Plato, Sokrates und Aristoteles bist, so muß Ich schon auch zum Teil nach ihrer Weise mit dir reden, damit du Mich leichter verstehst. 3. Sieh, zwischen ,von Ewigkeit her‘, ,früher‘ und ,jetzt‘ ist eigentlich in Meinem Bestehen, wie in Meinem Sein und Dasein gar kein Unterschied, was Mein rein göttliches Ich betrifft! Und wäre es nicht also, wahrlich, da hätte Ich in diesem Menschenleibe keine Macht und Gewalt über die gesamte materielle Naturschöpfung; denn alle Kreatur samt ihrer Zeit und ihrem Raume verhält sich nur subjektiv zu Mir, ihrem Objekte; da alles aus mir ist und nicht Ich aus dem allem. 4. Darum bin Ich stets das alleinige Vorangehende und Voranliegende, also das ewige Objekt, und kann nie und nirgend je Mich irgend der Kreatur gegenüber in ein subjektives Verhältnis stellen. 5. Jedoch, da eben alles aus Mir ist und Ich durch Meinen Willen in allem das Inwendigste bin als das alles erhaltende, führende, leitende, ordnende und belebende Prinzip, so bin Ich der Macht Meines Willens und Meiner Weisheit nach auch ein Subjekt und bin sonach das Alpha und das Omega oder der Anfang und das Ende, wie auch das Erste und Letzte in aller Kreatur, und infolge solcher Meiner zugleich objektiven und in allem auch subjektiven Eigenschaft kann Ich hier unter euch ganz wohl als Mensch nach der Macht Meines Willens und Meiner Weisheit bestehen und dennoch dabei das ewige, allein lebendige und schaffende Objekt aller Kreatur gegenüber sein. 6. Als nunmaliges, fleischmenschengestaltliches Subjekt aber bin Ich Selbst minder und untertan dem eigenen ewigen Objekte in Mir, obwohl eben durch Meine strenge Untertänigkeit eigentlichst völlig eins mit dem ewigen Objekte; denn ohne solche strengste Subjektivität dieser Meiner nun äußeren Persönlichkeit wäre eine solche innigste Einigung nie möglich. 7. Und das bewirkt Meine unmeßbare Liebe zum Objekte und Seine gleich unmeßbare Liebe zu Mir, und also bin Ich und der Vater eine Liebe, eine Weisheit, ein Wille, ein Leben und eine Macht, außer der es in der ganzen ewigen Unendlichkeit keine mehr gibt und geben kann. 8. Ich bin daher hier ebenso in Zeit und Raum, wie auch außer Zeit und Raum gegenwärtig. 9. Daß Ich nun mit euch in Zeit und Raum bestehe, das sehet ihr; daß Ich aber zugleich Meinem Innern nach auch außer Zeit und Raum bestehe, das lehren euch Meine Werke, die Ich nicht zu wirken vermöchte, so Ich Mich auch mit Meinem Göttlichen nun in Zeit und Raum befände. Denn das Zeitliche und das Räumliche ist und bleibt ewig fort und fort begrenzt, ist somit nicht vollkommen und vollendet; nur das Außerzeitliche und Außerräumliche ist in allem unbegrenzt, somit vollkommen und vollendet. Daß es aber also ist und nie möglich anders sein kann, will Ich dir das Gesagte noch durch mehrere Beispiele erläutern, und so habe denn wohl acht darauf!“ Kapitel 32 Großes Evangelium Johannes, Buch 6 32. — Das Geistige im Natürlichen 1. (Der Herr:) „Siehe, da ist ein Weizenkorn in seiner ganzen Einheit und Einfachheit! Seine Bestimmung ist offenbar eine zweifache. Erstens dient es als Nahrung dem Menschen, und zweitens ist es als Samenkorn sich selbst dienend zu seiner eigenen Fortpflanzung und Vermehrung. Als Nahrung teilt es dem menschlichen Leibe und durch ihn dann auch dem formell substantiellen Leibe der Seele seine vielfachen Spezifika mit und vegetiert sogestaltig in ein höheres und freieres Sein hinüber. Wie dieses ist und geschieht, das werdet ihr erst in eurer Wiedergeburt im Geiste genauest erfahren, wenn hier auch nicht ganz vollkommenst – weil unter dem Einflusse dieser Sonne nichts völlig Vollkommenes existieren kann und jedes Wissen und Erkennen mehr oder weniger ein Stückwerk ist –, aber desto vollkommener dann jenseits, wo auch ihr euch eurem Geiste nach außer dem Einflusse der Zeit und des Raumes befinden werdet und euer Schauen, Erkennen und Wissen kein Stückwerk mehr sein wird. 2. Aber wir wollen hier dieses Weizenkorn bloß als Samenkorn ein wenig näher in Augenschein nehmen und daraus ersehen, wie das Göttlich-Geistige, wenn gewisserart auch subjektiv scheinend, aber im Grunde dennoch objektiv außer Zeit und Raum seiend sich eben in diesem Korne befindet. 3. Sieh, das ist ein Weizenkorn, das auf einem Halme gewöhnlich 3 Ähren, jede mit etlichen 30 Körnern, zum Vorscheine bringt! Nun, legst du dieses Korn in ein gutes Erdreich, so wird es dir im nächsten Erntejahre schon sicher 100 Körner der ganz gleichen Art und Gattung als Lohn für deine Mühe bringen. Du nimmst aber nun diese neugeernteten 100 Körner und legst sie wieder in ein gutes Erdreich, und du wirst im nächsten Erntejahre offenbar schon 10000 ganz gleiche Körner ernten. In wieder einem nächsten Jahre wirst du schon 100 mal 10000, also 1000 mal 1000 Körner ernten, was schon eine bedeutende Masse dieses Getreides ausmachen wird. 4. Um alle diese vielen Körner weiter für ein künftiges Jahr in die Erde zu setzen, wirst du schon ein bedeutendes Stück Feld nötig haben. Zur Ernte wirst du dann offenbar schon hundertmal soviel Körner erhalten, als du erhalten hast in der Vorjahresernte. Um aber noch weiters für ein nächstes Jahr das ganze große Körnerquantum wieder fruchtbringend auszusäen, wirst du erstens schon eines hundertmal größeren Ackers bedürfen und darauf schon zehn volle Milliarden von gleichen Körnern ernten; und setzest du das noch also zehn Jahre fort, so wirst du dadurch schon eine solch ungeheure Masse von Körnern erhalten, daß du für ihre künftige Aussaat schon nahezu einen halberdgroßen Acker vonnöten hättest. 5. Die weiter ins Endlose gehende, im stets gleichen Verhältnisse sich mehrende Vervielfachung der Körner kannst du dir selbst auf weitere hundert, tausend und noch mehr Jahre ausdehnen, und du wirst durch die Rechnung finden, daß nach nur etlichen hundert Jahren schon mehr denn tausendmal tausend Erden viel zuwenig wären, um der ungeheuerst großen Menge von Weizenkörnern als Acker zu dienen. Und siehe, solch eine Vermehrung kann bis ins Allerunendlichste fortgesetzt werden! Wäre aber das wohl möglich, wenn in diesem einen Korne, und gleichermaßen auch in allen andern Körnern, nicht schon diese endloseste Anzahl durch das innewohnende Göttlich-Geistige, Außerzeitliche und Außerräumliche vorhanden wäre?! Sicher nicht! 6. Was aber in diesem Weizenkorne vorhanden ist, das ist in allen Samen und Gewächsen, in allen Tieren und ganz besonders gottähnlichst im Menschen vorhanden, darum er denn auch vernünftig und verständig werden kann, eine Sprache hat und Gott als seinen Schöpfer anfangs ahnen und später reiner und reiner erkennen, lieben und seinen eigenen Willen dem erkannten göttlichen völlig unterordnen kann. 7. Und das ist dann als das Reingeistige im Menschen und als Gottähnliches ebenfalls außer Zeit und Raum; denn wäre es ein Zeitliches und Räumliches, so könnte der Mensch weder sich noch Gott je erkennen, und der Mensch wäre da jeder Bildung gänzlich unfähig, käme nie zu einer Vernunft, zu einem Verstande, er bekäme nie und nimmer eine noch so allerleiseste Ahnung von Gott, könnte Ihn noch weniger je erkennen, Ihn lieben und seinen Willen Ihm unterordnen, und er wäre dann bloß die äußerste, tote Schale des Eies, hätte kein Leben in sich und am allerwenigsten ein außerzeitliches und außerräumliches ewiges Leben. 8. Ich meine nun, diese Sache, die dich gar so gedrückt hat, insoweit sie für den puren Verstand erklärbar ist, hinreichend klar erläutert zu haben. Es kommt nun auf dein Urteil an, ob du alles das auch so ganz im rechten Lichte aufgefaßt zu haben glaubst, oder ob dir noch etwas Unklares dabei vorkommt. Sollte dir noch etwas dunkel sein, so kannst du reden; hast du aber alles richtig verstanden, da lassen wir die weiteren Erörterungen darüber beiseite, trinken Wein und essen dazu etwas Brot.“ Kapitel 33 Großes Evangelium Johannes, Buch 6 33. — Himmel und Hölle 1. Da sagte Philopold: „Herr, ich und sicher wir alle danken Dir aus dem innersten Grunde unseres Herzens für diese gar so großartige, allerherrlichste und mir nun völlig klar gewordene Aufklärung über die Lehren der alten Weisen! Ja, jetzt ist mir die Sache einleuchtend, klar und verständlich, während sie mir früher offenbar als ein barster Unsinn vorkommen mußte! Freilich werde ich das alles erst dann ganz klar einsehen und begreifen können, wenn ich allen materiellen Elementes bar sein werde. 2. Es ist aber nun genug, daß ich es einsehe, wie man, zwar mit in Zeit und Raum seiend, dennoch völlig außer Zeit und Raum gar wohl und eigentlich der vollsten Wahrheit nach sich befinden kann. Nur eines möchte ich von Dir noch erfahren mit ganz wenigen Worten, und das bestünde darin, wo sich denn dann örtlich der Himmel und wo ebenso die leidige Hölle, von der ich auch schon vieles gehört und gelesen habe, befinden. Es heißt: Die werden auffahren in die Himmel, und die werden hinabgeworfen werden in die Hölle. Wo und wie ist das ,Hinauf‘, und wo und wie das höchst bedauerliche ,Hinab‘?“ 3. Sagte Ich: Siehe, hier auf dem Stuhle, auf dem du nun sitzest, kann irdisch ganz fest nebeneinander Himmel und Hölle sein; im Reiche des Geistes aber trennt sie dennoch eine unabsehbare Kluft! – Siehe noch mehr: 4. Hier, wo Ich nun bin mit euch, ist der höchste Himmel, und das heißt ,oben‘, und eben hier auch die tiefste und böseste Hölle, und das heißt ,unten‘. 5. Die materielle Räumlichkeit macht keinen Unterschied, sondern allein die geistige, die mit der materiellen, wie du gesehen hast, durchaus nichts gemein hat; denn im Reiche der Geister macht nur das Lebenszuständliche eine rechte und wahre Entfernung aus. Das Irdisch-Räumliche kann da nie eine Bedeutung bekommen. Um euch das noch mehr verständlich und anschaulich zu machen, will Ich euch einige Bilder geben. 6. Seht, hier auf einer und derselben Bank säßen zwei Menschen beisammen! Der eine ist ein frommer Weiser, dessen heller, lichtvoller Geist in gar sehr viele Geheimnisse der Wirkungen der Gotteskräfte in der Naturwelt eingeweiht ist; der andere aber ist ein verstockter Bösewicht und ruht seine Glieder nur darum auf derselben Bank aus und läßt sich wie ein ehrlicher Mensch auch Wein und Brot geben zur Stärkung seiner Kräfte, damit er im Freien dann wieder desto leichter etwas Böses verrichten kann. Wie nahe sind irdisch-räumlich die beiden Menschen da beisammen, und wie unendlich weit sind sie im Geiste voneinander entfernt! 7. Es sei aber, daß da unser Weiser bei uns hier auf dieser Bank sitze, und gleicherweise aber säße irgend tausend Tagereisen weit von hier ein anderer, so wären diese beiden gleichen Weisen irdisch-räumlich doch sicher sehr weit voneinander entfernt; aber im Reiche des Geistes wären sie dennoch zuallernächst beisammen, wie es auch in Meinem Reiche buchstäblich also der Fall ist. 8. Aus dem aber geht wieder ganz klar hervor, daß der Himmel für jeden guten Menschen gerade da sein wird, wo er sich eben befindet, und alle Guten und Reinen seinesgleichen werden sich sofort in seiner nächsten Nähe befinden. Denn da heißt es nicht: ,Siehe, hier oder dort, etwa über allen Sternen, ist der Himmel und etwa tiefst irgend unter der Erde ist die Hölle!‘ Solches alles hängt nicht von dieser Zeit und von diesem Raume ab und hat kein irgend äußerliches Schaugepränge gleich einer eitlen Tempelzeremonie, sondern es ist inwendigst im Menschen selbst. 9. Wie hiernach des Menschen Inneres beschaffen sein wird, so auch wird jenseits beschaffen sein die Welt, die er sich aus sich selbst schaffen und dann in ihr und auf ihr leben wird, gut oder schlecht. 10. Alle, die in der Wahrheit sind und also im wahren Lichte aus Meinem Worte durch den lebendigen Glauben und durch ihr Tun danach, deren dieser Erde im vollendetsten Maße ähnliche Welt in Meinem Reiche wird dann auch Licht und Wahrheit sein für ewig im zunehmenden Verhältnisse; die aber eigenwillig im Falschen und daraus im Bösen sein werden, deren Welt wird dann auch gleich sein ihrem Innern im zunehmenden Verhältnisse. Denn gleichwie ein recht guter Mensch stets besser wird, ebenso wird ein böser Mensch stets schlechter und dadurch zuständlich entfernter von dem Guten, wie solches schon auf dieser Welt ganz klar zu ersehen ist. 11. Sehet hin nach jenen Menschen, die ihr Hochmut stets mehr und mehr erfüllt mit der brennenden Herrschsucht! Wenn sie durch ihre tyrannische Macht viele tausendmal tausend Menschen zu den elendsten Sklaven gemacht haben, dann sammeln sie noch größere Kriegshorden zusammen, fallen in die Reiche der anderen Könige ein, besiegen sie und nehmen ihnen Land, Völker und Schätze. Und haben sie sogestaltig eine ganze halbe Welt erobert und unglücklich gemacht, so dünken sie sich dann schon Gott gleich und erheben sich wohl sogar über Denselben, lassen sich anbeten und bedrohen jeden mit den peinlichsten Strafen, der es wagte, einen anderen Gott als nur so einen zcar anzubeten und ihm allein zu opfern, wie wir davon an dem babylonischen Könige Ne bouch kadne zcar (,Es gibt keinen Gott außer mir, dem Könige!‘) ein sprechendes Beispiel haben und nun an den Hohenpriestern, Pharisäern und Schriftgelehrten, die sich nun auch für die alleinigen Götter halten und Mir nach dem Leben trachten, daß es in einer Zeit sogar zugelassen wird, daß sie diesen Meinen Leib töten werden, – aber freilich nur auf drei Tage lang; dann aber werde Ich aus Meiner höchst eigenen Macht wieder auferstehen, und über sie wird dann erst fallen das Gericht und ihr Ende. 12. Aus dem könnet ihr alle mit den Händen greifend klar ersehen, daß der Böse auch stets böser wird, gleichwie der Gute stets besser, nur mit dem Unterschiede, daß dem Bösen ein Maß gesetzt ist, wo es heißt: ,Nur bis hierher, und dann um kein Haar weiter!‘ Denn dann muß stets ein großes Strafgericht folgen, durch das die Bösen wieder zu einer Besinnung gebracht werden können, und daß möglicherweise doch einer und der andere eine bessere Richtung einschlagen könne. 13. Wie es aber also, wie Ich es euch nun gezeigt habe, in dieser Welt zugeht, ebenso geht es in der Hölle zu, nur mit dem Unterschiede, daß dort – im allgemeinen Geisterreiche – die Guten, Demütigen, Geduldigen und auf Gott Vertrauenden ausgeschieden sind für ewig, und somit allein die Bösen in der Hölle durchgängig ihr falsches, arges, wennschon gänzlich nichtiges Getriebe haben; nichtig darum, weil ihr Licht Falschheit, Trug und ein vollkommen nichtiger, leerer Schein ist gleich dem Traume eines besoffenen reichen Schwelgers und Prassers. 14. Ich meine, daß ihr alle auch in dieser Sache nun im reinen seid, und so wollen wir den noch übrigen Teil dieser Nacht ganz heiter und fröhlich zubringen! Hat jemand noch irgendein Anliegen, so haben wir nun bis gen Ostern Zeit; denn bis dahin will Ich bei Meinem Freunde Kisjonah verbleiben. – Bist du, Philopold, nun im klaren?“ 15. Sagte Philopold: „Jetzt wohl; denn Du hast uns das Unbegreiflichste derart klar und begreiflich gemacht, daß mir nun in dieser Hinsicht gar keine Frage mehr übriggeblieben ist, und ich meine, daß das auch alle hier Anwesenden gar wohl begriffen haben. Ja, das hast aber auch nur Du, o Herr, uns also erklären können; denn alle Weisen würden sich dabei wohl ihre Weisheitszähne stark beschädigt haben. Unseren Dank kannst Du ohnehin in unseren Herzen lesen.“ 16. Hier sagten auch unsere Judgriechen: „Wahrlich, das kann nur Der also erklären, der mit Seinem Geiste alles durchdringt und eigentlich alles in allem ist! Das ist für uns noch der größte und stärkste Beweis für Deine rein göttliche Sendung. Die Zeichen wirken zwar vieles, so sie in Deiner Art gewirkt werden, aber nur für schon vielerfahrene Menschen; aber sie nehmen sie dennoch gefangen. Das Wort aber belebt und macht die Seele frei und ist darum mehr wert denn tausend Zeichen, die nicht beleben, sondern nur gefangennehmen das Gemüt, das sie mit Angst erfüllen. Darum Dir auch unsern Dank für diese Deine weiseste Lehre!“ 17. Sagte Ich: „Ganz gut geurteilt! Morgen wird sich noch manches finden lassen; aber jetzt trinket und seid heiter bis zum Aufgange! Des Schlafes werden wir alle in dieser Nacht nicht bedürfen.“ Kapitel 34 Großes Evangelium Johannes, Buch 6 34. — Ein großer Fischfang 1. Es wurde darauf zwischen den etlichen zurückgebliebenen Jüngern, den Judgriechen und dem Philopold noch viel geredet; auch Ich und Kisjonah haben über so manches geredet: über das alte Priestertum, über die alten patriarchalischen und darum besten Regierungsweisen im Vergleiche mit der damaligen, als zu Meiner Erdenzeit gegenwärtigen, und es kam so der Morgen, und niemand war in der ganzen Gesellschaft, dem es vorgekommen wäre, als hätte er zuwenig geschlafen. Kurz, am Morgen war alles vollauf heiter, und wir gingen hinaus ans Meer und sahen eine Weile den munteren Fischern Kisjonahs zu, wie sie sich auf dem Wasser in ihren Fischerbooten herumtummelten, aber eben keinen gar zu reichen Fang machten. 2. Ein paar Fischer kamen ans Ufer und sagten es dem Kisjonah: „Herr, heute sieht es mit unserem Fange etwas mager aus! Seit Mitternacht schon arbeiteten wir sehr fleißig; aber der fatale Ostwind treibt die Fische in den Grund, und es ist da nahezu nichts zu machen!“ 3. Fragte Kisjonah, wieviel sie gefangen hätten. 4. Sagten die Gefragten: „Ein paar kleine Lägel dürften wohl voll sein; aber was ist das für zwanzig Fischerbarken und noch einmal soviel Boote?!“ 5. Sagte Ich zu den beiden Fischern: „Gehet nur noch einmal hinaus, und werfet eure Netze aus; denn bei aufgehender Sonne ist es am besten zu fischen!“ 6. Sagten die Fischer, da sie Mich nicht kannten: „Freund, das wissen wir wohl; aber beim stark gehenden Ostwind sieht auch da nicht viel heraus! Es ist zwar jeder Wind unserer Arbeit nicht günstig; aber der Ostwind ist der ungünstigste, besonders zur Winterszeit.“ 7. Sagte Ich: „Tut nur, was Ich euch sagte, und ihr werdet einen reichen Fang machen!“ 8. Da ruderten sie hinaus und sagten das den andern Fischern. Diese zuckten zwar mit den Achseln; aber da sie vernahmen, daß es Kisjonah also haben wollte, so warfen sie dennoch die Netze aus und fingen eine solche Menge von den besten und edelsten Fischen, daß beinahe die Netze zu reißen anfingen, und sie hatten zu tun, die große Menge der Fische in die großen Fischbehälter zu bringen. Natürlich fingen die Fischer, sich darüber höchlichst zu verwundern an, da sie noch nie einen so reichen Fang gemacht hätten. Späterhin wurde es ihnen vom Kisjonah wohl beigebracht, Wer an diesem reichen Fange die wunderbare Ursache war. Und sie glaubten dann alle an Meinen Namen, obwohl Mich dann mehrere von den Fischern als den Sohn des Zimmermanns Joseph erkannten. 9. Und so verstrich der halbe Winter unter allerlei nützlichen Belehrungen und kleinen Taten, die besonders anzuführen für niemand von einer erheblichen Wichtigkeit wäre, weil sich das alles mehr um das Wohl des irdisch-bürgerlichen Lebens handelte. 10. So hat auch die nach einigen Tagen erfolgte Ankunft der Maria als der Mutter Meines Leibes wenig derartiges, das sich für eine Aufzeichnung eignete, außer, daß sie überaus froh war, Mich persönlich wiederzusehen, und daß sie sich von den Jüngern vieles erzählen ließ, was Ich alles getan und gelehrt hatte, was sie alles tief in ihrem Herzen behielt und danach dachte, wollte und auch handelte. Auch die beiden ältesten Brüder, respektive Söhne Josephs, kamen nach Kis und hatten da einen Bau, bei welchem Ich Selbst ihnen natürlich mit Rat und Tat behilflich war. 11. Und so kamen die Osterfeste in die Nähe, und viele fingen an, die Vorbereitungen zu machen, um zu den Festen nach Jerusalem zu ziehen. 12. Kisjonah fragte Mich auch, ob Ich Selbst hinauf nach Jerusalem ziehen würde. 13. Und Ich sagte zu ihm: „Ich werde versprochenermaßen wohl hinaufziehen, aber Mich diesmal beim Feste und im Tempel schon gar nicht sehen lassen und bald wieder nach Galiläa kommen, wo Ich dann Mein Amt von neuem beginnen werde.“ 14. Sagten die Judgriechen: „So Du, o Herr, Dich aber dennoch im Tempel sehen ließest und wieder eine ähnliche Rede hieltest, so würden vielleicht von neuem wieder mehrere Templer stutzig werden und an Dich glauben gleich uns?“ 15. Sagte Ich: „Oh, sorget euch darum nicht, denn Ich werde noch oft im Tempel lehren; aber von den nunmehr darin seienden Pharisäern, Ältesten und Schriftgelehrten wird darob keiner stutzig werden und sich danach kehren, auf daß auch er selig werden möchte, sondern sie werden alle nur dahin trachten, Mich zu ergreifen und zu töten! Und dazu ist jetzt Meine Zeit noch nicht da; darum weiß Ich gar wohl, was Ich zu tun habe.“ 16. Mit diesem Bescheide waren alle zufrieden und richteten darum keine weitere Frage in solcher Hinsicht an Mich. 17. Nur eine Episode kann hier noch vor unserer Abreise nach Jerusalem erwähnt werden, und das ist die Wiederankunft des Judas Ischariot. Kapitel 35 Großes Evangelium Johannes, Buch 6 35. — Judas Ischariot im Hause Kisjonahs 1. Alle waren schon der ganz frohen Meinung, daß dieser Jünger nicht mehr wiederkehren werde, weil er sich den ganzen halben Winter hindurch gar nirgends hatte sehen lassen, das heißt bei jemand Bekanntem. Aber siehe da, auf einmal überraschte er uns gerade während eines recht fröhlichen Mittagsmahles. Er grüßte uns alle sehr freundlich, und Kisjonah lud ihn sogleich zu Tische, was der Jünger mit allem Danke und aller Freundlichkeit auch sogleich annahm. 2. Kisjonah, ein äußerst freundlicher und aufrichtiger Mann gegen jeden Menschen, fragte denn auch unseren Jünger, was er diese Zeit hindurch zu Hause gemacht habe, und wie es ihm und seiner Familie ergangen sei. 3. Da fing der Jünger an, ein langes und breites über die Vorteile zu erzählen, die er in der kurzen Zeit für sein Haus durch seinen besonderen Kunstfleiß errungen hätte, wie er für diese und jene großen Herren sehr viel ausgezeichnetes Geschirr für Küche und Tisch hätte zu machen bekommen, und wie er dafür überaus gut bezahlt worden wäre und sein Haus und seine Familie wenigstens auf einige Jahre bestens versorgt habe. Und dergleichen ans Unglaubliche Grenzende erzählte er noch mehreres. 4. Da brach den andern Jüngern die Geduld, und sogar unser Petrus, der sonst nicht leicht zum Reden kam, sagte endlich zu ihm: „Höre, wenn von all dem nur die Hälfte wahr ist – was ich sehr bezweifle –, so bist du nun ja ohnehin schon nahe so wohlhabend wie hier der Freund Kisjonah, und ich sehe gar nicht ein, wie du dich nun hast entschließen können, wieder zu uns zu kommen und etwa gar noch weiter mit uns zu ziehen! Wäre es denn für dich nicht weit klüger, auch jetzt daheim zu bleiben und dich durch deinen Kunstfleiß noch mehr zu bereichern?“ 5. Sagte Judas Ischariot: „Das verstehst du nicht! Ich bin zwar gerne fleißig bei der Arbeit, so ich einmal dabei bin; aber ich kann nicht umhin, so mich bei allem Fleiße die Erinnerung an all das Gehörte und Gesehene wieder von der Arbeit treibt und zu euch führt, um da noch mehr zu hören und zu sehen. Denn gar so geistlos, als für was und wie ihr Brüder mich haltet, bin ich nicht! Und wäre ich es, so befände ich mich sicher nicht unter euch! Aber mich gelüstete schon sehr nach euch, und natürlich am meisten nach unserem Herrn, und so mußte ich gehen, wie durch eine unsichtbare Macht gezogen, und bin nun da. So ich euch jedoch unangenehm bin und euch irgend im Wege stehe, so dürfet ihr es ja nur sagen und besonders der Herr, und ich gehe wieder dahin, woher ich gekommen bin, und wir werden deshalb auch noch gute Freunde verbleiben!“ 6. Sagte Petrus: „O nein, das werden wir nie tun, und du kannst bei uns sein, wie du warst, und wie du willst; was ich dir verweise, besteht nur in dem, daß du ohne alle Rücksichtnahme auf des Herrn oft erwiesenste Allwissenheit uns allen über deine großen Gewinste so ganz keck und frech ins Gesicht lügen kannst, während du es vom Herrn so gut wie wir wissen solltest, daß über unsere Lippen nie ein unwahres Wort kommen soll. So dir das nicht unbekannt sein kann, warum denn dann solche Lügen aus deinem Munde, da du doch uns gleich vom Herrn zu einem Apostel bist erwählt worden?“ 7. Sagte Judas Ischariot: „Wie kannst du mir denn beweisen, daß ich gelogen habe?“ 8. Sagte Petrus: „Ganz leicht! Denn fürs erste hat der Herr durch Seine Gnade mein Inneres derart erleuchtet, daß ich es genau weiß und wissen kann, ob da jemand lügt oder die Wahrheit spricht; zudem wird, was ich nun soeben durch die Gnade des Herrn innewerde, gar bald ein anderer, noch handgreiflicherer Beweis hier eintreten, von dem alle, die dich nun angehört haben, es nur zu klar erfahren werden, wie sehr du uns alle nun angelogen hast, was von dir wahrlich nicht löblich war! Wir haben zwar durch deine ganz leere Großtuerei weder einen Schaden noch einen Nutzen; aber bedenke du es selbst, ob so etwas sich unter uns geziemt, und ganz besonders in Gegenwart des Herrn, an den du gleich uns allen zu glauben und zu hoffen vorgabst!“ 9. Hier ward unser Jünger sehr verlegen und wußte nicht, was er nun dem Petrus erwidern sollte, da er sich sehr getroffen fühlte. 10. Es dauerte aber gar nicht lange, da kamen einige ins Haus des Kisjonah und baten um Almosen, und Kisjonah ließ sie nach seiner Art ins Zimmer treten. Als sie ins Zimmer traten, waren es vier schon ziemlich erwachsene Kinder, in ganz dürftigste Lumpen gehüllt. Als Judas Ischariot derer ansichtig ward, da wandte er sein Gesicht ab, um von den vier Eingetretenen nicht erkannt zu werden; denn es waren dies seine älteren vier Kinder, eine Maid und drei Jungen. 11. Kisjonah aber befragte sie beiseits, wer und woher sie wären, wer ihr Vater wäre, und wie er heiße. 12. Die Kinder aber sagten alles und gaben ihrem Vater gar kein absonderlich gutes Zeugnis. 13. Kisjonah aber bemerkte, daß er vernommen habe, daß sich eben ihr Vater in dem halben Winter durch seinen Kunstfleiß gar soviel Geldes erworben hätte. 14. Aber die Kinder verneinten das und sagten: „Der Vater hatte wohl etwas für einen Markt vorbereitet, – als er aber auf den Markt kam, da entstand eine große Rauferei zwischen jüdischen und griechischen Handelsleuten, und dem Vater wurden alle seine Töpfe und Geschirre zerbrochen, und wir alle sind dann als pure Bettler heimgekehrt, worauf dann der Vater sehr traurig ward und uns mit den Worten verließ: ,Kinder, ich kann für euch nun nichts mehr tun! Geht zu barmherzigen Menschen hin, und ihr werdet schon noch Unterstützung finden! Ich aber werde zu dem wunderbaren Meister, von dem ich vieles erzählt habe, gehen; vielleicht bewege ich Ihn, daß Er wenigstens euch und eurer armen Mutter hilft, so schon mir nicht mehr zu helfen sein sollte!‘ Dann ging er traurig fort, und wir gingen auch, wie wir hier sind, ein Almosen für uns, für die Mutter und für unsere noch jüngeren Geschwister zu suchen, haben aber bis jetzt noch wenig ausgerichtet. Darum bitten wir dich, daß du dich unser erbarmen möchtest!“ 15. Hierauf sagte Kisjonah: „Wie lange ist es denn schon, seit euch euer Vater verließ?“ 16. Da sagten die Kinder, es werde das schon acht Tage her sein, daß sie den Vater nicht mehr gesehen hätten. 17. Hierauf führte Kisjonah die Kinder in ein anderes Gemach, ließ ihnen andere Kleider geben und sie reinigen und gab ihnen dann zu essen und zu trinken. Als die vier also vorderhand versorgt waren, da gaben sie sichtbarlich zu erkennen, daß es sie jammere des Elends ihres Vaters, dessentwegen auch daheim die arme Mutter sehr traurig wäre, da nun niemand wisse, wohin er gekommen sei. 18. Da vertröstete sie Kisjonah, daß sie sich darum nicht sorgen sollten, da ihr Vater auch bei ihm vorderhand ganz gut aufgehoben sei und sie ihn bald sehen würden. 19. Da wurden die Kinder überfroh und blieben ganz ruhig in ihrem Gemache. 20. Kisjonah aber kam heraus, ging zu Judas Ischariot hin und sagte: „Freund, weit entfernt, als wollte ich dir, einem erwählten Jünger des Herrn, deiner Großrederei wegen irgendeinen Vorwurf machen, – aber da du mich hoffentlich ebensogut kennst, wie mich weit und breit alles, was arm ist, kennt, warum kamst du denn nicht alsbald zu mir, und warum gestandest du mir nicht deine sehr bedauernswerte Lage? Siehe, deine Kinder sind da weit aufrichtiger als du und sind höchst besorgt um dich, und du bogst bei ihrem Eintritte dein Angesicht von ihnen weg, um von ihnen, die dich trauernd suchen, ja nicht erkannt zu werden! Ich wenigstens finde das denn doch ein wenig sonderbar von dir! Was sagst du selbst nun zu dem allem?“ 21. Sagte Judas Ischariot, tief aufseufzend: „Ach, Freund, ich wollte durch meine freilich sehr unzeitigen Großredereien nur mein ganz gebrochenes Herz betäuben! Aber es hat mir das schlechte Früchte getragen; denn die Strafe folgte meiner Bosheit gegen mich selbst alsogleich auf der Ferse wie eine giftige Natter nach, und nun stehe ich da enthüllt zuschanden vor aller Augen. Geh und lasse mich zu meinen Kindern gehen, sie trösten und bei ihnen meinen Schmerz ausweinen!“ 22. Da sagte Ich: „Jetzt noch nicht! Esse und trinke nun, und in der Folge lüge nicht mehr, sonst wird dir noch Ärgeres widerfahren!“ 23. Da blieb Judas Ischariot und fing wieder an zu essen und zu trinken, und alle sprachen mit ihm nun weiter ganz freundlich, und Kisjonah versprach ihm, für die Armen zu sorgen, weil sie an seinem Unglücke ganz unschuldig seien, wohl aber mehr oder weniger er als Vater an dem ihrigen. 24. So war diese Episode ganz ruhig und gut beigelegt worden, und sie ist hier nur darum wiedergegeben worden, um den Jünger wieder etwas näher zu bezeichnen, wessen Geistes Kind er war. Kapitel 36 Großes Evangelium Johannes, Buch 6 36. — Abfahrt von Kis und Ankunft beim Wirte des Lazarus 1. Auch Meine Leibesmutter Maria sagte bald darauf zum Judas Ischariot: „Wenn du so fortfährst und nimmer änderst dein Gemüt, dann wird dein Ende ein Grauen sein für viele und wird im Angedenken bleiben bei den Menschen bis ans Ende der Welt. Daher nimm dich in der Zukunft wohl in acht, daß du bestehest vor den Augen des Herrn! Ich habe von dir noch nie einen guten Traum gehabt und sehe nun auch den Grund ein. Darum noch einmal gesagt: Sieh zu, daß du bestehest vor den Augen des Herrn!“ 2. Diese Worte faßten alle Jünger tief in ihr Herz. 3. Nach dem Mahle besuchten wir noch das Haus der Maria und ihre von Kisjonah ihr eingeräumte Besitzung. Alles war in der schönsten Ordnung. Auch war eine kleine Schule erbaut, in der die Mutter den dürftigen Kindern in allerlei nützlichen Dingen Unterricht erteilte und so die Zeit recht vielfach nützlich zubrachte und darum von allen Menschen des Ortes und der Umgegend sehr geliebt und geachtet ward. Sie heilte dadurch auch viele Kranke, daß sie ihnen in Meinem Namen die Hände auflegte oder über sie betete. Und so war sie denn auch ein Segen für diese Gegend und war dem Kisjonah ein wahres Kleinod. 4. Am nächsten Tage als an einem Donnerstage, noch gut bei drei Wochen vor Ostern, empfahlen wir uns bei Kisjonah mit dem Versprechen, ihn bald wieder zu besuchen. Er ließ sogleich eines seiner besten Schiffe herrichten, das wir nach dem Morgenmahle alsbald bestiegen und dann bei gutem Winde abfuhren. Kisjonah, Philopold und Maria aber gaben uns das Geleite über das Meer bis an das Ufer des Galiläischen Meeres an der Stelle, wo der Jordan dasselbe verläßt und sich dann links dem Toten Meere zuwendet durch ein langes und stark nach Osten hin gebogenes Tal. Von da geht man dann auch guten und wohlgebahnten Weges hinauf nach Jerusalem, von welchem Wege aber heutzutage freilich wohl nichts mehr zu entdecken ist, wie von all den Orten am Galiläischen Meere, das heutzutage auch schon gut um ein starkes Dritteil kleiner geworden ist. 5. Am Landungsplatze war bloß ein Mauthaus, bei dem man einen kleinen Zoll zu entrichten hatte, aber nur dann, so man etwas zum Verkaufe mittrug oder -führte. Wir stiegen da ans Land, segneten die uns Begleitenden und setzten unseren Weg schnell fort, ohne irgend eine Rast zu nehmen, und erreichten so ziemlich spät in der Nacht das Haus unseres bekannten Wirtes, der noch auf war, da einige Gäste bei ihm waren. 6. Als wir da ankamen und der Wirt uns erkannte, da ward er voll Freude und setzte gleich sein ganzes Haus in Bewegung, um uns zu versorgen; denn wir hatten seit frühmorgens nichts mehr genossen. Auch unsere Glieder waren von der weiten Fußreise müde, und das Bedürfnis für Ruhe war ihnen sehr fühlbar geworden. Während der Wirt durch seine Leute für uns ein Nachtmahl bereiten ließ, erzählte er uns gar manches, was sich in Meiner Abwesenheit alles zugetragen hatte, – unter anderem auch, daß der gute Lazarus einen ganz ernsten Auftritt mit den Templern zu bestehen hatte wegen der Arbeiter, die Ich ihm aus Bethlehem verschafft hatte. 7. (Der Wirt:) „Die Templer kamen gleichfort hin und gaben sich alle Mühe, die Arbeiter des Lazarus auf ihre Seite zu bringen; allein die Arbeiter begegneten den Templern mit Drohungen, so sie keine Ruhe von ihnen zu gewärtigen hätten. Auf das wurden die Templer stutzig und beschuldigten Lazarus, daß er seine Arbeiter heimlich gegen sie aufgewiegelt habe, und machten darum eine förmliche Anklage beim römischen Landpfleger. Dieser berief den Lazarus zu sich und befragte ihn um den wahren Sachverhalt und verhörte hernach auch alle die Arbeiter, und zwar jeden für sich allein. Aber da stellte sich die Sache also heraus, daß Lazarus samt seinen Arbeitern von aller Schuld freigesprochen ward und den Templern geheim bedeutet wurde, dem Lazarus, der nun ein Ehrenbürger Roms sei, seine Diener in Ruhe zu lassen, widrigenfalls er genötigt wäre, dem Lazarus zu seinem Schutze eine gute Anzahl Soldaten zur Verfügung zu stellen. Das wirkte, und Lazarus hat nun schon bei sechs Wochen lang volle Ruhe von seiten der Templer. Ob sie ihm aber gerade innerlich ganz besonders geneigt sind, das bezweifle ich sehr, obwohl sie ihm ins Gesicht recht freundlich sind und ihm versichern, daß sie nur gegen seine Arbeiter und nicht gegen ihn die für sie bedrohliche Sache vor den Landpfleger gebracht hätten. Und so lebt Lazarus wenigstens zum Scheine auf einem guten Fuße mit den Templern.“ 8. Sagte Ich: „Ich wußte es wohl, daß es also kommen werde; aber es hätte auch noch anders kommen können, wenn die Sache noch um ein paar Wochen länger angedauert hätte. Denn da wäre es zwischen den Arbeitern und den Templern zu ernsten Tätlichkeiten gekommen, die Ich vorausgesehen habe, und darum Ich auch durch Meinen Willen die Sache eben also geleitet habe, wie sie gekommen ist, und das war gut. Die Templer haben nun freilich einen heimlichen Groll auf den Lazarus; aber der hat nichts zu bedeuten, denn sie haben auch einen Groll auf alle Römer und Griechen und auf die Essäer, Sadduzäer und Samaritaner. Aber all dieser ihr Groll ist dem eines sehr törichten Menschen gleich, der auf einen großen Strom beinahe wütend zornig ward, weil er über ihn keine Brücke fand, über die er das jenseitige, schöne Uferland hätte erreichen können. Der Strom blieb Strom trotz des großen Zornes des törichten Menschen. Und wahrlich, geradeso geht und steht es mit dem Grolle und Zorne der Templer! Es ist ein Sich-Krümmen und -Sträuben eines Wurmes im Staube gegen die Tritte der vorüberziehenden Kamele. Darum lassen wir diese Sache nun ganz gut sein, und du, lieber Freund, sieh nach, ob wir bald zu einem Nachtmahle kommen werden!“ Kapitel 37 Großes Evangelium Johannes, Buch 6 37. — Die Weisen aus Persien 1. Da eilte der Wirt in die Küche, und es war bereits schon alles fertig. Es ward sogleich aufgetragen, und wir aßen und tranken ganz wohlgemut. 2. Es erfuhren aber die anderen Gäste, die als Reisende teils aus Galiläa, Griechenland, Samaria, teils aus verschiedenen Ländern hier die Nachtherberge nahmen, weil der Wirt bekannt war als ein sehr billiger Mann und auch ein großes Unterkommenshaus besaß, daß eben Ich, von dem sie schon so vieles vernommen hatten, nun auch in dieser Herberge Mich befinde. Da befragten sie des Wirtes Dienerschaft, ob sie Mich sehen könnten. Ein Diener aber kam darum zu uns und steckte solches dem Wirte, der sich mit uns über so manches besprach. 3. Der Wirt aber sagte dem Diener: „Da kann ich weder ja noch nein sagen; denn dieser Herr ist ein Alleinherr, und es darf nur das geschehen, was Er will!“ 4. Ich aber sagte zum Wirte: „Es sind unter den Reisenden auch vier Magier aus Ägypten, geboren aber in Persien nahe an der Grenze von Indien. Drei darunter sind Hauptmagier und schon hohen Alters, der vierte aber ist nur ein Jünger. Sie haben wohl noch ein größeres Gefolge, das aber größtenteils in andern Orten in der Herberge ist; hier haben sie nur die nötige persönliche Dienerschaft. Nun, diese vier Magier, die nun etliche Jahre in Ägypten ihr Wesen trieben, kannst du hereinkommen lassen, und wir wollen ihnen auf den Zahn fühlen, wessen Geistes Kinder sie sind.“ 5. Da ging der Wirt hinaus in das Gemach, in dem die Magier sich befanden, und sagte ihnen, daß Ich es gestattet habe, zu Mir zu kommen. 6. Darüber waren die Magier sehr erfreut, indem sie von Mir schon so vieles sogar bis über die Grenzen Kanaans vernommen hätten. Sogleich erhoben sie sich und eilten zu Mir, vom Wirte geleitet. Als sie bei uns als ehrwürdige Greise ankamen, da verneigten sie sich tief und grüßten höflichst nach ihrer Sitte. Da sie der hebräischen Sprache kundig waren, so konnten sie auch von den Jüngern allen wohl verstanden werden. 7. Ich sagte gleich zu ihnen: „Der, welchen ihr gerne näher kennen- lernen möchtet, der bin Ich; nun aber setzet euch zu uns, und wir werden uns dann erst ein wenig näher verständigen!“ 8. Die Magier nahmen an unserem Tische Platz, und Ich fragte sie: „Nun saget ihr Mir ganz offen, was ihr so für allerlei Künste und Zaubereien treibet; dann sollet ihr auch von Mir erfahren, was Ich alles treibe! Vielleicht können wir uns dann gegenseitig sehr nützlich sein!“ 9. Hier verneigten sich die Magier, und der eine Magier sagte: „Meister, dieser ist unser Ältester und Weisester, sein Name ist HAHASVAR (Caspar) - (Hüter der Gestirne), der wird für uns reden! Er zählt volle dreimal dreißig Jahre. Ich Redner nun zähle erst achtzig und dieser neben mir siebzig volle Jahre, und in den Gestirnen steht es geschrieben, daß ein jeder von uns von jetzt an noch dreißig Jahre leben muß. Mein Name ist MEILIZECHIORI (Melchior) - (Habe das Gesicht oder die Wissenschaft, die Zeit zu messen), und der Name dieses meines Nachbars OU LI TESAR (Balthasar) - (Willensbeschwörer oder -nötiger). Der vierte unter uns ist noch jung, hat noch keinen bestimmten Namen, da er noch ein Jünger ist. Nun mag unser Ältester reden!“ 10. Nun fing also der Älteste an und sagte: „Wir drei waren schon einmal vor dreißig Jahren hier und sind weiten Weges aus dem fernen Morgenlande hierhergereist; denn wir sind durch einen besonderen Stern erweckt worden, und in der Schrift der Sterne stand es geschrieben: ,Im tiefen Westen ist dem entarteten Volke Gottes ein neuer König geboren worden. Seines Leibes Mutter ist eine Jungfrau und nie von einem Manne berührt worden; denn das Kind in ihr ist gezeuget durch des großen Gottes Kraft, und sein Name wird groß sein unter allen Völkern der Erde, und er wird ein Reich gründen und im selben als ein allermächtigster König ewig herrschen. Und wohl allen, die in seinem Reiche leben werden; denn über sie wird der Tod keine Macht mehr haben!‘ 11. Als solches wir lasen, da machten wir uns auf, folgten dem Laufe des Sternes und fanden im Ernste zu Bethlehem, und zwar in einem alten Schafstalle, ein neugeborenes Kind gar wunderbarlich und opferten ihm unsere Gaben. Wir wollten versprochenermaßen wieder über Jerusalem in unser eigenes Land ziehen, wurden aber im Traume gewarnt durch einen lichten Geist, daß wir eines andern Weges nach Hause ziehen sollen und nicht verraten dem bösen Fürsten den neugeborenen König. Das taten wir denn auch. Was hernach mit jenem wunderbaren Kinde geschehen ist, konnten wir trotz unseres Forschens nicht mehr in irgendeine Erfahrung bringen. 12. Wir vernahmen von alten Leuten, daß von seiten des alten, grausamen Fürsten Herodes zu Bethlehem wegen jenes neugeborenen Königs ein Kindermord angeordnet ward, wobei alle Knaben von 1-2 Jahren mit dem Schwerte umgebracht worden sind; aber die Eltern hätten mit dem Wunderkinde noch zur rechten Zeit die Flucht nach Ägypten ergriffen und seien also der Grausamkeit des tollen Fürsten entronnen. Wir aber forschten nun mehrere Jahre in Ägypten nach demselben Kinde und Könige und konnten nicht das geringste erfahren. 13. Erst unlängst zu Memphis in Ägypten erfuhren wir, daß in Galiläa ein großer Wundermann aufgetreten sei, der Zeichen und Werke verrichtet habe, die auf dieser Erde nie erhört worden seien, und dabei so überweise Reden halte, gegen die sich alle die größten Weisen der Erde rein in den Staub verkriechen müßten. Gar viele glaubten und hielten daher an ihn, daß er offenbar Gott Selbst sein müsse, weil sonst sein Tun und Treiben ganz unerklärlich wäre. 14. Auf solche Nachricht sind wir denn eigens wieder hierher nach Kanaan oder nach dem gesamten Judenlande gezogen, um irgendwo mit solch einem außerordentlichen Menschen zusammenzukommen, und zwar aus einem doppelten Grunde: erstens, um uns selbst von allem persönlich zu überzeugen, und zweitens, um zu erforschen, ob etwa dieser Mann nicht aus jenem zu Bethlehem geborenen Kinde hervorgegangen ist. 15. Freilich sei zwar der berühmte Wundermann noch kein König, – aber das macht gerade gar nichts aus; denn wir sind nur Weise, Sternkundige, durch die Kenntnis der Naturkräfte vor den Augen der blinden Menschheit auch ganz außerordentliche Magier und sind darum auch Könige mit Land und viel Volk hinter Persien in den weiten Hochländern und haben keinen Feind zu fürchten, da ein jeder nachbarliche Fürst uns hochachtet und vor unserer geheimen Macht die größte Ehrfurcht hat. Und doch ist unsere Macht nur eine ganz natürliche, die ein jeder Mensch erlernen kann; um wieviel mehr kann der so berühmte Mann Judenlands ein König sein, der bloß durch seinen Willen Berge und Felsen vernichten, den Toten das Leben wiedergeben und den Elementen gebieten kann! 16. Wir kamen schon heute morgen hier in dieser Gegend an und erkundigten uns nach dem Manne, und es hieß, daß er erst unlängst hierherum sein Wesen hatte, und daß er in kurzer Zeit wieder hier eintreffen dürfte. Und nun spätabends ging es im Hause von Mund zu Mund, der berühmte Mann sei mit seinen Jüngern angekommen. 17. Nun kannst du, Meister, es dir wohl denken, von welcher Begierde wir alle zu glühen anfingen, in dir den Mann zu ersehen, von dem wir so Wundergroßes gehört haben, und dich dann auch in tiefster Bescheidenheit zu fragen, ob du doch etwa aus jenem Wunderkinde, das zu Bethlehem geboren ward, hervorgegangen bist.“ Kapitel 38 Großes Evangelium Johannes, Buch 6 38. — Das Können und Wirken der drei Weisen 1. Sagte Ich: „Das ist alles sehr schön und löblich von euch; aber es hieß ja einmal, daß jene drei Weisen, die das zu Bethlehem geborene Wunderkind besucht haben, nachher – vor etwa fünfzehn Jahren schon – verstorben seien. Wie kommt es denn, daß ihr als dieselben noch lebet und euer Wesen in aller Welt herum treibet?“ 2. Sagte der Älteste: „Edler Freund, bei uns in unserem Lande kannst du fünf-, auch sieben Male sterben und dann neu belebt wieder fortleben. Das bewirkt dort die Luft, die Erde und ihre Geister, die wunderbaren Kräuter und unsere Kräfte, geschöpft aus den geheimen Kräften der Natur. 3. Aber als wir damals in Bethlehem waren, da waren in uns noch drei Geister aus der Urzeit der Menschen dieser Erde [Adam, Kain und Abraham – gemäß der "Geistige Sonne" Bd. 2, 15-18.]; diese sind nun nicht mehr in und mit uns im Verbande, sondern wir sind nun ledig und allein. 4. Als jene Geister uns verließen, da hatte es gleichwohl das äußere Ansehen, als wären wir verstorben; aber es belebten uns wieder unsere Geister, und wir leben nun wieder ganz gut fort für uns selbst und werden noch eine geraume Zeit fortleben. Wenn dieser Leib aber dann ganz unbrauchbar werden wird, dann werden wir aber auch nicht sterben, wie die armen Menschen hierzulande gar elendiglich sterben, sondern wir werden mit vollem Bewußtsein selbst freiwillig aus unseren Leibern treten und dann als Geister fortleben und auch -wirken unter unseresgleichen. Siehe, edler, großer Meister, so verhalten sich bei uns die Sachen, dieweil wir noch ein unverdorbenes Ur- und Naturvolk sind.“ 5. Sagte Ich: „Darum weiß Ich wohl und weiß es auch, daß es auf dieser Erde noch einige solche Völker gibt, wogegen Ich durchaus nichts einzuwenden habe, und Ich lasse es denn auch gelten, daß ihr jene drei Weisen aus dem fernen Morgenlande seid, die das zu Bethlehem in einem Schafstalle neugeborene Wunderkind besucht haben, und nun auch wiedergekommen seid, den dem Kinde entwachsenen Wunderkönig aufzusuchen, um ihm wieder eure Achtung zu bezeigen, was von euch unstreitig sehr löblich ist. 6. Aber Ich fragte euch auch, was ihr denn so auf euren weiten Reisen alles für Künste und Werke verrichtet, und was sie euch denn für einen Nutzen abwerfen. Davon müsset ihr Mir auch etwas sagen, damit wenigstens diese Meine Jünger auch von euch etwas gewinnen können. Dann werde Ich euch schon von Mir Selbst etwas Näheres kundgeben.“ 7. Sagte der Älteste: „Ja, großer Meister, wenn du alles das leistest, was wir von dir vernommen haben, werden deine Jünger von uns eben nicht gar besonders viel gewinnen; aber dieweil du solches wünschest, so kann ich dir schon so die Hauptsache mitteilen. Unser Erstes und die eigentliche Hauptsache ist es, den Menschen aus den Sternen so manches für sie Nützliche zu weissagen, was zumeist dann auch eintrifft. Freilich, aufrichtig gesagt, kommt es da mehr auf die künstliche Stellung der Worte als auf die Stellung der Sterne an, die bis auf die der wenigen Planeten ohnehin immer die ganz gleiche bleibt. 8. Nur bei der Geburt des jüdischen Wunderkindes, allwann wir noch von den gewissen Geistern mehr oder weniger bewohnt waren, da haben wir gegen den Westen wohl ganz sonderbare Stellungen der Sterne gesehen und einen Stern von besonderer Größe, der gegen Westen hin eine lange Rute hatte, und da wir auch wohl merkten, daß er sich eben gegen Westen hin schneller bewegte denn die anderen Sterne, so dachten wir, daß sich im Abendlande etwas Großes müsse zugetragen haben. Und bald lasen wir es aus den Sternen wie eine Schrift: ,Den Juden ist ein neuer König geboren, der ein Reich gründen wird, das nimmer ein Ende nehmen wird in Ewigkeit, und er wird herrschen über alle Völker der Erde!‘ 9. Nun, diese Schrift war völlig wahr, und wir schlugen dann unsere Reise gerade nach der Bewegung des Sternes ein, der uns am rechten Orte und an rechter Stelle stehenzubleiben schien, und wir fanden da wirklich eine Geburt, die von allen möglichen Wundern begleitet war, so daß wir auch nicht einen Augenblick im Zweifel sein konnten, ob wir wohl am rechten Orte wären. Da war demnach unsere Sterndeuterei voll Wahrheit; inwieweit die nachträglichen und späteren auch mehr oder weniger Wahres in sich enthielten, dafür könnten wir, offen gesagt, keine volle Bürgschaft leisten. So steht denn die Sache mit unserer Sternenweisheit. 10. Was aber unsere Magie betrifft, so zerfällt diese in drei Teile. Der erste Hauptteil geht aus unserer durch viele Proben, Versuche und Erfahrungen hervorgehenden Kenntnis und Vertrautheit mit den geheimen Kräften der Natur hervor, wodurch wir imstande sind, tausenderlei Dinge und Sachen zu bewerkstelligen, die bei der blinden und nichts wissenden Menschheit natürlich das größte Staunen erregen müssen und uns ein großes Ansehen und auch einen großen Gewinn abwerfen. 11. Wir sind zurzeit im Besitze eines Geheimnisses, eine Art Körner zu erzeugen, die überaus leicht entzündbar sind, bei ihrem schnellen Entzünden in einem geschlossenen Raume aber eine solche Kraft entwickeln, daß dadurch der stärkste und festeste Fels, so man zuvor durch eine gemachte Öffnung in denselben ein paar Pfunde von den erwähnten Körnern bringt und durch einen unsichtbaren Brandfaden entzündet, mit einem großen Knalle in tausend Trümmer zerrissen wird. Zum Scheine fürs Volk tun wir das wohl also, als geböten wir dem Felsen, daß er sich lösen müsse; aber im Grunde bewirken das nur unsere Sprengkörner, die wir schon etliche Tage zuvor ganz unbemerkt an einer geeigneten Stelle unterzubringen verstehen. 12. Und so in der Art haben wir noch eine Menge Dinge, deren Experimentierung dem unkundigen Volke eine große Verwunderung abnötigen muß. Dazu gehören auch unsere Feuerkünste, bei denen wir auch den Blitz und seine Wirkungen ganz täuschend nachzumachen verstehen. – Darin also besteht der erste Teil unserer Magie. 13. Der zweite Teil ist ein rein mechanischer, wobei wir durch gewisse bisher noch unbekannte Maschinen auch gewisse Wirkungen hervorbringen, die gleichwohl auch jeden Laien ins größte Staunen setzen müssen, weil die Ursache der Wirkung fremd ist und außer von uns von sonst niemand erklärt werden kann. 14. Der dritte Teil unserer Magie ist der eigentlich nichtssagende, weil er bloß durch gewisse geheime Einverständnisse bewerkstelligt wird. Der macht bei dem blinden Volke beinahe das meiste Aufsehen, obwohl hinter ihm gar nichts steckt außer einer gewissen eingeübten Geschicklichkeit und Fertigkeit. – Das sind nun unsere drei magischen Teile. 15. Endlich aber sind wir auch Ärzte und können durch geheime Mittel mit dem besten Gewissen von der Welt gar viele Krankheiten heilen, böses Ungeziefer aller Art vertilgen, und alle Arten der bösen Tiere müssen vor uns die Flucht ergreifen oder sich von uns bändigen lassen, – mit welcher unserer Fähigkeit wir den Menschen auch schon gar manchen guten Dienst erwiesen haben. – Und nun hast du, großer Meister, in Kürze unsere ganze Kunst vor dir aufgedeckt. Aber nun bitten wir denn auch dich, daß du uns über dich eine nähere Auskunft geben möchtest.“ Kapitel 39 Großes Evangelium Johannes, Buch 6 39. — Ein guter Zweck heiligt nicht die schlechten Mittel 1. Sagte Ich: „Eure Kunst ist insoweit, als sie sich bei dem Experimentieren der Naturkräfte, der Mechanik und der Heilmittel bedient, in sich ganz gut, und es kann mit der Zeit für die Menschen so mancher irdische Vorteil daraus erwachsen. Aber alles, was dabei im Angesichte der Menschen, die vor Gott einen gleichen Wert haben, mehr als gewinnbringendes Blendwerk erscheint, ist schlecht und Gott, dem alleinigen Herrn aller Welt und Kreatur, nicht wohlgefällig, wie Ich solches auch den Essäern, die Ähnliches tun, bei einer Gelegenheit gesagt und gezeigt habe. Denn so der Zweck im Grunde ein noch so guter wäre, den man aber nur durch ein lügenhaftes und somit an sich schlechtes Mittel erreichen könnte, so wird dieses durch den an und für sich guten Zweck nie geheiligt und auch nie gut. 2. Zum Exempel: Es wäre ein sehr schmerzlichst kranker Mensch, und die besten Ärzte wüßten kein Mittel mehr, den Menschen von seinen großen Schmerzen zu heilen. Nun aber fiele es einem ein, und er sagete zu den andern Ärzten: ,Da diesem Menschen durch nichts mehr zu helfen ist, so geben wir ihm ein schnell tötendes Gift, und er ist auf einmal alle seine Leiden los!‘ Gesagt, getan, – und der Leidende war im Moment dahin. Ja, diese Ärzte haben den Kranken richtig von allen seinen Schmerzen befreit; aber sie haben ihn getötet, ohne zu bedenken, warum Gott ihm ein solches Leiden zukommen ließ, und wie es dann jenseits mit seiner Seele stehen möchte. Und so war das Mittel schlecht, was darum auch nie einen ganz rein guten Zweck nach sich ziehen kann. 3. Und sehet, also steht es mit allen solchen falschen Wundern! Und werden sie auch sogar mit guten, moralischen Lehren zu manchem Frommen der Menschen begleitet und als göttliche Wirkungen erklärt, so bezwecken sie aber im Grunde dennoch nichts Gutes; denn sie erwecken in den Gemütern des Volkes den genötigten Leichtglauben, aus dem allerlei bösen Aberglauben und am Ende einen fanatischen Haß gegen jeden Andersglaubenden. Und kommen sie aber endlich durch jemanden hellen Geistes hinter den Betrug, und wie das von ihnen geglaubte, angeblich göttliche Wunder ein ganz plump-natürliches war, so fallen sie denn auch von allen darauf gestützten an und für sich guten Lehren ab, glauben dann gar nichts mehr und werden zu Tigern und Hyänen gegen ihre Lehrer und Wundertäter. 4. Aus dem aber läßt sich dann leicht entnehmen, wie durch ein schlechtes Mittel eigentlich auch nie ein guter Zweck zu erreichen ist; denn ist die Stütze schlecht und gebrechlich, wie kann darauf ein vollkommen festes Gebäude bestehen?! 5. Auf einem schlechten und lockeren Grunde läßt sich nie eine feste Burg erbauen, und so läßt sich mit falschen Scheinmitteln auch nie eine wahre und den Menschen durch und durch bessernde und belebende Erziehung erzielen. 6. Auch die größten Staaten in dieser Welt, vor denen einst der halbe Erdkreis erbebte, zerfielen am Ende wie lockere Spreu, weil das Fundament, auf dem sie erbaut waren, selbst nichts als ein eitles, spreuartiges Blendwerk war. 7. Daher aber bin Ich denn in diese Welt von oben herabgekommen, um den Menschen die volle Wahrheit in allem zu zeigen und zu geben. Und wer in solcher Wahrheit bleiben und leben wird, der wird wahrhaft frei sein und in sich haben das ewige Leben, das nie durch irgendein Scheinmittel, sondern allein nur durch die reinste und gediegenste Wahrheit zu erreichen ist. 8. Und eben darin bestehet das Reich, das Ich nun soeben gründe. Es ist ein Reich der Liebe, des Lichtes und daraus der reinsten und gediegensten Wahrheit. Sein König wird wohl nie einen irdischen Thron besteigen, und kein goldenes Zepter in die Hände nehmen und wird keine andere Waffe führen denn allein die Wahrheit; aber diese Waffe wird ihm dennoch den glänzendsten Sieg über alle Völker der Erde und über alle ihre Kreatur für ewig geben, und wohl jedem, der sich von dieser reinsten Himmelswaffe wird besiegen lassen! 9. Und nun erst sage Ich euch auch, daß Ich eben ganz Derselbe bin, den ihr suchtet, und dem ihr schon als einem neugeborenen Kind die Ehre erwiesen habt. 10. Aber Ich sage es euch nun auch, daß Ich jetzt und fürder keine Ehre von den Menschen nehme, sondern es ist Einer, der eins ist mit Mir, der allein Mich ehrt, und der heißt: Liebe, Licht, Wahrheit und Leben. Er ist der Urgrund aller Dinge und das ewige Sein und Dasein Selbst, und alles, was da ist und besteht, ist und besteht aus Ihm. – Wisset ihr nun, wie ihr daran seid?“ Kapitel 40 Großes Evangelium Johannes, Buch 6 40. — Der Einfluß der Lichtgeister 1. Sagte, ganz von der Wahrheit Meiner Rede durchdrungen, der Älteste: „Großer Meister! Aus dieser deiner lichtvollen Rede haben wir mehr denn sonnenklar entnommen, daß du mehr als ein purer Mensch sein mußt; denn also gar so durchdringend wahr haben wir noch nie einen Menschen reden hören, und wahrlich, solche Worte wirken mehr denn tausend der wunderbarsten Zeichen, die zwar die Menschen wohl auf eine Zeitlang berücken, aber ihr Herz noch mehr verhärten und verfinstern! Darum verlangen wir auch gar kein anderes Zeichen von dir; denn dies dein Wort genügt uns vollkommen, und wir wissen nun schon, was wir künftighin zu tun und zu halten haben. Unser Volk daheim soll fürder nicht mehr im Finstern umherwandeln!“ 2. Sagte Ich: „Das wird von euch sehr wohlgetan sein; aber alles Gute und Wahre braucht auch seine Zeit. Daher müsset ihr denn auch bei allem redlichen Tun und Handeln die Klugheit zu Rate ziehen. Denn ein einmal verfinstertes Volk kann ein plötzlich aufgehendes grellstes Licht nicht ohne Schaden seiner Sehe vertragen; es wird dann wie wahnsinnig, lichtscheu und suchet dann Schatten und Nacht. Darum muß das Licht erst ganz sparsam zugelassen werden, daß sich die Menschen nach und nach an dasselbe gewöhnen. Mit der Zeit werden sie dann auch sogar ganz behaglich das stärkste Licht vor ihren Augen vertragen. – So ihr denn wahre Weise aus dem fernen Morgenlande seid, so müßt ihr auch diese Weisheitslehre treu beachten, so ihr euren Völkern ein wahrer Segen werden wollet.“ 3. Sagte der Älteste: „Auch dieses werden wir und unsere Jünger getreu beachten; denn wir sehen, daß du in allem recht hast und durch und durch wahrhaftig bist. Aber nun möchten wir denn von dir auch noch erfahren, was es mit den uns leitenden Geistern zur Zeit deiner wunderbaren Geburt für eine Bewandtnis hatte; denn wir nahmen es in uns ganz genau wahr, daß sie nicht wir und wir nicht sie waren. Aber wenn sie in uns herrschten, da konnten wir nicht tun, was wir wollten, sondern nur das, was sie wollten, und es kam uns dabei vor, als ob sie unser eigenes besseres Ich wären. Denn da waren wir auch sehr weise und lernten so erst die inneren Naturkräfte und ihre Benutzung kennen; aber wenn sie wie aus uns wichen, dann waren wir wieder ganz dumm und konnten gar nicht begreifen, wie wir die großen Kraftgeheimnisse in der Natur kennengelernt hatten. Was wir des Besseren nun kennen, das ist uns durch jene Geister kundgegeben worden, die wir in hellen Träumen auch zu sehen bekamen. Nun, was mag nach deiner Weisheit wohl dahinter stecken und sein?“ 4. Sagte Ich: „Das ist bei euch darum nichts Besonderes; denn alle von Natur aus besseren Menschen werden von Geistern auf eine manchmal mehr und weniger fühlbare Weise unterwiesen in allerlei geistiger und natürlicher Wissenschaft, und so war es denn auch bei euch auf eine mehr fühlbare Art der Fall. 5. Und je naturgemäßer, einfacher und in sich gekehrter die Menschen irgend in der Welt leben, desto mehr und lebhafter stehen sie auch mit den besseren und guten Geistern aus dem Jenseits in Verbindung. Und das war denn auch bei euch und mit euch der Fall. 6. Als ihr aber dann durch eure vielen Reisen weltläufiger geworden seid, da haben euch auch eure Lehr- und Leitgeister verlassen und euch euren eigenen Erkenntnissen, eurer Vernunft, eurem Verstande und eurem eigenen freien Willen anheimgegeben. Aber dennoch weckten sie die Begierde in euch, daß ihr Mich suchen und nun auch finden mußtet, und das war von den drei Geistern ganz wohl gesorgt für euch und eure Kinder und Völker. 7. Jene Geister aber waren einst auch Menschen auf dieser Erde, und zwar für alle jetzt lebende Menschheit von der größten Bedeutung für diese Erde; doch jenseits hören alle die irdischen Unterschiede von ,erst‘, ,groß‘ oder ,klein‘ gänzlich auf, und der letzte Mensch der Erde wird ihrem ersten nicht nachstehen, vorausgesetzt, daß er den Willen Gottes erkannt und nach dessen Vorschrift und Ordnung gehandelt hat. 8. Der Wille Gottes an alle Menschen aber lautet ganz kurz also: Erkenne Gott und liebe Ihn über alles und deinen Nächsten, das heißt deinen Nebenmenschen aber wie dich selbst. Sei wahrhaft und getreu gegen jedermann, und was du vernünftigerweise willst, daß man dir tue, das tue du auch deinem Nebenmenschen, so wird Friede und Einigkeit zwischen euch sein und Gottes Wohlgefallen wird über euren Häuptern strahlen wie ein rechtes Licht des Lebens! 9. Das genüge euch. Aus dem wird euch dann schon alle andere und weitere Weisheit gegeben werden. Und nun möget ihr euch zur Ruhe begeben, denn es ist bereits um die Mitte der Nacht geworden.“ 10. Da dankten die Weisen und baten Mich, am kommenden Tage noch in Meiner Nähe verharren zu dürfen, was Ich ihnen auch gerne gestattete. Darauf begaben wir uns alle zur Ruhe. 11. Und als wir am nächsten Tage erwachten, da war ein gutes Morgenmahl schon in voller Bereitschaft, und unsere Weisen warteten auch schon mit der größten Sehnsucht von der Welt, Mich wiederzusehen und etwa auch sprechen zu hören; denn Meine Worte haben sie sich sehr zu Herzen genommen. 12. Als Ich mit all Meinen Jüngern beim Morgenmahle saß, aß und trank und Mich mit dem Wirte über dies und jenes besprach, da horchten die Weisen schon an der Tür. Da sie aber nur über mehr gleichgültige, irdische Dinge Worte wechseln vernahmen, da sagten sie unter sich: „Siehe, heute redet er nicht so weise denn in der Nacht! Er muß sehr vielseitig sein in seinem Wissen! Aber da strahlt nicht viel von göttlicher Weisheit heraus!“ 13. Als sie aber noch also unter sich hin und her urteilten, da kam plötzlich ein Schwerkranker in das Vorzimmer; denn er war ein Nachbar des Wirtes und erfuhr durch dessen Leute, daß Ich beim Wirte angekommen sei und nun daselbst weile. Als er durch die Türe Meiner ansichtig ward, da schrie er: „O Jesus von Nazareth, du wahrer Heiland, erbarme dich meiner und heile auch mich, der du schon so viele geheilet hast!“ 14. Da ging Ich hinaus und sagte: „Wie lange plagt dich denn deine Gicht?“ 15. Und er sagte: „Herr, schon sieben Jahre! Ich aber ertrug die Schmerzen dennoch geduldig, als sie nicht gar so arg wüteten; nun aber werden sie mir unerträglich, und so ließ ich mich zu dir herführen.“ 16. Sagte Ich zu den Weisen: „Nun, ihr seid auch Ärzte! Möget ihr diesem Menschen nicht helfen mit eurer Kunst?“ 17. Sagte der Älteste: „Meister, derlei Kranke sind bei uns als unheilbar erklärt, und da hilft auch keine Arznei etwas mehr! Wenn solch einen Gichtbrüchigen die Sonne nicht mehr zu heilen vermag, da hilft ihm auf der Welt nichts mehr.“ 18. Sagte Ich: „Nun, so will Ich denn sehen, ob er nicht mehr zu heilen ist!“ 19. Darauf sagte Ich zum Kranken: „Sei geheilt und wandle; aber sündige fortan nicht mehr, auf daß dir dann nicht noch etwas Ärgeres begegne!“ 20. Darauf ward der Kranke urplötzlich völlig gerade und gesund, dankte und verließ voll Freuden das Haus. 21. Da erschraken die Weisen und wollten Mich förmlich anzubeten anfangen. Ich aber verwies ihnen solches, und Ich und die Jünger zogen darauf gleich nach Bethanien zum Lazarus, und die Weisen zogen auch noch am selben Tage in ihr fernes Land zurück. Kapitel 41 Großes Evangelium Johannes, Buch 6 Am Galiläischen Meere. (Ev. Joh. Kap. 6) 41. — Die Speisung der Fünftausend (Ev. Joh. 6,1-45) 1. Daß Lazarus über Meine Ankunft eine übergroße Freude hatte, braucht kaum erwähnt zu werden. Aber Ich war kaum drei Tage allda, so erfuhr durch die Arbeiter die ganze, weite Umgegend Meine Anwesenheit, und es kam da täglich mehr Volk zusammen, und sie brachten allerlei Kranke, die allda alle geheilt wurden. Es machte dies aber ein großes Aufsehen um ganz Jerusalem, und es kam das auch zu den Ohren der Pharisäer, daß sie darum unter sich bald Rat zu halten begannen, wie sie Mich fangen und aus der Welt schaffen könnten. 2. Aber Ich wußte darum und sagte am zehnten Tage Meines Aufenthaltes in Bethania zu Lazarus und zu den Jüngern: „Wir werden uns von dannen begeben wieder nach Galiläa; denn die Pharisäer halten wider Mich einen bösen Rat. Ich will aber nun kein weiteres Aufsehen machen, damit auch dein Haus um das Fest herum Ruhe habe. Ich werde darum heute noch von hier abziehen.“ 3. Da sprach Lazarus ganz betrübt: „Herr, Du bist ja allmächtig und kannst die böse Brut mit einem Gedanken vernichten, was für alle besseren Juden eine große Wohltat wäre.“ 4. Sagte Ich: „Das könnte Ich wohl; aber es ist der Wille des Vaters nicht also, sondern sie sollen handeln, bis ihr Maß voll wird. Dann erst wird kommen das große Gericht über sie; denn sie werden sich durch ihre alle Schranken übersteigende Herrschsucht selbst das Schwert in den Leib stoßen. In ihrem Hochmute werden sie sich gegen die Römer empören, und diese werden ihnen den vollen Tod geben. Ich sage es dir: Kein Stein wird auf dem andern verbleiben, und die Nachkommen werden die Stelle nicht mehr finden, wo Jerusalem gestanden, und so sie auch etwas finden werden, da werden sie sich aber dennoch nicht danach richten können und keine Stelle sicher zu bestimmen imstande sein. Das wird geschehen von der Welt der Welt wegen. Aber jetzt ist es noch nicht an der Zeit, und dazu bin Ich nicht gekommen, um etwas zu zerstören, sondern nur um aufzurichten das Gebrochene und zu suchen und zu finden das Verlorene. Und es ist also nun besser, daß Ich auf eine Zeitlang von hier gehe, auf daß Ich und du Ruhe haben; denn sie werden Mich hier bald suchen, aber nicht finden, – und das wird gut sein.“ 5. Darauf nahmen wir ein Morgenmahl und machten uns auf die Reise. Lazarus aber begleitete uns nahe bis an das Galiläische Meer hin, und es zog uns eine große Menge Volkes nach. Am Meere aber, dahin wir schon ziemlich spät abends kamen, hielt Ich an und blieb daselbst die Nacht hindurch in einer Herberge. Am Tage darauf empfahl sich Lazarus und ging mit seinen Leuten nach Hause. 6. Ich aber bestieg mit den Jüngern, deren Zahl nun schon von neuem über siebzig ausmachte, ein großes Schiff und fuhr nahe an der Stadt Tiberias über das Meer. (Joh.6,1) Da das Volk aber sah, daß Ich abfuhr, mietete es gleich auch eine Menge Schiffe und zog Mir also unaufhaltsam nach, weil es die Zeichen sah, die Ich an den vielen Kranken tat. (Joh.6,2) Wir landeten aber, mit den vielen uns begleitenden Schiffen etwa eine Stunde Weges von der Stadt Tiberias entfernt, an einer ganz unbewohnten Stelle, hinter der sich sogleich ein hoher Berg erhob. 7. Ich aber sagte zu den Jüngern: „Gehen wir auf diesen Berg! In der halben Höhe will Ich eine Rast nehmen, ohne von den aus der Stadt dieses Weges Ziehenden bemerkt zu werden; denn die Menschen dieser Stadt haben wenig guten Sinn und noch weniger Glauben; denn es ist das ein Handelsvolk, und sein Sinn ist Geld und Gewinn.“ 8. Da gingen wir sogleich auf den Berg an die bezeichnete Stelle, wo es sehr anmutig war und viel Grases gab, das uns für unsere Ruhe sehr wohl zustatten kam. Allda setzte Ich Mich mit den Jüngern nieder. (Joh.6,3) Aber auch die vielen Menschen, die uns begleitet hatten, zogen uns mit ihren mitgenommenen Brotkörben nach und lagerten sich um uns. Denn es war nun schon nahe an die Ostern, das Hauptfest der Juden (Joh.6,4), und da war es Sitte, in den Körben neues, ungesäuertes Brot mitzunehmen, auch gebratene Fische, desgleichen Eier und Lämmerfleisch. 9. Ich hielt Mich aber bei fünf Tage hier auf und wir alle hatten vier Tage hindurch genug zu essen und zu trinken, da an unserer Ruhestelle auch eine gute und frische Wasserquelle sich befand. Aber als am fünften Tage der Vorrat aufgezehrt war, da machte Mich Petrus aufmerksam auf die beinahe jeden Tag mehr angewachsene Volksmenge, und daß sie nichts mehr zu essen habe. 10. Da hob Ich Meine Augen auf und überschaute die große Volksmenge und sah, daß da eine große Volksmenge zu mir gekommen war. Da sagte Ich zu Philippus, der gewöhnlich unser Zechmeister und als ein Jude gewordener Grieche manchmal noch etwas glaubensschwach war: „Ja, wo kaufen wir nun Brot für so viele, daß sie alle etwas zu essen bekommen?“ (Joh.6,5) Das sagte Ich aber nur, um den glaubensschwachen Jünger ein wenig zu versuchen, da Ich ohnehin wohl wußte, was Ich tun wollte. (Joh.6,6) 11. Und unser Jünger saß richtig auf und antwortete Mir (Philippus): „Unsere ganze Barschaft besteht nun in zweihundert Pfennigen, und um diesen Wert Brotes wird zuwenig sein, daß ein jeder von ihnen nur ein wenig für sich nehme.“ (Joh.6,7) 12. Spricht ein anderer, eben auch nicht ein allerstärkster Glaubensheld, obwohl ein Bruder des Simon Petrus (Joh.6,8): „Herr, es ist wohl ein Knabe hier, der noch fünf Gerstenbrote und zwei Fische in seinem Korbe hat; aber was ist das für so viele?“ (Joh.6,9) 13. Sagte Ich: „Bringet Mir den Knaben, und schaffet, daß sich das Volk in guter Ordnung lagere!“ 14. Da an dieser Stelle viel Grases war, so lagerten sich auch bald bei fünftausend Mann, die Weiber und Kinder gar nicht gerechnet. (Joh.6,10) Da nahm Ich die Brote, dankte dem Vater und segnete sie. Darauf übergab Ich die Brote und Fische auszuteilen an die, die sich gelagert hatten, und bemerkte allen Jüngern, daß sie sowohl von den Broten als auch von den Fischen jedem so viel geben sollten, als wieviel er zu seiner Sättigung haben wolle. (Joh.6,11) Da aßen alle und wurden satt. 15. Da sie aber nicht alles aufessen konnten, so sagte Ich abermals zu den Jüngern: „Gehet hin und sammelt die übriggebliebenen Brocken, damit davon nichts verderbe und umkomme!“ (Joh.6,12) 16. Da nahmen die Jünger die größten Körbe, gingen hin und sammelten die übriggebliebenen Brocken von allen, die da gespeist worden waren, und füllten damit zwölf große Körbe voll – sage – von den fünf kleinen Gerstenbroten. (Joh.6,13) 17. Da sagten die Jünger: „Wahrlich, diese Volksspeisung übertrifft die zwei früheren! Aber was soll nun mit den gefüllten zwölf Körben geschehen?“ 18. Sagte Ich: „Sie gehören dem Volke; das wird schon wissen, was es damit zu machen hat. Wir bedürfen ihrer nicht, da wir fürs erste nun auch gesättigt sind und fürs zweite aber heute ohnehin nach Kapernaum von hier abreisen werden.“ 19. Da gaben die Jünger die vollen Körbe dem Volke, und jeder nahm sich einen Teil davon und keiner konnte klagen, als wäre er irgend zu kurz gekommen. 20. Da aber nun die Menschen das Zeichen sahen, das Ich gewirkt hatte, so sprachen sie: „Das ist wahrlich der Prophet, der in die Welt kommen soll! (Joh.6,14) Was ist es denn? Wenn er also mächtig ist wie keine Macht der Welt und weiser denn Salomo, da ist es wohl an der Zeit, daß wir ihn mit Gewalt zu unserem Könige machen!“ 21. Da Ich aber das wohl merkte, daß sie Mich mit Gewalt zum Könige zu machen stark im Sinne hatten, so sagte Ich im stillen zu Johannes: „Du hörst, was das Volk im Sinne hat; darum werde Ich nun schnell und unbemerkt höher auf diesen Berg entweichen. (Joh.6,15) Ihr aber bleibet bis gen Abend hier. So sich das Volk verlaufen sollte, da werde Ich wieder zu euch kommen; verläuft es sich aber nicht, so gehet hinab ans Meer. Da wird ein gutes Schiff euer harren; mit dem fahret nach Kapernaum, allwo Ich euch dann schon einholen werde!“ Kapitel 42 Großes Evangelium Johannes, Buch 6 42. — Die Jünger fahren über das Meer nach Kapernaum (Ev. Joh. 6,16-21) 1. Solches merkte sich Johannes wohl; aber da er am meisten mit den geistigen Entsprechungen sich abgab und überall die Ursache, Wirkung und den Endzweck sehen wollte, so fragte er Mich noch um den Grund dieses Zeichens. 2. Und Ich sagte zu ihm: „Du sollst wohl vor allem das Geheimnis des Reiches Gottes recht tief fassen, und so merke denn schnell: Diese Menschen sind die Welt, die allen ihren geistigen Nährvorrat aufgezehrt hatte. Nur bei einem einfältigen Knaben war noch ein reines, unverdorbenes Gemüt, ein wenig kindlichen Glaubens; darum fand sich bei ihm auch ein Vorrat von fünf Gerstenbroten und zwei Fischen. 3. Die fünf Brote bezeichneten, daß seine fünf Sinne noch rein und unverdorben sind und darum auch sein Gemüt und seine Seele, was sich auch dadurch gleich zeigte, daß er mit der größten Freude in Mein Verlangen willigte. Die zwei Fische aber, sich wie der Liebe Gutes und des Glaubens Wahres verhaltend, oder wie Liebelebenswarmes, wie ein Feuer und Lebensweisheitslicht, zeigten seinen kindlichen Glauben, sein Vertrauen und seine Liebe an. Zugleich aber stellte seine Einheit und persönliche Wenigkeit auch das dar, wie schwach und wie wenig nun in der Welt das Gute und Wahre aus den Himmeln mehr unter den Weltmenschen vertreten ist. 4. Noch aber bezeichnen die fünf Brote Meine Lehre an die Menschen. Sie scheint viel zuwenig zu sein für alle Menschen der Erde; aber sie wird sich vermehren wie diese Brote, und dennoch wird daraus selbst für die Weisesten, die im Geiste von Mir belehrt und gesättigt werden, für die ganze Ewigkeit stets neue und tiefere Weisheiten zu erforschen und zu erkennen endlos vieles übrigbleiben. Denn die zwölf Körbe entsprechen den zwölf Stämmen Israels und diese der Gesamtheit der göttlichen, nie erreichbaren Vollkommenheit in allem. 5. Das, Mein lieber Johannes, ist die Entsprechung dieses Zeichens, und dieser Menschen Sinn, Mich zu einem Weltkönige zu machen, ist ihr finsterer und verdorbenster Weltsinn, weil sie ein mächtigstes und gefürchtetstes Weltvolk sein möchten, und aufs Haupt schlagen allen ihren vermeinten Feinden, was der Tendenz Meiner Lehre schnurgerade dawider wäre. Und so denn werde Ich nun auch schnell entweichen. Ihr aber tuet, wie Ich es euch gesagt habe!“ 6. Darauf versteckte Ich Mich hinter der Schar der Jünger in ein Gebüsch und drang durch dasselbe schnell bis zur vollen Höhe des Berges; denn für Mich fand sich bald ein gebahnter Weg vor, – nur für die Mir Nacheilenwollenden nicht. Hierauf machte sich das Volk an die Jünger und wollte sie ordentlich zur Verantwortung ziehen darum, daß sie Mich hätten fortgehen lassen. 7. Da trat Johannes hervor und sagte: „Ihr seid euer doch mehr, denn wir da unser sind! Warum mochtet denn ihr Ihn nicht aufhalten? Haltet auf den Sturm und den Blitz! Gebietet den Wogen des Meeres, wenn sie empört euch zu verschlingen drohen! Und ich, nur ein Jünger, vermag es euch kundzutun: Leichter und wirksamer möget ihr den empörten Elementen Ruhe gebieten als den Willen des Gottmenschen beugen! Lasset euch darum belehren, und seid nicht so törichten Sinnes! Wie wollet ihr Den zu einem eitlen Weltkönige machen über die Juden, dessen Geist ein ewiger Herr ist über alles im Himmel und auf Erden! Solches habet ihr ja doch aus den vielen Zeichen, die Er vor euren Augen verrichtete, klar entnehmen können. Er braucht nur zu wollen, und es ist und geschieht, was Er will. Aber Seine Allsehe und Sein Wille reicht noch bis her, wie auch endlos weiter; daher seid nicht unsinnig, und begebet euch zur Ruhe, damit euch nicht etwas Unangenehmes begegne!“ 8. Auf diese Rede des Johannes begaben sich viele zur Ruhe; aber einige murrten und wollten Mich um jeden Preis suchen gehen auf den Berg. Aber sie stießen bald auf derartige unübersteigbare Hindernisse, die zu besiegen die reinste Unmöglichkeit war, kamen bald ganz erschöpft von ihrer fruchtlosen Mühe zurück und konnten nun nicht begreifen, wie Ich über die fürchterlichsten Felswände emporgeklettert sei. Abwärts aber könnte Ich nirgends entwichen sein, da die möglichen Abgänge von diesem Rasenplatze alle von ihnen besetzt waren und sie Mich irgend hätten ersehen müssen. Kurz, sie sahen, daß sie nichts auszurichten vermochten, und fingen dann an, Rat zu halten, was da zu machen sein werde. Einige fragten die Jünger, was sie nun ohne den Meister tun werden, oder ob er wieder zurückkommen werde. 9. Die Jünger aber sagten: „Was werden wir nun sonst wohl machen als ziehen in unsere Heimat gen Kapernaum! Daselbst wird Er wohl wieder zu uns kommen, wie und wann Er will.“ 10. Darauf fingen die Ärgsten an, sich davonzumachen; aber viele warteten noch und wollten erst sehen, was die vielen Jünger tun würden. Als es aber schon gegen Abend hin zu werden begann, da erhoben sich die Jünger und gingen eilig hinab ans Meer (Joh.6,16), wo schon ein großes Schiff ihrer harrte – wie Ich es ihnen zuvor gesagt hatte –, das sie schnell bestiegen und noch eher abfuhren, als die vielen Menschen vom Berge herab an das Meer gelangen konnten; denn der Abweg war ziemlich beschwerlich und für die ungeübten Bergsteiger nur mit mancher Mühe und Vorsicht zurückzulegen. Da aber ging es nun nach der Stadt Tiberias, und viele mieteten da auch Schiffe nach Kapernaum. Einige fuhren gleich ab, andere wieder harrten, ob Ich nicht vom Berge käme und dann mit ihnen nach Kapernaum führe. Da Ich jedoch nirgends zum Vorscheine kam, so fuhren sie erst am Morgen dahin. 11. Die Jünger aber fuhren mit gutem Winde schnell über das Meer in der Richtung gen Kapernaum. (Joh.6,17) Die Jünger aber meinten, daß Ich ihnen mit einem andern Schiffe nachfahren und sie leicht einholen werde; denn die Fahrstrecke war eine ziemlich weite, und so war es schon ganz finster geworden, als sie noch eine ziemlich weite Strecke nach Kapernaum zu segeln und zu rudern hatten, weil sie da einen Gegenwind eine zeitlang zu bekämpfen hatten. Sie schauten immer um sich, ob und von woher Ich etwa zu ihnen käme; aber Ich war noch nirgends zu ersehen und wahrzunehmen und war somit trotz ihrer großen Sehnsucht noch nicht zu ihnen gekommen. Da wurden sie traurig und sagten unter sich, Ich werde sicher erst morgens zu ihnen kommen. 12. Als sie so dachten, da erhob sich plötzlich ein starker Wind, und das Meer fing an, hohe Wellen zu werfen. (Joh.6,18) 13. Da sagten die Schiffsleute: „Die Segel schnell ganz einziehen, und alles greife kräftig zu den Rudern, sonst haben wir Unglück, so wir nicht bald in den Hafen kommen!“ 14. Da griff alles zu den Rudern. Und als sie also gerudert hatten bei 25-30 Feldweges weit, da ersahen sie Mich auf dem stark wogenden Meere dahergehen bis an ihr Schiff; aber trotzdem sie das schon einmal bei einem ähnlichen Falle von Mir erlebt hatten, so übermannte sie dennoch eine große Furcht. (Joh.6,19) 15. Da Ich das wohl sah, redete Ich sie alle an und sagte: „Was fürchtet ihr euch alle denn? Sehet ihr denn nicht, daß Ich es bin?“ (Joh.6,20) 16. Da wollten Mich die Jünger in das Schiff aufnehmen, da noch eine weite Strecke bis ans Land sich zeigte; aber als sie das wollten, siehe, da war das Schiff auch in demselben Augenblicke fest am Lande! (Joh.6,21) 17. Es machte aber das bei den neuen Jüngern, da sie so etwas noch nicht erlebt und auch nie gesehen hatten, ein übergroßes Aufsehen. Auch die Schiffer kamen ganz außer sich und meinten noch immer, Ich sei irgendwo gestorben und wandle nun als ein Geist sichtbar umher, vielleicht verwunschen von einem Zauberer, oder Ich sei selbst einer und habe den Wassergeistern befohlen, Mich übers Meer zu tragen. Denn die Schiffer waren Griechen und somit auch Heiden, und konnten natürlich nicht anders urteilen, da sie vom wahren, geistigen Judentume wohl nur sehr wenig und wohl auch gar nichts wußten, darum sie denn auch bei ihrer Meinung bis auf ein späteres belassen wurden. 18. Wir aber begaben uns bald in eine uns wohlbekannte Herberge, allwo Ich schon einen Gichtbrüchigen, der samt dem Bette durch eine Dachöffnung zur Heilung ins Zimmer vor Mich hinabgelassen ward, geheilt hatte. Da wurden wir gut aufgenommen und auch sogleich bestens bewirtet. Kapitel 43 Großes Evangelium Johannes, Buch 6 43. — Das Brot des Lebens (Ev. Joh. 6,2-35) 1. Des andern Tages aber, als wir nach dem Morgenmahle ins Freie hinausgingen, um uns da umzusehen, was es da gäbe, da trafen wir am Ufer eine große Menge Volkes, das uns von Tiberias noch in der Nacht mit großen Beschwerden nachgefahren war. Es war aber das eben dasselbe Volk, das gestern abend jenseits des Meeres am Ufer stand und wohl sah, daß die Jünger ohne Mich allein übers Meer hinwegfuhren. Und diese Menschen sahen nun auch, daß außer ihren wohl kennbaren Schiffen kein anderes Schiff da war als allein das, in welchem sie die Jünger allein wegfahren sahen, wie auch, daß Ich durchaus nicht mit ihnen bei der Abfahrt in das Schiff getreten war, sondern daß ganz allein nur Meine Jünger weggefahren waren. (Joh.6,22) 2. Als wir aber also da am Ufer umhergingen, da kamen noch andere Schiffe an, die erst frühmorgens von Tiberias abgefahren waren. Sie fuhren aber zuerst noch an die Stelle hin, stiegen aus und besuchten noch die Stätte, wo sie durch Meine Danksagung das Brot gegessen hatten, um sich zu überzeugen, ob Ich etwa doch noch da wäre. (Joh.6,23) Da sie aber weder Mich noch die Jünger allda fanden, so eilten sie schnell zurück zu den Schiffen, die ihrer harrten, und fuhren bei gutem Winde nach Kapernaum; denn sie wußten es, daß die Jünger nach Kapernaum gefahren waren. Als sie gen Mittag hin in Kapernaum ankamen, so suchten sie sogleich die Jünger und vor allem Mich, ob Ich wohl allda wäre. (Joh.6,24) 3. Und als sie Mich nach längerem Suchen fanden, und zwar in einer Schule zu Kapernaum, wie davon noch später eine Erwähnung gemacht wird, und nun offenbar sahen, daß Ich von Tiberias nach Kapernaum auch offenbar übers Meer habe kommen müssen, da Ich auf dem weiten Umwege zu Lande über die vielen Berge und Gräben wohl gut ein paar Tage dazu benötigt hätte, bis Ich nach Kapernaum käme, da fragten sie (die Nachgereisten) Mich und sagten: „O Rabbi (Meister), wie bist du denn übers Meer gekommen?“ (Joh.6,25) 4. Ich aber gab schnell den Jüngern einen Wink, daß sie dieses niemandem sagten, da Ich es Mir vornahm, diesen Königshelden eine Lehre zu geben, die ganz geeignet sein werde, die Spreu von dem reinen Weizen zu fegen. 5. Und Ich sagte darum zu den Fragenden: „Wahrlich, wahrlich, Ich sage es euch: Ihr suchet Mich nicht darum, weil ihr die vielen Zeichen, die Ich gewirket habe, gesehen habt, sondern nur darum, weil ihr als Hungrige auf dem Berge das Brot gegessen habt und davon recht satt geworden seid! (Joh.6,26) Ihr habt Mich deshalb aus Dank auch einen großen Propheten genannt und wolltet Mich endlich gar zu eurem Könige machen, dieweil ihr bei euch dachtet: ,Siehe da, der hat Macht genug wider unsere Feinde, derentwegen wir zuallermeist arbeiten müssen, und dazu kann er uns stets also Brot verschaffen, und wir haben dann nicht mehr nötig zu arbeiten!‘ 6. Ich aber sage es euch: Die Speise, die wirket nicht zum geistigen Leben der Seele, sondern nur zum vergänglichen Leben des Fleischleibes. Ich – als nun auch des Menschen Sohn aber will und werde euch eine andere Speise zeigen und geben, die da bleibet und wirket für ewig in der Seele. Denn dazu hat der Vater im Himmel Mich gesiegelt und bestimmt. (Joh.6,27) Und diese Speise besteht darin, das ihr wahrhaft Gottes Willen und dadurch auch Gottes Werke verrichtet.“ 7. Da sagten die Frager zu Mir: „So sage uns denn, was wir tun sollen, daß wir nach deinem Worte Gottes Werke wirken! (Joh.6,28) Wir sind nur Menschen und keine Propheten und können nur nach dem Gesetze Mosis leben.“ 8. Sagte Ich: „Ja, so ihr das Gesetz Mosis hieltet, so hättet ihr Mich schon lange erkannt! Aber ihr haltet aus Furcht vor den weltlichen Strafen mit geheimem Grimm die Satzungen der Welt und erkennet Mich darum nicht, trotz dem, daß Ich solche Zeichen vor euren Augen gewirkt habe, die noch nie ein Mensch vor Mir gewirkt hat. 9. Ich will euch aber nun sagen, was von jetzt an Gottes Werk ist. Das ist von jetzt an Gottes Werk, das von euch dadurch gewirkt werden kann, daß ihr an Mich als an Den glaubet, den Gott durch die Propheten verheißen und nun zu euch in diese Welt gesandt hat!“ (Joh.6,29) 10. Da machten sie alle große und verblüffte Augen und sagten: „Was wirkest denn hernach du noch für Zeichen über die von uns gesehenen? Sage und zeige sie uns, auf daß wir sie auch sehen und dir dann glauben das, was du von dir aussagest! Also, welche andern Zeichen wirkest du noch? (Joh.6,30) Bis jetzt wissen wir nur, daß du allerlei Kranke geheilt hast, und daß du uns wahrlich wunderbarerweise mit viel Brot aus den wenigen Broten auf dem Berge ganz satt gespeiset hast. Allein, ähnliche und mitunter sogar größere Zeichen haben auch, von Moses an, andere Propheten gewirkt. Haben nicht unsere Väter in der Wüste Manna gegessen, wie es geschrieben steht: ,Er gab ihnen Brot vom Himmel zu essen.‘?!“ (Joh.6,31) 11. Darauf sagte Ich zu ihnen: „Wahrlich, wahrlich! Moses hat euch nicht Brot vom wahren, sondern nur vom sichtbaren, irdischen Himmel aus der Luft gegeben (Joh.6,32); nur Mein Vater im wahren, geistigen Himmel gibt euch nun durch Mich das wahre Brot vom Himmel! Denn dies ist das wahre Brot vom Himmel in Mir, das der Welt das Leben gibt!“ (Joh.6,33) 12. Sie aber verstanden nicht, daß Ich unter dem wahren Brote, das der Seele das ewige Leben gibt, nur Mein Wort und Meine Lehre, die aus der ewig lebendigsten Liebe und Weisheit Gottes hervorgeht und dadurch selbst Leben und Weisheit ist und der Seele das wahre Leben gibt, verstanden und gemeint habe. 13. Darum sie, weil sie darunter nur ein Brot, das sie am Berge gegessen hatten, verstanden, denn auch sagten: „Herr und Meister, so gib uns allewege solches Brot zu essen, und wir verlangen nichts Weiteres!“ (Joh.6,34) 14. Darauf sagte Ich: „Was redet ihr, und was verlanget ihr? Habt ihr denn nicht verstanden, was Ich sagte? Ich Selbst bin das wahre Brot des Lebens! Wer zu Mir kommt, den wird es nicht hungern, und wer an Mich glaubt, den wird es nimmerdar dürsten!“ (Joh.6,35) 15. Da sagten sie: „Herr, sind wir nun doch bei dir! Und da wir seit heute morgen nichts zu uns genommen haben, so fängt es uns an dennoch zu hungern und auch zu dürsten, obwohl wir glauben, daß du ein großer Prophet bist, vielleicht größer denn Moses, von dem man nicht einmal mehr mit großer Bestimmtheit sagen kann, daß er wahrhaft einmal da war. Moses haben wir nie gesehen; dich haben wir gesehen und sehen dich noch, und so bist du uns auch offenbar mehr denn Moses und alle alten Propheten. Aber dennoch sind wir nun schon recht hungrig und durstig. Wie ist denn hernach dein Wort zu deuten?“ 16. Sagte Ich geheim zu Johannes: „Siehst du, was Ich dir gestern geheim am Berge sagte, war es nicht wahr?! Diese Menschen sind noch ganz auf der Stufe der Tiere, und Ich rede darum also verdeckt, auf daß sie ganz unsinnig werden und sodann sich entfernen von Mir; denn ihre Zeit ist noch lange nicht da.“ Kapitel 44 Großes Evangelium Johannes, Buch 6 44. — Des Herrn Mission auf Erden. Das Fleisch und das Blut des Herrn (Ev. Joh. 6,36-58) 1. Hierauf wandte Ich Mich wieder zu den Menschen und sagte: „Aber was redet ihr?! Habe Ich denn je gesagt, daß ihr Mich nicht gesehen habt?! Ich Selbst weiß, sage und sagte es euch, daß ihr Mich und Meine Zeichen gesehen habt, und dennoch glaubet ihr nicht (Joh.6,36), daß alles und jedes, was Mein Vater im Himmel Mir gibt, zu Mir kommt, und daß Ich den, der zu Mir kommt, sicher nicht hinausstoßen werde. (Joh.6,37) 2. Merket es denn, was Ich euch sage: Ich bin nicht gleich euch von dieser Welt, sondern Ich bin vom Himmel herab gekommen, – aber nicht darum, daß Ich gleich euch täte Meinen eigenen Willen, sondern nur den Willen Dessen, der Mich hierher in diese Welt gesandt hat.“ (Joh.6,38) 3. Da fragten sie und sagten: „Was ist denn hernach der Wille dessen, der dich vom Himmel aus zu uns in diese Welt gesandt hat?“ 4. Sagte Ich: „Für taube Ohren ist schwer predigen und für die Blinden schwer schreiben. Das aber ist der Wille des Vaters, der Mich gesandt hat: daß Ich nichts verliere von allem, was Er Mir gegeben hat, sondern daß Ich alles wiederbringe und zum Leben auferwecke am Jüngsten Tage.“ (Joh.6,39) 5. Da sagten etliche: „Der Mensch redet sonderbar; uns deucht es, daß er verwirrt ist.“ 6. Andere aber sagten: „Rede klar und erkläre dich deutlich! Was ist da mit dem Jüngsten Tage?“ 7. Sagte Ich: „Wenn ihr Mich erkennen und an Mich glauben werdet, dann wird ein jüngster, wahrer Tag in eurer Seele werden, an dem Ich euch durch die Macht der Wahrheit Meiner Lehre auferwecken werde. So ihr aber an Mich nicht glaubet und Mich nicht erkennet, so wird in eurer Seele wohl schwerlich je ein jüngster Tag werden.“ 8. Sagten abermals die Menschen: „So sage uns denn klar, was da ist der Wille des Vaters!“ 9. Sagte Ich: „So höret denn! Das ist der Wille des Vaters, der Mich gesandt hat, daß der, welcher den Sohn sieht, an Ihn glaubt und Ihn erkennt als den wahren Messias der Welt, das ewige Leben habe, – und Ich werde ihn auferwecken am jüngsten Tage! (Joh.6,40) Was der jüngste Tag aber ist, das habe Ich euch schon gezeigt.“ 10. Auf das fingen die Juden an, besonders darob zu murren, daß Ich gesagt hatte: ,Ich bin das Brot des Lebens, das vom Himmel gekommen ist.‘ (Joh.6,41) 11. Und sie sagten: „Ist dieser etwa nicht der Zimmermann Jesus, des Zimmermanns Joseph Sohn?! Wir kennen doch ihn, den Vater und die Mutter nur zu gut! Wie kann dieser hernach sagen, daß er vom Himmel gekommen sei?! (Joh.6,42) Sein Verstand und seine sonstigen seltenen Eigenschaften können ihm allerdings vom Himmel aus gegeben sein, da ohne einen göttlichen Anhauch kein großer und berühmter Mann noch jemals irgendwo existiert hat; aber er selbst für seine Person kann vor uns doch nicht festweg behaupten, daß er sogar als ein wahrstes Nährbrot zum ewigen Leben vom Himmel herab zu uns gekommen sei!“ 12. Sagte Ich: „O murret nicht untereinander! (Joh.6,43) Ich sage es euch noch einmal: Es kann niemand zu Mir kommen (Mich erkennen), es sei denn, daß ihn ziehe der Vater (die Liebe aus Gott und zu Gott), der Mich gesandt hat, und nur Ich (Mein Wort und Meine Lehre) werde ihn auferwecken am jüngsten Tage! (Joh.6,44) 13. Es steht aber sogar geschrieben in den Propheten: ,In jener Zeit aber, die da kommen wird – und nun da ist –, werden sie alle von Gott gelehret sein!‘ Und Ich sage es euch nun eben darum: Wer es nun lernet vom Vater (Gottes Liebe), der kommt zu Mir (der auch wird Mich wohl erkennen). (Joh.6,45) 14. Ich sage euch aber das nun nicht etwa unter der Voraussetzung, als habe von euch jemand je den Vater gesehen, – sondern eben allein Ich, der Ich vom Vater ausgegangen bin, habe den Vater gesehen zu aller Zeit. (Joh.6,46) Darum sage Ich euch trotz eures Murrens: Wahrlich, wahrlich, wer an Mich glaubt, der hat schon in sich das ewige Leben (also Meine volle Erweckung am jüngsten Tage)! (Joh.6,47) Und Ich Selbst bin vollwahr das Brot des Lebens! (Joh.6,48) 15. Eure Väter haben wohl Manna in der Wüste (sinnliches Fleischleben) gegessen, aber sie sind gestorben, ihrer gar viele auch in ihren Seelen. (Joh.6,49) Dies Brot aber, das Ich in Mir Selbst vorstelle, und das wahrhaft vom Himmel alles Seins und Lebens gekommen ist, wirket, daß jeder, der davon isset (die Lehre gläubig annimmt und danach tut), nimmerdar sterbe. (Joh.6,50) 16. Wahrlich! Ich bin als das lebendige Brot vom Himmel gekommen! Wer von diesem Brote essen (die Lehre werktätig annehmen) wird, der wird fortan leben in Ewigkeit! Und sehet, das Brot, das Ich geben werde, ist Mein Fleisch, das Ich geben werde für das Menschenleben dieser Welt!“ (Joh.6,51) (Darunter ist zu verstehen die äußere, materielle Umhülsung Meines Wortes, innerhalb dessen sich das lebendige, geistige Wort befindet wie der lebendige Keim in seiner toten Umhülsung.) 17. Das war nun für die von einem geistigen Sinne nicht den geringsten Begriff habenden Juden zu viel, und sie fingen an, förmlich zu zanken unter sich. 18. Ein Teil sagte: „Lassen wir ihn doch reden, und am Ende werden wir schon sehen, was da noch alles herauskommen wird!“ 19. Die weniger Gemäßigten aber sagten: „Ei was, das sieht und merkt man nun ja auf den ersten Blick, daß der Mensch von Sinnen ist! Früher war er doch noch ein Brot aus den Himmeln, das wir essen sollen, um das ewige Leben zu erlangen; jetzt verlangt er gar, daß man sein Fleisch essen solle! Narrheit! Wie kann dieser uns sein Fleisch zu essen geben? (Joh.6,52) Und wie viele würden sich an seinem Fleische wohl ins ewige Leben hinein sättigen können?! Wenn das die Bedingung zur Erlangung des ewigen Seelenlebens ist, da werden blutwenige dasselbe erlangen!“ 20. Sagte Ich: „Ihr möget streiten und zanken, wie ihr wollet, und es ist dennoch also, wie Ich es euch gesagt habe. Und Ich sage euch nun noch bei weitem mehreres: Werdet ihr nicht essen das Fleisch des Menschensohnes und trinken Sein Blut, so habt ihr kein Leben in euch!“ (Joh.6,53) (Was das Fleisch bedeutet, ist bereits gezeigt worden; das Blut als das eigentlich physische Lebensfluidum, das dem Leibe das Leben gibt, ihn erhält, ernährt und ihm den fortpflanzenden Lebenskeim gibt, ist das eigentliche, innere Lebensgeistige im äußeren Buchstabenworte.) 21. Jetzt war es bei einigen Juden noch mehr aus. 22. Einige fingen ordentlich an zu lachen, die Gemäßigteren aber sagten: „So lasset ihn doch ausreden! Wer weiß, was da am Ende noch alles herauskommen wird! Wir wissen es ja, daß er sonst oft gar recht weise geredet hat.“ Und sie wandten sich an Mich und sagten: „Lieber Meister, wir ersuchen dich, daß du vernünftig redest!“ 23. Sagte Ich: „Wie kann Ich das wohl?! Ich rede nun als das, als was ihr Mich erkanntet am Berge; Ich rede denn vor euch als ein großer Prophet! Zeiget Mir aber einen Propheten, der je auf eine andere Weise zum Volke geredet hätte! Und Ich sage euch darum noch einmal: Wer Mein Fleisch isset und trinkt Mein Blut, der hat das ewige Leben, und Ich werde ihn auferwecken am jüngsten Tage. (Joh.6,54) Denn Mein Fleisch ist die rechte Speise, und Mein Blut ist der vollrechte, belebende Trank. (Joh.6,55) 24. Noch sage Ich euch zu dem allem hinzu: Wer da Mein Fleisch ißt und Mein Blut trinkt, der bleibt in Mir und Ich in ihm. (Joh.6,56) Wie Mich aber wahrhaft gesandt hat der ewig lebendige Vater und Ich derzeit hier lebe um des Vaters willen, desgleichen wird also auch derjenige, der Mich ißt, leben um Meinetwillen. (Joh.6,57) Und eben dies ist dasjenige Brot, das vom Himmel, wie schon früher gesagt, gekommen ist, das nicht die Eigenschaft hat wie das Manna in der Wüste, das eure Väter gegessen haben und gestorben sind, wie Ich schon früher gezeigt habe, sondern wer dieses Brot essen wird, der wird leben in Ewigkeit.“ (Joh.6,58) Kapitel 45 Großes Evangelium Johannes, Buch 6 45. — Urteile des Volkes über die Rede des Herrn (Ev. Joh. 6,59-64) 1. Da Ich solches geredet in einer Schule zu Kapernaum (Joh.6,59), so waren natürlich nebst Meinen nun vielen Jüngern und nebst der großen Menge Mir von Jerusalem gefolgten Volkes auch noch eine Menge Juden zugegen, und so machte diese auch von Meinen ersten Jüngern nicht verstandene Lehre vieles und wunderliches Aufsehen und gab zu vielen Disputationen Anlaß. 2. Einige sagten: „Er kann da seines Leibes Fleisch und Blut nicht gemeint haben.“ 3. Andere wieder sagten: „Ja, was anderes sollen wir denn darunter verstehen? Wenn er ein Weiser ist und das Volk belehren will – in einer öffentlichen Schule auch noch dazu –, so rede er zu den Menschen also, daß sie ihn verstehen können; denn wir Menschen sind nun einmal Menschen und keine Geister, und ein rechter Weiser muß das wohl wissen und klar einsehen, mit welchen Zuhörern er zu tun hat. Aber das war ja eine derart unsinnig harte Lehre, die wahrlich kein menschlich vernünftiger Mann anhören kann! (Joh.6,60) Uns hat es nur gewundert, wie ihn viele so lange haben anhören können. Hätte er diese Lehre in der indischen Zunge vorgetragen, so hätten wir den gleichen Nutzen davon gehabt!“ 4. Sagten wieder die Gemäßigteren: „Das ist vorderhand wohl wahr, aber wir sind denn doch der Meinung, daß dahinter ganz etwas anderes steckt, und daß er vielleicht nur geflissentlich also geredet hat, um unsere Seelen in ein regeres und tieferes Denken zu nötigen, – und so wir ihn um eine nähere Aufklärung dessen bäten, vielleicht gäbe er sie uns?!“ 5. Sagten die andern: „Haben wir das etwa nicht getan?! Als er uns näher hätte erklären sollen, wie er denn, als ein wahres Brot vom Himmel herkommend, zu verstehen sei, da kam er dann gar auf sein eigenes Fleisch und Blut, das man essen und trinken solle, um das ewige Leben zu bekommen! Das sind entweder geflissentlich so artig gegebene Rätsellehren, die kein Mensch je verstehen soll, oder der sonst gute Mensch hat sich mit uns auch einmal einen Scherz erlaubt. Sei ihm nun aber, wie ihm wolle, so kann eines wie das andere für uns keinen Wert haben! Wer aber so gesunder Vernunft ist wie wir, der folge uns und gehe seine Wege!“ 6. Darauf gingen viele aus der Schule, und es blieben nur noch die vielen Jünger, wie natürlich auch die zwölf erwählten Apostel; denn diese harrten noch auf eine nähere Erklärung. Aber unter sich murrten auch diese und sagten: „Es ist doch sonderbar mit Ihm! Heute hätte Er mit einer klaren und der Menschenvernunft angemessenen Lehre Tausende zu festen Anhängern Seiner Lehre machen können; so aber hat Er Sich auf langehin geschadet! Denn wer wird Ihn von nun an noch länger anhören und ertragen können?!“ 7. Auch die Judgriechen sagten unter sich: „Das ist ein gewaltiger Sprung und Unterschied zwischen den Lehren in Bethania und nun dieser hier! Die Juden, die nun fortgegangen sind, haben die Sache, wie sie nun steht, ganz richtig beurteilt. Aber vielleicht wird Er Sich später einmal darüber doch noch klarer ausdrücken, – und jetzt sind die alle weg, die Ihn am Berge zu einem Könige haben machen wollen, und so wird Ihn jetzt weniger mehr etwas behindern, mit uns ein offenes Wort zu reden.“ 8. Da Ich aber das bei Mir wohl merkte, daß sich darob auch viele Jünger ärgerten und untereinander murrten, so sagte Ich zu ihnen: „Wie mag denn euch das ärgern?! (Joh.6,61) Sagte Ich denn nicht zu einem Meiner Jünger, daß diese Menschen noch lange nicht reif sind zur inneren Aufnahme des Reiches Gottes?! Ich aber habe nun allen einen guten Stoß versetzt, der sie nun viel beschäftigen und sie reifer machen wird für die Folge. Denn Ich muß Mir die Menschen ja erst zurichten, damit sie in der Folge die tieferen Geheimnisse des Reiches Gottes desto leichter sollen zu fassen imstande sein. Ich frage euch nun nur, was ihr denn dann dazu sagen werdet, so ihr Mich als den nun vor euch seienden Menschensohn wieder dahin auffahren sehen werdet, wo Er von Ewigkeit zuvor war?“ (Joh.6,62) 9. Sagten die Jünger: „Ja, ja, das kann alles sein und wird auch sicher sein; denn dafür sprechen Deine zu wunderbaren Zeichen. Aber daß man zur Gewinnung des ewigen Lebens, Herr und Meister, Dein Fleisch essen und Dein Blut trinken soll, das ist doch selbstverständlich ein Etwas, das nach der Art Deines Vortrages rein unausführbar ist! Uns allen liegt sicher sehr viel daran, dem Tode zu entgehen – und wenn es sich nur allein um das sofortige Seelenleben handelt, weil der Leib ohnehin Erde und Staub ist, der schwerlich je wieder belebt wird –; aber wenn solches nur auf Unkosten Deines Leibesfleisches und -blutes möglich ist, das ohnehin nur für sehr wenige hinreichen würde, so verzichten wir auch auf das ewige Leben der Seele und wollen so als ehrliche Menschen unser Leben für ewig auf dieser Erde beschließen. Verstehst Du aber etwas anderes darunter, so würdest Du wahrlich wohl daran tun, so Du uns darüber ein näheres Lichtlein gäbest. Wenn Du jüngst einmal gar wieder dahin auffahren wirst, von wo Du nach Deiner Aussage gekommen bist, wo und wie wird man denn dann Dein Fleisch und Blut haben können? Also, mit dieser heutigen Lehre ist es ohne eine nähere Beleuchtung offenbar vollkommen nichts!“ 10. Sagte Ich: „Habe Ich denn nicht gesagt, daß für die Tauben schwer zu predigen und für die Blinden schwer zu schreiben ist?! Ist es denn nicht nur der Geist, der lebendig macht, während das Fleisch nichts nütze ist?! Die Worte aber, die Ich zu euch geredet habe, sind Geist und Leben und nicht ein irdisch Fleisch und Blut. (Joh.6,63) 11. Aber Ich sage es euch nun auch ganz offen, daß es mehrere unter euch gibt, die entweder keinen oder nur einen sehr geringen Glauben haben, und es gibt sogar unter Meinen ältesten Jüngern noch welche, die Ich vom Anfange kannte, daß sie wenig Glauben hatten, und einer darunter ist gar ein Geizhals, ein Dieb und ein Verräter!“ (Joh.6,64) Kapitel 46 Großes Evangelium Johannes, Buch 6 46. — Eine Prüfung für die Jünger des Herrn (Ev. Joh. 6,65-70) 1. Das wirkte wie ein Donnerschlag, so daß sich darob viele sehr entsetzten, und etliche sagten: „Herr, warum sagtest Du denn das nicht schon lange früher?! Wahrlich, wir hätten solch einen Unwürdigen unter uns schon lange entdeckt und für immer von uns entfernt, so Du in Deiner großen Geduld schon nicht Selbst an ihn Deine Hände legen wolltest!“ 2. Sagte Ich: „Ich habe es euch schon oft gesagt, daß auf dieser Welt alles seine Zeit und sein Maß hat. Zur Zeit der Ernte aber wird kein kluger Hauswirt das Unkraut mit dem reinen Weizen einsammeln, sondern allein die reinen Weizenähren, und er wird alles Unkraut, das auch wucherisch unter dem Weizen aufwuchs, von seinen Knechten in Bündeln zusammensammeln lassen, um es dann zu verbrennen zum Düngen des Ackers. 3. Ich sagte es euch aber ja eben darum früher schon, daß wahrhaft niemand zu Mir kommen kann, außer es ist ihm solches gegeben vom Vater (Joh.6,65), welcher ist die Liebe und das Leben und die Wahrheit in Sich also, wie Ich es bin vom Vater aus und also im gleichen auch von Mir aus, da Ich im Vater und der Vater in Mir ist. 4. Glaube ja niemand von euch, daß jemand darum schon wahrhaft bei Mir ist, weil er mit Mir nun umherzieht, Meine Worte hört und Meine Zeichen bewundert, – sondern nur allein der ist wahrhaft bei Mir, den eine innere, ganz reine Liebe zu Mir zieht, und der ohne alles Bedenken das vollauf glaubt, was Ich lehre, und daß Ich als nun zeitweiliger Menschensohn vom Vater ausgegangen bin und im Geiste eins bin mit Ihm.“ 5. Da sagten die Jünger, bis auf die Judgriechen inbegriffen und bis auf die Zwölfe: „Ja, wenn so, da nützt uns unser Umherziehen mit Ihm so wie so nichts! Das Harte und Unglaubliche verstehen wir nicht – und können es darum auch nicht glauben. Ihn vollauf ganz rein lieben ist auch so eine Sache, da Er Sich gegen uns nun fürwahr auf eine Art benimmt, die uns wenig Neigung für Ihn einflößen kann. Daher ziehen wir uns nur fein wieder zu unserem Moses zurück; denn der ist uns klarer und verständlicher. Gott lieben aber heißt ohnehin nur, Seine Gebote halten, und so hoffen wir, dereinst auch ohne den Glauben an diese rätselhaften Lehren selig zu werden.“ 6. Darauf gingen dann viele hinter sich und wandelten hinfort nicht mehr mit Mir, obwohl sie später viel über solche Meine Worte nachdachten. (Joh.6,66) Da Ich aber zu niemandem der Fortgehenden ein Wort sagte, daß er etwa bleiben und Geduld haben solle, so fingen auch die Gebliebenen an, ganz betrübte Gesichter zu machen, und wußten nicht, wie sie daran waren, – ob auch sie gehen oder bleiben sollten. 7. Da sagte Ich zu ihnen in einem freundlich-fragenden Tone: „Wollt denn auch ihr nun weggehen? (Joh.6,67) Ihr seid von Mir aus ebenso frei wie ein jeder Mensch auf dieser Erde.“ 8. Da sagte zu Mir Simon Petrus: „Herr, wohin sollen wir nun gehen? Du allein nur hast ja Worte des Lebens, wenn wir sie auch nicht sogleich in aller ihrer Tiefe zu fassen imstande sind. (Joh.6,68) Zur rechten Zeit wirst Du sie uns schon wieder näher beleuchten, wenn wir Deines höheren Lichtes würdiger sein werden denn jetzt. Und dazu haben wir ja gleich anfangs geglaubt und erkannt, daß Du Christus und der lebendige Sohn Gottes bist, und da können wir dich, o Herr, ja unmöglich mehr verlassen! (Joh.6,69) Herr, verstoße nur Du uns nicht, und habe Geduld mit unseren noch immer großen Schwächen!“ 9. Sagte Ich: „Also ist es gut und recht, und also bleibe es auch! Aber da wir noch hier in dieser offenen Musterschule zu Kapernaum weilen, so kann Ich nicht umhin, euch noch etwas zu entdecken. Ihr wisset, wie Ich vorigen Jahres in dieser Gegend aus den vielen Jüngern euch Zwölfe erwählt habe, – und sehet, dennoch ist unter euch einer ein Teufel!“ (Joh.6,70) Kapitel 47 Großes Evangelium Johannes, Buch 6 47. — Judas Ischariot (Ev. Joh. 6,71) 1. Ich aber meinte hier offenbar den Judas Ischariot, da Ich schon von Anfang an gar wohl erkannte, wessen Geistes Kind er war. (Joh.6,71) Aber er hatte dennoch vielen Eifer, war vollauf tätig und konnte gut reden und die Lehre vortragen, und so wurde er denn auch der guten und nicht der schlechten Sache wegen von Mir zu einem Vorsendling mit den andern elfen erwählt. Da er aber als solcher durch seinen ernsten Eifer und durch seine Beredsamkeit mehr ausrichtete in derselben Zeit denn die andern elfe zusammen, so fing er denn auch an, sich viel darauf einzubilden. 2. Als aber dann seinem Hochmute durch manches begegnet wurde, da nagte in ihm immer mehr und mehr ein geheimer Groll, und er wurde darum von Tag zu Tag verschlossener und hatte ein scharfes Auge auf die andern elf Jünger, um bei ihnen einmal etwas zu erspähen, um sie dann vor Mir zur Rede zu stellen. Da aber so etwas nicht vorkam, das ihm zur Kühlung seines Grolles hätte dienen können, so ward er im geheimen stets bitterer und sah sich stets emsiger nach einer Gelegenheit um, seine Brüder irgendeinmal in eine Verlegenheit zu bringen; um ein passendes Mittel nur sann er oftmals bei sich. 3. Er war ein geiziger und geldsüchtiger Mensch, der selbst oft mit aller Beredsamkeit den Besitz des Geldes für etwas höchst Notwendiges fürs irdische Leben darstellte, weil die Weltbeherrscher es eben zur Erleichterung des sonst mühsamen Tauschverkehrs eingeführt hätten. 4. Er sagte auch einmal zum weisen Nathanael, mit dem er noch am meisten sich besprach: daß Ich zum irdischen Leben nun offenbar keines Geldes bedürfe, das sei ganz klar und rein einzusehen; denn mit der göttlichen Allmachtspotenz ausgerüstet, könne man allenthalben ohne Geld durchkommen. Aber Menschen ohne diese Potenz und ohne das Glück zu haben, Meine Jünger zu sein, müßten zum irdischen Lebensunterhalte so gut und notwendig Geld haben wie der Kaiser selbst, um damit zu bezahlen seine Soldaten und andere Staatsdiener. 5. Nathanael bewies ihm zwar immer, daß das Geld dennoch ein großes Übel unter den Menschen sei, obwohl es wie jedes irdische Gut in der Hand eines Gerechten auch zu vielem Guten der Grund sein könne. Aber das Üble werde es stets bei sich behalten, daß es die Gier der Menschen danach sehr erwecken und zumeist die Ursache sein werde von Lastern und Freveln aller Art im Kleinen wie im Großen. 6. Das ließ zwar unser Judas Ischariot wohl gelten, erklärte aber das Geld dennoch also für ein notwendiges Übel, wie auch der Leib für die Seele ein notwendiges Übel sei. Wenn aber die Seele den Leib weise benütze, so sei der Leib für sie auch ein Tempel des Heils, durch den allein sie zum ewigen Leben gelangen und die wahre Kindschaft Gottes erreichen könne. 7. So wußte er durch seine Beredsamkeit überall einen sogenannten Rechtshaken zu finden, und es war schwer, mit ihm zu rechten. Aber er brachte es mit seinen Rechtssophismen (spitzfindige Scheibenweise) so weit, daß er gleich den Spartanern und Kretensern sogar den Diebstahl als eine im Notfalle gerechte Sache darstellte und den Moses der Schwachsinnigkeit beschuldigte, daß er jeden Diebstahl als eine bare Sünde darstellte. Er bedachte aber nicht, daß selbst der erlaubte, selbst notfälligste Diebstahl mit der Zeit die Menschen zur größten Trägheit verleitet und niemand mehr etwas gearbeitet und gespart hätte, wenn er gewußt hätte, daß, so er irgendeinen Vorrat hätte, solcher bald verraten und ihm von den Notleidenden alsbald abgenommen werden würde. So aber solche Sitte bei den Menschen als erlaubt eingeführt würde, wie sähe es dann mit der Nächstenliebe aus und wie mit einer Erkenntnis Gottes?! 8. Nathanael zeigte dem Judas wohl, daß sich seine Diebstahlsrechtfertigung mit seinen höchst ökonomischen Bestrebungen nicht vertrage und der erlaubte Diebstahl jede noch so gerechte Sparsamkeit zunichte mache. Aber da war er schon wieder mit seiner Versteckklugheit da, und so war mit ihm nichts zu machen. Nur wenn Ich ihm einen Verweis gab, da ließ er dann auf eine Zeitlang von seinen Ideen ab und überließ sich geheim besseren Betrachtungen. Darum gab Ich ihm in der Schule auch noch diesen Stoß, den er wohl bei sich verstand, obwohl die andern Jünger nur mutmaßten, aber dennoch nicht bestimmt mit den Fingern auf ihn zeigen mochten, weil Ich das eben auch nicht wollte, obwohl Ich wußte, was er alles noch tun werde; denn zu seinem Falle mußte auch sein Maß voll werden, und er mußte sich am Ende selbst in sich lebendig überzeugen, daß alle seine irdischen Handlungstendenzen zum abschreckenden Beispiele für alle Menschen grundböse waren, ansonst für seine Seele auch jenseits keine Besserung möglich gewesen wäre. 9. Das ist nun als das Charakteristische dieses Jüngers darum wiedergegeben, um den Grund mehr einzusehen, warum Ich ihn diesmal einen Teufel nannte; denn ihm war es auch am meisten geheim nicht recht, daß Ich in der Schule eine solche Rede hielt, an der sich so viele ärgerten und darum von Mir sich entfernten; denn er hatte mit ihnen schon allerlei Spekulationen geheim bei sich beschlossen und ärgerte sich darum auch geheim am meisten. Ja er machte sogar geheim dem Nathanael die Bemerkung, daß Ich im Hause des Petrus über das Übel der Ärgernisse Mich sehr scharf ausgesprochen hätte, nun Selbst aber Tausende bis zum Grünwerden ärgere, und wie solches hernach mit Meiner Lehre zusammenhinge. 10. Nathanael sagte freilich, daß Ich damals hauptsächlich nur von dem bösen Ärgernis der kleinen Kinder geredet hätte. 11. Aber unser Sophist wußte auch da etwas zu entgegnen, und als Ich etwa um die vierte Stunde des Nachmittags mit den Jüngern die Schule verließ und wieder in unsere gute Herberge zog, da ging Judas Ischariot nicht mit, sondern verlief sich in die Stadt zu einigen Bekannten, wo viel über Meine unverstandene Rede geredet wurde. Aber da zeigte er sich wieder als Mein Jünger und als ein guter Redner und machte ihnen durch allerlei rednerische Kniffe Meine Rede erträglicher, wennschon nicht im rechten Lichte. Wir sahen ihn bei sieben Tage lang nicht, welche Zeit wir uns in und um Kapernaum aufhielten. Aber dann kam er wieder zu uns. Kapitel 48 Großes Evangelium Johannes, Buch 6 48. — In der Herberge des Wirtes von Kapernaum 1. Wir aber, als wir aus der Schule in unserer Herberge ankamen, fanden schon einen bestbestellten Tisch mit Wein, Brot und Fischen, und der Wirt hatte eine große Freude, Mich und Meine nun bedeutend wenigeren Jünger bei sich zu Gästen zu haben. 2. Erst als wir alle schon vollauf gegessen und getrunken hatten, fragte uns der Wirt, sagend: „Herr, diesmal scheint Deine geheimnisvolle Lehre den vielen einheimischen und fremden Zuhörern in der großen, offenen Schule nicht recht gemundet zu haben; denn sie gingen alle ärgerlich hinaus und davon. Einige schimpften mehr, die andern weniger, und die Fremden und auch viele, die gestern noch als Jünger bei Dir waren, sagten, Du habest allda nur geflissentlich also geredet, um sie auf eine feine Art loszuwerden, was von Dir nicht schön gewesen sei, da sie sich schon selbst mit ihren Geldmitteln verköstigt hätten. 3. Bei mir waren mehrere, die sich darob sehr aufhielten und auch sagten, daß sie auf Dich die größte Hoffnung gesetzt hätten sie seien aber nun auf eine sehr unangenehme Art enttäuscht worden, und sie sagten auch, daß Du auf diese Art trotz Deiner höchst wunderbaren Zeichen bei den Menschen mit solcher Deiner Lehre sehr wenig Eingang finden würdest. Ich ließ sie reden und sagte gar nichts dazu. Sie bezahlten dann ihre Zeche, bestiegen ihre Schiffe und fuhren ab. 4. Mir aber war das ganz angenehm zu vernehmen, daß diese großsprechenden Weisen durch Dich, o Herr, einmal mit ihrem Verstande so ganz zu kurz gekommen sind. Denn schon gestern in der Nacht, als Du nach dem eingenommenen Mahle Dich zur Ruhe begeben hattest, wurde über Deine Brotvermehrung und wegen Deiner etwa wunderbaren Hierherkunft übers Meer viel pro und contra gewortwechselt. Der eine machte sich mit seiner Weisheit so und der andere so breit. Aber ich dachte mir: ,Na wartet nur, ihr weisen Juden! Der Herr wird zur rechten Zeit eurer Weisheit sicher eine Schranke setzen, über die euer gar so heller Verstand sicher nicht springen wird!‘ Und heute ist mein geheimer Wunsch schon in die vollste Erfüllung gegangen! 5. Ich war wohl auch selbst in der Schule und habe den Hauptteil Deiner Rede gar wohl vernommen; aber ich fand gar nichts darin, was mich nur im geringsten hätte befremden können. Denn daß Du, obwohl jetzt in voller Menschenform, der Herr bist über Himmel und Erde und über alle Geister- und Sinnenwelt, das war mir schon längst klar. Wer außer Dir kann schaffen für alle Menschen und Tiere das Nährbrot, und wer außer Dir gibt den Geistern wie nun auch unseren Seelen das ewige Leben, ihre Liebe und ihre Weisheit, was ich für das wahre und lebendige Brot, aus den Himmeln kommend, ansehe?! Ich habe das noch einigen Besseren in der Weise klarer machen wollen; aber ihr dummer und sehr aufgeblähter Verstand begriff es dennoch nicht. 6. Desgleichen tat ich auch, als Du gar handgreiflich von Deinem Fleische und Blute zu reden begannst, weil sie mich fragten, wie ich denn das verstünde. Nun sagte ich: ,Das ist ja noch klarer als das Frühere und erklärt und bestätigt meine frühere Ansicht! Irdisch genommen, ist die Erde nicht gewisserart ein wahrer Gottesleib und all das befruchtende Gewässer sein Blut?! Wo kommt denn alles irdische Nährbrot sonst etwa noch her? Und ist in geistiger Beziehung Gottes Liebe zu uns unwürdigen Menschen etwa nicht ein wahrster Erdboden für uns, der uns leiblich und geistig trägt, duldet und nährt, und ist die Gabe der Vernunft und des Verstandes und nun Seine Lehre dazu nicht etwa das wahrste und lebendigste Blut Gottes, das unsere nach Weisheit dürstenden Seelen erquicket, stärkt und wahrhaft lebendig macht?!‘ 7. Da sagten etliche: ,Ja, das ist alles recht schön gesagt; aber warum schickt denn er selbst keine solche Erklärung seiner Rede nach?‘ 8. Da sagte ich: ,Er wird schon Seinen guten Grund haben! Wahrscheinlich wird Er also denken: ,Wer an Mich wahrhaft glaubt, der wird Mich auch verstehen; wer aber bei den vielen Zeichen und bei der Weisheit Meiner Lehren noch nicht glaubt, daß Ich der Herr Jehova Zebaoth bin, der soll wieder in seine Welt zurückgehen und soll gleich den dummen Schweinen im Kote der Erde herumwühlen!‘‘ 9. Da wurden sie toll und gingen. – Herr, habe ich dadurch doch etwa nicht unrecht gehandelt?“ 10. Sagte Ich: „Oh, mitnichten! Denn fürs erste hast du Meine Worte ganz vom Grunde aus gut verstanden und hast sie den Blinden auch ganz gut erklärt, und fürs zweite war deine Schlußbemerkung ganz am rechten Flecke! Denn es sind derartige Menschen wahrlich mit den Schweinen zu vergleichen, die, je heller und wärmer die wahre Sonne der Himmel zu scheinen beginnt, desto gieriger und eifriger zu den schmutzigsten Schlammpfützen der Welt rennen und sich ganz vollglücklich fühlen, so sie in ihrem alten Kote herumwühlen können. Sagte Ich ihnen am Ende doch klar heraus, daß das Fleisch und das Blut, das sie meinen, nichts nütze sei, und daß Meine Worte Geist und Leben sind! Aber die Ochsen und Schweine faßten es dennoch nicht, und deshalb war deine Schlußbemerkung ganz am rechten Flecke, und Ich bleibe darum nun mehrere Tage bei dir. 11. Aber nun bringe noch Wein; denn wir wollen heute und die anderen Tage recht heiter sein! Ich habe nun eine rechte Freude an dir; denn du hast Mich besser verstanden als irgendeiner Meiner Jünger. Gen Abend hin wollen wir fischen gehen, damit dir ein Vorrat werde für dich und für uns. In der Stadt aber machet Mich nicht ruchbar; denn da hätten wir wenig Ruhe. – Und nun bringe uns Wein und Brot!“ Kapitel 49 Großes Evangelium Johannes, Buch 6 49. — Des Herrn Duldsamkeit gegen Judas Ischariot 1. Wir tranken nun den Wein und aßen das Brot dazu; denn wir waren unser bei zweiunddreißig Personen und hatten so noch eine Nachstärkung vonnöten. 2. Während wir also noch den Nachtisch fröhlich hielten, sagte einer der Judgriechen: „Herr und Meister! Dieser unser äußerst freundlicher Wirt wäre ja sehr tauglich, die Stelle des Dich stets ärgernden Jüngers einzunehmen und dem andern, so er auch wieder käme, das römische CONSILIUM ABEUNDI (den Rat, abzugeben) zu erteilen. Denn soviel wir gemerkt haben, so geht er noch ärger aufs Geld denn jeder Templer, und all sein Sinnen ist Welt- und Wohlleben. Nebstdem besitzt er noch eine sehr üble Leidenschaft, und diese besteht im leeren Großtun und Lügen, und mit solch einem Jünger ist Dir und der Menschheit wenig gedient. Dieser Wirt aber ist wahrlich mit einem eigens hellen Geiste begabt und versteht selbst Deine geheimsten Reden wahrlich besser denn Deine alten Jünger; daher wäre er ja ein ganz vortrefflicher Stellvertreter für den Abwesenden.“ 3. Sagte Ich: „Ich werde Mich nun von jetzt an bis zum Laubrüstfeste in Galiläa aufhalten und werde selbst dann Mich noch sehr überlegend verhalten, ob Ich nach Jerusalem zum Feste ziehen werde, und da haben wir Zeit zur Genüge, in der uns unser Wirt Matthias (Mai oder Moi diaz = ,mein Arbeiter‘, auch ,mein Knecht‘ oder ,Diener‘) überallhin geleiten kann und auch wird, bei welcher Gelegenheit er noch gar vieles für Ohr und Aug und für Herz und Seele erfahren wird. Dann aber wird er eben für diesen Ort ein ganz guter und tüchtiger Ausbreiter Meiner Lehre werden; denn auch diese Menschen sind Mir gegeben zur Belebung und nicht zum Tode. 4. Was aber den Abwesenden betrifft, so mag er kommen, wenn er will, – kann aber auch ausbleiben, so er will; denn ein jeder Mensch, gut oder böse, verhält sich gegen Mich dem Geiste nach wie gegen die Sonne dem Leibe nach. Will er sich von den Strahlen der Sonne beleuchten und erwärmen lassen, so kann er es tun – ob er ein guter oder ein böser Mensch ist, so wird ihm das nicht verwehrt –; will er es nicht, so wird er von Gott aus dazu auch nicht gezwungen werden, darum es denn auch heißt: ,Gott läßt Seine Sonne scheinen über Gute und Böse.‘ Und sehet, also ist es auch bei Mir in der lebendig-geistigen Hinsicht! Wer Mir folgen will, der kann es tun, und Ich werde ihn nicht von Mir weisen, und sollte er ein noch so großer Sünder sein! Denn Ich bin ja nur der Verlorenen und Seelenkranken wegen in diese Welt gekommen; denn die Gesunden bedürfen des Arztes nicht. 5. Und so mag denn auch der Abwesende mit Mir ziehen, wie er will, gleichwie Ich die Judäer heute nicht von Mir gewiesen habe; weil sie aber von selbst gegangen sind, so habe Ich sie auch nicht aufgehalten und zu bleiben geheißen. Auch habe Ich nicht darum also für sie unverständlich geredet, als hätte Ich sie dadurch von Mir entfernen wollen, sondern Ich redete also, weil Ich, vom Vater aus genötigt, also reden mußte. Sie ärgerten sich aber darob und gingen, und das war ihre und nicht Meine Schuld, – und es war somit auch gut, daß sie gegangen sind. Sie können wiederkommen und bleiben, so sie wollen; wollen sie aber nicht, so wird darum Meine Sendung und Meine Lehre nicht weniger wahr sein, gleichwie auch das Licht und die Wärme der Sonne nicht weniger und schwächer wird irgend aus dem Grunde, so etliche Toren sich nicht von ihr bescheinen und erwärmen lassen wollen. – Verstehet ihr solches?“ 6. Sagten die Judgriechen: „Ja, Herr, das haben wir sehr wohl verstanden! Was Du, o Meister, sprichst und sagst, das hat wahrlich alle Wahrheit, Kraft und Leben! Oh, wenn doch alle Menschen das einsähen!“ 7. Sagte Ich: „Das wird in dieser Welt wohl nie ganz der Fall sein; aber es wird dennoch viele geben, die es einsehen, danach tun und das ewige Leben ernten werden.“ Kapitel 50 Großes Evangelium Johannes, Buch 6 50. — Der reiche Fischzug. Die wohlschmeckenden Edelfische 1. (Der Herr:) „Aber nun wird es an der Zeit sein, daß wir uns zum Fischen fertig und bereit machen; denn nun ist eben die beste Zeit dazu.“ 2. Sagte der Wirt: „Weil Du, o Herr, es sagst, darum wird nun wohl die beste Zeit sein; aber sonst nach unserer Fischerregel wäre jetzt eigentlich die ungünstigste Zeit, weil die Fische nun gleich mit der Sonne untergehen und sonach auf der Oberfläche nicht viele Fische mehr vorhanden sind.“ 3. Sagte Ich: „Eben darum wollen wir jetzt uns an das Fischen machen, und es soll sich da zeigen, daß wir uns auf das Fischen auch besser verstehen denn die andern Fischer. Am Tage und auf windlosem Meere kann jedermann fischen; aber am Abende und bei sehr unruhigem Meere fischen, kann außer Mir jetzt wohl gar kein Fischer mehr. Und so gehen wir und richten uns unser Fischzeug zu!“ 4. Darauf verließen wir das Zimmer, nahmen das Fischzeug, das in mehreren großen Zugnetzen bestand, machten die Fischerboote los, bestiegen sie und fuhren bei drei Feldweges [griech. Feldweg 192 m] weit vom Ufer. 5. Da sagte Ich: „Nun werfet die Netze aus, spannet sie gut aus, und die Ruderer steuern gemach dem Ufer zu, und am Ufer wird sich zeigen, ob die untergehende Sonne uns zu unserer Arbeit ein Hindernis war!“ 6. Solches geschah nach Meiner Anordnung, und als wir ans Ufer kamen, da waren die Netze so voll von den edelsten Fischen, daß sie beinahe zu reißen anfingen. Als die Fischer anfingen, die Fische aus den Netzen in die Fischbehälter zu klauben, da hatten sie nicht Raum genug, um alle aufzunehmen; beinahe ein gutes Dritteil mußte in den Netzen eingebündelt, also im Wasser zwischen den Booten hängend, verbleiben. 7. „Nein“, sagte der Wirt, „so ein Fang um diese Zeit gehört zu den unerhörtesten Dingen! O Meister, wenn Du mit noch zehnmal soviel Jüngern volle zehn Jahre in meinem Hause wohntest und zehrtest, so könnte ich Dir dadurch nicht vergüten diesen Gewinn, den Du mir heute durch diesen Fischzug bereitet hast! Siehe, mein großes und gut gebautes Haus samt den vielen und zweckmäßigen Wirtschaftsgebäuden und samt allem, was darin ist – auch mit allen Äckern, Wiesen, Waldungen, Hutweiden und Weinbergen –, hat lange nicht den Wert wie diese beinahe zahllos vielen und großen Edelfische, die sonst nur zur Winterszeit selten hie und da gefangen werden. Wenn man da nur etwa im glücklichsten Falle zehn fangen kann, so ist man ohnehin schon ein reicher Mann; denn Fische dieser Gattung werden fürs Stück um hundert Silbergroschen von den Römern und Griechen reißend aufgekauft, eingesalzen und an die Höfe der Könige sicher um dreihundert Silbergroschen verkauft. Wenn es Dir, o Meister, genehm wäre, so würde ich meine Knechte mit einigen Stücken in die Stadt zu den Römern und Griechen senden, und ihr werdet euch überzeugen, mit wieviel Geld beladen sie ehest heimkehren werden!“ 8. Sagte Ich: „Tue das immerhin; aber nur das sage allen deinen Leuten, daß sie Mich nicht ruchbar machen; denn da würden wir in kurzer Zeit alle die großen Römer und Griechen am Halse haben! Aber für unser Abendmahl werde auch mit diesen edelsten Fischen gesorgt, und du selbst mußt wacker mitessen; denn bis jetzt hast du von dem Wohlgeschmacke dieser Art Fische nur reden hören, selbst jedoch nie einen verkostet. Wenn du nun erst selbst einen verkosten wirst, dann wirst du auch erst selbst erfahren, warum man diese Fische so teuer bezahlt. Und nun magst du deine Knechte mit den Fischen schon aussenden; aber sie sollen die aus den Netzen nehmen. Auch für uns sollen die aus den Netzen genommen werden; denen in den Behältern werde Ruhe gegeben!“ 9. Da ging der Wirt, machte die Sache mit den vielen Knechten ab, und bei fünfzig an der Zahl nahm ein jeder zwei Fische, da er einen dritten nicht mehr zu tragen imstande gewesen wäre, und trug sie gemeinschaftlich in die Stadt. Die Knechte begaben sich schnell zu den Römern und Griechen, und als diese der bekannten Edelfische ansichtig wurden, da entstand eine förmliche Verkaufsversteigerung derart, daß ein Fisch von nur 40- 50 Pfund Gewicht um zweihundert Silbergroschen aufgekauft wurde. 10. Es fragten wohl die Römer und Griechen, wie etliche reiche Juden, wie sie denn in dieser für derlei Edelfische ganz ungewöhnlichen Zeit zu ihnen gekommen seien. 11. Aber die Knechte sagten, sie seien durch einen fremden Fischer auf ein Geheimnis gekommen, derlei Fische auch außer der Winterszeit zu bekommen, und die Fische seien die sichersten Zeugen, daß sich das Geheimnis bewähre. Da wurden sie nicht weiter befragt und brachten dem Wirte bald eine große Menge Geld als Erlös für die Fische, so daß er kaum Behälter zur Genüge fand, um all das Geld unterzubringen und zu verwahren. 12. Mittlerweile wurde auch unser Nachtmahl fertig, und wir setzten uns zum großen Tische. 13. Als die Judgriechen der wohl zubereiteten Fische ansichtig wurden, sagten sie: „Von dieser edelsten Gattung haben wir nur einmal einen zu verkosten bekommen, und jetzt liegt eine solche Menge vor uns! Oh, das ist des Guten wahrlich zu viel! O Meister, das ist auch Dein Fleisch und Blut nach der guten Erklärung des Wirtes; denn ohne Dein Wort und ohne Deinen Willen wären wir zu solch einer Mahlzeit wohl nimmer gekommen! Ja, da sieht man es klar, was alles die Liebe, Weisheit und Allmacht Gottes vermag! O wie gar nichts ist doch der Mensch gegen Dich, o Herr und Meister!“ 14. Sagte Ich: „Es ist dem nicht gerade also; denn es ist dies ja eben der Wille des Vaters, daß ein jeder Mensch also vollkommen werden soll, wie Er Selbst im Himmel vollkommen ist. Und die Zeit wird es zeigen, daß Meine wahren Jünger noch Größeres tun werden, als wie Ich nun tue! Aber die Zeit ist jedoch noch nicht da, wird aber nicht gar lange mehr auf sich warten lassen. – Nun aber lassen wir das und essen und trinken nach Lust und Not! 15. Solange die Hochzeitsleute den Bräutigam unter sich haben, sollen sie keine Not leiden; denn sie werden, so der Bräutigam aufgefahren sein wird dahin, von wo Er gekommen ist, der Not noch genug zu erleiden bekommen. Der wahre Bräutigam aber bin Ich, und die an Mich glauben, sind die wahren Bräute und Hochzeitsleute zugleich. Darum nun nur heiteren und fröhlichen Mutes!“ 16. Darauf griffen alle wacker zu und aßen und tranken mit großer Lust und wurden dabei voll guter und heiterer Dinge. 17. Ein Judgrieche sagte beim Genusse des Fisches: „Zu Kis beim Kisjonah haben wir auch Edelfische gegessen, die sehr gut waren; aber sie stehen in gar keinem Vergleiche mit diesen Fischen, und es ist doch hier auch dasselbe Meer und Wasser?!“ 18. Sagte Ich: „Das sicher, – aber nicht derselbe Grund! Diese Art Fische sind selten und kommen natürlich nur in dieser Gegend vor. Aber sie sind zumeist nur im tiefen Grunde zu Hause, wo sie denn auch ihre Nahrung finden, die in einer Art unterseeischer Pflanzen besteht. Die Pflanzen aber kommen nur hier vor, und zwar in einer Strecke von tausend Acker Landes; dann ist der Grund des Meeres weithin taub, und diese Fische kommen dort nicht vor. – Aber nun nur gegessen und getrunken!“ Kapitel 51 Großes Evangelium Johannes, Buch 6 51. — Vom Fasten und Bulle tun. Das Gleichnis vom Pharisäer und Zöllner (Ev. Luk. 18,9-14) 1. Die Fische schmeckten gut und der Wein nicht minder. Ich Selbst aß und trank ganz wacker, so daß es einigen Judgriechen auffiel, wie Ich denn als ein so ganz vom Geiste Gottes durchdrungener Mensch ebensoviel essen und trinken könnte wie irgendein anderer Mensch. 2. Als Ich aber solches wohl merkte, da sagte Ich: „Der Leib braucht das seinige – und der Geist das seinige; wir sind nun aber unseren Gliedern eine rechte Stärkung zu geben schuldig, und dann werden wir des Geistes nicht vergessen. 3. Glaube ja keiner, daß er Gott einen wohlgefälligen Dienst erweist, so er fastet und für seine begangenen Sünden in härenen Kleidern vor aller Welt Augen Buße tut, – sondern nur der ist Gott angenehm, der da dankbar ißt und trinkt, was ihm Gott zukommen ließ, um dadurch seine irdischen Kräfte zur nützlichen Arbeit zu stärken, wodurch er sich und seinem Nächsten viel nützen kann, und so er irgendeine Sünde beging, sie als solche erkennt, bereut, verabscheut, sie nicht mehr begeht und sich also wahrhaft bessert. 4. Freilich gibt es leider gar viele, die da ihre Lebenszeit mit lauter Essen und Trinken zubringen. Sie sorgen nur für ihren Bauch und für ihre Haut. Die Nächstenliebe ist ihnen fremd, und vor dem armen Menschen spucken sie aus und lassen ihn nicht an ihres Hauses Schwelle kommen. Ihr stets voller Bauch läßt sie nie fühlen den Schmerz des Hungers und des Durstes. Das sind die echten Schwelger, Prasser und Vollsäufer, um dadurch ihren Leib stets bereit zu allerlei Geilheit, Unzucht, Hurerei und Ehebrecherei zu halten. Das ist dann Fraß und Völlerei, mit denen niemand je ins Reich Gottes eingehen wird. 5. Im gleichen sind aber auch alle jene Gleisner, die da fasten und in härenen Kleidern Buße wirken und für ihre Sünden ansehnliche Opfer dem Tempel darbringen, damit sie von dem Volke als Gerechtfertigte angesehen und gelobt werden, sie selbst aber dann jeden Menschen über die Achsel ansehen, ihn als einen vermeintlichen Sünder verachten und ihm schon von weitem ausweichen, dieweil sie nicht irgend sahen, wie er gefastet, in härenen Kleidern Buße gewirkt und dem Tempel geopfert hat. 6. Ich aber sage es euch: Derlei Menschen sind ebenfalls ein Greuel vor Gott; denn ihr Herz ist verhärtet, und so ihr Sinn und Verstand. Sie richten ihre Nebenmenschen ohne alle Schonung und Nachsicht, sie kehren vor des Nachbars Tür und bemerken den großen Haufen Unflates vor der eigenen Hausflur nicht. O wahrlich sage Ich euch: Wie diese Tempelheiligen und -gerechten nun ausmessen, geradeso wird ihnen drüben wieder zurückgemessen werden! 7. Ich sage es euch: Wer hier richtet, der wird auch jenseits gerichtet werden; wer aber da niemanden richtet außer sich allein, der wird auch jenseits nicht gerichtet werden sondern sofort aufgenommen werden in Mein Reich! 8. Ich aber will euch hier ein Bild geben, wie die menschliche Selbstrechtfertigung in ihrer Reinheit und vor Gott als allein gültig beschaffen sein soll. Und so höret! (Luk.18,9) 9. Es gingen hinauf in den Tempel zwei Menschen, der eine ein reicher, aber sonst streng nach dem Gesetz lebender Jude, und der andere ein Zöllner. (Luk.18,10) Als der Jude in den Tempel kam, stellte er sich ganz zum Altare hin und sagte laut: ,O Gott, ich danke Dir hier vor Deinem Altare, daß ich nicht also bin wie viele andere! (Luk. 18,11) Denn Du, o Herr Herr, hast mir gegeben den guten und festen Willen und auch alle die anderen irdischen Güter hinzu, durch welche Mittel es mir allein möglich ward, Deine Gebote alle vollkommen zu erfüllen, und wie wohl tut es nun meiner Seele, als vollkommen gerecht an der Neige meiner Tage vor Dir zu stehen!‘ (Luk.18,12) Als er noch eine Menge seiner gerechten und also gesetzlich guten Handlungen Gott also vorgetragen hatte, legte er ein reiches Opfer auf den Altar und ging dann, im höchsten Grade mit sich zufrieden und mit dem besten Gewissen von der Welt, aus dem Tempel und dann nach Hause, wo sich alle seine Hausleute wegen seiner strengen Hauszucht eben nicht sehr auf ihn freuten, da sein reines Gewissen, sein strenger Ordnungssinn und seine gesetzliche Gerechtigkeit an ihnen nichts als lauter Sünden und Fehler entdeckten. 10. Unser sündiger Zöllner aber ging im Tempel reuig in sich, blieb ganz rückwärts stehen, sich nicht getrauend, seine Augen aufzurichten zum Altare, indem er bei sich selbst sagte: ,O Herr, Du allgerechter, allerheiligster und allmächtiger Gott, ich bin ein zu grober Sünder und also gar nicht würdig, meine Augen zu Deinem Heiligtume empor zu richten; sei Du mir aber dennoch gnädig und barmherzig!‘ (Luk.18,13) 11. Nun, was meinet ihr, wer von den zwei Menschen gerechtfertigt aus dem Tempel nach Hause zog?“ 12. Die Judgriechen sahen einer den andern an und wußten nicht so ganz recht, was sie Mir nun für eine Antwort geben sollten; denn gerechter konnte in ihren Augen doch wohl niemand sein als der das Gesetz bis aufs letzte Häkchen erfüllende Jude. Der sündige Zöllner konnte nach ihrer Beurteilung doch nicht als ein mehr Gerechtfertigter den Tempel verlassen denn der erwähnte Jude! 13. Ich aber sagte zu ihnen: „Ihr irret euch in eurem Urteile! Der Jude ging ganz und gar nicht gerechtfertigt aus dem Tempel; denn er belobte sich selbst laut vor allem Volke, zog aller Augen, Ohren, Lob und Bewunderung auf sich und belohnte sich somit selbst. Ist aber solch ein Selbstgefühl nicht auch eine sogar recht böse Art des Hochmutes?! Seine Früchte sind am Ende Haß und Verachtung und eine stete Verfolgung aller, die von ihm nicht als ebenbürtig erkannt und beurteilt werden. Ist so ein Mensch dann wohl ein Gerechtfertigter vor Gott? Oh, mitnichten! Der hat noch sehr weit bis dahin! 14. Aber der Zöllner ist ein Gerechtfertigter vor Gott; denn er ist voll Demut und hält sich für schlechter um vieles denn die anderen Menschen. Er haßt und verachtet niemanden und ist froh, daß man ihn nur nicht noch mehr verachtet und flieht, als es schon ohnehin der Fall ist. – Nun, was saget ihr? Habe Ich recht geurteilt?“ (Luk.18,14) 15. Sagten nun alle: „O Herr, Du ganz allein hast recht in allen Dingen, und wir alle sind finstere und sündige Menschen! Unsere Urteile sind daher nicht anders, als wie da wir selbst sind. Oh, das war ein vollkommen wahrstes Bild; denn wir hatten oft Gelegenheit, solche Rechtfertiger zu beobachten, die sich so rein wie die Sonne darzustellen wußten, und man konnte auch nicht sagen, daß sie im Tempel geheuchelt hätten, indem sie nur zu gewissenhaft alle die Gesetze beachteten. Aber sie waren eben darum dennoch ganz unverdauliche Menschen; denn sie beachteten das Gesetz nicht etwa, weil sie in selbem den Willen und die Ordnung Gottes erkannt hätten, sondern nur, als wäre das Gesetz ihr Werk, und auf daß sie als streng gesetzliche Menschen auf ihre Diener und Hausleute desto ergiebiger einwirken und erfolgreicher derselben Fehler und Untugenden rügen könnten. Da wir viele solche Beobachtungen haben machen können, so sehen wir nun auch um so mehr die vollste Wahrheit Deines aufgestellten Bildes ein und danken Dir, o Herr, für diese allerwahrheitsvollste Belehrung.“ 16. Sagte Ich: „Nun denn, also seid nicht kleinmütig, und esset und trinket, so ihr noch Lust dazu habet! Ich Selbst werde von diesem Fische noch etwas nehmen.“ 17. Darauf nahmen alle noch von dem Fische und ließen sich auch den Wein recht wohl schmecken. Kapitel 52 Großes Evangelium Johannes, Buch 6 52. — Von der Versuchung und den Schwächen. Übe das Denken! 1. Als wir alle zur Genüge gegessen und getrunken hatten, da fragte Mich der Wirt, ob wir uns etwa zur Ruhe begeben wollten, da es schon ziemlich spät in der Nachtzeit geworden sei. 2. Ich aber sagte: „Wen es nach Ruhe gemahnt, der gehe ruhen; Mich aber gemahnt es nicht, und somit werde Ich Mich jetzt auch noch zu keiner Ruhe begeben. Zudem ist es dem Leibe auch durchaus nicht zuträglich, gleich nach einem Mahle sich zur Ruhe zu begeben; daher wollen wir uns noch ein paar Stunden wach erhalten. Aber wen es nach Ruhe gemahnt, der mag sich auch zur Ruhe begeben!“ 3. Sagten alle: „Nein, nein, o Herr, wir wollen mit Dir wachen bis an den Morgen, so Du es wünschest! Denn wir wissen es nur zu bestimmt, daß bei Dir alles eine innerste, unerforschliche Bedeutung hat, und so steckt da auch sicher etwas dahinter, und so bleiben wir wach!“ 4. Sagte Ich: „Ihr habt recht; wachet und sorget, daß niemand von euch in eine Versuchung falle!“ 5. Fragten Mich Meine alten Jünger: „Herr, was sollte uns an Deiner Seite wohl in eine Versuchung zu führen imstande sein?! Denn wir haben an Deiner Seite doch schon so manches erlebt, und es hat uns noch sehr weniges in irgendeine augenblickliche Versuchung geführt.“ 6. Sagte Ich: „Oh, rühmet euch dessen nicht; denn der Versuchung Geist geht umher wie ein hungriger, brüllender Löwe und sucht die Menschen zu verschlingen! Ihr könnet nicht wach genug sein und nicht genug achten auf jeden Zug eines noch so leisen Anregungswindes! Hat solch eine Anregung den Menschen in seinem Gemüte nur um ein Haarbreit auf ihre Seite gebracht, so wird er sich schon eine recht große Willensgewalt antun müssen, um auf seinen früheren Stand zu gelangen. Merket euch das alle wohl; denn solange der Mensch in dieser Welt lebt, denkt, will und handelt, wiegt sein Fleisch schwerer denn seine Seele.“ 7. Sagte Philippus: „Das ist wohl sehr wahr, und ich habe das alles an mir sehr wahrgenommen; aber in diesen meinen vorgerückten Jahren richtet bei mir keine Versuchung mehr etwas aus. Ich habe nur einen Fehler, und der besteht in einer Art von Zeit zu Zeit eintretender Glaubensschwäche, das heißt, ich glaube im Grunde wohl alles, was da kommt aus Deinem Munde, o Herr, – aber wenn dann und wann mein Verstand nicht alles gleich einsieht, so wird da mein Glaube auch schwach, und ich verfalle gleich in allerlei bedenkliche Fragen, auf die von irgendher eine helle Antwort sich in mein Gemüt senkt, und ich fange darauf bald an, in kleine Zweifel zu fallen. Das ist die einzige Versuchung, die mich noch immer dann und wann beschleicht. Du, o Herr, aber könntest mich davon wohl befreien und würdest mich dadurch zum glücklichsten Menschen machen!“ 8. „So Ich dir das täte durch die Mir innewohnende Kraft, da wärest du kein freier Mensch mehr, gerietest in eine große Trägheit und wärest dadurch mit der Übung zur stets höheren Gewinnung der wahren Lebenskraft deiner Seele bald am Ende. 9. Darum trage ein jeder seine Bürde willig und übe sich gleichfort in allen guten Dingen des innern Lebens! Zur rechten Zeit wird dadurch auch sein Lebensmaß voll werden, und er wird dann erst eben über das Brot, das er sich selbst im Schweiße seines Angesichtes erworben hat, eine rechte und unverwüstbare Freude haben. 10. Denke dir einen sehr verweichlichten Menschen, der von der Wiege an gar nie zu irgendeiner Tätigkeit angehalten wurde. Er aß und trank die besten Speisen, lernte zur Not nur allein das Reden und trug außer seinen Kleidern nie irgendeine Last. Wenn so ein Mensch dann eine Last von nur einigen Pfunden irgendeine Strecke weit tragen soll, so wird er das kaum imstande sein, weil er dazu seine physischen Kräfte nie nur im geringsten geübt hat. So er aber dann dennoch anfängt, seine Leibeskräfte durch eine nach und nach steigende Tätigkeit zu üben, so wird er es in einigen Jahren auch dahin bringen, größere Lasten mit Leichtigkeit zu heben und weiterzuschaffen. Würde er aber auch dann zu einer höheren derartigen Leibeskraft gelangt sein, so er gleichfort die anderen Menschen für sich hätte Lasten heben und tragen lassen?! 11. Und siehe, geradeso steht es auch bei dir mit deiner Denkkraft! Du hast sie von deiner Jugend an viel zuwenig geübt, sie auch erst nun in den späteren Jahren ein wenig mehr zu üben angefangen, und es nehme dich darum nicht wunder, wenn du so manches nun nicht so schnell wie mancher andere fassest und begreifest. 12. Ich aber bin ein rechter Lehrer und Führer und trage Meine Jünger nicht über alle noch so schroffen und holperichten Wege und Fußsteige auf den Händen, sondern Ich lasse sie selbst gehen, auf daß sie stark werden, ohne Anstoß fürderhin zu wandeln auf allen noch so knorrigen Wegen. 13. Stellt sich aber jemandem auf irgendeinem Wege ein gar zu großes Hindernis in den Weg, so werde Ich ihm dann schon ein Licht und eine Kraft geben zur sicheren Besiegung auch solch eines großen Hindernisses. Aber vor allem muß ein jeder Mensch selbst so viel tun, als in seinen Kräften liegt; was darüber not tut, wird ihm gegeben werden zur rechten Zeit. – Hast du das nun wohl begriffen?“ 14. Sagte Philippus: „Ja, Herr, das habe ich nun wohl begriffen, und ich werde mir alle erdenkliche Mühe geben, um in meinem Denken und Glauben so stark als nur immer möglich zu werden!“ Kapitel 53 Großes Evangelium Johannes, Buch 6 53. — Die Bestimmung der Geschöpfe 1. Hierauf sagte der Wirt: „Ich kenne in mir selbst auch einen solchen Menschen und weiß nun auch, was ich zu tun habe. Ich will nicht reden von all den Propheten und von dem Hohenliede Salomos, – was alles ich bis jetzt noch sehr wenig oder auch gar nicht verstanden habe; aber das habe ich beim Durchlesen solcher Weisen der Vorzeit wohl oft gedacht, daß sie eben durch ihre mystische Sprache den Menschen sehr im Denken üben und ihn dadurch zu einem stets tieferen In-sich-Gehen ordentlich zwingen, und das finde ich für sehr gut. Ist man dann so recht tief in sich gedrungen, so kommt dann ein Lichtlein ums andere, und man kommt dann über so manches ins klare, was einem früher ein unentwirrbares Rätsel schien. Aber wie gesagt, ich rede hier nicht von der Unverständlichkeit der Schriften der alten Weisen und Seher, sondern von ganz natürlichen Dingen. 2. So zum Beispiel über die wahre Bestimmung irgendeines Geschöpfes auf dieser Erde, und da haben wir gleich unsere Edelfische. Sie sind seltene und sogar sehr lebensmuntere und schöne Tiere des Wassers. Der Mensch erst erfand es, durch seinen Hunger getrieben, sie zu fangen und zu essen. Nun, ist das ihre wahre Bestimmung, von uns Menschen gefangen, getötet und sodann als ordentliche Leckerbissen gegessen zu werden?! Wenn das ihre wahre Bestimmung ist, so weiß ich nicht, was dann damals ihre Bestimmung war, als der Mensch es noch nicht erfunden hatte, die Fische zu fangen, zu töten und dann wohlzubereitet zu essen. 3. Dergleichen Fragen hätte ich zu tausenden, und je mehr ich darüber nachdenke, desto verwirrter werde ich und entferne mich vom Lichte nur stets mehr, anstatt demselben näher zu kommen, und bei eben solchen Nachforschungen und Grübeleien kann ich über die sicher höchst weise Absicht des Schöpfers mit diesen und zahllos vielen anderen Geschöpfen nie so recht ins reine kommen. Es wäre so etwas eigentlich für uns Menschen auch gar nicht nötig; denn die Geschöpfe sind einmal da, und der gute und höchst weise Schöpfer wird es schon wissen, warum Er sie erschaffen hat. 4. Aber der Mensch ist und bleibt ein Denker und kann in sich zu keiner Ruhe mehr gelangen, wenn er einmal so recht gedankenwach geworden ist. Und so geht es mir! Wenn ich auch weiß, daß mir all solch eitles Denken zu gar nichts nützt, so denke ich aber dennoch fort und fort, und dafür möchte ich denn auch von Dir ein wahres Heilmittel bekommen; denn mir wird ein solches Denken nun schon ordentlich lästig, und ich gäbe etwas darum, so ich davon für immer befreit werden könnte.“ 5. Sagte Ich: „Ja, du Mein lieber Freund, da ist dir freilich wohl ein wenig schwer zu helfen; denn da müßte Ich gar lange mit dir reden, um dir von allen den vielen Geschöpfgattungen den wahren Zweck ihres Daseins zu erhellen. Nur im Allgemeinen kann Ich dir so viel sagen, daß alles für den Menschen sichtbar und fühlbar Erschaffene ein gerichtetes Geistiges ist und die Bestimmung hat, durch eine lange Reihe von allerlei Formen endlich in ein freies und selbständiges Leben überzugehen. 6. Die Formen aber beginnen schon vom Steine angefangen durch alle Mineralreiche hindurch übergängig zum Pflanzenreich, durch das gesamte Pflanzenreich wieder übergehend ins Tierreich und durch dieses hindurch bis zum Menschen und sind Aufnahmegefäße vom Leben aus Gott. 7. Jede Form entspricht einer gewissen Intelligenz. Je einfacher jene ist, desto einfacher und geringfügiger ist auch die ihr innewohnende Intelligenz; je ausgebildeter und ausgebreitet zusammengesetzter aber du dann eine Form erschaust, desto mehr Intelligenz wirst du in derselben auch finden. 8. Nimm zum Beispiel einen nackten Regenwurm an, und du wirst aus seinem Tun leicht erkennen, daß seine höchst geringe Lebensintelligenz mit seiner Form ganz im Einklange steht; betrachte dagegen die schon sehr komplizierte Form einer Biene, und du wirst daraus auch die um sehr vieles höhere Intelligenz in der Lebensform dieses Tierchens finden! Und so steigert sich das bis zum Menschen herauf. 9. Da diese Formen aber nur zeitweilige Sammler und Träger eines sich stets mehr befestigenden und intelligenter werdenden Lebens sind, und da dieses im steten Aufsteigen begriffene Leben auch nach dem Maße und Verhältnisse der größeren Vereinigung der früheren, einfacheren Lebensintelligenzen die früheren Formen verläßt, so liegt nach dem wohl wenig daran, was mit der lebensleeren Form, die nichts als eine organisch-mechanische und für den Zweck der ihr innewohnenden Lebensintelligenz wohleingerichtete Hülse war, fürder geschieht. Ob also nun diese Fische von uns Menschen oder von anderen Tieren verzehrt werden, so beirrt das die große Absicht des Schöpfers nicht im geringsten, und der Endzweck des Lebens wird dennoch unvermeidbar erreicht. 10. Daß aber in den lebensleeren Hülsen Nährteile sich befinden, ist bekannt, und es geht durch das wechselseitige Aufzehren der lebensleeren Formen auch das Edlere wieder in ein anderes Leben über, und so siehst du hier auf dieser Erde durch den ganzen, großen Kreis der Geschöpfe einen fortwährenden Kampf und Lebensumtausch bis zum Menschen herauf. 11. Aber selbst des Menschen äußere Form, die da ist sein Leib, hat nur so lange einen Wert, solange sie von der allein lebendigen Seele bewohnt wird. Ist die Seele einmal reif geworden, dann verläßt sie für ewig den Leib, und dieser wird verzehrt. Da ist es dann ganz gleichgültig, von wem oder durch was. Was an ihm noch Substantielles und der Seele Angehöriges ist, das wird der Seele auch wieder gegeben; alles andere geht wieder als Nährstoff in tausend andere geschöpfliche Lebensformen über. Da hast du in aller Kürze eine gründliche Darstellung alles dessen, worüber du dir so viele Gedanken vergeblich gemacht hast. – Verstehst du dieses nun wohl?“ Kapitel 54 Großes Evangelium Johannes, Buch 6 54. — Die Auferstehung des Fleisches 1. Sagte der Wirt: „Ja, ich verstehe es nun wohl so ziemlich, obwohl ich es hier offen gestehen muß, daß mir diese Sache nun etwas ganz Neues und gewisserart Unerhörtes ist. Da ist es dann mit der endlichen Auferstehung des Fleisches nichts, an die doch alle Juden fest glauben und darum die Leichname auf den bestimmten Friedhöfen begraben und des Glaubens sind, daß sie am Jüngsten Tage von den Engeln wieder erweckt und mit ihren Seelen werden vereinigt werden. Das von Dir nun Gelehrte werden die Juden schwer glauben! Ich glaube es wohl, weil Du, o Herr, es uns nun also gesagt und ganz gründlich erklärt hast, – aber wenn mir das jemand anders erklärt hätte, so würde ich ihm schwerlich geglaubt haben; denn das weicht zu gewaltig von dem bestehenden Glauben ab. Und dennoch muß ich nun offen bekennen, daß alles das sich nach den gemachten Erfahrungen nicht anders als nur also verhalten kann. – Was saget denn ihr alten und neuen Jünger dazu?“ 2. Sagte einer der Judgriechen: „Was da uns betrifft, so sind wir ganz deiner Meinung! Wir sehen wohl auch die Wahrheit des Gesagten ein, aber auch die Schwierigkeit, diese ganz neue Lehre den Menschen in dieser Zeit als begreiflich wahr darzustellen.“ 3. Sagte Ich: „Darum habe Ich diese Lehre aber auch nicht gegeben, daß ihr sie den Juden wiedergeben sollet! So ihr jemand anders damit belehren wollet, da könnet ihr das immerhin tun; ob er es aber glaubt oder nicht, so ist das vorderhand ganz einerlei. Nach der Zeit aber werden Meine wahren Bekenner schon ohnehin von Meinem über sie ausgegossenen Geiste in alle Wahrheit und Weisheit geleitet werden. 4. Es ist aber das ja von selbst leicht verständlich, daß der irdische Leib, so er einmal entseelt worden ist, nimmerdar auferstehen und in allen seinen Teilen wieder belebt werden wird; denn wenn solches der Fall wäre, so müßten an dem gewissen Jüngsten Tage auch alle durch das ganze, manchmal recht lange zeitliche Leben von dem Leibe abgelegten Teile, als die Haare, die Nägel, die verlorenen Zähne und alle durch das Waschen weggeschafften groben Hautteile, wie auch die in manchen bitteren Fällen vergossenen Blutstropfen, Schweißtropfen und noch so mancherlei, was der Leib mit der Zeit ablegte, mit erweckt und belebt werden. Nun stellet euch daneben so eine am Jüngsten Tage wiederbelebte Menschengestalt vor, – welch ein lächerlichstes Aussehen müßte sie haben. 5. Der Mensch aber hat zu verschiedenen Zeiten auch einen verschiedenen Leib; so ist zum Beispiel der Leib eines Kindes ein anderer als der eines herangewachsenen Knaben, ein anderer der eines Jünglings, ein anderer der eines Mannes und ein ganz anderer der eines Greises. Nun, bei vollkommener Wiederbelebung der verstorbenen Menschenleiber an einem Jüngsten Tage müßte da ja notwendig gefragt werden, ob alle die von der Kindheit bis ins hohe Greisenalter innegehabten Leibesformen zugleich oder eine nach der andern oder gar nur eine allein wiederbelebt werden soll. 6. Dann erhebt sich da noch eine gar gewichtige Frage, und die besteht darin: Bei den Römern und Griechen, Ägyptern und bei noch vielen anderen Völkern dieser Erde werden die Leichen verbrannt bis zur Asche. Anderorts werden sie ins Meer geworfen und von den Meeresungeheuern verzehrt und dadurch zu Leibesteilen der Meeresungeheuer, und verendet einmal solch ein Ungeheuer, so wird es wieder von andern Tieren des Meeres verzehrt. Was soll am Jüngsten Tage von diesen Leibern erweckt werden? Bei dem Verbrennen ist der größte Leibesteil in Rauch und Dampf aufgelöst worden und hat sich mit der Luft vereint, und bei den ins Meer geworfenen Leibern ist das Fleisch und alles zum Mitbestandteil der Meerestiere geworden und also in eine ganz andere Wesenheit übergegangen. Wer sollte da dann die früher menschlichen Leibesbestandteile von zahllos vielen Tierleibern, vom Wasser, von der Luft, von den Mineralien und den Pflanzen und Würmern heraussuchen und dann wieder zusammenfügen?! 7. Und so sogar das bei Gott nichts Unmögliches wäre, so fragt es sich aber, zu welch einem Nutzen und Frommen so etwas einer freien Seele dienen könnte. Wahrlich, da würde sich jede vom schweren Leibe einmal erlöste Seele sicher im höchsten Grade unglücklich fühlen, wenn sie wieder in einen schweren Leib – und das gleich für ewig – treten müßte! 8. Dazu wäre das auch noch eine Sache, die sich mit der ewigen Ordnung Gottes nie vertragen könnte, indem Gott Selbst ein reinster Geist ist und am Ende die Menschen auch ausschließlich nur die Bestimmung haben, zu gottähnlichen reinen Geistern für ewig zu werden. Wozu sollen ihnen dann die Leiber dienen?! 9. Ja, sie werden auch dort mit Leibern angetan sein, aber nicht mit diesen irdischen, grobmateriellen, sondern mit ganz neuen, geistigen, die da hervorgehen werden aus ihren diesirdischen guten Werken nach Meiner euch nun gegebenen Lehre. 10. Wenn sich diese Sachen also verhalten, wie kann da jemand meinen, daß unter der Auferstehung des Fleisches die einstige Wiederbelebung dieser irdischen Leiber verstanden werde?! Die Auferstehung des Fleisches sind nur die der Seele allein das wahre, ewige Leben gebenden guten Werke, welche die Seele in diesem Fleische den Nebenmenschen hat angedeihen lassen. 11. Wer demnach Meine Lehre hört, an Mich glaubt und danach tut, den werde Ich Selbst auferwecken an seinem jüngsten Tage, der alsogleich nach dem Austritt der Seele aus diesem Leibe erfolgen wird, und zwar also, daß da die Kürze der Umwandlungszeit niemand merken wird; denn in einem schnellsten Augenblick wird die Umwandlung geschehen. 12. Und nun meine Ich, daß ihr alle auch in diesem Stücke ganz im klaren seid. Hat aber jemand noch irgendeinen Anstand oder einen Zweifel, so lasse er ihn vernehmen!“ Kapitel 55 Großes Evangelium Johannes, Buch 6 55. — Von den Krankheiten und vom frühzeitigen Tode 1. Sagte ein Judgrieche: „Herr und Meister, das ist uns allen nun ganz klar; aber dennoch ist eines noch, wovon ich mir keinen ganz rechten Grund erklären kann. Warum müssen denn auch so viele Kinder in der zartesten, noch ganz unentwickelten Jugend dahinsterben, und warum muß dem Leibestode nahe allzeit eine böse Krankheit vorangehen, die den Leib schwächt und tötet? So ein Mensch einmal reif ist, so könnte er als Seele dann ja ganz leicht und schmerzlos aus dem Leibe treten, und die Kinder sollten vor einer bestimmten Reife gar nie und niemals sterben. Es geschieht aber das dennoch in einem fort: Kinder sterben in allen Jahren, und die bösen Krankheiten hören nicht auf und sind eine fortwährende Plage der Menschen. O Herr und Meister, warum muß denn das sein auf dieser Erde?“ 2. Sagte Ich: „Das müßte gar nicht sein und war es auch nicht in der Vorzeit; denn liesest du in einer Chronika von schweren Krankheiten unter jenen Menschen, die Gott ergeben waren und nach Seinen Geboten lebten?! Sie erreichten alle ein hohes Alter, und ihr Sterben war ein sanftes, schmerzloses Einschlafen. Da starb auch kein Kind; denn es ward von ganz gesunden Eltern gezeugt und der gesunden, einfachen Natur gemäß genährt und auferzogen. 3. Als aber später bei den Menschen allerlei Hoffart und mit ihr ein ganzes Heer von tollsten Sünden wider die Gebote Gottes und wider die Gesetze der Natur Eingang fand, da erst kamen aus eigenem Verschulden allerlei böse Krankheiten unter die Menschen. Die also geschwächten Menschen konnten dann auch keine gesunden Kinder mehr erzeugen. Solche schon vom Mutterleibe an verkümmerten Kinder mußten nach und nach auch stets mehr und mehr von allerlei Krankheiten befallen werden und zu sterben anfangen in allen Stadien ihres Alters. 4. Daß nun solches also geschieht, müßt ihr euch nicht denken, als hätte solches Gott aus irgendeiner unerforschlich-geheimen Absicht unter die Menschen verordnet; aber zugelassen hat Er es, damit die Menschen fürs erste durch die Krankheiten vom zu vielen Sündigen abgehalten werden, und fürs zweite, daß sie durch die bitter-schmerzlichen Krankheiten mehr von der Welt abgezogen werden, in sich gehen, ihre Sünden erkennen, sie verabscheuen und so in Geduld und Ergebung in den göttlichen Willen selig werden können. 5. Also ist das auch bei den Kindern der Fall. Was soll aus einem körperlich ganz verkümmerten Kinde auf dieser Erde werden, und besonders bei Eltern, die selbst in allen Sünden geboren worden sind?! Wer wird sie erziehen, und wer wird sie heilen von ihren Übeln?! Ist es da nicht besser, daß sie von dieser Welt zurückgenommen werden und sodann dort im eigens für sie bestehenden Kinderreiche von den Engeln großgezogen werden?! 6. Ich sage es euch: Gott weiß um alles und sorgt auch für alles! Aber da die meisten Menschen in dieser Zeit Gott gar nicht mehr kennen und nichts von Ihm wissen, wie sollen sie dann darum wissen, was Gott tut, und was Er verordnet zu ihrem möglichen Heile?! 7. Würde Gott auf die Sünden der Menschen nicht die entsprechenden Krankheiten zugelassen haben, so ginge mehr denn die halbe Menschheit gänzlich zugrunde, und die Erde würde ganz zur Hölle werden und müßte zerstört und in toten Trümmern im endlosen Weltenraume umherirren, wie dieser sichtbare Sternen- und Weltenraum auch schon ähnliche Beispiele aufzuweisen hat, wovon euch Meine Jünger schon etwas Näheres sagen können. – Und nun frage Ich euch, wie ihr das begriffen und aufgefaßt habt.“ 8. Sagen die Judgriechen: „Ja, Herr und Meister, jetzt ist uns diese Sache auch ganz klar, und wir können uns auch ganz und gar nicht mehr aufhalten, so auch wir schon zu öfteren Malen sehr krank waren und höchstwahrscheinlich am Ende auch durch eine recht arge Krankheit von dieser Welt in die andere befördert werden; denn wir haben unser Leben hindurch auch sehr oft und sehr arg gesündigt! Aber nun möchten wir von Dir nur noch das vernehmen, durch welche Sünden so die meisten und bösesten Krankheiten in diese Welt kommen; denn es muß auch darin Unterschiede geben.“ Kapitel 56 Großes Evangelium Johannes, Buch 6 56. — Die Hauptursachen der Krankheiten 1. Sagte Ich: „Von allen Lastern ist das böseste die Hurerei, die Unzucht und Geilerei aller Art und Gattung. Zu diesem Laster aber werden die Menschen verleitet durch Müßiggang, durch die Hoffart und durch den Hochmut. Denn dem Hochmute ist nichts mehr heilig; er sucht nur alle ihm zu Gebote stehenden Mittel auf, um durch sie seine weltsinnlichen Leidenschaften zu befriedigen. 2. Wenn dann von solch einem Menschen Kinder gezeugt werden, – welch elende und mit wie vielen Krankheiten behaftete Menschen kommen dadurch in diese Welt! – Also, diese Sünde ist eine Hauptquelle, durch die alle die ärgsten Krankheiten in diese Welt kommen. 3. Dann kommen aber auch Fraß und Völlerei, der Zorn und allerlei Ärger, durch welche genannten Laster sich auch allerlei Krankheiten bei den Menschen entwickeln und sie dann auf eine jämmerliche Weise quälen. 4. Sagte Ich nicht zu dem Kranken in Jerusalem, der volle achtunddreißig Jahre am Teiche Bethesda harrte, um geheilt zu werden, als Ich ihn geheilt hatte: ,Gehe hin und sündige nicht mehr, auf daß dir nicht noch etwas Ärgeres widerfahre!‘?! Seine böse Gicht war demnach auch eine Folge seiner früheren, vielen Sünden. Und so ist es beinahe bei den meisten von Mir Geheilten der gleiche Fall gewesen. Wären sie durch ihre vielen Sünden nicht krank geworden, so wäre es auch um ihre Seelen geschehen gewesen. Nur eine recht schwere und bittere Krankheit hat sie nüchtern gemacht und zeigte ihnen, wie die Welt ihre Huldiger lohnt. Sie verloren durch die Krankheit ihre Liebe zur Welt und sehnten sich, von ihr bald erlöst zu werden. Dadurch ward ihre Seele freier, und es kam ihnen dann auch zur rechten Zeit die Heilung ihres Leibes. 5. Neben diesen Hauptursachen, aus denen die meisten Krankheiten bei den ohnehin, von der Geburt her angefangen, geschwächten Menschen entstehen, gibt es wohl noch andere, durch die der schwache Mensch auch sehr arg krank werden kann, – aber Ich sage es eigens noch einmal: Nur dem schon von der Geburt an Geschwächten kann das begegnen! Die Ursachen aber will Ich euch ganz kurz gefaßt zeigen: 6. Einmal steht da im Vordergrunde das Essen schlechter, unreiner und schlecht und nicht frisch zubereiteter Speisen und auch schlechter Getränke, – dann das Essen von allerlei unreifem Obst. Dann haben viele den argen Brauch, sich in einem erhitzten Zustande schnell abzukühlen. Wieder andere setzen sich, ganz unbewußt ihrer angeborenen Schwäche, allerlei Gefahren aus, in denen sie entweder gar zugrunde gehen, oder sie tragen einen lebenslang dauernden Schaden davon. 7. Ja, dafür kann Gott nicht, und das um so weniger, da Er dem Menschen den Verstand, den freien Willen und die besten Lebensgesetze gegeben hat! 8. Gegen die Trägheit des Menschen aber gibt es kein anderes Mittel als eben allerlei zugelassene Übel, die notwendig auf die Nichtbeachtung des göttlichen Willens folgen müssen. Diese wecken des Menschen in ihrem Fleische fest schlafende Seele und zeigen ihr die leidigen Folgen ihrer Trägheit, und sie wird darauf vorsichtiger, klüger, emsiger und gefügiger in den erkannten göttlichen Willen. Und somit haben die verschiedenen Krankheiten, mit denen nun die Menschen behaftet sind, auch ihr entschieden Gutes. 9. Freilich sind sie auch eine Art Gericht, das die Seele zum Guten nötigt; aber es ist der Seele dadurch dennoch der freie Wille nicht gänzlich benommen, und sie kann sich in und nach einer Krankheit noch ganz ordentlich bessern, obschon sie ihre weitere Vollendung erst jenseits einzuholen haben wird. 10. Es gibt aber wohl auch kranke Menschen, die wegen der Sünden ihrer Eltern oder auch Voreltern schon vom Mutterleibe aus krank in diese Welt gekommen sind. Solcher Kranken Seelen sind zumeist von oben her und machen nur eine zeitweilige Fleischprobe auf dieser Erde durch; für diese ist aber jenseits im Reiche der Geister schon ohnehin bestens gesorgt, und jeder, der sie pflegt und sie mit Liebe und Geduld behandelt, den werden sie auch jenseits mit der gleichen Liebe und Geduld in ihre himmlischen Wohnungen aufnehmen. 11. Und damit habe Ich euch nun auch darüber ein volles Licht gegeben; wenn aber der Geist in euch völlig wach werden wird, da wird er euch auch darin in alle Weisheit führen. – Versteht ihr auch dieses nun?“ 12. Sagten alle: „Herr und Meister, wir verstehen das nun vollkommen und danken Dir abermals für dieses große Licht! Denn weil man nun als ein werden sollender Lehrer mit allerlei Kranken zu tun hat, so ist es auch sehr notwendig, ihnen durch solche Vorstellungen Glauben, Mut und alle Geduld einzuflößen, um bei ihnen, so es nötig und möglich wäre, auch eine Linderung ihrer Leiden zu bewirken; denn wer geduldig leidet, der leidet offenbar schon weniger, als wer da mit aller Ungeduld leidet. Und darum nennen wir diese Deine nunmalige Lehre an uns eine gar vortreffliche; denn niemandem ist ein wahrer Trost mehr vonnöten als einem wie immer gestaltig Leidenden, und wir halten das auch für ein ganz besonderes gutes Werk, so man einem leidenden Menschen geistig und leiblich helfend beispringt. – Haben wir recht oder nicht?“ 13. Sagte Ich: „Allerdings; denn nur dem muß die Nächstenliebe unter die Arme greifen, der ihrer bedarf, und diese hat vor Gott einen Wert. Darum sage Ich euch aber noch hinzu: So jemand irgendein Gastmahl gibt und ladet dazu seine reichen Nachbarn und Freunde, so hat er dadurch zwar nicht gesündigt, aber im Himmel wird er darum auch keinen Lohn zu erwarten haben, dieweil ihm solches seine Freunde hier entgelten können. Daher ladet die Armen zu Gaste, und es wird euch das vergolten werden im Himmel; denn die Armen können es euch hier nicht vergelten! 14. So ist es auch mit denen, die ihr vieles Geld gegen Zinsen ausleihen und nach einer bestimmten Zeit das Kapital auch wieder zurückbekommen. Sie begehen dadurch, so sie keinen Wucher treiben, eben auch keine Sünde; aber im Himmel werden sie darum keine Zinsen zu beheben haben, – wohl aber darum, so sie auch den Armen in ihrer Not Geld ohne Zinsen und auch ohne Rückzahlung des Kapitals leihen. Also, den Armen aller Art auf jede mögliche gute Weise helfen, ist das wahre Werk der Nächstenliebe. 15. Für diesen Abend aber wollen wir des Guten genug getan haben, und so wollen wir uns nun zur Ruhe begeben. Der morgige Tag wird schon wieder das seinige geben.“ 16. Auf diese Meine Worte begab sich alles zur Ruhe, und alle dankten Mir nochmals für die gegebenen Lehren. Kapitel 57 Großes Evangelium Johannes, Buch 6 57. — Die Springflut 1. Am Morgen des Nachsabbats aber standen wir früh auf, und Ich ging mit einigen Jüngern ins Freie, wie Ich das gewöhnlich beinahe überall zu tun pflegte. Es war ein heiterer und schöner Frühlingsmorgen, und es war zu verwundern, wie das Meer bei einer nahezu völligen Windstille so hohe Wogen trieb. 2. Der Wirt, der auch bald zu uns kam, fragte Mich, selbst ganz erstaunt, über die Ursache solch einer mächtigen Bewegung des Wassers, da doch nirgends von einem Winde etwas zu merken sei. 3. Ich aber sagte zu ihm: „Glaube es, Mir ist alle Macht gegeben im Himmel und auf Erden, und so geschieht auch hier nun diese starke Wasserbewegung, weil Ich sie also haben will! Ich aber habe einen Grund dazu, von dem du dich später selbst überzeugen wirst.“ 4. Sagte der Wirt, nun noch mehr erstaunt: „Herr, daß Dir alle Kräfte und Mächte der Natur untertan sind, das weiß ich ganz klar und gut; aber daß Du mit dieser Aufregung des Meeres auch einen geheimen Grund verbunden hast, das ist mir neu, zumal in dieser sonst so heiterschönen Morgenstunde. Die Wogen kommen immer mächtiger und höher! Es wird beinahe notwendig werden, daß ich die Schiffe besser verwahre und auch die Fischbehälter, ansonst da wahrlich ein Schaden geschehen kann!“ 5. Sagte Ich: „Laß das nur gut sein; denn es wird weder deinen Schiffen noch deinen Fischen etwas Schadenbringendes begegnen. Aber denen, die in einer argen Absicht nun zu Schiffe auf dem Wasser sind, denen wird es nicht gar behaglich zumute werden. Sie sollen zwar nicht von den Wogen verschlungen werden, aber ihr böser Mut soll sich nach der sehr mühsamen Erreichung eines Ufers sehr abgekühlt gestalten!“ 6. Fragte der Wirt: „Wer wohl sollten die Argen sein, und was haben sie im Sinne?“ 7. Sagte Ich: „Du weißt es, daß Ich voriges Jahr am Laubhüttenfest in Jerusalem war und da im Tempel gelehrt habe von Meiner Sendung das Volk, nachdem Ich zuvor noch den 38 Jahre lang krank gewesenen Menschen am Teiche Bethesda geheilt hatte, und nachher noch eine Menge um Jerusalem und Bethlehem. Viel Volkes ward darum gläubig, was die Templer wohl erfahren haben, wie auch, daß Mir viel Volkes nachgefolgt ist. Deshalb haben sie in ihrem Grimme nun wieder beschlossen, Mir nachzustellen, Mich zu ergreifen und auch sogleich zu töten. Sie stellen alsonach Mir nach dem Leben. Aber Meine Zeit ist noch nicht da, und so bereite Ich ihnen nun ein Hindernis, Mir nachzukommen, Mich zu ergreifen und zu töten. Und darin liegt der Grund dieser nun so großen und starken Wogenbewegung des Meeres. – Kennst du dich nun aus?“ 8. Sagte der Wirt: „O ja, wenn also, da solle das Meer nur noch mehr zu wüten beginnen! Es solle dazu auch ein recht mächtiger Sturmwind sich gesellen, da würden die Argen erst so recht zu verspüren anfangen, wie Gott ihre arge Mühe zu lohnen versteht!“ 9. Sagte Ich: „Oh, ein Sturmwind käme ihnen, da sie ein sturmsicheres Schiff haben, gerade recht gut zustatten; denn der würde sie gar bald an ein sicheres Ufer bringen. Aber diese windlose Springflut bringt sie erst ganz vollkommen zur Verzweiflung; denn sie kommen da sogar mit dem kräftigsten Rudern nicht vom Flecke, weil jede Woge das Schiff wieder auf seinen früheren Standpunkt zurückwirft und es ihnen dabei so ergeht wie einem Wanderer, der über ein Geröll auf die Höhe eines Berges kommen will. Bei jedem Schritte gibt es nach, und der Wanderer gleitet dahin zurück, wo er zuvor gestanden ist. Daher ist diese Art Meeresbewegung für Meine Verfolger schon ohnehin die beste und dienlichste. – Aber lassen wir nun das und gehen nachsehen, was unser Morgenmahl macht!“ 10. Sagte der Wirt: „Herr, es wird schon bereitet sein; aber ich habe den Dienern aufgetragen, uns zu rufen, wenn alles bereitet ist, und sieh, da kommt schon einer vom Hause herab und bringt uns den Ruf, uns zum Morgenmahle zu begeben, und so wollen wir denn auch gehen!“ 11. Sagte Ich: „Du irrst dich, – der bringt uns nur die Nachricht, daß die Jünger sich nach Mir erkundigt hätten und erfahren möchten, wohin Ich gegangen sei. Denn es ist unter ihnen eine kleine Meinungsverschiedenheit ausgebrochen, und da soll Ich sogleich einen Schiedsrichter machen unter ihnen. Aber nun lassen wir sie nur noch ein wenig wortwechseln; es ist hernach noch Zeit zur Genüge, sie alle auf den rechten Weg zu führen.“ 12. Sagte der Wirt: „Über was mögen sie denn doch in eine Meinungsverschiedenheit geraten sein?“ 13. Sagte Ich: „Oh, über etwas ganz Kleines! Die etlichen Meiner alten im Hause gebliebenen Jünger wurden von den zwanzig neuen um die Ursache dieser starken Meeresbewegung befragt, und die alten Jünger sagten, daß diese windlose Meeresbewegung sicher wunderbarerweise allein von Mir veranlaßt sein werde irgendeines geheimen Grundes wegen. Allein das wollen ihnen die neuen Jünger nicht so recht gelten lassen und sagen: ,Wir wissen es wohl, daß alles Geschehen und Werden allein von Gott dem Herrn abhängt; aber dessenungeachtet hat Er in der Natur geheime Kräfte bestellt aus Seiner Ordnung, Gerechtigkeit und Weisheit, die da wirken nach Seinem Willen. Er regt die Kräfte durch Seinen Willen freilich zuerst an; aber da wirken die bestellten Kräfte unmittelbar und Gott durch sie nur mittelbar. Daß alles Schwere in die Tiefe falle, das hat ursprünglich Gott also angeordnet; aber nun treibt die also bestellte Kraft die eigene Körperschwere von selbst in die Tiefe. Also hat Gott ursprünglich das Wasser schwer und flüssig gemacht. Diese von Ihm gegebene Eigenschaft ist nun eben auch die geheime Kraft des Wassers, die es von der Höhe gegen die Tiefe unaufhaltsam fortfließen macht, ohne daß Gott dabei stets Hand ans Werk legen und das Wasser in den Bächen, Flüssen und Strömen fortschieben müßte. Und also wird es nun auch bei dieser windlosen Meeresbewegung sein; nur ist sie eben wegen der gänzlichen Windstille auffallender denn eine durch einen starken und mächtigen Orkan erregte.‘ Sie fragten darum eben die schon um vieles erfahreneren Jünger, durch welch eine geheime Kraft Gott nun diese Meeresbewegung hervorgerufen haben möge. 14. Die alten Jünger aber behaupten steinfest, daß diese Bewegung nicht mittelbar, sondern ganz unmittelbar durch die Macht Meines Willens hervorgerufen sei. Nun aber haben die Neujünger in ihrer Art recht und die Altjünger auch, und dafür brauchen sie Mich als einen entscheidenden Schiedsrichter. Und daher wollen wir uns denn auch zu ihnen begeben und sie einen in Recht und Wahrheit!“ 15. Darauf begaben wir uns sogleich ins Haus, von dem wir ohnehin höchstens bei tausend Schritte entfernt waren. 16. Als wir ins Haus kamen, da begrüßten Mich alle Jünger und trugen Mir sogleich ihren Streit vor. 17. Ich aber sah sie alle freundlich an und sagte: „Ihr streitet um den Wert einer Schafwollocke! Ihr Neujünger habt recht, – aber nun die Altjünger auch; denn im allgemeinen habt ihr Neujünger recht, und nun in diesem besonderen die Altjünger. Denn diese euch nun so ganz sonderbar vorkommende Meeresbewegung rührt nicht von einer Mittelskraft her, sondern unmittelbar von Meinem Willen. 18. Auf daß ihr aber das noch fühlbarer merken möget, so sehet hinaus auf das Meer, das nun in einer durchaus gleich starken Bewegung ist! Ich werde einem kleinen Teile hier in der Ufernähe gebieten, in eine vollkommene Ruhe zu treten, und ihr werdet dann doch einsehen, daß Gottes Wille auch unmittelbar etwas zu bewirken vermag.“ 19. Ich stillte bloß durch den Willen einen zweihundert Acker großen Teil des Meeres also, daß es spiegelglatt dalag, während außerhalb dieses Spiegels das Meer noch ärger tobte denn zuvor. Als die Neujünger das ersahen, fielen sie vor Mir nieder und wollten Mich anzubeten anfangen. 20. Ich aber sagte zu ihnen: „Lasset das nur gleich ganz gut sein! Denn darum bin Ich nicht in diese Welt gekommen, um Mich von den Menschen ehren und anbeten zu lassen, sondern nur, um ihnen zu zeigen die Wege der Wahrheit und des Lebens und zu helfen allen, die da Not leiden und mühselig und mit allerlei argen Bürden beladen sind. 21. Wollt ihr aber Gott, der in Sich ein reinster Geist ist, wahrhaft anbeten, so müsset ihr Ihn durch die Liebe in euren Herzen auch im Geiste und in der Wahrheit anbeten, und zwar in der Tat durch allerlei gute Werke. Denn wahrlich, was ihr den Armen tut aus der Liebe zu Gott, das tut ihr Gott! Und daß ihr an Mich glaubet, daß Ich aus Gott gesandt zu euch gekommen bin, in diesem allein besteht die wahre Anbetung Gottes. Alles leere Lippengebet aber ist ein Greuel vor Gott und ist völlig wertlos. Wer Gott mit den Lippen ehrt, und sein Herz ist dabei kalt und untätig, der macht aus Gott einen Götzen und treibt dadurch eine wahre geistige Hurerei. Solches stehet in einem Propheten, der da spricht: ,Siehe, dieses Volk ehret Mich mit den Lippen; aber sein Herz ist ferne von Mir!‘ 22. Wahrlich, sage Ich euch: Wo das Herz durch die wahre und reine, uneigennützige Liebe Gott in der Tat nicht anbetet, da ist jedes Gebet ein leerer und nichts werter Schall, der in der Luft verhallt und völlig zunichte wird. Ich bin nun euer Meister, und ihr seid Meine Jünger. Was Ich euch sage, das glaubet, und was Ich euch heiße, das tuet, und folget Mir nach! Eines Weiteren bedarf es unter uns nicht.“ 23. Hierauf ließen die Neujünger von ihrer Anbeterei ab, und wir begaben uns zum wohlbereiteten Morgenmahle, das allen ganz wohl schmeckte. Kapitel 58 Großes Evangelium Johannes, Buch 6 58. — Petrus und der reiche Bürger von Kapernaum 1. Unter dem Mahle ward wenig geredet, aber nach dem Mahle desto mehr; denn es kamen bald eine Menge Gäste aus der Stadt, teils um zu besehen das wütende Meer, und teils aber auch, um allda einzunehmen ein gutes Fischfrühstück; denn unser Wirt hatte nämlich in dieser Hinsicht einen guten Ruf in der ganzen Stadt. Es war nicht leicht zu vermeiden, mit diesen Gästen in eine Berührung zu kommen, und so fragten viele, ob Ich nicht auch zugegen wäre; denn sie sahen etliche Meiner ihnen wohlbekannten Jünger und schlossen daraus, daß Ich auch nicht gar zu weit von ihnen entfernt sein würde. 2. Ein gar vornehmer Kapernaumer, der den Simon Petrus gar wohl kannte, rief ihn zu sich und sagte: „Lieber Freund! Du weißt, daß ich stets von dir Fische nahm und dein Haus nach Kräften unterstützt habe; allein es ist jetzt schon über ein Jahr, daß du und mehrere recht brave und solide Leute mit dem Nazaräer Propheten für nichts und wieder nichts umherziehet und euch dadurch eine Menge Feinde unter den Juden zügelt (ziehet). Zugleich vernachlässiget ihr euer Hauswesen und eure Familien, und das kann nach den Gesetzen Mosis doch Gott nicht angenehm sein! Es ist wohl wahr, daß der Nazaräer zuweilen ganz außergewöhnliche Zeichen wirkt und man beinahe versucht wird, ihn für einen von Gott gesalbten Propheten zu halten; aber hört man ihn hernach reden, so weiß man nicht, ob es ihm im Gehirne mangelt, oder ob er nicht geflissentlich einen Unsinn zusammenredet, den kein gesunder Mensch anhören kann, wie zum Beispiel gestern in der Schule. Man war allgemein gespannt, was er da vorbringen werde, da man sonst von seinen wahrlich außerordentlichen Fähigkeiten doch schon so manches selbst erlebt und mehreres von sehr glaubwürdigen Augenzeugen vernommen hatte; allein seine gestrige Rede war doch so etwas Hirnloses, daß sich alles darob weidlichst ärgern mußte! Wahrlich, wenn ihr von ihm nichts Besseres lernet, so seid ihr um euretwillen und noch mehr eurer braven Familien wegen sehr zu bedauern! – Habe ich recht oder nicht?“ 3. Sagte Petrus etwas erregt: „Freund, wenn du über unsern Meister ein gültiges Urteil fällen willst, so mußt du Ihn gleich mir näher kennen! Ich bin nun über ein Jahr stets um Ihn und weiß darum auch um ein bedeutendes mehr, als du irgend wissen kannst. Ich bin auch nicht aufs Gehirn gefallen, kenne die Schrift und kann daher auch so manches ganz gründlich beurteilen; aber ich habe aus Seinem Munde noch nie ein Wort vernommen, in welchem sich nicht die tiefste, göttliche Weisheit sonnenhellst bekundet hätte. Selbst die gestrige Rede war voll des innersten, göttlichen Lebens und Geistes. Daß sie nur von sehr wenigen verstanden wurde, dafür kann Er wahrlich nicht! Wenn Er Sich klar offenbart und endlich ausspricht, wer Er so ganz eigentlich ist, und niemand glaubet es Ihm, wie möglich könnte da von solchem harten Unglauben Seine gestrige Rede verstanden werden?! 4. Da sieh hinaus! Das Meer, wie es unerhört tobt und wütet! Und sieh aber auch diese bedeutende Uferstrecke an, wie spiegelruhig sie ist, und keine mit aller Gewalt an sie stoßende Woge vermag sie aus ihrer Ruhe zu rütteln! Und siehe, daß dieses also ist und geschieht, das ist des Nazaräers Wille! Vor kaum einer halben Stunde waren die Wogenstürme auch hier am Ufer ebenso mächtig wie dort in der hohen See; aber Er gebot dieser Strecke Ruhe, und sie ruhte im Augenblicke, wie sie nun noch ruht. Wer aber mag wohl Der sein, dem auch die stummen Elemente augenblicklich gehorchen?! 5. Er hat es euch aber gestern einmal frei und unumwunden herausgesagt, wer Er ist. Warum habt ihr Ihm denn nicht geglaubt und gebeugt eure Knie und eure Herzen vor Ihm?! War es wohl klüger von euch, Ihn für einen Narren zu erklären, als hinzutreten vor Ihn und zu sagen: ,O Herr, der Du, als das Leben und alle Macht aus Gott Selbst, Worte des Lebens uns verkündest, sei uns armen, blinden Sündern gnädig und barmherzig!‘ Siehe, ich kenne und sehe, wer Er ist, und bleibe darum bei Ihm und werde allein nur von Ihm darum ernten das ewige Leben, dessen ich schon jetzt um vieles gewisser bin, denn daß ich jetzt lebe und rede! Und wäre es nicht also, da, glaube es mir, würde ich schon lange nicht mehr Sein Jünger sein; denn so viel Verstand als so mancher Bürger dieser Stadt habe ich auch! 6. Aber ich habe übereinstimmend mit allen Propheten der Schrift erkannt, daß nur Er allein der verheißene Messias, der große Gesalbte Gottes von Ewigkeit sein kann und auch ist, und so bleibe ich bei Ihm und halte es für den höchsten Ruhm der Welt, von Ihm Selbst als ein Jünger berufen worden zu sein. Gehe hin zu meiner Familie und frage sie, ob ihr seit meiner Abwesenheit je irgend etwas abgegangen ist! Wer außer Ihm aber sorgt für sie?! Und sie hat Brot und Wein zur Genüge! Er geht nicht hin und bebaut ihre Äcker und fängt für sie die Fische; das alles tut Sein allmächtiger Wille, durch den allein auch der ganze Erdboden bebaut wird! Und du sagst, daß es nicht fein sei, dieses Nazaräers wegen sein Haus und seine Familie zu verlassen! O du blinder Freund du! 7. Sieh, ich brauche wahrlich von dir und von gar keinem Menschen eine Belehrung; denn ich habe für ewig an der Belehrung des Einen genug! So du aber nicht gar so blöde wärest, wie du in aller Wahrheit bist, so würdest du uns fragen, was dein Nazaräer lehrt und tut, und du würdest um sehr vieles weiser tun denn also mit deinen weltklugen Selbstsuchtsreden! Ich weiß, was ich weiß, und die andern Jünger wissen es auch und sind samt mir Zeugen von der großen Liebe und Wahrheit Gottes des Vaters, die nun in unserem Herrn Jesus, dem von Gott Gesalbten, zu uns in diese Welt gekommen ist zum Heile aller, die an Ihn glauben, und zum Gerichte für die, welche Ihn nicht annehmen wollen und allzeit mit Rat und Tat wider Ihn sind und wider Ihn zu zeugen sich alle Mühe nehmen. 8. Aber wir maßen es uns doch nicht an, jemanden von euch für dumm und blind und für leichtsinnig zu erklären; aber ihr tut das an uns und haltet uns für arbeitscheue Müßiggänger und luftige Abenteurer, ohne daß wir euch nur den allergeringsten Anlaß dazu geben! Sage mir offen, ob das recht ist vor Gott und vor jedem biedern Menschen!“ 9. Sagte der reiche Bürger: „Na, na, mein lieber Simon Juda, ich habe es ja nicht gar so arg gemeint, daß du darob Ursache hättest, dich gar so zu ereifern über mich! Wenn du den wunderlichen Nazaräer besser kennst denn ich, so ist das ja nicht meine Schuld; denn ich habe nicht die Gelegenheit gehabt, dir gleich beständig bei ihm zu sein, und zu sehen alle seine Werke und zu hören alle seine Worte. Ich beurteilte ihn nur nach dem, was ich wohl selbst gesehen und was ich über ihn von anderen Menschen gehört habe. Als ein purer Mensch kann ich von einem Menschen auch beim besten Willen nicht anders als nur menschlich urteilen; und weil ich als dein alter Freund solches nun dir gegenüber tat, so wäre es dir als einem viel erfahreneren und weisen Menschen etwa doch nicht übel angestanden, so du mit etwas gemäßigteren Worten mir meinen Irrtum vorgetragen hättest! Ich bin dir aber darum nicht gram, weil ich dich allzeit liebgehabt habe. 10. Das aber muß sogar die göttlichste Weisheit mir offen zu Recht bekennen, daß niemand von einem Menschen mehr verlangen kann, als dieser zu leisten imstande ist. Ich möchte den Gott kennen, der zu mir gebietend und gleich strafdrohend sagen möchte: ,Da, du elender Erdenwurm, diesen Berg hebe auf und trage ihn von hier bis ans Ende der Welt, ansonst verfluche Ich dich ins ewige Elend!‘ Würdest du solch eine irgend göttliche Anforderung für weise halten?! Könnte ein weiser Gott, der meine Kräfte kennen muß, eine solche Tat von mir verlangen?! Ich frage dich, ob es so ganz weise von dir war, von mir über meine geistigen Kräfte ein Erkennen, Verstehen und Glauben zu verlangen, mich aber meines wackeligen Glaubens und Erkennens wegen auch gleich des Gerichtes zu versichern. 11. Die geistige Kraft steht aber offenbar noch höher denn jede natürliche. Wem sie nicht eigen ist, dem ist sie einmal nicht eigen, und man kann dann ohne die Innehabung der größeren und höheren geistigen Kraft denn auch ebensowenig tiefere und geheimere Wahrheiten verstehen und sie als solche gläubig erkennen, als wie wenig man mit zu wenig Naturkraft einen Berg aufheben und weitertragen kann. Ich meine aber, daß man überall mit Liebe und Geduld mehr ausrichtet bei den Menschen denn mit solch einem Ernste, wie du ihn nun ohne Not mir gegenüber entwickelt hast. – Habe ich recht oder nicht?“ 12. Sagte Petrus etwas verlegen: „Ja, ja, du kannst schon auch in deiner Art recht haben, und ich kann dieser deiner Ansicht gerade nichts entgegenstellen; aber das mußt du auch einsehen, daß es von deiner Seite durchaus nicht fein war, mich gleich gewisserart für einen leichtsinnigen Menschen zu halten, dieweil ich mein Haus, mein Gewerbe und meine Familie verließ und bin nachgefolgt dem Heiligen Gottes aus Nazareth! 13. Ich weiß es wohl, daß es dir hier, wie nun gar vielen, an der geistigen Kraft mangelt, die tiefen Geheimnisse Gottes auf den ersten Blick zu verstehen; aber es ist da noch ein ganz guter Mittelweg, und dieser lautet von mir aus ungefähr also: Wenn ich von außerordentlichen Dingen höre oder sie sogar selbst sehe, so bleibe ich bescheiden und halte mit meinem Urteile so lange inne, bis ich nicht von irgendeiner Seite her möglicherweise ein helleres Licht darüber erhalte; und bin ich dadurch auch noch nicht so ganz im klaren, so forsche ich noch weiter, und kommt mir darüber kein höheres und stärkeres Licht, so bin ich erst berechtigt zu sagen: ,Das verstehe ich nicht und überlasse es andern, die fähiger sind denn ich, darüber ein Urteil zu fällen!‘ Aber über eine unverstandene Sache gleich den Stab zu brechen, ist doch sicher noch unweiser denn mein Eifer gegen dich! 14. Du hast sicher das Hohelied Salomos gelesen und auch sicher samt mir keine Silbe davon verstanden! Wäre das klug, es darum zu verwerfen, weil man es nicht versteht?! Wir haben dennoch eine große Hochachtung vor diesem Liede, obwohl wir es nicht verstehen und wahrscheinlich in dieser Welt auch nie völlig verstehen werden. Hätten wir zu den Lebzeiten des mit so hoher Weisheit begabten Königs mit unserem gegenwärtigen sehr beschränkten Verstande gelebt, da hätten wir bei uns über das Hohelied wahrscheinlich kein besseres Urteil geschöpft, als ihr es gestern über die vom Herrn und Meister gehaltene Rede geschöpft habt; aber weil des Königs Lied schon sehr alt ist, so achtet man es des Alters wegen, wenn man es auch gar nicht versteht. 15. Unser Herr und Meister leistet Taten, von denen einem Salomo nie etwas geträumt hat, und Seine Weisheit und respektive vollste Allwissenheit verhält sich gegen die Salomonische Weisheit gerade also wie die Unendlichkeit zu einem kleinsten Punkte in ihr; weil sie aber nicht nahe tausend Jahre alt ist, und hier vor euren Augen und Ohren ist, wirkt und leuchtet, so ist sie für euch eine Torheit. Denke selbst nur ein wenig reiflich nach, und sage es mir, ob das von Männern von einigem Verstande klug ist! 16. Ich bin wohl dir gegenüber in einen Eifer gekommen, aber in einen gerechten, da ich dir denn doch zeigen mußte, daß ich wie auch die andern Brüder deshalb keine arbeitscheuen Toren sind, so wir alles verlassen haben und sind Ihm nachgefolgt; aber ihr alle seid es, die ihr das nicht einsehet, erkennet und dasselbe tut, was wir tun. Denn jetzt ist die Zeit vor unseren Augen da, in der ein jeder, der es will, unmittelbar von Gott belehrt und gezogen werden kann; denn wahrlich, ich sage dir als dein alter Freund: In diesem von euch so genannten Propheten aus Nazareth wohnt nicht nur der erweckte Geist eines Propheten, sondern die ganze Fülle der Gottheit körperlich und sonach um so mehr im Geiste! Aber ihr seid alle blind und möget das nimmer erkennen und um so weniger glauben zu eurem eigenen größten Schaden, und es ist darum schwer zu reden mit euch.“ 17. Sagte der reiche Bürger: „Aber – lieber, alter Freund, du redest stets ein und dasselbe! Bedenke doch einmal mit nüchternen Sinnen, daß fürs erste noch nie irgend jemand als ein völlig Weiser vom Himmel auf unsere Erde herabgekommen ist – und namentlich als ein Mensch unseresgleichen schon gar nie! Woher hätten wir es denn nehmen sollen, daß wir wüßten, daß hinter dem uns persönlich nur zu wohl bekannten Zimmermannssohne, der bei uns mit seinem Vater Joseph und seinen Brüdern mehrmals gearbeitet hat, nun auf einmal die ganze Fülle der Gottheit sich befinden solle?! 18. Ja, wäre er etwa aus Ägypten oder aus Persien zu uns mit seinen Wundertaten herübergekommen, da hätte sein ganzes Wesen vor uns kurzsichtigen Menschen offenbar mehr für sich und würde uns auch sicher leichter und stärker anziehen; aber so ist er uns schon von seiner Kindheit an bekannt und hat früher, solange sein Vater lebte, nie etwas nur im geringsten merken lassen, daß er irgend etwas mehr wäre denn ein ganz gewöhnlicher, stiller, fleißiger und höchst gut gesitteter Mensch! Nun auf einmal hat er sich erhoben zu einem Lehrer und außerordentlichen Heilande für Kranke und sogar scheintote Menschen, was um so auffallender ist und sein muß, weil er früher von all dem nie irgend etwas hat merken lassen und wir recht wohl wissen, daß er zuvor niemals eine Schule besucht hat und nie in einer Fremde war, in der er sich so etwas hätte zu eigen machen können. 19. Auf einmal steht er aber mit so außerordentlichen Fähigkeiten ausgerüstet vor uns, über die ein jeder Mensch mit Recht sein höchstes Staunen ausdrücken muß! Was bleibt uns mit unserem natürlichen Verstande zu urteilen übrig als: er ist einmal in einer Nacht vom Geiste Gottes als ein frommer Mann zu einem Propheten erweckt worden, und wir tun darum nichts Unbilliges, so wir ihn für einen Propheten aus Nazareth erklären, was auch die Nazaräer selbst tun. Von dir erfahre ich erst jetzt ganz andere Dinge, die freilich für mich noch etwas seltsam klingen müssen; aber auch das macht nichts, weil ein jeder Mensch von einer Sache zuvor doch etwas vernehmen muß, bevor er sie beurteilen, prüfen und dann erst als eine volle Wahrheit gläubig annehmen kann. 20. Ich habe von dir nun zum ersten Male darüber etwas vernommen, was eigentlich hinter unserem Nazaräer stecke, und siehe, so großartigst deine Aussage von ihm auch ist, so finde ich sie dennoch durchaus nicht verdammlich, sondern sogar sehr ernstwürdig, darüber nachzudenken, sie zu prüfen und auch anzunehmen, so man alle dazu erforderlichen Bedingungen in der vollen Ordnung gefunden hat! Ich finde daran nichts Unmögliches, und es spricht nun der Umstand sehr dafür, weil wir alle es nur zu gut wissen, daß der Nazaräer sich solche außerordentlichen Fähigkeiten nie in irgendeiner geheimen Prophetenschule hat zu eigen machen können, weil er nie eine besucht hat. Nach der Behauptung seines Vaters soll er sogar niemals lesen und schreiben derart gelernt haben, daß man sagen könnte, er sei dessen völlig kundig. Und so ist seine plötzlich aufgetauchte Fähigkeit um so auffallender und um so bewunderungswürdiger die unbegreifliche Macht seines Willens, dem sogar, wie ich's vernommen habe, buchstäblich wahr die härtesten Steine weichen sollen. Ich halte das alles für wahr, weil ich im vorigen Jahre selbst Zeuge war von einer solchen Tat, die er offenbar nur durch seinen Willen vollführt hat. Aber du, mein alter Freund, mußt mir darum nicht gram werden, wenn ich als ein einfacher und schlichter Mensch nur menschlich mit dir rede!“ 21. Sagte Petrus: „Vom Gramwerden kann bei mir schon lange keine Rede sein; aber einem alten Freunde die volle Wahrheit zu sagen, dessen werde ich mich auch nicht scheuen. Für jetzt aber vergnüge dich wohl im Namen meines Herrn und rein göttlichen Meisters! Ich muß nun zu Ihm ins anstoßende Zimmer gehen; denn ich habe in mir Seinen Ruf vernommen.“ 22. Hier verließ Petrus seinen alten Freund und kam wieder zu uns in unser Gemach. Kapitel 59 Großes Evangelium Johannes, Buch 6 59. — Das Wesen der Weltmenschen 1. Als er zu Mir kam, sagte er (Petrus): „Herr, ich habe in mir Deinen Ruf vernommen! Was ist Dein mir stets über alles heiliger Wille?“ 2. Sagte Ich: „Nichts anderes, als daß du dem alten, reichen Kauze ganz genug gesagt hast! Wenn ihn das nicht zu einem helleren Erkennen bringt, so wird ihn etwas anderes noch weniger dahin bringen. Aber es war nun des Redens auch schon genug. Es ist da in seinem Vaterlande wohl schwer, die Menschen in die reine Wahrheit zu führen! Denn man hat gleich die alte Frage: ,Woher kommt diesem das? Wir kennen ihn von seiner Kindheit an!‘ Und da ist es dann mit einer weiteren Belehrung schon zu Ende. Denn wen die Person des Lehrers beirrt, den beirrt auch mehr oder weniger seine Lehre. Und solche Menschen, die im Grunde doch nicht böse sind, mit Wundern und außerordentlichen Zeichen zu einem Glauben zwingen, hieße ihnen mit einem Schlage alle Freiheit ihrer Seelen und ihres Willens rauben; daher ist es besser, sie so lange gehenzulassen, bis sie am Ende selbst kommen und um eine weitere Aufklärung bitten. 3. So aber da in den etlichen Tagen unseres Hierverweilens dennoch welche kommen sollten, die da verlangeten eine weitere Auskunft über Mich, so saget ihnen über Meine Zeichen, und besonders von den geheim zu haltenden, nicht vieles, sondern nur Andeutungen; aber vor allem gebet ihnen kund, was sie tun sollen, um zu erreichen das ewige Leben. Sind sie mit dem nicht zufrieden, da lasset sie gehen; denn es ist nicht fein, den Schweinen die edlen Perlen als Futter vorzuwerfen. Wer eine kleine Gabe nicht ehrt, ist wahrlich der großen nicht wert! 4. Es gibt hier Menschen, die so von Zeit zu Zeit über geistige Dinge und Verhältnisse recht gerne stundenlang plaudern, dabei mitunter auch recht erbaut werden und voll guter Dinge und Vorsätze sind; sowie sie aber dann wieder nach Hause in ihre altgewohnten Weltgeschäfte kommen, da ist alles wie abgeschnitten! Ist nur irgend etwas ihnen in die Quere gekommen, so werden sie bei allem früher empfangenen geistigen Troste voll der drückendsten weltlichen Sorgen und wollen sich gar nicht mehr erinnern an die gehabten rein geistigen Tröstungen. Wozu waren diese dann gut?! 5. Und so, siehst du, Mein Simon Juda, waren auch deine guten Unterredungen mit deinem alten Freunde! Siehe, er denkt schon jetzt nicht mehr daran, weil ein Handelsmann aus Kana zu ihm getreten ist und die beiden nun einen ganz vorteilhaften Kauf von verschiedenen Handelsartikeln abzumachen haben! Er weiß recht wohl, daß Ich Selbst hier bin, und hätte auch zu Mir hereinkommen können, um sich mit Mir Selbst zu besprechen über Meine von ihm für so außerordentlich erklärten Fähigkeiten. Ich hätte ihn wahrlich nicht zur Türe hinausgewiesen! Aber nein, da steht der Kaufmann aus Kana viel höher, und du darfst nun gar keine Angst haben, daß er noch etwas Weiteres über Mich mit dir besprechen werde! 6. Daher sind solche Menschen noch gar lange nicht tauglich und geschickt fürs Reich Gottes. Sie gleichen jenen Ackerbauleuten, die beim Pflügen ihre Augen nicht nach vorwärts, sondern nach rückwärts richten und daher nach vornehin nicht sehen können, wie der Ochse zieht den Pflug, und ob dieser wohl die rechten Furchen schneidet und aufwirft. Solche Leute sind darum noch lange nicht tauglich zum Reiche Gottes. Es ist auch besser, solche Leute stehen zu lassen, wo sie auch stehen mögen, weil sie mit allen Zeichen und mit lichtvollsten Worten von ihren Weltsorgen nicht abwendig zu machen sind. 7. Ich sage euch auch das: So ihr dereinst als vollendete Jünger Meine Lehre den Menschen in Meinem Namen werdet zu predigen anfangen, da habet darauf acht: Wird man euch irgendwo in einem Orte oder in einem Hause wohl aufnehmen, so bleibet daselbst und unterrichtet die Menschen wohl und gut, und taufet sie dann in Meinem Namen mit Wasser, wie es Johannes getan hat, und Ich werde sie dann taufen mit Meinem Geiste von oben her! 8. Wo man euch aber nicht aufnehmen wird oder nur also, wie dein alter Freund nun deine Worte aufgenommen hat, da schüttelt sogar den Staub von euren Füßen, der an einem solchen Orte oder in einem solchen Hause an ihnen klebend ward, auf daß von ihnen ja nichts Weltliches an euch haften bleibt! Denn ihr wisset, daß Mein Reich nicht von dieser Welt ist, sondern geschaffen werden muß durch die Erkenntnis und durch die Beachtung Meines Wortes im Innern des Menschen. Aber es ist die Erschaffung dieser inneren, geistigen Lebens- und Himmelswelt so lange hin stets eine schwierige Sache, solange an einem Menschen noch irgend etwas Weltsinnliches haftet. 9. Ich meine unter dem erwähnten Staube an euren Füßen aber nicht etwa den natürlichen Zimmerstaub oder den Staub auf den Straßen, sondern der Staub, den Ich meine, das sind jene weltklugen Reden solcher Menschen, die deinem alten Freunde ganz ähnlich sind. Sie klingen recht artig, freundlich und dem Weltverstande ganz angemessen; aber sie sind dennoch nichts als ein leerer Staub, weil sie nur Welttümliches befürworten und selbst darin von einem Wahrheitsernste keine Spur vorhanden ist. Wie aber der leere, nichtige Staub der Straßen keinem Wanderer zu etwas nütze werden kann, so auch derlei weltstaubige Reden solcher reichen und weltklugen Bürger. 10. Obschon aber solch ein Staub niemandem zum Nutzen werden kann, so kann er einem Wanderer aber dennoch mehr oder weniger schädlich sich gestalten. So ein Wind kommt und den Staub in die Luft hebt, da heißt es die Augen schließen und den Mund zuhalten, ansonst kann man erblinden und ersticken. Auch muß man so lange stehenbleiben oder sich gar, mit dem Gesichte zur Erde gekehrt, auf den Boden legen, bis der Wind den lästigen Staub weithin getragen hat. Und das hat den Wanderer sicher auch Zeit gekostet, infolgedessen er notwendig später an den Ort seiner Bestimmung gelangt, als er ohne die Staubbescherung gelangt wäre. 11. Was aber der Straßen- und Gassenstaub dem irdischen Wanderer ist, das ist der eitle, weltkluge Wortstaub dem Lebenspilger auf Meinen euch gezeigten Lebenswegen. Er trübt leicht die innere Sehe und kann sogar sehr erstickend auf das wahre, innere, geistige Seelenleben einwirken. Und mindestens verzögert er bei aller angewandten Vorsicht doch den geistigen Fortschritt! Darum sagte Ich, daß ihr auch sogar den Staub, der an euren Füßen kleben geblieben ist, abschütteln sollet, auf daß gar nichts Welttümliches an euch sei; denn wahrlich sage Ich euch: Solange an einer Seele noch ein welttümliches Atom klebt, kann sie nicht völlig in Mein Reich eingehen; denn alles Welttümliche ist das für die Seele, was das Gift für den Leib ist. Ein kleinster, kaum sichtbarer Tropfen von einem starken Gifte kann dem Leibe den Tod geben, und ebenso kann auch ein Atom Welttümlichkeit eines Menschen Seele ganz verderben oder wenigstens derart zu Schaden bringen, daß sie dann lange zu tun haben wird, um völlig geheilt zum ewigen Leben zu erstehen. Die Erfahrung wird euch darüber die vollste Bestätigung geben.“ 12. Sagte Petrus: „Herr, da wird es für uns eben nichts Leichtes sein, Dein Wort den andern Menschen zu verkünden! Denn wie werden wir's erfahren, ob ein Mensch geeignet ist, Dein Evangelium aufzunehmen? Der Alte draußen wäre für mich einmal schon ein ganz geeigneter Mensch gewesen, da er sonst von einer ganz guten Gemütsart ist und sich gerne in seinen Mußestunden über höhere und geistige Dinge bespricht und, soviel mir bekannt ist, auch gerne armen Menschen Gutes erweist. Nun, wenn derlei Menschen auch noch zu den Bedenklichen gehören, mit denen man nicht viel zu tun haben soll, da wüßte ich dann wahrlich nicht, wen man für die Mitteilung Deines Evangeliums für tauglich erachten soll.“ 13. Sagte Ich: „Seid ihr denn auch noch blind und merket nichts von dem, was Ich euch sage? Hast du im vorigen Jahre nicht den reichen Jünglingsmann gesehen? Er fragte Mich, was er tun solle, um das ewige Leben zu erreichen. Und Ich sagte zu ihm, daß er die Gebote halten und Gott über alles und den Nächsten wie sich selbst lieben solle. Da sagte und beteuerte der junge Mann, daß er das schon seit seinen Kinderjahren getan habe. Ich aber sagte darauf: ,Nun gut, – willst du mehr, so verkaufe alle deine Güter, teile den Erlös unter die Armen, und komme dann und folge Mir nach, so wirst du dir dadurch einen großen Schatz im Himmelreiche bereiten!‘ Alsbald ward der junge Mann traurig, kehrte uns den Rücken und zog seines Weges weiter. Ich aber machte euch dann die Bemerkung, dernach ein Kamel leichter durch ein Nadelöhr gehe denn ein Reicher in den Himmel. Damals stauntet ihr darüber und meintet, da dürften äußerst wenige ins Himmelreich gelangen. Und Ich sagte zu euch, daß bei dem Menschen wohl gar vieles als unmöglich erscheine, was aber bei Gott noch immer gar wohl möglich ist. 14. Damals sahet ihr diese Sache nicht völlig ein; aber nun dürfte sie euch wohl schon um vieles begreiflicher sein. Was hätten wir zum Beispiel gewonnen, so wir damals jenem jungen Manne so recht zuzureden angefangen hätten, daß er dennoch das tun solle, was Ich ihm angeraten habe? Gar nichts! Er hätte uns mehrere Tage hindurch seine weltklugen Gründe vorgetragen, derentwegen er selbst beim besten Willen Meinem Rate vorderhand nicht nachkommen könne, und wir wären nach mehreren Tagen mit ihm auf demselben Flecke gestanden wie im ersten Augenblicke unseres Zusammentreffens. Wir aber zogen lieber recht schnell weiter und fanden bald eine Gelegenheit, wo wir recht viel Gutes haben wirken können. Sehet, da haben wir auch den Staub, den uns der junge Mann offenbar bereitet hatte, schnell abgeschüttelt und zogen ungehindert unseres Weges weiter! 15. Die da draußen im Vorzimmer sind lauter solche Menschen, die an und für sich ganz rechtliche und sehr weltkluge Menschen sind, welche Eigenschaft sie auch sehr weltreich machte; aber für Mein Evangelium sind sie noch lange nicht reif und werden es in dieser Welt auch schwerlich je ganz werden. Daher sollet ihr in der Folge solchen Menschen auch Mein Wort nicht predigen; denn es wird bei ihnen nicht wurzeln und noch weniger je zu einer guten Frucht reifen. 16. Du, Petrus, hast dem reichen Bürger wahrlich ganz tüchtige Wahrheiten gesagt, so, als hättest du sie aus Meinem Munde geredet! Welche Wirkung aber haben sie bei ihm gemacht? Sieh, gar keine! Er redet nun so frei und unbeirrt mit seinem Geschäftsfreunde, als ob du nie ein Wort von Mir zu ihm gesprochen hättest! Er weiß, daß Ich hier bin; es sollte ihn wenigstens die Neugierde zu Mir führen, auf daß er sich mit Mir Selbst über das besprechen möchte, was du von Mir ihm kundgetan hast! Allein, das alles ist dem reichen Manne so gleichgültig wie eine auf dem Wege von seinem Fuße zertretene Mücke. Er steht auf uns und unsere für ihn zu geringfügige Hilfe gar nicht an, indem er ja ein sehr reicher und weltkluger Mann ist, – und noch gar viele sind seinesgleichen. 17. Sehet, das sind so die rechten Weltwühlschweine, denen ihr Meine Perlen nicht vorwerfen sollet; denn diese kümmern sich um nichts anderes als nur um das, ob und was bei einer Sache materiell zu gewinnen ist. Darum hatte der reiche Mann dir denn auch vorgehalten, daß du dein gewinntragendes Gewerbe verlassen habest und Mir gewisserart um nichts und wieder nichts gefolgt seiest. 18. Diese Menschen sind sonst recht artig und beachten gegen jedermann eine feine Sitte; aber das alles ist gleich der feinen und zierlichen Tünche eines Grabes, das dadurch äußerlich recht erbaulich anzusehen ist, – aber inwendig ist es dennoch voll Totenmoders und pestilenzialischen Ekelgeruches. Solange so ein Mensch ganz ruhig seinen Gewinn einstecken kann und ihn kein Geschäftsunglück ereilt, wird er stets in der besten und mitunter sogar freigebigen Laune sich befinden; lassen wir ihn aber bei irgendeiner Spekulation nur einmal so recht tüchtig eingehen, da schaue dir dann deinen freundlichen Mann an, und fange an, mit ihm über innere, geistige Wahrheiten zu reden, und Ich stehe dir dafür, daß du noch eher hinausgeschafft wirst, als du den Mund so recht aufgemacht hast! Und sieh, darin liegt auch hauptsächlich der Grund, warum Ich dich von deinem sonst sehr löblichen Eifer abberufen habe; denn bei derlei Menschen ist jedes innere, geistige Wort ein beinahe völlig vergebliches! 19. Du hast ihm doch enthüllt, daß diese große Meeresbewegung allein durch Meinen allmächtigen Willen bewirkt wird, daß Ich überhaupt nur wollen darf, und alle Elemente gehorchen Mir. Das ist sicher doch nichts Geringes! Siehe aber nur hinaus, und du wirst dich gleich selbst überzeugen, welch einen nichtigen Eindruck solche deine Kundgebung auf ihn gemacht hat! Er ist nicht einmal nachsehen gegangen, ob das Meer noch in seiner großen Bewegung steht, und ob irgendein Teil desselben ganz ruhig ist! 20. Du hast ihm auch zu schmecken gegeben, daß die Ungläubigen Mein Gericht treffen werde. Das kostete ihn höchstens ein kleines Lächeln, und er dachte sich: ,O du armer Hungerleider, siehe nur du zu, daß dich nicht nächstens das Gericht des leeren Magens und der nackten Haut ereilt!‘ – Sage Mir nun, ob solchen Menschen Mein Wort zu predigen ist!“ 21. Sagte ganz ärgerlich Petrus: „Ah, wenn also, da wäre ich ja um vieles lieber eines Griechen Schweinehirt denn solchen Menschen ein Prediger! Jetzt begreife ich erst so ganz recht Deinen vorjährigen Eifer im Tempel! Denen muß man ein anderes Wort mit Stricken und Knütteln predigen, wie Du es im Tempel getan hast! Diese Brut ist am Ende noch schlechter denn der eifersüchtigste Pharisäer im Tempel; denn jener hat doch wenigstens einen geistigen Schein – der zwar auch zu nichts gut ist –, aber diese Brut hat gar nichts als die purste und allermateriellste Welt! Oh, das ist gut, daß Du, o Herr, uns alle darauf sehr aufmerksam gemacht hast! Wahrlich, mit diesem Gassenstaube sollen unsere Füße nimmerdar beklebet werden! Aber was machen wir nun?“ 22. Sagte Ich: „Wir wollen nun ein wenig ins Freie gehen, auf daß ihr euch alle von der Gleichgültigkeit dieser Menschen überzeugen möget; dann wollen wir wieder hierher zurückkehren. Ich werde aber dann einen recht tüchtigen Regen kommen lassen, und wir werden diese lästigen Gäste bald los sein. Und so gehen wir denn hinaus ins Freie, wie Ich gesagt habe! Gebet aber besonders acht auf alle, die uns begegnen werden! Hier werden wir dann noch weiter darüber reden und dann unsere Verfügungen machen.“ Kapitel 60 Großes Evangelium Johannes, Buch 6 60. — Die Gleichgültigkeit der Kaufleute auf geistigem Gebiet 1. Es fehlten noch nahe drei Stunden bis zur Tagesmitte, als wir nach Meiner Beheißung unser Zimmer verließen und durch eine Menge von Gästen ins Freie hinausgingen. Der Wirt, der mit den Gästen viel zu tun und zu reden hatte, bat Mich um Vergebung, daß er Mir wegen der vielen Gäste so wenig Aufmerksamkeit habe widmen können. 2. Ich aber sagte zu ihm: „Mache du dir nur nichts daraus! Wer mit seinem Herzen bei Mir ist, der kann mit seinen Gliedern unbeirrt sein nötiges Tagewerk verrichten, wie er mag und kann, und wie es sein Gewerbe erfordert, und er widmet Mir dennoch die vollste und wahrste Aufmerksamkeit; jede andere aber hat vor Mir ohnehin keinen Wert. 3. Wir werden nun bis zum Mittage hin ins Freie gehen und werden längs dem Ufer des Meeres Tätigkeit in Augenschein nehmen. Bevor wir aber selbst zurückkommen werden, wird ein von Mir verordneter, recht tüchtiger Regen kommen, der diese Mir lästigen Kaufleute vor uns nach Hause treiben wird, wie Ich zuvor dessen schon erwähnt habe; denn vor einem Gewitter haben diese Weltmenschen die größte Furcht. Wenn sie ein Gewitter werden herannahen sehen, da werden sie sich auch sogleich und allereiligst in die Stadt zurückbegeben. Siehe nur, daß dir keiner mit der Zeche durchgeht!“ 4. Sagte der Wirt: „O Herr, ich danke Dir für diesen Rat und gar besonders für das verheißene Gewitter; denn diese Gäste sind mir die allerlästigsten!“ 5. Darauf gingen wir, weil der Wirt von einem Gaste gerufen ward, was ihm sehr unlieb war. 6. Als wir im Freien waren, fragte Ich den Petrus: „Nun, hast du deinen alten Freund bemerkt?! Wie gefiel er dir?“ 7. Sagte Petrus ganz ärgerlich: „Ah, da höret alles auf zu sein! Wenn uns diese Menschen aber auch nur eines Blickes gewürdigt hätten oder wenigstens einer den andern gefragt hätte, wer wir wären! Aber nein, nicht einmal eines Blickes haben sie uns gewürdigt, obwohl sie Dich kennen und schon gar vieles von Dir gehört haben! Wahrlich, derlei ganz stumme und gleichgültigste Menschen sind mir noch gar nie vorgekommen! Wenn wir heute unter eine Schweineherde kommen, so werden diese Tiere uns sicher anschauen und uns anzugrunzen anfangen; aber für diese Menschen sind wir so rein gar nichts, als wären wir im Ernste gar nicht da. O du schlechte, taube und stockblinde Welt! O Herr, laß nur ein recht allerheftigstes Gewitter mit zahllos vielen Blitzen über sie losbrechen, auf daß ihnen ihr überstoischer Gleichmut vergeht! Ja wahrlich, das sind vollwahrst die Schweine, denen man Deine Lebensperlen nicht vorwerfen soll!“ 8. Sagte Ich: „Ich habe es dir zuvor gesagt, daß es sich also mit diesen Kaufleuten verhält! Sie kennen nur ihre Ware und ihr Geld. Wer ihnen gegenüber keine Ware und kein Geld hat, der ist ihnen gegenüber auch so gut wie gar kein Mensch. Was sie über einen Menschen unserer geldlosen Art noch zu denken sich herabwürdigen, besteht bloß in dem, daß sie bei sich rechnen und sagen: ,Siehe, was könnte dieser Tropf als ein Sklave wert sein?‘ Nur als eine schlechte Ware könnten wir alsonach für sie noch irgendeinen Wert haben; denn da gibt es viele darunter, die geheim den Sklavenhandel betreiben, und dein alter Freund ist einer der stärksten unter den andern und hat seine Geschäfte alljährlich in Ägypten, in Rom, in Griechenland und auch in Persien. – Was sagst du dazu, wenn ein Jude solches tut?“ 9. Sagte Petrus: „Der solle gesteinigt werden! Aber ich und eigentlich schon wir alle begreifen das noch immer nicht so ganz recht, wie Du, o Herr, solchen Freveln der garstigen Menschen mit so vieler Geduld und Langmut zusehen kannst; denn das geht ja schon über Sodom und Gomorra hinaus. Wenn das die Heiden tun, so sind sie zu entschuldigen, – aber ein Jude nimmermehr!“ Kapitel 61 Großes Evangelium Johannes, Buch 6 61. — Über Reinkarnation. Die Erde als Gotteskinderschule 1. Sagte Ich: „Werde nur nicht gar zu hitzig; denn du weißt es noch lange nicht klar genug, was alles für Gäste auf dieser Erde einherwandeln, und was dazu nötig ist, um sie nach und nach in die Sphäre der Kinder Gottes zu bringen! Wenn ihr aber durch Meinen Geist, den Ich euch nach Meiner Auffahrt senden werde, vollends gekräftigt sein werdet, dann werdet ihr auch das klar einsehen und Mir die Ehre geben darum, daß Ich eben so geduldig und langmütig bin. 2. Wer aber von euch etwas zu fassen imstande ist, der wisse, daß auch von anderen Welten Seelen auf dieser Erde ins Fleisch getreten sind und auch die Kinder der Schlange auf dieser Erde. Sie sind wohl einmal gestorben, und manche schon etliche Male, nahmen aber zu ihrer Vollendung wieder Fleisch an sich. 3. Ihr habt schon oft von einer Wanderung der Seelen gehört. Das ferne Morgenland glaubt noch heutzutage fest daran. Aber es ist solcher Glaube bei ihnen sehr verunreinigt, weil sie die Menschenseelen wieder in ein Tierfleisch zurückkehren lassen. Allein dem ist nicht von ferne also. 4. Daß sich eines Menschen Seele von dieser Welt wohl aus dem Mineral-, Pflanzen- und Tierreiche zusammensammelt und sich bis zur Menschenseele emporschwingt, das ist euch schon zum größten Teile gezeigt, und auch, wie das in der gefesteten Ordnung geschieht. Aber rückwärts wandert keine noch so unvollendete Menschenseele mehr, außer im geistigen Mittelreiche der äußeren Erscheinlichkeit nach zum Behufe ihrer Demütigung und der daraus möglich hervorgehenden Besserung. Ist eine solche bis zu einem gewissen Grade erfolgt, über den es dann wegen Mangel an höheren Befähigungen nicht weitergehen kann, so kann solch eine Seele dann in eine bloß geschöpfliche Beseligung auf irgendeinem andern Weltkörper, das heißt in dessen Geistiges, übergehen oder aber auch, so sie es will, noch einmal ins Fleisch der Menschen dieser Erde treten, auf welchem Wege sie sich höhere Befähigungen aneignen und mit ihrer Hilfe sogar die Kindschaft Gottes erreichen kann. 5. Also wandern auch von anderen Welten Seelen ins Fleisch der Menschen dieser Erde, um im selben sich jene zahllos vielen geistigen Eigenschaften anzueignen, die zur Erreichung der wahren Kindschaft Gottes notwendig sind. 6. Weil aber diese Erde solch ein Schulhaus ist, darum wird sie auch von Mir mit so vieler Geduld, Nachsicht und Langmut behandelt. Wer von euch das fassen kann, der fasse es; aber er behalte es für sich, da es nicht allen gegeben sein soll, alle die Geheimnisse des Gottesreiches zu fassen. So ihr aber dennoch jemanden findet, der eines ja möglich rechtesten Geistes Kind ist, dem könnet ihr nach und nach ein und das andere Geheimnis offenbaren, aber auch nur für ihn selbst; denn Ich will es, daß ein rechter Mensch sich solches alles durch den eigenen Fleiß nach Meiner Lehre erwerben soll. 7. Weiß ein Mensch einmal, was er zu tun hat, um zu erreichen das ewige Leben und seine Schätze, so tue und lebe er danach, und er wird dann schon in sich selbst die volle Erfüllung Meiner Verheißung vonstatten gehen sehen, hören und lebendigst fühlen. 8. Dem Menschen viel von solchen außerordentlichen Geheimnissen kundzugeben durch den Mund, hat entweder gar keinen oder nur einen ganz geringen Nutzen und Wert; denn fürs erste fasset er es nicht, und fürs zweite stört ihm so etwas für ihn zu Unbegreifliches gar leicht den Glauben, den er zur Not doch schon angenommen hat. Denn um das in der wahren, inneren, geistigen Lebenstiefe zu fassen, dazu gehört offenbar mehr als bloß der tote Buchstabe des Gesetzes und der Propheten.“ Kapitel 62 Großes Evangelium Johannes, Buch 6 62. — Die große Seeschlange 1. (Der Herr:) „Aber nun sind wir am Ufer des Meeres so weit gekommen, daß wir von der Stadt kaum mehr irgend etwas wahrnehmen, und die Wogen des Meeres schlagen da mächtig an das steinige Ufer. Da vor uns ist eine Fischerhütte! In diese wollen wir eintreten und darin das verheißene Gewitter abwarten. Sehet hin dort gegen Mittag! Von dorther wird es allgewaltigst kommen, und es wird da an Blitzen keinen Mangel haben. Es erhebe sich und ziehe schnell gegen Kapernaum hin!“ 2. Als Ich solches noch kaum ausgesprochen hatte, da fingen plötzlich ganz furchtbar schwere Gewitterwolken an, sich aus dem Meere und über alle die Berge zu erheben, was die Gäste bei unserem Wirte zu Kapernaum bald merkten. Als das bös aussehende Gewitter sich aber mit großem Getöse und mächtigem Donner gegen die Stadt stets schneller zu bewegen anfing, da zahlten die Gäste schnellstens ihre Zechen, und ein jeder lief davon, was er nur laufen konnte. Alle Handelsreden hatten auch plötzlich ihr Ende erreicht, und unseres Wirtes Haus war auf einmal alle seine lästigen Gäste los. Als aber das Gewitter über uns hinzog, da ward es auch unseren Judgriechen bange, da auch sie als alte Juden eine angeborene Scheu vor solchen Gewittern hatten. 3. Ich aber ermahnte sie zum Mute und zu aller Furchtlosigkeit und sagte: „Seht ihr denn nicht, daß die Geister dieses Ungewitters auch Meinem Willen untertan sind?! Fürchtet euch nicht, – es wird da niemandem ein Haar gekrümmt werden! Ich habe es nicht so sehr der Kapernaumer wegen berufen, sondern vielmehr jener Sendlinge Jerusalems wegen, damit sie um so mehr verspüren sollen, wie Gott die treuen Diener des Mammon lohnt und beschützt.“ 4. Als Ich aber also redete, da schlug gerade vor uns ein Blitz mit gewaltigstem Gekrache in die Erde. 5. Die Judgriechen prallten vor Angst zurück, und einer sagte zu Mir: „O Herr, treibe dies Ungetüm von hier, sonst kommen wir alle übel um!“ 6. Und Ich bedrohte das Gewitter, und es zog von dannen, und wir standen unter freiem, hellblauem Himmel, worüber die Judgriechen sehr froh waren und Mich darum sehr zu loben anfingen. 7. Als wir aus der Hütte aber nahe an das Meer traten, da bemerkte einer der Juden, daß sich in einer Entfernung von etwa zweihundert Schritten ein Ungetüm in gewaltigen Krümmungen herumbewegte und eine Menge Seevögel auf dasselbe aus der Luft herabstießen. Er fragte Mich, was das für ein Ungeheuer wäre. 8. Und Ich sagte: „Das ist eine große Seeschlange, die im Sturme nun wie gewöhnlich auf ihren Raub ausgeht; sonst aber ist sie beständig in der Tiefe des Meeres. Wenn sie sich aber sattgefressen hat, dann sinkt sie wieder auf den Grund und liegt daselbst oft mehrere Wochen lang. Ist sie dann wieder hungrig geworden, so hebt sie sich wieder zur Oberfläche herauf und macht da Jagd auf ihren Fraß. Wenn sie im Wasser zu wenig zu ihrer vollen Sättigung findet, so bekriecht sie auch die Ufergegenden und raubt da Lämmer und Ziegen, auch Schweine, Kälber und Eselsfüllen. Wenn sie den Schiffen in die Nähe kommt, so haben sie ihre Not mit ihr, weil sie in einem hungrigen Zustande auch Menschen verschlingt. Und mit dem wisset ihr nun, was für ein Tier ihr seltenerweise gesehen habt.“ 9. Fragte hier Petrus: „Herr, solch ein Ungeheuer habe ich als Fischer einmal gesehen und dachte: ,Sieh, das ist ein Riesenaal; dessen sollte man mittels eines guten Köders habhaft werden!‘ Ich bereitete mit meinen Gehilfen einen Köder und legte ihn; aber das Tier wich demselben aus und verschwand darauf plötzlich und kam mir bis jetzt nicht mehr zur Sicht. Wie möglich könnte man denn solch ein Tier fangen?“ 10. Sagte Ich: „Das wäre für Menschen, wie sie jetzt bestellt sind, nahe eine pure Unmöglichkeit! Denn fürs erste ist solch eine Schlange sehr schlau und weiß alle ihr drohenden Gefahren zu vermeiden, fürs zweite ist sie sehr schnell in ihrer Bewegung, so daß sie auch das beste Segelschiff nicht einholen könnte, und fürs dritte ist sie für euch kaum glaubbar stark. Würde sie irgend in eine für sie gefährliche Enge getrieben, so würde sie sich über den Feind stürzen und ihn in einem Augenblick erdrücken. Es wäre daher eben nicht rätlich, sie im Ernste zu verfolgen. In diesem Meere sind nur zwei solche Tiere, und wenn sie ausgestorben sein werden, wird dieses Gewässer vollends frei sein von solchen Ungetümen. Diese zwei noch bestehenden aber sind schon sehr alt und gehören der vorweltlichen Tierepoche an, obwohl sie erst das Alter Noahs haben, das heißt von dessen Geburt an bis in diese Zeit. 11. Diese Tiere gehören eigentlich dem großen Meere an; aber zur Zeit der großen Flut Noahs sind sie in dieses Binnenmeer verschlagen worden und bestehen seit derselben Zeit hier und werden noch ein paar Hunderte von Jahren allda fortbestehen. 12. In solchen Großtieren sammelt sich der allerroheste Weltseelenlebensstoff und wird in ihnen gemildert und gewisserart zu einem besseren Übergange reifer gemacht. Wenn das Tier dann endlich einmal verendet, so geht sein gesammeltes Leben in viele tausendmal tausend höhere Lebensformen über, in denen es schon in einer kürzeren Frist eine höhere Lebensreife erhält, entweder noch im Wasser, in der Luft oder auf dem Erdboden, und das geht dann also alle Lebensformen hindurch bis zum Menschen herauf. Aber die Menschenseelen, die sich auf diesem Wege entwickelt haben, stehen dennoch auf einer sehr niederen Stufe und sind bei den alten Weisen ,Kinder der Schlangen und Drachen‘ benamset worden; denn die alten Weisen wußten in ihrer Einfalt mehr von der Seelengenitur (Seelenursprung) denn die Weisen heutzutage. 13. Das sind also die Kinder dieser Welt; sie sind in ihrer Art sehr klug und irdisch reich und mächtig, – aber zur Aufnahme des höheren, geistigen Lebens noch lange nicht fähig. 14. Von einer ganz gleichen seelischen Abkunft sind denn auch unsere Kapernaumer Kaufleute. Sie gehen stets noch auf den Handelsraub aus und haben ihre größte Freude, wenn sie so einen recht riesenhaften Gewinn gemacht haben. Sie haben daher noch sehr vieles von der gefräßigen Natur solch einer Schlange und sammeln fort und fort Schätze auf Schätze, gleichwie da dieses Tier in sich allerlei Lebenssubstanzen sammelt bloß durch seine unersättliche Freßgier. 15. Aber wie dem Tiere bei seinem Verenden alles genommen und in die höheren Lebensformen verteilt wird, also wird auch nach dem Leibestode solchen reichen und selbstsüchtigen Käuzen alles genommen, und sie werden jenseits durch eine große Armut und durch Hunger und Durst von ihrer alten Schlangennatur geläutert werden müssen. Es ist zwar bitter und schlimm, daß es also ist; aber es kann für derlei allerunterste Lebensformen nicht anders sein.“ Kapitel 63 Großes Evangelium Johannes, Buch 6 63. — Der Grund der Menschwerdung Gottes 1. (Der Herr:) „Erschaffen ist leicht; aber die aus sich hinausgestellten Geschöpfe zu einem freien, ungerichteten und selbständigen Sein hinleiten, das ist selbst für die göttliche Allmacht keine leichte Sache. Doch mit Geduld und Langmut kann man am Ende dennoch alles erreichen, und ist eine Sache in bestzwecklicher Hinsicht einmal erreicht, da gedenkt man nicht mehr der Zeit, die zur Erreichung vonnöten war. 2. Es geht uns da wie einem schwangeren Weibe, das auch in seiner Schwangerschaft viel Furcht, Angst und Wehen zu bestehen hat; aber wenn das Kind aus dem Weibe in der gewissen Zeit zur Welt geboren worden ist, dann hat bei dem Weibe alle Furcht und Angst aufgehört, und es gedenkt nicht mehr der Wehen und Schmerzen, denn es sieht vor sich die lebendige Frucht, die aus ihm in ein freies und selbständiges Leben hervorgegangen ist. 3. Wäre es aber mit der freiesten Selbständigmachung eines Geschöpfes eine leichter zu bewerkstelligende Sache, da hätte Ich als der Schöpfer aller Dinge und alles Seins wahrlich nicht nötig gehabt, nun Selbst als ein Mensch in diese Welt zu kommen, um die möglich vollendetste Freigestaltung des Menschen durch Lehre und Tat zu bewerkstelligen. 4. Wenn euch das jemand anders gesagt hätte, so würdet ihr zu ihm gesagt haben: ,Mensch, was faselst du, und welch einen Unsinn redest du da durcheinander!‘ Ich Selbst aber sage euch hier solches, und so möget ihr es wohl glauben, daß es also ist; denn um einer Kleinigkeit willen hätte Ich nimmer das Fleisch dieser Welt, und sogar seinen Tod, angezogen und ginge nicht mit euch, Meinen Geschöpfen, wie ein rechter Vater mit seinen Kindern um. 5. Ihr saget nun wohl bei euch, das sei wohl nun höchst wahr, aber warum geschehe solches denn gerade jetzt, und was sei da mit der ganzen schon verflossenen Zeitenewigkeit, in der Gott ebenso endlos vollkommen bestand wie eben jetzt, – was sei mit jenen Geschöpfen geschehen, die diese gegenwärtige Lebensvollendung nicht haben erreichen können, indem Ich zuvor niemals einen fleischlichen Leib gleich einem geschaffenen Menschen angenommen habe. 6. Ja, Meine Lieben, das ist eine gar gewichtige Frage! Aber zum Teile habe Ich sie vor euch, Meinen alten Jüngern, beim alten Markus zu Cäsarea Philippi schon erörtert, und ihr wisset davon noch so manches; aber ihr wisset noch nicht völlig, warum aus der unendlichen Zeitendauer gerade diese Periode genommen ward, um den Menschengeschöpfen von nun an die volle Gottähnlichkeit für ewighin zu geben. 7. Sehet, mit der ganzen, endlos großen Schöpfung beachtet Gott sowohl der Zeit als dem Raume nach stets ein und dieselbe allerweiseste Ordnung! Sollte es Gott denn etwa unmöglich sein, einen Menschen mit aller Weisheit und Kraft ohne eine Zeugung und ohne einen Mutterleib zu erschaffen, gleichwie es Ihm möglich ist, im Augenblicke den Blitz aus der Luft zu rufen?! Ganz sicher nicht, und Ich Selbst habe euch dafür die hinreichendsten Beweise gegeben! 8. Wenn aber Gott das möglich ist, warum läßt Er es denn zu, daß der Mensch erst in einen weiblichen Leib eingezeugt werden, dann im selben von Periode zu Periode und von Teil zu Teil wachsen und sich ausbilden muß? Ist er im Mutterleibe in der ziemlich geraumen Zeit ausgereift, so kommt er zur mühseligen Ausgeburt, wo ihm noch gar vieles an den Leibesteilen mangelt. Nach und nach ergänzen sich diese stets mehr und mehr; die Zunge wird beugsamer und fängt an, Worte zu lallen, die Organe kommen in eine stets größere Ordnung, und die kräftiger und mündiger werdende Seele kann sich ihrer mehr und mehr bedienen, und so geht das von Stufe zu Stufe auf- und vorwärts so lange hin, bis der Mensch, etwa nach dreißig bis vierzig Jahren, als ein kräftiger und erfahrungsreicher, verstandesvoller Mann dasteht. Alle Kenntnisse und Erfahrungen hat er sich durch eigene Mühe und Tätigkeit aneignen müssen, damit er seinen Nebenmenschen als ein nützlicher Mitbürger wert und achtbar sein kann. Ja, aber warum das alles mit dem Menschen, wenn Gott allmächtig ist und sogleich ohne Geburt und Erziehung völlig weise und kräftige Menschen aus der Luft oder gar aus nichts herstellen kann? 9. Das kann Gott allerdings; aber was wären solche Menschen? Ich sage es euch: nichts als Maschinen, die nie einen eigenen, freien Willen, nie ein eigenes, selbstisches Bewußtsein und nie eine selbständige, freie Tätigkeit weder im Denken noch im Fühlen und Handeln haben könnten, sondern Gottes allmächtiger Wille müßte sie in jedem Augenblicke aus Sich neu beleben, in ihnen Selbst denken und wollen und ihre Glieder zu irgendeiner Tätigkeit anregen und anziehen. Würde aber Gott das nicht tun, so wäre so ein Mensch dann offenbar völlig tot und müßte auch augenblicklich aus dem Dasein gänzlich verschwinden. 10. Damit aber der einmal geschaffene Mensch wie aus sich frei fortbestehe, sich selbst ausbilde und festige, dann wie aus eigener Kraft frei werde im Denken, Wollen und Handeln, so ward von Gott schon von Ewigkeit eine Ordnung gestellt, derzufolge die einmal aus Gott hinausgestellten Ideen sich selbst nach und nach stets mehr und mehr von Gott isolieren müssen, endlich sich als ein von Gott getrenntes Sein und Leben gewisserart finden und fühlen müssen und nach ihren eigenen Gedanken frei wollend und frei tätig zu werden haben, auf daß sie dadurch als vollends lebensgefestet dann durch äußere Lehre von Gott als selbst werdende Götter geführt und zur Lebensvollendung wie auf eigenem Grund und Boden gebracht werden können. 11. Dazu aber bedarf es einer sehr langen Zeit, die von Gott aus wohl berechnet und in gar viele Perioden eingeteilt ist, in denen dies und jenes Fortschreitende vorgenommen werden kann. 12. Wie aber bei jedem ganz ordentlich sich fortbildenden Menschen einmal der Moment eintreffen muß, in dem er zur Aufnahme für höhere Weisheit befähigt wird, so ist nun dieser Moment für die ganze Schöpfung vor euren Augen, von Gott wohlberechnet, gekommen, durch den nun allen gereiften Geschöpfen die Gelegenheit geboten wird, aus ihren alten Gerichtsgräbern zur vollen Gottähnlichkeit überzugehen, und es heißt darum auch in der Schrift, daß nun alle, die in den Gräbern waren und noch sind, die Stimme des Menschensohnes hören werden und, so sie aus sich reif geworden sind, hervorgehen aus eigener Kraft zum ewigen, wahren und völlig gottähnlichen Leben. 13. Und weil dieser von Gott schon von Ewigkeit her wohl und klar berechnete Moment eben jetzt gekommen ist, in welchem alle Geschöpfe die gewisse ganz selbständige Reife erlangt haben, die sich wahrlich am meisten dadurch erkennen läßt, daß die meisten von Gott beinahe nichts mehr wissen und von Gott vollends isoliert sind, so bin Ich als Gott denn auch da, um die Menschen nicht mehr durch Meine Allmacht zu führen, sondern allein durch die Lehre, die Ich ihnen nun also gebe, als wäre Ich Selbst nichts mehr und nichts anderes denn sie selbst. 14. Ich kann nun als eine Person mit ihnen wie ein Fremder mit einem Fremden verkehren, und der alte Grund hat nun völlig aufgehört, demzufolge niemand Gott schauen könne und dabei behalten das Leben. Nun könnet ihr Mich anschauen, wie ihr wollt, und behaltet dennoch unversehrt euer Leben!“ Kapitel 64 Großes Evangelium Johannes, Buch 6 64. — Der Unglaube als Reifezeugnis für eine neue Offenbarung. Vergleich zwischen den Menschen zu Noahs Zeiten und zur Zeit Jesu. Der geistige Zustand der Menschen 1. (Der Herr:) „Ich aber sehe jetzt noch eine gar sonderbare Frage in euch Neujüngern, die darin besteht, daß ihr saget: ,Ja, wenn gerade der beinahe gänzliche Mangel des Glaubens an einen wahren Gott der eigentliche Reifheitsgrund der Menschen Gott gegenüber sein soll, so begreifen wir nicht, warum Gott zu den Zeiten Noahs, allwann der Glaube an einen wahren Gott von den Menschen auch gänzlich entschwunden war, nicht zu ihnen wie jetzt zu uns gekommen ist und ihnen eine Lehre zur freien Gewinnung des ewigen Lebens auf eigenem Grund und Boden gegeben hat! Warum ließ da Gott lieber die böse Sündflut kommen und die gottvergessene Menschheit vertilgen?‘ 2. Ich sage es euch, daß auch diese Frage eine eben nicht geistlose ist, und ihre Beantwortung muß ein großes Licht in das Verhältnis zwischen Gott und Seiner Kreatur bringen. Habet denn wohl acht! 3. Die Menschheit war zu den Zeiten Noahs nicht so gottlos, als ihr eben meinet; sie war aber gegen den ihr nur zu wohlbekannten Gott stolz und sehr hochmütig geworden und wollte sich ganz ernstlich gegen Ihn auflehnen und Ihn Seiner Macht verlustig machen. Sie tat, was sie wollte; und so ihr sogar vom Himmel aus noch so weise Gesetze gegeben wurden, so trat sie solche mit den Füßen und tat gerade das Gegenteil. 4. Diese Menschen haßten den ihnen wohlbekannten Gott und feindeten alles an, was nur von Gottes Allmacht und Weisheit herrührte. Sie verfluchten alles, was von Gott herrührte, sogar die ganze sichtbare Schöpfung, am Ende sogar die Erde, und faßten auch im Ernste den Entschluß, die ganze Erde mit ihren Sprengkörnern zu zerstören. Sie wurden von den Menschen der Höhe oft und zu verschiedenen Malen gewarnt und auch gezüchtigt für ihre Frevel. 5. Es wurden Völker von ihnen getrennt und in ferne Lande geführt, deren Nachfolger noch heutzutage leben und noch die alte Lehre haben, freilich wohl leider nicht mehr rein. Aber es nützte das alles nichts. Sie wurden abermals mächtig, namentlich die Hanochiten, deren Stadt am Ende um vieles größer war denn das ganze, große Gelobte Land. Sie unterjochten am Ende die Kinder der Höhe bis auf die Familie Noahs, die allein noch Gott völlig treu blieb. 6. In der Zeit Noahs fingen sie aus purem Übermute an, die Berge zu zerstören, obwohl sie von den Weisen der Bergbewohner dahin gewarnt wurden, daß sich unter den Bergen die größten Wasserschleusen befänden, und daß sie, so sie in ihrer Tollkühnheit nur einen großen Berg bis auf seinen Grund abgraben und seine Masse in die Tiefe des Meeres versenken, dadurch mehrere unterirdische Wasserschleusen öffnen würden, durch die in kurzer Zeit so viel Wasser auf der Erde Oberfläche geleitet werde, daß es bis über die hohen Berge steigen werde und sie alle darin ersäuft würden. Allein, alle solche Warnungen halfen nicht nur nichts, sondern eiferten sie nur noch mehr an, an der Zerstörung der Berge mit einer kaum beschreibbaren Energie zu arbeiten. 7. Noah sah nun, daß alle Ermahnungen und Belehrungen fruchtlos seien, und bat Gott um ein Mittel zur Rettung von wenigstens einigen guten Menschen und Tieren und Lebensmitteln; denn er sah die traurigen Folgen der bös-törichten Arbeit der damaligen Weltmenschen nur zu klar ein. Da erst ward er vom Geiste Gottes dahin belehrt, sich einen Kasten zu erbauen, wozu ihm Plan und Maß von den Himmeln gegeben ward. 8. Als die bösen Toren mit der unsäglichsten Mühe einen bedeutenden Berg zum größeren Teile nur an seinen Füßen weggeschafft hatten, da zeigte sich auch schon der Lohn für ihre Arbeit. Die große Schwere des eigentlichen Hochberges, dessen Stützen hinweggeschafft wurden, fing an, in die Tiefe zu sinken, und trieb die fürchterlichsten Wassermassen in mächtigen Strömen auf die Oberfläche der Erde. Natürlich mußte dadurch auch die Luft, namentlich durch die vielen Heißwasserströme, ganz dick mit Dünsten und Wolken erfüllt werden, der Regen ordentlich in Strömen herabzufallen beginnen und das Steigen des Wassers bis über die Berge hinaus fördern. Mehr denn ein Dritteil des ganzen Erdteils Asia stand unter der Flut, und sämtliche Hanochiten, die sich schon für die gesamte Menschheit der ganzen Erde hielten, gingen da zugrunde, und ihre Stadt sank ebenfalls in die Tiefe der Erde. 9. Aus dieser Meiner ganz kurz gefaßten, aber wahrsten Darstellung jener vornoahschen Menschen aber geht hervor, daß sie Gottes nicht unkundig waren, wohl aber wollten sie sich nur über Ihn erheben, und dieser Umstand beweist gerade, daß sie Seiner nicht unkundig waren. 10. Ihr Haß gegen Gott aber rührte einfach daher, weil sie sterben mußten, und das oft schon nach dreißig bis vierzig Jahren, während sie von den Bewohnern der Berge, die damals ein sehr hohes Alter erreichten, meinten, daß sie gänzlich unsterblich seien. Aus dem Grunde ergrimmten sie gar so sehr über Gott und nahmen sich ganz ernstlichst vor, weil sie sterben müßten, so solle auch alles zugrunde gerichtet werden, Gott zum Trotze. 11. Wenn aber also und nicht anders, könnet ihr in euch dann behaupten, daß die Menschen damals auch schon also reif waren wie jetzt?! Sehet nun die Menschen der Erde an! Wie viele gibt es selbst unter den Juden, die wahrhaft an einen Gott glauben und lebendig wahrhaft auf Ihn vertrauen? Sie haben beinahe alle nur einen Gewohnheitsglauben, im Herzen aber sind sie gänzlich gottlos, und es kommt ihnen gar nicht vor, daß es wahrhaft irgendeinen Gott geben könne, – und gebe es irgendeinen, so kümmere Er Sich um die sterblichen Menschen, um ihre Gebete und um ihre Opfer gar nicht. Er habe die Menschen nur etwa darum erschaffen, daß sie Seine Erde bebauen und kultivieren. Das ist so der eigentliche Glaube selbst der besseren Juden, – die schlechteren glauben ohnehin gar nichts. 12. Wieder andere, die noch zu den Altjuden gehören, wie es deren in Samaria welche gibt, sagen: Die Satzungen Mosis sind gut, und man muß sie halten, ob sie von Gott oder ob sie bloß nur von Moses herrühren. Wer die Satzungen hält, der fehlt nicht, ob es einen Gott oder auch keinen geben sollte. Man sollte das Gute allein deswegen tun, weil es gut ist, und das Schlechte des Schlechten wegen meiden. 13. Aus solcher Weisheit aber geht ja doch auch wieder klar hervor, daß es mit dem lebendigen Glauben an Gott seine sehr geweisten Wege hat. Wie aber der Glaube an einen Gott im Tempel beschaffen ist, das wisset ihr selbst nur zu gut, und es bedarf darüber keines weiteren Wortes mehr. Denn wo man sich kein Gewissen macht, die Gebote Gottes wegzustreichen und an deren Stelle weltliche Satzungen als heilig und wie von Gott gegeben hinzustellen, da ist aller Glaube an einen wahrhaftigen Gott vollends zu Ende. Da habt ihr den Gottesglauben der Juden! Und endlich fraget euch selbst, wie stark euer selbsteigener Glaube an einen wahren Gott war! Ihr suchtet vor Mir wohl noch etwas Göttliches im Tempel und kamet seinen Satzungen nach Möglichkeit nach, – aber an dem wahren Dasein eines Gottes zweifeltet ihr selbst, und euer Glaube war eben nur eine schon von der Wiege her angenommene Gewohnheit, welche abzulegen euch schier recht schwer geworden wäre, weil ihr dafür nichts Besseres zu setzen wußtet und euer alter Gewohnheitsglaube zu einem Teile eurer Lebensnatur geworden war. Demnach aber war denn auch euer Glaube so gut wie gar keiner. 14. Also bei den Juden als dem erwählten Volke Gottes ist nun gar kein Glaube mehr; wenn aber schon da kein Glaube mehr zu suchen und zu finden ist, wie soll er bei all den Heiden zu suchen und zu finden sein?! In den früheren Zeiten glaubten sie doch noch an ihre Götzen und Orakel; allein jetzt glauben sie auch nichts mehr. Sie machen zwar die äußeren Zeremonien und Gebräuche mit, aber von einem Glauben ist da auch schon lange keine Rede mehr. 15. Nur in Ägypten gibt es noch einige Schüler des Plato, des Sokrates und des Aristoteles, die noch die Möglichkeit eines höchsten, aber niemand bekannten Gottwesens annehmen; aber sie meinen auch, daß der Mensch durch ein äußerst strenges Leben es dahin bringen könne, den göttlichen Geist in gewissen geheiligten Momenten zu fühlen und in solchem Fühlen dann helle Blicke in die Zukunft zu tun. Weiter aber vermöge es kein Sterblicher zu bringen. Was aber mit dem Menschen nach seinem Leibestode geschähe, das sei ein nie zu entwirrender gordischer Knoten. Es beständen darüber wohl sehr viele Sagen und Meinungen, die im Menschen ein leises Hoffen rege machen, aber von einer Gewißheit sei da nirgends eine Rede. 16. So denkt nun der beste Teil der Heiden. Wenn aber also, wie ihr nun leicht sehen und begreifen könnet, so ist es ja auch klar, daß eben jetzt jene Reife zwischen Schöpfer und Geschöpfen eingetreten ist, von der aus die Menschen erst vollends in den Zustand gekommen sind, von Gott aus, unbeschadet ihrer Lebensselbständigkeit, belehrt und zu ihrer gottähnlichen Lebensvollendung geführt und gebracht zu werden. – Verstehet ihr nun das wohl?“ Kapitel 65 Großes Evangelium Johannes, Buch 6 65. — Die jenseitige Führung der Seelen, die vor Jesus Mensch waren. Vom Himmelreich 1. Sagte Petrus: „Herr, das verstehen wir nun sehr wohl; aber es fragt sich nun nur: Was wird mit jenen geschehen, die vor dieser Deiner Herniederkunft gelebt haben, und das von Adam an? Können sie auch noch zu einer wahren Lebensvollendung gelangen, und wie?“ 2. Sagte Ich: „Das ist doch ganz natürlich! Ich habe nun die Tore zum Leben nicht nur für die nun auf der Erde Lebenden eröffnet, sondern auch für alle, die schon lange hinübergegangen sind. Und viele der alten Sünder werden noch einmal irgendeine kurze Fleischlebensprobe von neuem durchzumachen bekommen, wie Ich euch solches schon gezeigt habe. 3. Jenseits aber gibt es Schulen in einer endlosen Menge, in denen die Seelen auf die allerpraktischste Weise unterwiesen werden können. Aber freilich geht es drüben nicht so leicht wie hier, weil dort eine jede Seele keine andere Welt und Umgebung hat als nur die, die aus ihrem Denken, Fühlen und Wollen entsteht und der Seele alles das bietet, was sie liebt und will. 4. Nun, da ist es dann offenbar schwerer, günstig auf eine Seele, die voll Irrwahnes ist, einzuwirken denn hier, wo sie auf einem fremden und festen Boden steht und eine große Masse von ebenfalls ganz fremden Umgebungen um sich zählt. Aber dessenungeachtet gibt es auch dort noch immer Mittel genug, durch die fruchtbringend auf eine Seele eingewirkt werden kann. Doch davon soll euch bei einer andern Gelegenheit ein Näheres gezeigt werden. 5. Das jedoch diene niemandem zu einem besonderen Troste; denn so jenseits eine Seele in sich und also in ihrer Welt statt besser nur immer schlechter und böser wird, so wird natürlich im gleichen Maße auch ihre Scheinwelt und ihre Gesellschaft und Umgebung schlechter. So wie die Seele in sich wahrheitsloser und lichtloser wird, so wird desgleichen auch ihre Welt und ihre Umgebung, was sie sehr zu drücken und zu quälen beginnt. Mit der Steigerung der Qual steigt auch ihr Zorn und ihre Rachgier, und das ist dann schon der Eingang in die Hölle, und diese ist ein wahrer zweiter Tod der Seele, aus dem dann höchst schwer wieder herauszukommen ist. 6. Es sind das freilich nur pure Mittel, durch die eine Seele mit der großen Länge der Zeiten gerettet werden kann; aber sie sehen wahrlich sehr traurig aus! Denn es kann das so manche erzböse Seele wohl Milliarden von Erdenjahren Zeit kosten, bis sie durch solche qualvollen Mittel zu einiger Besserung aus sich heraus kommen wird. Darum ist hier ein Tag mehr wert denn jenseits hundert Jahre, nach der Erdenzeit gerechnet. – Verstehet ihr das?“ 7. Sagten nun wieder alle: „Ja, Herr, wir verstehen das; aber es drängt sich im Hintergrunde denn doch noch eine Frage auf, und die besteht ungefähr in dem: So eine von hier abgeschiedene Seele, als noch nicht vollendet, nur in einer pur erscheinlichen Welt wohnt, die aus ihrem Denken, Fühlen und Wollen entspringt – was man auch eine Phantasiewelt nennen könnte – woraus besteht denn hernach die Welt der vollendeten Seelen? Wie sieht das Himmelreich aus, und womit läßt es sich in einen guten und wahren Vergleich bringen?“ 8. Sagte Ich: „Es ist zwar nun schon an der Zeit, zum Wirte zurückzukehren, – aber weil das eine eben nicht unwichtige Frage ist, so will Ich sie euch unterwegs beantworten. Gehen wir denn, und ihr höret Mich an! 9. Sehet, mit dem eigentlichen Himmelreiche, das da ist ein Reich der Wahrheit, des Lichtes und der Liebe, was Ich euch schon bei verschiedenen Gelegenheiten gezeigt habe, hat es folgende wahrste Bewandtnis: Dieses Reich ist nicht ein äußeres Schaugepränge und kommt in den Menschen nicht mit irgend äußeren Zeichen und Attributen, sondern es entwickelt sich ganz innen in euch, ist dann in euch, wächst in euch, durchdringt euch und wird also zu eurer Wohnstätte und eurer allerseligkeitvollsten Welt. 10. Aber hier gleicht das Himmelreich einem Säemann, der den guten Samen ausstreute. Da fiel einiges auf einen Weg; von dem ward ein Teil von den Vögeln der Luft aufgezehrt und ein Teil von den Wanderern zertreten. Da ging der Same also nicht auf und brachte auch keine Frucht. Ein Teil aber fiel auf steinigen Grund. Es ging zwar anfangs, solange die Steine einige Feuchtigkeit in sich hatten, auf, konnte aber keine Nährwurzeln in den Stein treiben; die Feuchtigkeit langte zur größeren Ernährung des Halmes auch nicht aus, und so vertrocknete es und brachte auch keine Frucht. Ein anderer Teil aber fiel unter Dornen und Gestrüpp. Der ging anfänglich zwar sehr gut auf, aber als er sich völlig hätte entwickeln sollen, da ward er von den Dornen und dem wilden Gestrüppe überwachsen, verkümmerte dann und brachte auch keine Frucht. Nur ein Teil fiel auf ein gutes Erdreich, ging auf und brachte eine reichliche Frucht. 11. Und sehet, also steht es nun auch mit dem Himmelreiche auf dieser Erde! Ich Selbst bin der Säemann, und Mein Wort ist der gute Same, aus dem für jeden das Himmelreich als Frucht erwachsen soll. Wo es auf gutes Erdreich fallen wird, da wird es auch bringen eine hundertfältige Frucht; aber so es fallen wird auf die Wege dieser Welt oder auf Steine oder zwischen Dornen und wildes Gestrüpp, da wird es keine Frucht bringen. Unter den Menschen aber, die Ich mit dem Wege verglich, sind zu verstehen die eigentlichen Weltmenschen, wie wir heute deren mehrere bei unserem Wirte gesehen haben. Die Wanderer auf dem Wege, die den Samen zertreten, sind ihre Handels- und Gewinnsmühen, und ihre nach allen Richtungen fliegenden Handelsgedanken sind die bezeichneten Vögel, die auch den noch nicht zertretenen Samen auffressen, damit ja keine Frucht zum Vorscheine kommen könne. Diese Art Menschen sind, wie schon gesagt, die eigentlichen Schweine, denen man Meine Perlen nicht zum Fraße vorwerfen soll. 12. Unter den Steinen aber sind diejenigen Weltweisen zu verstehen, die zwar alles mit einer gewissen Gier aufnehmen, – da sie aber innerlich in allerlei Weltirrtümlichkeiten begründet und sind gewisserart versteinert in ihrem Gemüte, so hat der neue Same in ihnen zuwenig der belebenden Feuchtigkeit und zuwenig weichen und fugbaren Bodens zur Aufnahme der Nährwurzeln. So dann kommt der Wind und eine Dürre, so dorrt der kleine Halm bald ab, und da er keine Wurzeln hat, so wird er vom Winde auch bald vom Platze hinweggeweht. Oder, so da über einen solchen Menschen irgendeine Versuchung kommt, da sagt er alsbald: ,Ich habe es gleich anfangs gewußt, daß an der Sache nichts daran sein kann! Da ist die Verheißung, die in Erfüllung gehen sollte, – und anstatt der Erfüllung muß ich leiden! Darum fort mit allen solchen neuen Lehren!‘ Das ist also der Stein. 13. Wer sind denn hernach die Dornen und das wilde Gestrüpp? Das sind jene recht gutmütigen Weltbürger, die Mein Wort mit recht vielen Freuden aufnehmen und es eine Zeitlang auch recht emsig pflegen. Aber es kommen mit der Zeit allerlei Sorgen und dazu auch allerlei leere Bekümmernisse und Furcht und Ängste. Diese ersticken das lebendige Wort in ihren Herzen, daß es dann auch keine Frucht bringen kann. 14. Und so haben wir nur einen kleinen Teil von Menschen, die mit dem wahrhaft guten Erdreiche zu vergleichen sind. Diese nehmen das Wort an und setzen es sogleich gläubig ins Werk. Und da bringt dann der Same die reichliche Frucht, und diese Frucht ist dann das eigentliche Himmelreich im Menschen und hat kein äußeres Schaugepränge. Aber dieses Reich wird sich dann über den Menschen, der es in sich aus Meinem Worte geschaffen hat, ausbreiten und ihm geben alle Seligkeit, Licht, Wahrheit, alle Weisheit und Macht über alle Kreatur. 15. Ihr sollet daraus aber auch das ersehen, wohin ihr Mein Wort zu säen habt; denn wohin ihr es säet, da soll es auch Früchte tragen! Vor allem muß es fallen in ein gutes Erdreich. Wenn es da reiche Zinsen abwerfen wird, dann werden die Kaufleute, die Weltweisen und die besorgten Weltbürger schon von selbst kommen und sich bei euch für ihren Acker den Samen erkaufen. – Habt ihr das nun auch ganz wohl verstanden?“ 16. Sagten alle: „Herr, auch das haben wir recht wohl verstanden und werden Deinen Rat auch ganz sicher befolgen; denn auf Wege, auf Steine und unter die Dornen werden wir diesen edelsten Lebenssamen wohl nicht streuen. – Aber nun kommt uns unser Wirt auch ganz eilig entgegen! Was muß er wohl haben, daß er also eilet?“ Kapitel 66 Großes Evangelium Johannes, Buch 6 66. — Der habsüchtige Oberste von Kapernaum 1. Sagte Ich: „Nicht gar zu viel von besonderer Bedeutung! Aber er komme und erzähle es euch selbst!“ 2. Da kam der Wirt zu uns und erzählte: „Der Oberste der Synagoge zu Kapernaum hat herausgeschickt um den Zehent der Fische, von denen er vernommen haben will, daß ich deren einen sehr reichen Fang gemacht und ihm davon keine Meldung gemacht habe, und ich soll ihm nun zur wohlverdienten Strafe den dreifachen Zehent von den Edelfischen geben. Es ist nur noch gut, daß er nicht weiß, daß die Fische am Abend eines Sabbats gefangen worden sind; so ihm das verraten worden wäre, da nähme er mir wahrlich alle Fische weg! Schade, daß der frühere Oberste weggekommen ist, – der war ein recht guter Mann; aber der ist für uns eine wahre Plage und behandelt die Menschen nahe also, als wären sie alle pur seine Sklaven! O Herr, wäre denn diesem Übel nicht zu steuern?“ 3. Sagte Ich: „O ja, und das auf eine ganz eigentümliche Art und Weise! Sende du nun einen Boten zum Obersten hin, und der soll zu ihm sagen, daß er zuvor die Fische in deinem Behälter soll abzählen lassen, damit du ihm dann nicht zuviel und nicht zuwenig des diktierten dreifachen Strafzehenten geben magst und kannst. Da wird er mit seinen Amtleuten bald da sein und die Fische zu zählen anfangen, – aber keine darin finden! Denn die Fische habe Ich geschaffen, kann sie wieder abschaffen und sie dann wieder schaffen. Wird er sich darüber aufhalten und dich beschuldigen wollen, als hättest du etwa die Fische alsbald hinweggeschafft, als dir sein Verlangen bekanntgemacht wurde, da verlange von ihm Zeugen dafür, oder du stellest dich unter den römischen Schutz. So er das hören wird, da wird er gehen und dir fürder keinen Strafzehent mehr auferlegen. Tue das, und es wird schon alles gut sein und werden!“ 4. Sagte der Wirt: „Aber nun ist auch das Mittagsmahl schon bereitet! Sollen wir das nicht vorher einnehmen, daß wir darunter nicht gestört werden durch den Obersten?“ 5. Sagte Ich: „Wir nehmen ganz ungestört das Mahl ein, – und wären auch hundert Oberste draußen mit dem Fischzählen beschäftigt! Er kann sich sogar zu uns hereinbegeben, so er will, und er wird ehest gerne sich mit heiler Haut von da nach Hause begeben.“ 6. Als der Wirt solches von Mir vernahm, ward er sehr froh, sandte sogleich einen Boten an den Obersten, und wir gingen ans Mahl und waren dabei voll guter Dinge, besonders über die durch das Gewitter erfolgte Flucht der vielen Morgengäste. 7. Ich aber sagte nach dem Mahle zum Wirte: „Nun kommt er schon; sieh aber du zuvor nach dem Behälter, und du wirst sehen, was für einen Fisch der Oberste darin finden wird!“ 8. Der Wirt ging nun schnell hinaus und entsetzte sich selbst, als er statt der großen Edelfische die früher beim Gewitter gesehene Riesenschlange darin herumschwimmen sah. 9. Der Oberste aber wollte vom Fischzählen auch nichts mehr hören, als er des Ungetüms ansichtig ward. Daß infolge des angeführten Umstandes unser Wirt mit dem Obersten bald und leicht fertig wurde, ist begreiflich; denn von dem Ungetüm verlangte er weder einen einfachen und noch weniger einen dreifachen Strafzehent. 10. Als er dessen ansichtig wurde, wich er eiligst zurück und sagte (der Oberste): „Da hat schon statt meiner dieses Ungeheuer den Zehent genommen! Ich hätte wohl sehr gerne ein paar Stücke von diesen Edelfischen auf meinem Tische gesehen, aber weil nichts mehr da ist, so muß es natürlich auch so gut sein. Wo nichts ist, da gibt es auch kein Gesetz und kein Recht, und so sind wir wieder gute Freunde; wenn du aber doch wieder einmal so einen Edelfisch fangen solltest, da laß mir ums Geld etwas zukommen! Denn so du nicht zehn Fische fängst, da gibt es ohnehin keinen Zehent. Aber nun schauen wir nur gleich, so recht weit vom Meere zu kommen; denn das Untier könnte sich aufs Land herauf bewegen und uns alle wie Fliegen wegschnappen! Denn es hat ja einen Rachen zum Häuserverschlingen!“ 11. Darauf eilte er schnell nach Hause und ließ sich dann lange nicht sehen am Meere, da er vor dem Ungeheuer einen zu mächtigen Respekt bekommen hatte. 12. Sowie aber der Oberste hinweg war, da empfahl sich, noch im Angesichte des Wirtes, auch das Ungetüm von einer Wasserriesenschlange und schwamm in großen Krümmungen schnell in die hohe See hinaus, allwo es infolge des hohen Wellenganges nicht mehr sichtbar ward. 13. Darauf besah der Wirt allein den großen Fischbehälter, und dieser war, so wie zuvor, voll der schönsten Edelfische. Darauf kam er voll Freude wieder zu uns, aß und trank an unserem Tische und erzählte uns, was er gesehen, und wie er mit dem Obersten ganz gut abgekommen sei. Zugleich aber fragte er auch, in welcher Gegend des Meeres sich solche Ungeheuer vorzüglich aufhalten, damit man sie zu meiden wüßte; denn es wäre etwa doch nicht sehr geheuer, mit ihnen irgendwo zusammenzustoßen. 14. Da sagte Ich: „Sei darum ohne Sorge! Dieses Untier wohnt in der möglichst größten Tiefe des Meeres und kommt etwa alle hundert Jahre bei höchst großen Stürmen zum Vorschein, die unter dem Wasser ihren Ursprung haben, was auf den Binnenmeeren eine höchst seltene Erscheinung ist. Dann und wann, wenn diese Untiere der Hunger antreibt, so sie in ihrer Tiefe zuwenig zum Fraße bekommen, kommen sie wohl ans Ufer und rauben da Schafe, Lämmer und Kälber, auch Eselsfüllen und Schweine; Menschen und größere Tiere aber greifen sie nur selten oder auch wohl nicht an. Aber von nun an wird es nie wieder zum Vorscheine kommen; denn seine Lebenszeit ist zu Ende; darum brauchst du dich auch nicht zu fürchten vor ihm. Dem Obersten aber übersende erst nach ein paar Tagen einen Edelfisch, und er wird sich damit ganz zufriedenstellen. – Jetzt aber kann wieder ein jeder eine Frage stellen, so er noch über etwas im unklaren ist; denn von morgen an werden wir etliche Tage hier ruhen und wenig reden von den geistigen Dingen!“ 15. Sagten alle: „Herr, es gibt nun beinahe nichts mehr, um was wir Dich noch fragen könnten; denn wir haben von Dir ohnehin schon über alles die allerweisesten Lehren bekommen!“ 16. Sagte Ich: „Nun ruhet, und denket über die empfangenen Lehren nach!“ Kapitel 67 Großes Evangelium Johannes, Buch 6 67. — Die Unsterblichkeit der Menschenseele 1. Sagte der Wirt: „Ich habe zwar auch schon über vieles aus Deinem göttlichen Munde Belehrungen empfangen, aber dennoch hätte ich noch so manche gewichtige Frage im Hintergrunde. Eine darunter kommt mir aber als für das Leben von der größeren Wichtigkeit vor, und so es Dir genehm wäre, möchte ich die Frage wohl gerne von Dir beantwortet haben!“ 2. Sagte Ich: „Wie klingt denn hernach deine Frage?“ 3. Sagte der Wirt: „Also, Herr und Meister: Siehe, der Mensch weiß es recht gut, das heißt durch Lehre, daß seine Seele, von der man auch keinen so ganz rechten Begriff hat, unsterblich ist; aber bei allem noch so festen Glauben mischt sich darunter dennoch stets das bittere Gefühl des gänzlichen Absterbens und endlichen vollen Vergehens und Verschwindens aus der Reihe der lebendigen und ihrer selbst bewußten Wesen. 4. Mit dem Gedanken des Seins in und über dem Grabe kann man sich selbst bei dem besten Willen nie derart befreunden, daß das Herz darüber eine Wonne empfände, sondern es erschaudert stets von neuem darüber, weil ihm eben in diesem wichtigsten Punkte trotz aller noch so energischen Mühe von gar keiner Seite her ein Licht werden will. 5. Weil aber eben der Tod und das Grab des Menschen bitterste Gedanken sind, und weil darüber kein haltbares Licht von irgendwoher zu erhalten ist, so ist es so manchem Menschen wahrlich nicht zu verargen, daß er sich in allen Taumel der Welt hineinstürzt, um diese schwarzen Gedanken in sich zu übertäuben. Also über diesen höchst wichtigen Lebenspunkt wäre so ein rechtes Licht aus Deinem Munde, o Herr, wahrlich etwas höchst Notwendiges! Denn was nützen dem Menschen auch die allerweisesten Lehren, wenn er das Leben der Seele nach dem Tode nicht als völlig klar in seinem inneren Lebensbewußtsein besitzt?! Man befolgt wohl die Gesetze und die Lehren, aber mehr der äußerlichen, bürgerlichen Ordnung denn irgendeiner sicheren Gewinnung des Ewigen Lebens wegen. 6. Ich bin nach Möglichkeit doch noch einer der treueren Befolger der Satzungen Mosis und habe über geistige Dinge stets am liebsten und am meisten mit den triftigsten Weisen aller Nationen verkehrt, und sie alle wußten am Ende über den fraglichen Punkt nicht mehr zu sagen denn ich selbst. Die Römer sagen, und mit ihnen auch die Griechen: ,Das ist eben der verhängnisvolle Schleier der Isis, den bis jetzt noch kein Sterblicher gelichtet hat!‘ Ja, das ist recht schön gesagt, und es liegt auch sehr viel Wahrheit darin; aber sie nützt uns leider nichts! Denn der Tote fühlt, hört und sieht nichts mehr, und wir, die wir noch an diesem Leben nagen wie die Würmer an einem faulen Stück Holz, sehen, hören und fühlen von dem Verstorbenen auch nichts anderes mehr als seinen toten und stinkenden Leib, der wenige Jahre darauf zu Staub und Asche wird. Also, Herr und Meister, der Du das Leben selbst bist nach Deiner Lehre, gib mir und eigentlich uns allen darüber ein unzweifelhaftes Licht, darum ich Dich sehr bitte! Denn wahrlich, mit dem finsteren Gedanken an den Tod, an das Grab und an die Vernichtung möchte ich kein Jahr mehr gemeinschaftlich leben!“ 7. Sagte Ich: „Ja, Mein lieber Freund, deine Frage ist ganz gut gestellt, und es leuchtet aus ihr ein menschliches Bedürfnis ersten Ranges hervor; aber dir darüber eine derartige Belehrung zu geben, daß du das ewige Leben deiner Seele durch ein entschieden klarstes Bewußtsein in dir fühltest, ist eine ganz überaus schwierige Sache! Denn sieh, Ich bin ja eben darum in diese Welt gekommen, um den Menschen dadurch das volle Innewerden des ewigen Lebens zu verschaffen, wenn er vollkommen nach Meiner Lehre lebt und handelt! Kennt aber ein Mensch Meine Lehre nicht, oder – so er sie auch kennt – lebt er aber dann dennoch nicht danach, so kann er zu diesem inneren Lebensbewußtsein auch nicht gelangen, weil Ich allein der Weg und die Türe dazu bin. 8. Du siehst an einem Baume die Blüte; aber von der werdenden Frucht ersiehst du während der Blütezeit wenig oder nichts. Erst wenn die Blüte abgefallen ist, wird ein ganz kleiner Fruchtansatz bemerkbar. Aber in der Frucht muß ja auch der Same mit dem Lebenskeime erwachsen; wo aber ist der noch im ersten kleinen Fruchtansatze zu bemerken?! Da scheint noch alles ein und dasselbe zu sein. Die Fähigkeit ist wohl schon darin, aber du vermagst sie noch lange nicht von all den andern leblosen Teilen zu unterscheiden, in denen kein Lebenskeim reift. Wenn aber die Frucht die völlige Reife erlangt, dann wirst du ganz leicht und ohne alle Mühe das Samenkorn entdecken. 9. Und siehe, nahe also ist es auch mit dem vollen und klaren Seelenlebensbewußtsein im Menschen! Solange der Mensch solches nicht in sich hat, so lange ist die Seele in ihrem Leibe noch nicht unterscheidbar von dem Fleische lebensreif. Sie ist noch zu sehr und zu eng verbunden mit dem Fleische und kann in sich denn nicht viel anderes fühlen und wahrnehmen als eben das Los ihres Leibes, – und selbst die besten Erklärungen können der noch lebensunreifen Seele das innere, völlig reife Lebensbewußtsein nicht geben. 10. Hat aber einmal durch die eigene Tätigkeit nach Meiner Lehre eine Seele die besagte Lebensreife erreicht, dann ist ihr jeder weitere Beweis dafür ganz unnotwendig. Oder bedarfst du wohl dafür eines Beweises, daß du nun naturmäßig in deinem Leibe lebst? Sicher nicht, und du müßtest jedem ins Gesicht lachen, der sich's vornähme, dir zu beweisen, daß du nun im Leibe lebst, dich bewegst und nach allen Richtungen hin tätig sein kannst. So du aber in einem tiefen Schlafe daniederlägest, könnte dir da ein noch so triftiger Beweis dafür, daß du noch lebst, etwas nützen, da du ihn gar nicht zu vernehmen imstande wärest?! 11. Siehe, auch ein jedes Tier hat eine Seele, deren Sein eben auch ein geistig- substantielles und somit unzerstörbares sein muß, da es sonst den Tierleibesgliedern keine Bewegung geben könnte! Gehe aber hin und erkläre es einem Tiere, was seine Seele ist, und wie es lebt allein durch die Seele! Würde ein Tier wohl verstehen, was du zu ihm gesagt hättest? Sicher ebensowenig, als wenn du solches zu einem Steine geredet hättest! Warum aber versteht das Tier solches nicht, und warum hat es nicht Worte, um seine Empfindungen einem andern Geschöpfe mitzuteilen? 12. Siehe, eine Tierseele ist notwendig noch zu tief in ihr Fleisch eingegraben und empfindet außer dem Bedürfnisse ihres Leibes nahezu nichts! Will jemand ein Tier zu einer ganz einfachen Arbeit abrichten, so muß er sich viele Mühe nehmen, um eine Tierseele aus ihrem Fleische insoweit zu wecken, daß es dann versteht, was der Mensch von ihm will. 13. Glaubst du aber, daß es Menschen gibt, deren Seelen eben nicht gar zu weit über den Tierseelen stehen, ja manchmal von ihnen sogar augenscheinlich übertroffen werden? Nun, solche Seelen durch Worte zu einem inneren Lebensbewußtsein schon diesseits zu bringen, wäre eine völlig vergebliche Arbeit und Mühe! Es genügt hier für solche Menschen schon ein blinder und stummer Glaube, daß ihre Seelen nach dem Tode des Leibes fortleben und dort entweder einen Lohn oder eine Strafe zu erwarten haben, auf daß sie sich dadurch in irgendeine gesetzliche Ordnung, wie der Ochse in sein Joch, fügen. Alles Weitere muß für einen andern Lebenszustand aufbewahrt werden. 14. Ein Tier kann nur durch allerlei schmerzerregende Zucht in eine brauchbare Tätigkeitsintelligenz gebracht werden, – ebenso ein ganz gemeiner Weltmensch, dessen Seele nur nach der Befriedigung der Leibesbedürfnisse strebt, aber bis auf die Wortbefähigung vor einer Tierseele nahezu nichts Erhebliches aufzuweisen hat.“ Kapitel 68 Großes Evangelium Johannes, Buch 6 68. — Die Ursache der Todesfurcht 1. (Der Herr:) „Daß aber Menschen wie du es bis jetzt von dem Fortleben der Seele nach des Leibes Tode zu keinem bestimmten Bewußtsein haben bringen können, davon habe Ich dir den Grund bereits gezeigt, und du wirst ihn auch eingesehen haben; aber die Furcht vor des Leibes Tode liegt eigentlich nicht so sehr in dem unbestimmten Bewußtsein des Lebens der Seele nach dem Abfalle des Leibes, als vielmehr in der Liebe zur Welt und in der Selbstliebe. Durch diese beiden Liebearten wird die Seele stets mehr und mehr in ihr Fleisch vermengt, und die Folge davon ist, daß sie eben dadurch das Gefühl des Sterbens, Vergehens und Aufhörens stets mehr und mehr zu ihrem eigenen machen und übergehen muß in allerlei Angst und Furcht. 2. Siehe, die Urväter der Menschen dieser Erde hatten keine Furcht vor dem Tode des Leibes, sondern oft nur eine Sehnsucht danach, daß sie befreit würden von dem gebrechlich gewordenen Leibe! Sie hatten ob ihres Gott wohlgefälligen Lebenswandels von Zeit zu Zeit helle Blicke und Gesichte ins Jenseits und hatten sich dadurch ein klares und wahres Bewußtsein über das Leben der Seele nach dem Abfalle des Leibes erworben. 3. Aber in dieser Zeit ist ja beinahe aller Glaube an Gott bei den Menschen erloschen! Wo sollte dann bei den Menschen das helle Bewußtsein des Lebens der Seele nach dem Leibestode noch herrühren?! 4. Ich sage es dir: Wo man an dem Grunde alles Lebens schon beinahe allgemein zweifelt, da ist es dann gar nichts Wunderbares, wenn man über das Fortleben der eigenen Seele nach des Leibes Tode in starkem Zweifel ist. 5. Gehe hin zu den Sadduzäern, und du wirst finden, daß sie fürs erste äußerst materielle, die Welt und sich über alles liebende Menschen sind, fürs zweite an gar keinen Gott glauben und darum fürs dritte auch die Unsterblichkeit der menschlichen Seele völlig ableugnen und jeden einen Narren schelten, der irgend an die Unsterblichkeit der menschlichen Seele, die nichts als ein wahnsinniges Phantasiebild eines schwachhirnigen Menschen sei, glaubt, und das gar durch leere Reden beweisen will. 6. Weiter siehe an die rechten Kyniker, Schüler des weltweisen Griechen Diogenes! Das sind sogar wahre Feinde des Lebens, und sie verwünschen irgendeine Kraft, die sie ohne ihre Einwilligung ins Leben rief. Sie leben zwar höchst gesittet und nüchtern und verachten allen Luxus, ja selbst die geringste Bequemlichkeit des Lebens. Für sie ist die größte Wohltat der Tod, hinter dem sie kein Leben mehr, sondern das ihnen höchst erwünschte gänzliche Nichtsein erwarten. 7. Aber dafür kannst du wieder in Indien noch heutzutage Menschen finden, die mit den Seelen verstorbener Menschen geradeso umgehen wie mit Lebenden und sich mit ihnen über tausenderlei geheime Dinge besprechen. Diese Menschen haben auch nicht die allerleiseste Spur von einer Furcht vor des Leibes Tode, – im Gegenteil ist der Sterbetag eines Menschen bei ihnen ein wahrer Jubeltag und die Geburt eines Kindes zur Welt ein wahrer Trauertag. 8. Siehe, so sind in dieser deiner fraglichen Hinsicht die Menschen höchst verschieden! Wovor sich oft ein Volk sehr fürchtet, davor hat ein anderes Volk sogar unter den verschiedenartigsten Lehren und Erwartungen nicht die allerleiseste Furcht und Angst. Am meisten aber fürchten sich vor dem Leibestode die Juden, und der Grund davon ist eben ihre große Weltliebe und sinnliche Lust. Wer diese so sorgfältig pflegt wie die Juden, der muß mit der Zeit um alles höhere Licht kommen; denn nichts schadet dem rechten und lebendigen Glaubenslichte so sehr als eben die Unzucht, allerlei Geilheit und die förmliche fleischliche Hurerei, die schon seit langem bei den Juden um vieles ärger gang und gäbe ist denn sogar bei den allerfinstersten Heiden. Diese Sünde erstickt die Seele förmlich im Schlamme des Fleisches und tötet sogar das Fleisch selbst. Wenn aber also, woher soll dann solch eine Seele das lichte Lebensbewußtsein nehmen?! 9. Du bist nun zwar ein Mensch, der Mir sehr angenehm ist, und Ich werde dir mit der rechten Zeit schon wieder das Lebensbewußtsein in deine Seele legen; aber in deinen jungen Jahren hast auch du den Fleischeslüsten sehr gehuldigt, und sieh, eben darin liegt denn auch bei dir hauptsächlich der Grund, warum du trotz all deines noch so fragenden Forschens bis jetzt noch immer zu keinem vollwahren und untrüglichen Lichte gekommen bist! Bei deinem gegenwärtigen keuscheren Leben wirst du auch bald zu mehr innerem Lebenslichte gelangen und dann nicht mehr also fragen, wie du jetzt gefragt hast. – Hast du Mich nun wohl verstanden?“ 10. Sagte der Wirt: „O ja, nur zu gut habe ich Dich verstanden und sage nun mit den Römern: HINC ERGO ILLAE LACRIMAE! ["Daher also jene Tränen!", d.h.: das also ist die Ursache!] Ja, ja, Herr, Du Allwissender, meine Jugendsünden haben viel von meiner seelischen Lebenskraft aufgezehrt, und jetzt in meinen älteren Tagen merke ich gar sehr deren Abgang. Es ist hier nur die Frage, wie man das nun nur einigermaßen wieder ersetzen kann und mag.“ 11. Sagte Ich: „Solange ein Mensch auf dieser Erde lebt und einen vollkommen lebendig ernsten Willen hat, ist das alles noch gar wohl möglich, wovon dir David ein lebendiges und handgreifliches Beispiel gibt; denn auch er hatte zu einer Zeit, die euch nicht unbekannt ist, viel gesündigt in der Sphäre der Fleischeslust. Aber er hat sich dann auch zu rechter Zeit ermannt, sündigte aus Liebe zu Gott nicht mehr und ward darum ein Mann nach dem Herzen Gottes. Denn wahrlich, Ich sage es dir, daß im Himmel mehr Freude ist über einen Sünder, der seine Sünden als solche erkennt, sie verabscheut, wahrhaft bereut, eine rechte und vernunftgemäße Buße übt und sich vom Grunde aus bessert und nicht mehr sündigt, denn über neunundneunzig Gerechte, die der Buße nie bedurft haben! Oder ist das nicht unter den Menschen also der Fall, daß ein Mensch über eine verlorene und dann wieder glücklich gefundene Sache von einem noch so unbedeutenden Werte mehr Freude hat denn über seine großen Schätze, die da nie verloren waren?! Siehe, ebenso ist es auch bei Gott, und wäre es nicht also, so hättest du Mich nun in dieser deiner Herberge wahrlich nicht als deinen Gast! 12. Es ist wohl sehr wahr, daß dir deine Jugendsünden so manchen Schaden gebracht haben, sowohl für dein Fleisch, wie dadurch auch für deine Seele; aber da du das erkannt hast und hast dich ganz abgewendet von der Sünde, so bin Ich denn auch zu dir in dein Haus gekommen, um dich vollständig von allen deinen Übeln zu heilen. 13. Wo aber Ich einmal eingezogen bin, da ist auch die vollste Vergebung aller Sünden und das Licht und das ewige Leben selbst eingezogen. Ich kann dir darum sagen, daß deinem Hause und dir selbst nun ein großes Heil widerfahren ist, und die Folgen werden dich darüber näher belehren denn nun Ich Selbst; denn Ich habe dir nun nur die Belehrung und die Verheißung gegeben, aber erst in der Erfüllung wirst du die Fülle der Wahrheit in dir gewahren.“ Kapitel 69 Großes Evangelium Johannes, Buch 6 69. — Die göttliche Liebe, ihre Fürsorge und Weisheit 1. (Der Herr:) „Wahrlich, Ich sage dir: Wer Mein Wort hört, es als Wahrheit annimmt und treu danach lebt und handelt, der wird hinfort keinen Tod mehr fühlen noch schmecken! Aber wer Mich nur so als eine wohl gute Beute neben der Welt gleichschrittig einherziehen will, der wird bis zu seinem diesweltlichen Ende wenig des geistigen Lebenstrostes in sich verspüren, und jenseits wird sich dann erst klar zeigen, was bei ihm das Übergewicht hatte. Denn wer mehr Welt in sich hat, der wird sehr zu tun haben, um nur einmal das Gleichgewicht herzustellen, und Ich Selbst werde noch gar lange nicht in seinem Hause zu Gaste sitzen und bei Ihm Meine Ruhe nehmen. 2. Du aber, der du nun das weißt, sei guten Mutes, und denke dir, daß man mit einem Hiebe keinen voll ausgewachsenen Baum umhaut, und du wirst Ruhe finden in deinem Gemüte! Du brauchst von nun an bloß nach Meinem Worte zu handeln, und dir wird das andere, was du suchest, schon zur rechten Zeit hinzugegeben werden. 3. Sorge dich auch nicht so sehr um dein Haus, und was die Deinen essen und trinken werden; denn das tun nur die Weltmenschen und die Heiden, die von Gott und respektive von Mir nichts wissen! Suche nach Meinem Worte nur allein das Reich Gottes und seine lichtvollste Gerechtigkeit, die da vor allem besteht in der Liebe zu Gott und zum Nächsten, so wird dir alles andere ganz frei hinzugegeben werden! 4. Siehe an die Blumen auf dem Felde, die nichts arbeiten und auch nichts ernten, und der Vater im Himmel sorget dennoch also für sie, daß sie ernährt werden und dazu am Ende noch um vieles herrlicher bekleidet sind, als je Salomo in seiner höchsten Königspracht bekleidet war. 5. Wenn aber Gott schon für das Gras also sorgt, das heute wächst und morgen abgemäht und nach einer alten Sitte in Bündeln getrocknet und in dem Ofen zu Asche verbrannt wird, um wieviel mehr wird Gott erst für jene Menschen sorgen, die Ihn lieben und Seine Gebote halten! 6. So aber schon die Menschen, die zumeist nun arg und böse sind, ihre Kinder lieben und ihnen möglichst viel Gutes erweisen, um wieviel mehr wird der allgütigste Vater im Himmel das denen tun, die Er als würdig für Seine Kinder befunden hat! Oder hast du je von einem Menschen vernommen, der mit vieler und wahrer Weisheit begabt war, daß er grausam und unerbittlich hart gegen seine Nebenmenschen oder gar gegen seine Kinder gewesen wäre?! 7. Es ist seit Menschengedenken bekannt, daß ein weiser Mensch auch ein guter Mensch ist und allen Menschen Gutes will. Nur die Weisheit gab den Menschen Gesetze, durch deren leichte Beachtung sie alle vollauf glücklich werden könnten; sie sanktionierte die Gesetze nur der bösen und eigensinnig- ungehorsamen Menschen wegen, damit die guten Menschen ein Mittel in ihren Händen hätten, die bösen Narren zum Guten mit Gewalt anzuhalten, so die sanften Ermahnungen nichts fruchteten. Also ist auch die Sanktion der Ordnungsgesetze ein Akt der Liebe und Erbarmung aus der Weisheit. 8. Wenn aber schon eine volle Weisheit der Menschen nur Gutes wirkt, und die unweisen Menschen zum wahren Glücke des Lebens lenkt, um wieviel mehr die allerhöchste und tiefste Weisheit Gottes! 9. Daß sie wider ihre eigene Ordnung, von der das Bestehen aller Kreatur abhängt, nicht wirken kann und auch ewig nie wirken wird, das muß ein jeder nur einigermaßen weise Mensch gar wohl begreifen, weil dadurch die Existenz und das Glück aller guten und seligen Wesen gefährdet würde. Aber die höchste Weisheit will auch die widerspenstigen Geister und Wesen zum Guten und Wahren bringen und hat zu dem Zwecke die tauglichsten Mittel gestellt, die dem verstockten Sünder freilich wohl nicht wie Milch und Honigseim schmecken werden, – aber es wird dennoch stets von seinem Willen abhängen, sie zu ändern, wenn er wollen wird. 10. Und also steht es denn auch schon hier. Alles hängt von dem ernsten Wollen des Menschen ab; so er sich ernstlich bessert und volltrauig Gott bittet um etwas Rechtes und Gutes immer in Meinem Namen, so wird es ihm gegeben werden nach dem Maße seiner wahren Besserung und seines Glaubens und Vertrauens. Und du kannst nun mit solcher Meiner allerwahrhaftigsten Verheißung denn auch vollends zufrieden sein. 11. Wer dies alles wohl bedenkt und danach tut, der wird in allem ganz glücklich sein und vor des Leibes Tode keine Angst und Furcht mehr haben, so er auch zuvor ein großer und grober Sünder gewesen ist. Denn Gott, der Vater im Himmel, hat Mich ja nur um der Sünder und nicht um der Gerechten willen in diese Welt gesandt, und wie Mich der Vater gesandt hat, ebenso werde auch Ich euch zu den Sündern senden; denn nur die Kranken bedürfen des Arztes, und nicht die Gesunden. – Bist du nun ganz im klaren?“ 12. Sagte der Wirt: „Oh, wer sollte da nun noch im unklaren sein?! – Aber nun fängt der Tag sich auch schon ein wenig zu neigen an. Was sollen wir nun anfangen?“ 13. Sagte Ich: „Das hängt nun von dir ab; denn für heute, morgen und übermorgen werde Ich gar nichts bestimmen. Hast du aber irgend etwas, so sage es, und Ich werde sehen, was da zu tun sein wird!“ Kapitel 70 Großes Evangelium Johannes, Buch 6 70. — Das versunkene Land 1. Sagte der Wirt: „Ich hätte wohl etwas; aber es kommt mir beinahe als zu geringfügig vor, um Dich, o Herr, damit zu belästigen!“ 2. Sagte Ich: „So rede; denn Mir ist nichts zu geringfügig in der Welt!“ 3. Sagte der Wirt: „So wolle mich denn gnädigst anhören! Siehe, ich habe nebst dieser Besitzung noch eine Hube unfern von hier, allwo ich meine besten Rinder und Schafe halte, und habe dort auch mehrere recht getreue Knechte und Mägde! Im großen Tiergarten, der allenthalben mit dem üppigsten Grase bestellt ist, hat sich vor ein paar Monden eine nahe bei ein viertel Morgen großes Stück Land derart eingesenkt, daß nun an der Stelle ein derartiges Loch besteht, daß seine Tiefe gar nicht zu ermessen ist und man auch gar nicht wissen kann, ob sich da nicht bald noch mehr Land nachsenken wird. 4. Ein alter, in diesen Dingen ziemlich kundiger Mann fragte mich, ob sich die Tiere dem Loche nahen. Und ich sagte ihm, wie es ist, die volle Wahrheit. Ich ließ einige Schafe und Rinder nahe an das Loch bringen; aber je näher sie dem großen Loche kamen, desto mehr sträubten sie sich, und als sie nur mehr etwa zehn gute Schritte vom Loche entfernt waren, da rissen sie aus und liefen jählings von dannen. Selbst die Ziegen sind nicht in die Nähe des Loches zu bringen, obwohl sie sonst auf den höchsten Felsen ganz behaglich und unerschrocken herumzuklettern pflegen. Darauf sagte der kundige Mann, daß dies ein sicheres Zeichen wäre, demnach da noch mehr Land einsinken werde. Und in dieser mir als Grundbesitzer immerhin sehr mißlichen Sache frage ich denn nun auch Dich, was das zu bedeuten hat, was da noch zu erwarten ist, und ob dem Übel doch vielleicht möglich durch irgend etwas abgeholfen werden könnte.“ 5. Sagte Ich: „Da gehen wir hinaus und besehen diesen Mutwillen der rohen Erdgeister, die das verübt haben durch Antrieb von anderen Geistern jener verstorbenen Menschen, die darum als deine Feinde hinübergewandelt sind, weil du die Hube infolge einer gerichtlichen Pfändung ob der nicht bezahlten großen Schulden käuflich an dich gebracht hast! Gehen wir also hinaus und nehmen die Sache in Augenschein!“ 6. Wir erhoben uns nun schnell von unseren Sitzen und zogen zu der verhängnisvollen Hube hinaus, die etwa eine kleine halbe Stunde von da entfernt war. Wir kamen sonach bald zu dem wahrlich sehr unheimlichen Loche. Außer Mir und dem Wirte getraute sich niemand, völlig an den Rand des Loches zu treten. Die zwanzig neuen Jünger schauderten schon von weitem zurück; denn es war das Loch wahrlich recht grauenhaft anzusehen. Der Wirt sagte, daß er selbst dem Loche noch nie so nahe gekommen sei und erst jetzt seine unabsehbare Tiefe sehe. 7. Ich aber sagte zu ihm: „Gehe hin und bringe Mir einen recht tüchtigen Stein, und Ich werde sehen, ob das Loch nicht auszufüllen ist!“ 8. Da ging der Wirt und brachte Mir einen mindestens zehn Pfund schweren Stein. Ich aber nahm den Stein und schleuderte ihn mit großer Gewalt in das Loch. Bald fing aus dem Loche eine gewaltige Rauchsäule sich zu erheben an und verbreitete einen stark schweflichen Gestank. 9. Ich aber bedrohte die Rauchmasse und sagte: „Ihr argen Geister alle, Ich, der Herr, gebiete euch, dieses Loch alsogleich auszufüllen für jetzt und alle Zeiten!“ 10. Da vernahm man aus der Rauchmasse Stimmen, die da riefen: „Jesus aus Nazareth, Du Sohn des lebendigen Gottes, wir kennen Dich! Warum kamst Du denn, uns zu quälen vor der Zeit? Wir sind hier gedrückt und machten uns Luft. Warum gönnst Du uns diese Freiheit nicht? Hier ist uns ein großes Unrecht geschehen, das unsern Leib tötete. Wir haben alles verloren. Warum soll der Käufer nun nicht auch etwas verlieren? Wir bedürfen dieses Fleckes Landes in unserer entsetzlichen Tiefe. Warum sollen wir es denn nicht besitzen?“ 11. Sagte Ich: „Tut, was Ich euch befohlen habe, oder es wird euch noch Ärgeres widerfahren!“ 12. Da senkte sich der Rauch, und im Innern des Loches fing es ganz gewaltig zu toben und zu brausen an. Es dauerte dieses jedoch nur ganz kurz, und schon bemerkte man, wie das eingesunkene Erdreich allmählich heraufstieg, und nach einer kleinen Stunde war das Loch wieder völlig also unkenntlich ausgefüllt, daß da niemand merken konnte, daß dieser Teil je eingesenkt war. 13. Ich aber berief nun alle die alten und neuen Jünger und sagte: „O ihr Kleinmütigen! So gehet denn jetzt her und betretet den eingesunkenen Boden als erhoben aus seiner Tiefe, und erkennet, wie der Macht des göttlichen Willens nichts widerstreben kann!“ 14. Da gingen alle Jünger hin und überzeugten sich völlig, wie der Macht Meines Willens nichts einen Trotz bieten kann. Kapitel 71 Großes Evangelium Johannes, Buch 6 71. — Das Wesen der bösen Geister 1. Der Wirt aber fragte Mich, was denn die Geister in der ersichtlichen Rauchmasse damit hätten sagen wollen, daß Ich sie nicht vor der Zeit quälen solle. 2. Sagte Ich: „Siehe, alle die abtrünnigen Geister halten das für eine Qual, so sie zum Gehorsam gegen Gott ermahnt werden; denn aller Hochmut kennt für sich keinen Gehorsam, da er allein nur herrschen und gebieten will. Sie aber meinten, daß sie noch zu kurz in der Geisterwelt seien, als daß sie nun Meinem göttlichen Willen sich als gehorsam erweisen sollten. Siehe, ihnen wäre es nun schon am allerliebsten, wenn sie so eine völlige Ewigkeit in ihren bösen und rachsüchtigen Freuden verbleiben dürften, und es ist ein jeder Geist, der sie zu einer Ordnung und zu einem Gehorsam ermahnt oder oft gar mit Gewalt antreibt, ihr Feind und ihr Quäler! 3. Darum bedrohte Ich sie denn auch sogleich, und sie mußten sich fügen und fügten sich auch, obwohl mit dem größten Unwillen. Allein, das macht nichts für derlei Geister, die im Gerichte und somit auch im Tode stecken, da ihre eigensinnige Freiheit nicht eine Freiheit, sondern nur ein Gefängnis und ein ärgstes Gericht ist, aus dem sie nach und nach nur dadurch mehr und mehr befreit werden können, so ein mächtigerer Wille denn der ihrige sie ergreift und zu einer guten Tat zwingt. 4. Sie gleichen jenen Schläfern, die sich in allerlei süßen Träumen als Fürsten und Könige herumwiegen, im Traume allerlei dummes Zeug zusammenreden und sich oft sehr abmühen. Nun weiß aber jedermann, daß derlei Träume der menschlichen Naturgesundheit eben nicht sehr zuträglich sind, und daß es gut ist, solche Morgensüßträumer zu wecken. Wenn da solch ein Schläfer geweckt wird von einem Wachen, wie wird er da voll Ärgers und Grimmes! Aber wenn er mit der Zeit völlig wach wird, so ist er dann dennoch sehr froh darob, daß er von seinem betäubenden Schlafe geweckt worden ist. Er ist mit dem Wachwerden freilich um alle seine schönen Fürstentümer gekommen und von einem Könige wieder zu einem ganz gewöhnlichen Menschen herabgesunken; aber als solcher ist er auch eben zu der klaren Erkenntnis gekommen, daß sein Königtum nichts als nur ein eitel krankhafter Fiebertraum gewesen ist. 5. Und sehet, so geht es auch mit solchen Geistern, nur mit dem Unterschiede, daß sie in solchen Träumen oft eine gar sehr lange Zeit zubringen und sich selbst dann noch äußerst schwer erwecken lassen! 6. In einem ähnlichen Traume befinden sich aber auch alle die weltlichen und diesirdischen Glücksritter, die in allen Gattungen der menschlichen Seinssphäre auf dieser Erde überaus reichlich vertreten sind. Sie fühlen sich ganz glücklich dabei, und wehe dem, der es wagen würde, sie für den Ernst dieses Lebens zu wecken durch Worte und Taten! Aber so man doch aus den vielen einen oder den andern dann und wann zu erwecken imstande ist, so wird der Erweckte darauf sicher sehr froh werden, weil er in dem geistwachen Zustande erst die Gefahr stets mehr und mehr zu erkennen und einzusehen beginnt, in der er sich in seinem blinden Sinnenschlafe befunden hatte. 7. Daher möget ihr es denn auch versuchen, ob irgendein solcher sinnenberauschter Mensch noch nüchtern und wach zu machen ist! Ist er es, so erwecket ihn, und es wird euch das von großem Nutzen sein, weil er dann wieder leichter denn Ich auf seine Sinnesverwandten fruchtbringend rückwirken kann; läßt er sich aber nicht erwecken, so lasset den faulen und trägen Esel schlafen! Da müssen dann schon andere Weckmittel kommen, um solche Schläfer zu wecken. Dergleichen Mittel aber heißen Krankheiten aller Art und Gattung, Krieg, Hungersnot und Pestilenz. – Habt ihr das verstanden?“ 8. Sagte der Wirt: „O ja, Herr und Meister, es ist genau also, und es muß auch schon also sein! Aber etwas traurig bleibt die Sache mit solchen Schläfern immer, weil da, wenn Gott einmal die großen Übel über die Menschen ausgießt, gar oft der Unschuldige mit den vielen Schuldigen leiden muß.“ 9. Sagte Ich: „Er leidet aber auch so als ein Wacher unter den so vielen Schläfern, und somit verliert er wenig oder nichts. Oder ist es etwa wohl sehr angenehm, sich in einem Gemache als ein Wacher unter lauter Schlafenden zu befinden und lautlos zu sein?!“ 10. Sagte der Wirt: „Ja, ja, das ist wohl sehr wahr, – es müßte eine wahre Pein sein für einen weisen Menschen, sich unter lauter Narren und unter Stummen und Blinden zu befinden, mit denen er nie nur ein vernünftiges Wort tauschen könnte! Und da ist dann wahrlich ein Leiden, das zu einer Besserung führt, besser in sich selbst denn ein Leiden, das offenbar zu keiner Besserung führt. Ah, Herr, ich weiß es gar nicht, wie unaussprechlich glücklich ich nun bin in Deiner vollstgöttlichen Gegenwart! Ich werde Dich nicht aus meinem Hause allein ohne mich fortziehen lassen können; denn ohne Dich würde mir nun schon alles ganz weltfremd und überaus unheimlich vorkommen. Aber nun möchte ich denn doch wissen, wie tief nach irdischem Maße dieses Loch war.“ 11. Sagte Ich: „Das war sehr tief; die Tiefe maß bei tausend Ellen.“ Kapitel 72 Großes Evangelium Johannes, Buch 6 72. — Geistereinflüsse bei natürlichen Vorgängen als Zulassungen der Vorsehung 1. Sagte der Wirt weiter: „Aber haben die rohen und argen Geister wohl eine so große Kraft, ein so bedeutendes Stück Land, das noch dazu sehr fest ist, in eine solche Tiefe hinabzudrücken?“ 2. Sagte Ich: „Sie haben eigentlich ebensowenig Kraft wie ein schlafender Held; aber es wird dann und wann zu ihrer eigenen Weckung zugelassen, daß etwas nach dem Willen einer höheren, vollwachen, geistigen Macht in der Wirklichkeit geschieht, was solche argen Geister in ihrer nichtigen Traumphantasie ausführen wollen, und wozu sie stets leere Anstalten machen. Geschieht dann so etwas, so werden sie plötzlich wach und sehen ihr Elend ein. Dadurch werden dann manche aus ihrem bösen Traumleben in ein wacheres durch ihr eigenes Wollen versetzt und hüten sich darauf schon mehr, in solche bösen Phantasien zu geraten, damit nicht wieder über sie etwas einstürze und sie übel zurichte in ihrem vermeinten freien Sein. 3. Es war aber das nur ein Zusammentreffen von schon seit lange her wohlberechneten Umständen zur Erreichung eines guten Zweckes. Hier unter diesem Stück Land befand sich schon seit für euch undenkbaren Urzeiten der Erde eine große Höhlung und machte eine unterirdische Fortsetzung des Meeres aus. Allein mit der Zeit verlegte und verstopfte sich durch den angehäuften Meeresschlamm die schon anfangs etwas enge Verbindung des Offenmeeres und des mit ihm verbundenen unterirdischen, das von dem offenen seinen Zufluß hatte. Als dieser mit der Länge der Zeiten ganz versiegt war, da versank nach und nach das unterirdische Wasser, und es entstand dadurch ein großer hohler Raum. Durch die öfteren Erdbeben löste sich unter diesem Landstücke ein lockerer Teil um den andern ab und fiel in die Tiefe des hohlen Raumes. Dadurch ist dies eingestürzte Stück Land natürlich stets dünner und schwächer in seiner Haltbarkeit geworden. 4. Als in der jüngsten Zeit von den rohen Erdgeistern infolge einer stummen Erregung von seiten der argen Seelen, die sich ihrer Materiellheit wegen dem Seinsraume nach zumeist in den unteren Erdhöhlen aufhalten, eine kleine Rüttlung der Erde bewirkt ward, da fiel denn auch seiner Schwäche wegen dieses ganze Stück Land ein und stürzte in die Tiefe hinab. Das war der eigentlich ganz natürliche Grund; aber er ist dennoch nicht pur ganz natürlich, sondern auch geistig, da er schon seit undenklichen Zeiten zum Behufe des Erwachens der argen Schlafgeister von Gott vorgesehen und zugelassen wurde. 5. Und so geschieht auf der Erde gar nichts so ganz eigentlich pur Naturmäßiges für sich, sondern allzeit in voller Verbindung mit dem Geistigen, eines geistigen Zweckes wegen; denn es ist in aller Welt das Geistige streng mit dem Naturmäßigen im steten Verbande und in einer steten wechselseitigen Aufeinanderwirkung, was ihr aber erst dann völlig klar einsehen werdet, wenn ihr durch die Taten nach Meiner Lehre in eurem Geiste wiedergeboren sein werdet. – Nun aber können wir uns nach dieser getanen Arbeit schon wieder nach Hause begeben; denn wir werden dort auch etwas Neues antreffen.“ 6. Sagte der Wirt: „Herr, soll ich nicht zuvor meine Knechte und Mägde hierher rufen, auf daß auch sie es erfahren, was für ein nie erhörtes Wunder hier bewirkt wurde?“ 7. Sagte Ich: „Lasse du das heute nur gut sein; denn dafür ist morgen auch der Zeit zur Genüge! Daß sich deine Dienstleute darüber sehr verwundern werden, das ist etwas ganz Gewisses; aber sie werden aus solcher Verwunderung für ihre noch sehr sinnlichen Seelen sehr wenig Nutzen schöpfen, denn sie sind zumeist Griechen und somit noch recht finstere und sehr abergläubische Menschen und werden diese Wirkung sogleich irgendeinem sogenannten Halbgotte zuschreiben. Sie werden dich über den Grund dieser Erscheinung eher noch zu unterweisen anfangen als du sie; und sagst du ihnen, daß Ich, der Zimmermann aus Nazareth, solches bewirkt habe, so werden sie dich entweder auslachen oder sagen, daß Ich Selbst mit einem Halbgotte in irgendeiner Verbindung stehe und darum solches wohl zu bewirken imstande sei. 8. Derlei Menschen sind zur Aufnahme des Reiches Gottes noch lange nicht fähig; sie müssen zuvor auf eine geschickte Weise vorbereitet und in den Stand gesetzt werden, heller über alle Erscheinungen in der Naturwelt zu denken und zu urteilen. Aber diese Menschen leiten alles auf den Willen der unsichtbaren Götter zurück, deren Gegenwart sie ordentlich zu riechen wähnen, und da ist mit der vollen Wahrheit aus den Himmeln Gottes noch lange nichts anzufangen; daher lassen wir sie und begeben uns nun wieder nach Hause!“ 9. Darauf verließen wir die Stelle und zogen nach Hause in unsere Herberge. Kapitel 73 Großes Evangelium Johannes, Buch 6 73. — Die ertrunkene Tochter des Wirtes und ihre Erweckung 1. Als wir allda gerade mit dem Untergange der Sonne ankamen, da bemerkte der Wirt, daß das Meer nun in einer allerstärksten Aufregung sich befinde und er in einer Entfernung von etwa hundert Feldwegen ein Schiff sehe, das bei diesem gar sehr fürchterlichen Wogengange offenbar zugrunde gehen werde. Ob man denn solch einem bedrängten Schiffe nicht eine Hilfe bringen solle? 2. Sagte Ich: „Einem andern, ja, – aber diesem nicht! Der vormittägige Wind hat es so weit vorgeschoben; aber ein anderer Wind wird es schon wieder zurücktreiben. Das ist eben das Schiff mit denjenigen Argen aus Jerusalem, die Mich fangen und töten sollen. Aber nun sind sie in Meiner Gefangenschaft und werden noch ein paar Tage und ein paar Nächte darin zu verweilen haben, – dann soll sie ein Wind an die Küste hinter Tiberias treiben und sie erlösen von ihrer Qual. Darauf werden sie ganz nüchtern sich nach Hause begeben und Mir sobald nicht mehr nachstellen und nach Meinem Leben fahnden. Sieh, der Wind ist schon bei ihnen und treibt das Schiff von diesen Gestaden hinweg! Aber lassen wir nun das; im Hause wartet ganz etwas anderes auf uns! Begeben wir uns daher nur in unsere Herberge!“ 3. Der Wirt und alle waren voll Neugier, was es denn darin Neues für uns gäbe, und wir begaben uns darum ganz hurtig ins Haus. Und siehe, eine älteste Tochter des Wirtes lag so gut wie völlig tot auf einem Bette und triefte von Wasser. Sie war allein an den großen Fischbehälter gegangen, um etliche der großen Edelfische für unser Abendmahl zu holen; aber sie konnte die großen und starken Tiere nicht überwältigen und wurde von einem Fische durch einen starken Schneller ins tiefe Wasser geworfen. Es kamen auf ihren Schrei freilich wohl gleich Retter herbei; aber sie konnten sie beim besten Willen nicht schneller, als es möglich war, aus dem Wasser bekommen, und die Folge davon war, daß sie ohne alle Lebenszeichen aus dem Wasser gehoben ward. Daß das eine große Bestürzung im ganzen Hause hervorrief und man sogleich in die Stadt um einen Arzt sandte, der auch sogleich ankam und alles anwandte, um die Ertrunkene wieder ins Leben zu rufen, braucht kaum erwähnt zu werden. Aber trotz alles Weinens der Mutter und der anderen Geschwister und trotz aller Mühe des Arztes gab die Ertrunkene dennoch kein Lebenszeichen mehr von sich. 4. Da ward auch unserem Wirte bange, und er wandte sich bittend an Mich und sagte (der Wirt): „Herr, ich weiß nun, daß Dir alle Dinge möglich sind!“ 5. Hier unterbrach Ich ihn und sagte: „Sei nun stille von allem; Ich will hier kein Aufsehen erregen! Der Arzt, der auch ein Pharisäer ist, wird bald sehen und sagen: ,Meine Mühe ist bei dieser Ertrunkenen nun eine völlig vergebliche; denn sie ist unrettbar tot.‘ Dann bezahle du ihm schnell seine Mühe, worauf er dann auch schnell von dannen eilen wird; Ich werde dir dann schon das Meinige unter vier Augen tun. Aber so Ich Meine Hände an die Ertrunkene legen werde, da darf außer uns niemand im Zimmer sein, – auch dein Weib und deine andern Kinder nicht.“ 6. Bald darauf erklärte der Arzt, daß die Tochter leider völlig tot sei. Aber sie sollten sie dennoch in erwärmte Tücher legen; vielleicht erwache sie doch noch in einigen Stunden. Das sagte er aber nur, um den Eltern einige Fünklein Trostes zu hinterlassen. Der Wirt bezahlte den Arzt, und der entfernte sich auch sogleich mit froher Miene und versprach, daß er alsbald die Klageweiber selbst bestellen werde. Der Wirt aber sagte, daß er damit nur noch bis morgen warten solle; so es notwendig werden solle, so werde er selbst am Morgen schon zu ihm kommen. Darauf ging der Arzt seiner Wege weiter. 7. Und als das Zimmer von allen überflüssigen Menschen geleert war, da trat Ich zu der Ertrunkenen hin, legte ihr Meine Hand auf und sagte: „Tochter, stehe auf von deinem Schlafe!“ 8. Und in demselben Augenblicke richtete sich die Tochter im Bette auf und fragte sogleich, was denn mit ihr nun vorgegangen sei. Sie wisse wohl, daß sie ins Wasser gefallen sei, aber wie sie da in dies Bett gekommen sei, das wisse sie durchaus nicht. 9. Ich aber sagte zu ihr: „Siehe, du warst dem Leibe nach völlig tot; aber Ich, der Ich das Leben aus Mir Selbst bin, habe dir nun das Leben wiedergegeben. Aber in der Folge sei klug und verrichte nur solche Arbeiten, für die du die hinreichenden Kräfte besitzest, ansonst dir wieder etwas Ähnliches widerfahren könnte. Der Fleiß eines Menschen ist stets löblich zu nennen; wenn er aber seine Kräfte übersteigt, so ist er nicht mehr löblich, sondern sehr töricht. Merke dir das, und sage es auch deiner Mutter und deinen sonst sehr braven Geschwistern! Nun aber stehe auf und zeige dich deiner Mutter und deinen um dich noch sehr gewaltig trauernden Geschwistern, und sorget nun für unser Abendmahl!“ 10. Hierauf erhob sich die Tochter schnell vom Bette, dankte Mir für solche große Gnade und begab sich dann sogleich hinaus zu der Mutter und zu den Geschwistern, die sich alle darauf vor lauter Freude nicht zu helfen wußten. 11. Die Tochter aber bekannte laut und sagte: „Der große Meister aus Nazareth hat mir das getan; aber er sagte auch, daß wir ihm darum nun sofort ein gutes Abendmahl bereiten sollten, – und so tun wir denn das auch vor allem!“ 12. Da griff alles zu, und wir hatten bald ein reichliches Mahl vor uns. Der Wirt konnte vor lauter Dankbarkeit beinahe zu keinem Worte kommen. 13. Die neuen Jünger konnten auch nicht genug erstaunen über dieses Zeichen und sagten: „Das würde sicher den ganzen Tempel bekehren!“ 14. Ich aber sagte: „Ein noch größeres Zeichen ähnlicher Art wird eben die Templer über Mich derart erbittern, daß sie dann alles aufbieten werden, um Mich zu töten. Mehr brauche Ich euch wahrlich nicht zu sagen! – Doch davon nun nichts Weiteres mehr, sondern seien wir nun alle wieder frohen Mutes und essen und trinken, was da vor uns ist!“ 15. Darauf aßen und tranken die Jünger und hatten ihr Wesen mit allerlei Erzählungen aus dem Bereiche ihrer Erlebnisse und Erfahrungen. Kapitel 74 Großes Evangelium Johannes, Buch 6 74. — Das Pharisäerschiff auf bewegter See 1. Die neubelebte Tochter, ihre Mutter und ihre Geschwister kamen auch zu uns und behorchten die Reden der Jünger, die diesmal viel von den argen Spukgeistern und Teufeln zu erzählen wußten und auch eine Behauptung aufstellten, der nach sich so manche Menschen vor den Verfolgungen dieser unsichtbaren, argen Wesen gar nicht zu schützen imstande wären. Man könne solche Zulassungen von Gott aus nicht gar wohl einsehen; es wären da die von den Teufeln Besessenen sehr in eine rechte Betrachtung zu ziehen, besonders da, wo das Besessensein schon bei den zarten Kindern vorkomme. 2. Da sagte auch unser Wirt: „Ja, das ist eben eine sehr sonderbare und durchaus nicht begreifbare Sache! Ich selbst habe Erscheinungen dieser Art schon gar oft bei Kindern in einem Alter von fünf Jahren gesehen, die auf eine erbärmlichste Weise von den sie besessen habenden Geistern zugerichtet wurden. Das Sonderbare dabei ist nur das, daß nahezu niemand mehr solchen Übeln abhelfen kann.“ 3. Sagte Ich: „Meine alten Jünger sind da schon eingeweiht und können dir darüber Bescheid geben, namentlich Simon Juda – nun Petrus – und Jakobus und Johannes; sie können solchen Übeln auch sogleich abhelfen gleichwie Ich. Aber Ich Selbst rede nun nichts Weiteres darüber; denn Ich habe ehedem gesagt, daß Ich die etlichen Tage Ruhe nehmen werde im Lehren wie auch im Handeln. Ihr alle aber könnet reden und tun, was ihr wollet; nur machet Mich nicht ruchbar in der Gegend, und noch weniger in der Stadt!“ 4. Die Jünger setzten dann ihre Erzählungen fort, und Johannes erklärte den Neujüngern die Erscheinung des Besessenseins, und als er so gegen die Mitte der Nacht hin damit zu Ende kam, da begaben wir uns alle zur Ruhe. 5. Am Morgen standen wir dennoch schon recht früh auf, und Ich ging mit den drei vorerwähnten Jüngern vor dem Morgenmahle hinaus ins Freie. Der Wirt kam uns auch bald nach; aber die andern Jünger blieben im Hause und zeichneten sich so manches auf. Wir aber besprachen uns über das Schicksal des Pharisäerschiffes, das sich noch in der Mitte des Meeres mit den mächtigen Wogen herumbalgte. Der Wirt meinte, ob der Wind es noch nicht hinter die Stadt Tiberias geschoben hätte. 6. Ich aber sagte: „Bis jetzt noch nicht; das wird ihnen erst in ein paar Tagen zuteil werden, das heißt, wenn sie ihre Gesinnung etwas ändern werden, – ansonst lasse Ich sie noch etliche Tage lang nahezu in der Mitte des Meeres stehen und vergeblich rudern!“ 7. Der Wirt verstand nun, daß mit Mir durchaus kein Scherz zu treiben sei, und gab Mir recht, daß Ich die argen Verfolger Meiner Person also plage. Der Wirt aber war eben ein großer Feind der Templer und hatte darum eine große Freude, so über sie irgendeine namhafte Bedrängnis kam. 8. Wir sprachen nun weiter nichts mehr darüber und betrachteten die starken Wogen des Meeres und die vielen Scharen der Wasservögel, die bei so starkem Wogengange stets gegenwärtig sind und ihren Fraß suchen. Der Wirt fragte, wo diese Vögel denn dann sich aufhielten, so das Meer ruhig sei. 9. Und Petrus, als ein mit dem Meere sehr vertrauter Fischer, sagte: „Siehe, das sind im Grunde eine Art Wasserraubtiere, die nur dann so häufig und in großer Anzahl zu sehen sind, wenn es für sie etwas zu rauben gibt; sonst sitzen sie an den Gestaden des Meeres, die nicht zugänglich sind, weder von der Land- noch von der Wasserseite. An solchen Stellen gibt es eine Menge Insekten und Würmer, die diesen Tieren zur Nahrung dienen. Bei großen Stürmen aber verkriechen sich derlei Insekten und Würmer, und die Vögel ziehen dann hungrig auf den Raub der kleinen Fische aus, und so der Sturm sich gelegt hat, da kehren sie wiederum heim, wo sie ihre gut verwahrten Nester haben. Da hast du nun, was du noch nicht hattest; es liegt zwar nicht viel daran, aber es ist dennoch gut, auch derlei ganz gut zu wissen.“ 10. Damit war unser Wirt ganz zufrieden und meinte, daß wir nun zum Morgenmahle zurückkehren könnten. Kapitel 75 Großes Evangelium Johannes, Buch 6 75. — Von der rechten Beschauung der Natur 1. Ich aber sagte: „Dazu haben wir noch eine Stunde Zeit, und es ist hier auf diesem Hügel ganz gut sein und zu betrachten, wie sich Gottes Gedanken vor unseren Augen verkörpern.“ 2. Sagte der Wirt: „Herr, wie ist das wohl zu sehen?“ 3. Sagte Ich: „Da hierherum, was du mit deinen Augen erschauest, mit den Ohren vernimmst und mit irgendeinem andern Sinn wahrnimmst, das sind lauter verkörperte Gedanken Gottes. Du siehst den mächtigen Wogengang. Wer treibt da das Gewässer so hoch und läßt es zu keiner Ruhe gelangen? Siehe, das ist Gottes Gedanke, belebt durch Seinen Willen! Sieh an die vielen Vögel, die mit den Wogen ihr Wesen treiben! Was anders wohl sind sie als pur verkörperte Gedanken Gottes?! Das ganze Meer, alle die Berge, alles Getier, alle Gräser, Kräuter und Bäume, alle Menschen, die Sonne, der Mond und alle die zahllos vielen Sterne sind nichts anderes. Ihr Dasein hängt ganz allein von der für dich jetzt noch völlig unbegreiflichen Beständigkeit des Willens Gottes ab. 4. Ich setze den möglichen Fall, der aus der endlosesten Freiheit des göttlichen Willens wohl erklärlich ist, daß Gott von einem dieser vor uns seienden verkörperten Gedanken abzöge Seinen Willen, so wäre es mit der Verkörperung auch schon im selben Momente gar. Der geistige Gedanke in Gott bliebe wohl, aber der Körper lösete sich gewisserart in ein pures Nichts auf. Wir aber haben hier vor uns dieses für den wahren Gottesfreund so hochwichtige Bestehen, Sein, Werden und auch Vergehen der Gedanken Gottes! Ist es nicht eine wahre Lust, diese zu betrachten und an ihnen von Tag zu Tag näher kennenzulernen die Liebe, Weisheit und Allmacht Jehovas?! 5. Seht dort im Osten die Wölkchen, wie sie sich bald vergrößern, bald wieder verkleinern und bald wieder gänzlich vergehen! Das sind ebenfalls Gottes Gedanken, die, von dem Willen nur ganz leise aus der Luft zusammengezogen und in eine flüchtige Körperlichkeit übergehend, uns in stets veränderlichen Formen zu Gesichte kommen. Diese Formen sind dem ursprünglichen geistigen Elemente offenbar näher denn die gefesteten Berge und alle die andern Gebilde, die uns allda nach allen Seiten hin umgeben; aber es ist ihr Sein dennoch ein unvollkommeneres, und sie müssen erst durch ein öfteres Auftauchen in eine andere Form, als zum Beispiel in den Tropfen des Regens, übergehen und dann als Nährstoff in einer oder der andern Pflanze eine bestimmtere und beständigere Form annehmen, und so bis zum Menschen herauf, von wo aus sie dann als völlig freie und selbständige und selbst frei denkende und frei wollende Wesen für ewig unveränderbar und bestandbar ins rein Geistige und Gottähnliche übergehen können und auch werden. 6. Sieh, wer also die Geschöpfe Gottes betrachtet, der findet eine große Lust und Freude daran! Und Ich sage es dir, daß solch eine Betrachtung dem Menschen mehr Kraft verleiht denn ein zu früh eingenommenes Morgenmahl. – Findest du das nun nicht auch also?“ 7. Sagte der Wirt: „O ja, Herr und Meister! Aber zu solcher belebenden Betrachtung gehört auch Deine Weisheit; ich könnte da schauen ein Jahrhundert lang und würde das von Dir uns nun Geoffenbarte dennoch nicht herausgefunden haben! Von nun an wird es sich bei mir auch schon besser machen; denn ich bin ein Freund der Natur und ergötze mich gerne an ihren Gebilden und Formen. Nur wenn sie manchmal hie und da ausartet, dann bleibe ich ihr auch sehr gerne fern. Wenn große Stürme kommen und die Wolken uns mit Blitz und Donner zu vernichten drohen, da hat dann meine Naturfreundlichkeit auch ein Ende; aber so in ihrem stillen Wirken und Sein liebe ich sie außerordentlich. Zwar ist nun dieser Meereswogensturm auch kein stilles Wirken der Natur, aber er ist uns Festlandbewohnern eben nicht gefährlich und ist somit schon noch mit einem behaglichen Gemüte anzuschauen; würde aber ein gewaltiger Orkan das Meer zu einer solchen Bewegung nötigen, so wäre es hier eben nicht sehr behaglich, die Natur in ihrem Tun und Treiben zu beobachten und daraus den großen Gottesgedanken, belebt von Seinem Willen, zu erkennen.“ 8. Sagte Ich: „Das ist schon ganz sicher also; aber es ist dieses von Mir dir nun Gesagte auch kein Gebot, sondern nur ein guter Rat, – denn sonst müßten die Menschen auch in die Tiefen des Meeres hinabsteigen und dort nach allen Richtungen die Verkörperungen der großen Gedanken Gottes beobachten. Wo es aber der Mensch ohne Gefahr und ohne Schaden an seinem Leben tun kann, da tue er es von Zeit zu Zeit, und er wird daraus so manchen Nutzen für Seele und Leib ziehen und auch mehr und mehr in sich den Geist der wahren Liebe zu Gott und also auch zum Nächsten erwecken. 9. Denn um Gott wahrhaft lieben zu können, muß man Gott stets mehr und mehr zu erkennen trachten. Wem daran nicht am meisten gelegen ist, der muß es sich am Ende selbst zuschreiben, wenn bei ihm das innere Gefühl und Bewußtsein über das ewige Fortleben der Seele nach des Leibes Tode nur ein höchst schwaches ist und bleibt; denn dieses wahre Lebensgefühl ist eben ja nur die Folge der wahren, lebendigen Liebe zu Gott und daraus zum Nächsten. 10. Gott in Sich als Vater ist ja eben in Seinem Urgrundwesen die Liebe und dadurch das Leben selbst, weil Liebe und Leben ein und dasselbe sind. Wer sonach die Liebe zu Gott in sich hat, welche allein das Lebenselement ist, der hat auch das wahre, göttliche, ewige Leben in sich. Wer aber solche Liebe nicht hat, der ist in sich tot; sein Leben ist nur ein Scheinleben und somit so lange ein Gericht, bis es nicht freiwillig die Liebe zu Gott in sich erweckt und selbsttätig belebt hat. Und siehe nun, eben darum ist es gut für den wahren Menschen, so er von Zeit zu Zeit tiefere Betrachtungen über das anstellt, was sich seinen Sinnen zur Wahrnehmung darstellt! – Verstehst du jetzt, was Ich dir gesagt habe?“ 11. Sagte der Wirt: „Ja, Herr und Meister, jetzt ist mir auch das klar; nur ist das nun in der Welt sehr zu beklagen, daß die meisten Menschen von solchen allergewichtigsten Lebenslehren gar keine Ahnung haben! Aber ich werde es nicht an einem rechten Eifer ermangeln lassen, wenigstens das, was ich nun weiß, den empfänglichen Menschen bei guten Gelegenheiten beizubringen. Was aber mag da doch die Hauptursache sein, daß die Menschen in dieser Zeit gar so entsetzlich sinnlos geworden sind?“ Kapitel 76 Großes Evangelium Johannes, Buch 6 76. — Die Ursachen des Verfalles der Menschen. Theokratie und Königtum. Endzeit und Gericht 1. Sagte Ich: „Denke nach, was Ich darüber schon gesagt habe; vor allem aber sind der Hochmut, die Trägheit, die Selbstliebe und die daraus erwachsene Herrschsucht die Ursachen solch eines Verfalles der Menschen. 2. Schon zu den Zeiten Samuels sind die Menschen träger und arbeitsscheuer geworden. Sie fingen an, sich vor gewissen Arbeiten zu schämen und ließen solche nur von gewissen gedungenen Knechten und Mägden verrichten. Die reichen Besitzer legten ihre Hände in den Schoß und ließen die anderen für sich arbeiten. Wer für sie am meisten gearbeitet hatte, der bekam auch den bessern Lohn, was denn auch recht war; aber bei dieser Gelegenheit haben sich nach und nach aus den Besitzern eine Art kleiner Herrscher gebildet, die durchaus keine noch so kleine knechtliche Arbeit in ihre Hände nehmen wollten, sondern sie befahlen nur den Knechten und Dienstmägden eine Arbeit, selbst rührten sie diese aber auch nicht mit einem Finger an. 3. Wie die Eltern waren, so wurden auch ihre Kinder, nämlich träge, selbst- und herrschsüchtig. Sie lernten befehlen über die Dienenden, aber ihre zarten Hände wollten sie nimmerdar besudeln mit einer knechtlichen, gemeinen Arbeit. Diese Unart wuchs bei den Menschen von Jahr zu Jahr und erreichte nur zu bald jene Stufe, auf der der ohnehin schon so wohlgenährte Hochmut keine hinreichende Sättigung mehr fand. Er, der Jude, blickte wehmütig auf den Glanz und auf die großen und hohen Würdenträger der heidnischen Völker, und unter einem Könige sah er eine der allerhöchsten Menschenehren und höchsten Würden. Kurz er wollte auch einen weltlichen König haben und war nicht mehr zufrieden mit der reinsten Herrschaft Gottes durch Seher und Richter! 4. Als das Volk, gegen alle guten Ermahnungen der Seher sich sträubend, von Samuel dennoch einen König verlangte, da trug der fromme Diener Gott das Begehren des törichten Volkes vor, da er aus sich nicht wußte, was er tun sollte. 5. Da sprach Jehova zu ihm: ,Sieh, zu allen Sünden, die dieses Volk schon vor Meinem Angesichte begangen hat, begeht es nun auch diese größte: daß es einen König verlangt! Gehe hin und salbe den größten Mann aus dem Volke! Dieser wird es züchtigen für seinen an Mir begangenen Frevel.‘ 6. Siehe, das sind, ganz kurz zusammengedrängt, die Worte Jehovas auf das arge Begehren des Volkes! Die Folgen des dadurch stets mehr und mehr genährten Hochmuts des Volkes kannst du zum Teile lesen in dem Buche der Könige und in der Chronik, allwo in Kürze die schönen Geschichten aufgezeichnet sind, – zum größten Teile aber hast du sie nun eben vor deinen Augen. 7. Freund, nur in der wahren Demut liegt der Weg zum inneren Leben der Seele! Wer aber besitzt nun diese? Siehe, nicht einmal ein Diener seines Herrn; denn er bemißt sich den Dienern der andern Herren gegenüber nach der Ehre und nach dem Ansehen seines Herrn! Ist diese irgend um einen Grad höher denn die eines andern Dieners Herrn, so wird des geringern Herrn Diener schon gleich mit Verachtung angesehen, und es werden zwischen beiden wenig Worte gewechselt. 8. Ich sage es dir: „Solange nicht die wahre, reine Liebe und die ihr entsprechende Demut die Völker ordnen und leiten wird, so lange auch wird es im allgemeinen finster sein auf der Erde. Daß es immer einzelne geben wird, die im Lichte sein werden, das ist sicher und gewiß, aber deren wird es stets nur wenige geben. Denn solange es weltgroße und über alle Maßen stolze und ruhmsüchtige Herrscher in der Welt geben wird, so lange auch wird in allen Schichten der Menschheit der Same des Hochmuts und der Mitherrschgier fortwuchern, und es werden Nacht, Finsternis, Selbstsucht, Neid, Geiz, Verfolgung und Verrat als die wahren Elemente der Hölle vom Boden der Erde nicht weichen bis zu einer Zeit des großen Gerichtes, in der Ich die Erde von neuem durchs Feuer reinigen werde. Nach solcher Zeit wird kein König mehr herrschen über ein Volk der Erde, sondern allein das Licht Gottes. Im Fleische werdet ihr jene Zeit nicht erleben, wohl aber hell und überklar im Geiste in Meinem Reiche.“ 9. Sagte der Wirt: „Herr, wann nach der Anzahl der Jahre wird jene glückliche Zeit kommen?“ 10. Sagte Ich: „Darum weiß allein der Vater, und nach Ihm weiß es nur der, dem es der Vater wird offenbaren wollen. Mir hat es bis jetzt Mein Vater noch nicht geoffenbart, außer das, daß solches geschehen wird. Das aber könnet ihr alle als völlig wahr annehmen, daß nämlich nahe alle zweitausend Jahre auf der Erde eine große Veränderung vor sich geht. Und so wird es auch, von jetzt an gerechnet, werden. – Doch nun von dem nichts mehr weiter!“ 11. Sagte der Wirt: „Herr, wenn es Dir genehm wäre, so dürfte nun das Morgenmahl wohl schon ganz bereitet sein!“ 12. Sagte Ich: „Nun, so gehen wir denn hin und nehmen es ein!“ 13. Darauf gingen wir heim, allwo das Morgenmahl schon unser harrte. Die zurückgebliebenen Jünger fragten uns, wo wir denn gewesen wären, daß sie uns nicht hätten finden können. 14. Ich aber sagte: „Wir waren gerade dort, wo wir waren, und ihr suchtet uns aber dort, wo wir nicht waren, und darin liegt der ganz einfache Grund, demzufolge ihr uns nicht gefunden habt. Nun aber essen und trinken wir!“ 15. Es ward darauf das Morgenmahl eingenommen, und während des Essens bemerkte ein Judgrieche, daß Meine Antwort auf ihre Frage denn doch etwas sonderbar geklungen hätte, und sie wüßten nicht, wie sie dieselbe deuten sollten. 16. Da sagte Ich zu ihnen: „Gerade also, wie Ich sie euch gegeben habe! Wenn ihr tiefer darüber nachdenken wollet, so werdet ihr auch eine große geistige Wahrheit darin finden.“ 17. Sagten die Jünger: „Das wird etwas schwer sein; denn das scheint nichts als eine ganz gute Wortstrafe für unser vorwitziges Fragen zu sein!“ 18. Sagte Ich: „Oh, mitnichten! Ich will es euch aber sagen, was darin liegt, und was Ich damit habe sagen wollen. Und so höret Mich denn an! 19. Wahrlich, die Mich nicht dort suchen, wo Ich bin, die finden Mich nicht und werden Mich auch nicht finden. Es werden Mich mit der Zeit noch gar viele suchen und nicht finden! Es werden Zeiten kommen, in denen gar viele falsche Propheten und Messiasse aufstehen und zu euch sagen werden: ,Siehe, hier ist der Gesalbte!‘ oder ,Dort ist er!‘ Aber all denen glaubet es nicht, denn wo sie angeben werden, daß Ich zu finden sei, da werde Ich gerade am allerwenigsten schon eigentlich gar nicht und nimmer zu finden sein. Wer Mich suchen wird in irgend etwas, das nur im geringsten nach einer Welttümlichkeit riecht, der wird Mich nicht finden, sondern nur der, welcher Mich in der wahren Liebe, Demut und Selbstverleugnung suchen wird, der wird Mich auch sicher allzeit und allenthalben finden. 20. Ihr aber seid darum ein wenig ärgerlichen Gemütes hinausgegangen, Mich zu suchen, dieweil Ich euch zuvor nicht angezeigt habe, wohin Ich Mich heute morgen vor dem Mahle begeben werde. Und sehet, das war fürs erste nicht der rechte Ort, geistig in eurem Gemüte Mich zu suchen daselbst, und es konnte darum fürs zweite auch der rechte Ort äußerlich nicht gefunden werden, allwo Ich Mich befand! 21. Es hat aber das nun keinen Bezug auf euch gegen Mich, sondern Ich zeigte euch das nur in einem Bilde, wie die Sache dereinst werden wird. Daher soll, Mir gleich, denn auch ein jeder rechte Lehrer bei jeder Gelegenheit seine Worte also stellen, auch bei den geringfügigsten Sachen, daß sie als eine Grundlage zu einer neuen, wichtigen Lehre dienen mögen. Denn wahrlich sage Ich euch: Im Reiche der Geister, die da rein sind vor Gott, werdet ihr auch für jedes eitel leere Wort Rechnung legen müssen und vor dem reinen Lichte der Wahrheit aus Gott zuschanden werden!“ 22. Diese Worte mundeten den Jüngern gerade nicht sehr angenehm; aber sie zeichneten solche dennoch ganz tief in ihr Gemüt. Kapitel 77 Großes Evangelium Johannes, Buch 6 77. — Auf einem Berge bei Kapernaum 1. Nach dem bald eingenommenen Morgenmahle aber begaben wir uns alle auf einen ziemlich hohen Berg nahe bei Kapernaum. Auch der Wirt und die vom Tode erweckte Tochter gingen mit, und der Wirt befahl einem Knechte, daß er etwas Brot und Wein mittragen solle, da Ich zuvor zu ihm im stillen sagte, daß wir bis zum Abend hin auf dem Berge verweilen werden. Einem andern Knechte aber befahl er, zwei der größten Edelfische als ein Regale (Geschenk) dem Obersten zu übermitteln. Das geschah denn auch, und wir machten uns sofort auf den Weg und bestiegen in ein paar Stunden ganz leicht den Berg. Von der sehr günstig gelegenen Höhe des Berges übersah man einen großen Teil des Galiläischen Meeres, und man konnte sogar das Schiff ersehen, das noch seine große Not mit den Wogen des Meeres hatte. 2. Da sagte der Wirt: „Die tollen Menschen auf jenem Schiffe werden wahrscheinlich auch gar keinen Mundvorrat mehr besitzen und werden somit vom Hunger stark geplagt sein!“ 3. Sagte Ich: „Etwas durchnäßtes Brot haben sie wohl noch, und das genügt für ihre Bosheit! Sie haben aber bereits ihren argen Plan aufgegeben und werden sich nun anschicken, eine Rückfahrt zu versuchen, und dazu soll ihnen ein Wind zu Hilfe kommen. Aber sie werden noch der Angst zur Genüge zu bestehen bekommen, bis sie ein Ufer erreichen werden; denn gar zu leichten Kaufes sollen sie noch nicht vom Wasser ans trockene und feste Land kommen!“ 4. Sagte der Wirt: „Weißt Du, Herr, die argen Templer erbarmen mich gar nicht, – aber die armen Schiffer, die werden für ihre große Mühe und Angst nicht nur gar keinen Lohn, sondern noch eine Strafe bekommen, weil die Pharisäer ihnen alle Schuld geben werden, daß sie auf diesem Binnenmeere das Schiff nicht haben vom Flecke zu bringen vermocht!“ 5. Sagte Ich: „Oh, sorge du dich nur darum nicht! Das sind handfeste Griechen aus der Gegend Tiberias; die werden nicht zu kurz kommen! Sie haben auch noch einen hinreichenden Mundvorrat bei sich, als geräucherte Fische, geräuchertes Schweinefleisch und doppelgebackenes Weizenbrot. Auch ein paar Schläuche Wein haben sie im Hinterteile des Schiffes, und da die Templer ihr durchnäßtes, ungesäuertes Brot nicht wohl essen können, so kaufen sie den Schiffern um ein teures Geld die Kost ab, und sonach leiden diese außer der Angst des möglichen Schiffuntersinkens gar keine anderweitige Not. Darum kümmern wir uns um sie auch gar nicht mehr; gegen den Abend hin sollen sie mit vieler Mühe und Anstrengung das Ufer erreichen! Also sei es!“ 6. Damit waren alle zufrieden, und niemand wollte nun mehr des Schiffes gedenken. 7. Der Wirt aber kam wieder mit einer neuen Frage und sprach: „Herr, da Du gar um alles weißt, was da irgend ist und geschieht, so wirst Du auch wohl wissen, was etwa nun der vorgestern Dich verlassende Jünger Judas Ischariot macht, und wo er sich herumtreibt!“ 8. Sagte Ich: „Auch den lassen wir gehen! Übermorgen wird er ganz sicher wieder zu uns kommen; denn Ich werde ihn daran nicht hindern. Nun aber genießen wir hier die sicher sehr schöne Aussicht, und ihr beachtet dabei die Lehre, die Ich euch heute morgen gegeben habe, und einer unterweise dabei den Unkundigen, und ihr werdet eine eitle und auch wahre Lust daran haben!“ 9. Das wurde denn auch ins Werk gesetzt, und alle unterhielten sich dann bis gen Abend wohl damit, so zwar, daß sie dabei des mitgenommenen Brotes und Weines vergessen hätten, so sie daran nicht die Tochter des Wirtes erinnert hätte, weil sie selbst durch den eigenen kleinen Hunger und Durst daran erinnert ward. Kapitel 78 Großes Evangelium Johannes, Buch 6 78. — Ein Gespräch zwischen dem Wirt und dem Obersten über den Herrn 1. Am Abend begaben wir uns wieder zurück, und als wir ins Haus traten, da war denn auch ein reichliches Abendmahl für uns bereitet, und vom Obersten, der die zwei Edelfische zum Geschenke erhielt, wartete ein Bote auf den Wirt, ihm zu überbringen des Obersten Dank und einen Korb voll frischer Eier, von den großen Hühnern des Obersten gelegt. 2. Der Wirt bedankte sich dafür und sagte: „So ich wieder einen solchen Fisch fangen werde, da werde ich auch wieder des Obersten gedenken.“ 3. Da sagte aber der Bote: „Es wird das dem Obersten sicher eine große Freude machen; aber er erfuhr, daß sich hier der berüchtigte Prophet aus Nazareth zeitweilig aufhalten soll. Der Oberste möchte mit dir darüber selbst reden, und so würdest du ihn auch sehr erfreuen, so du zu ihm kämest und ihm darüber einen rechten Aufschluß gäbest. Wann kannst du zu ihm kommen? Bestimme selbst die Zeit!“ 4. Sagte der Wirt: „Mein lieber Freund, gedulde dich nur ein paar Augenblicke! Ich werde mich zuvor noch mit einem Freunde beraten, weil ich von morgen an etliche Tage hindurch ein Geschäft mit ihm vorhabe, bis wann wir fertig werden, – dann werde ich schon kommen und dem Obersten den rechten Aufschluß geben über den seltenen, wunderbaren Menschen aus Nazareth, den ich wenigstens recht wohl zu kennen glaube.“ 5. Hierauf kam der Wirt zu Mir in unser Speisezimmer und fragte Mich, was er da tun solle. 6. Ich aber sagte: „Gehe hin zu ihm heute noch, obwohl es schon abendlich geworden ist, und sage: Ich sei hier und werde hier verweilen, solange es Mir belieben werde. Wer aber wider Mich etwas hätte, der solle kommen und für sich mit Mir Selbst seine Sache abmachen. Denn Ich gebe für Mich Selbst Rechenschaft und sonst niemand in der ganzen Welt. Gehe hin und sage ihm das, und er wird mit dieser Auskunft ganz zufrieden sein! Sonst aber rede nicht viel von Mir zu ihm!“ 7. Mit dem Bescheide ging der Wirt schnell zum Boten hinaus und mit ihm auch schnell zum Obersten, der eben nicht gar weit vom Wirte sein Wohnhaus hatte, freilich wohl innerhalb der Stadtmauer. 8. Als unser Wirt zum Obersten kam, da war dieser froh, weil ihn die Gier schon sehr plagte zu erfahren, was an der Sache mit Mir sei. Nach einer gegenseitigen freundlichen Begrüßung fragte der Oberste sogleich, was da daran sei, daß man sage, der berüchtigte Prophet halte sich bei ihm, dem Wirte nämlich, auf und treibe da sein unheimliches Wesen. 9. Darauf sagte der Wirt, was zu sagen Ich ihm zuvor in den Mund gab. 10. Darüber aber machte der Oberste eine finstere Miene und sagte: „Aber wie kannst du als ein bekannter Mann und Wirt einen solchen nun schon allgemein verfolgten Menschen in deinem Hause beherbergen?“ 11. Sagte der Wirt: „Das ist als Gastwirt und Herbergsgeber meine Pflicht; denn ich darf vor niemand meines Hauses Türen schließen, sei er, wer er sei, und komme er, woher er kommen wolle. Ich habe nicht einmal das Recht, einen Dieb und Räuber hinauszuschaffen und ihn zu fragen, was er da wolle, weil eine rechte Herberge auch von ihm respektiert wird. Dazu ist meine Herberge eine ganz freie, in der volle sieben Tage hindurch sogar kein Verbrecher ergriffen und vor ein Gericht gestellt werden darf nach den Gesetzen Roms. Wenn aber das alles sich also verhält, warum sollte ich den berühmtesten Mann, den je die Welt hatte, nicht beherbergen, da er fürs erste nie jemandem etwas schuldig geblieben ist und fürs zweite der allerfreundlichste und beste Mensch ist, der mir je irgendwo und -wann vorgekommen ist?! 12. Er hat aber ja ohnehin am Sabbat in der Schule gepredigt. So du etwas wider ihn hast, so wäre da ja gerade der rechte Ort gewesen, ihn zu ergreifen und zur Rechenschaft zu ziehen! Ich als Wirt habe dazu kein Recht. Er ist aber nun noch bei mir; wenn du wider ihn etwas hast, so steht es dir so wie jedem andern Menschen ganz frei, selbst hinzugehen und dich mit ihm zu verständigen. Denn er sagte es mir ausdrücklich, daß da für ihn niemand in der ganzen Welt Rechenschaft zu geben habe; denn er stehe ganz allein für sich da, und soviel ich aus der Erfahrung weiß, scheut er niemanden und hat vor gar keinem Menschen irgendeine Furcht. Wohl aber dürfen die Menschen alle ihn fürchten, denn die Macht seines Willens geht ins Endloseste. Was er nur will, das geschieht und ist da. 13. Oder hat er nicht im vorigen Jahre deines Vorgängers Jairus Tochter vom Tode wieder zum Leben erweckt, was du sicher wissen wirst?! Und also ist er ein wahrster, wenn an und für sich auch unerforschbarer Wohltäter der Menschen. Was sollte ich da einen solchen Menschen nicht beherbergen, solange er bei mir die Herberge nehmen will?!“ 14. Sagte der Oberste: „Du bist in deinem Rechte, das weiß ich sehr wohl, und niemand kann dir da etwas in den Weg legen. Nur laß du dich etwa nicht berücken, an ihn zu glauben, daß er der verheißene Messias der Juden sei! Denn er streut solche gotteslästerliche Lehre im Volke aus, und ich weiß es nur zu gut, daß nun schon gar viel Volkes an ihn glaubt, weil er seine Lehre mit allerlei Zaubereiwerken bekräftigt, die er zum größten Teile sicher mit Hilfe des Beelzebub bewerkstelligt. Nur das wollte ich dir eigentlich gesagt haben, und es war mir darum sehr angenehm, daß du noch heute zu mir gekommen bist.“ 15. Sagte der Wirt: „Wahrlich, deshalb wäre es nicht nötig gewesen, mich zu dir rufen zu lassen! Denn da bin ich selbst ein in aller Welt zu erfahrener Mensch und besitze so viel Urteilskraft, um etwas Falsches vom Echten zu unterscheiden! Wir alle kennen den wunderbaren Menschen beinahe von seiner Geburt an und kennen seine Eltern, die da Menschen waren, die allzeit streng nach den Gesetzen lebten und handelten und somit wahre Muster des Gehorsams gegen Gott und gegen alle Seine Anstalten waren. Wenn sie aber das waren, wie sollte dann dieser eine, und zwar nach dem Zeugnisse Josephs, des frommen Zimmermanns, frömmste, wohlerzogenste und gehorsamste Sohn mit dem Beelzebub in Verbindung stehen und seine wahrhaft göttlichen Wunderwerke mit dessen nichtigster Hilfe verrichten?! 16. Wer über ihn ein vollgültiges Urteil schöpfen will, muß ihn nach allen seinen Seiten und Verhältnissen zu erkennen sich die Mühe geben; dann erst kann er mit Recht sagen und behaupten: ,So und so steht es mit dem Menschen!‘ Das ist so meine Ansicht. Aber einen Menschen gleich zu verdammen, ohne ihn selbst näher kennengelernt zu haben, finde ich gar keiner richterlichen, und am wenigsten einer priesterlichen Klugheit angemessen. Es wundert mich von dir, gleich den alten, bösen Weibern vom bloßen Hörensagen also zu urteilen über jemanden, den du nie gesehen und nie gesprochen hast. Gehe hin, und rede selbst mit ihm, – dann erst urteile über ihn!“ 17. Hierauf wußte der Oberste nichts zu sagen und dachte bei sich nach, was er tun solle. 18. Nach einer Weile erst sagte er (der Oberste): „Du hast zwar recht, und wäre ich kein Oberster, so würde ich wahrscheinlich ebenso denken wie du; aber ich bin der Oberste von hier und muß tun nach meiner Pflicht. So ich aber jemanden vor mir habe, wie du da einer bist, so denke und handle ich dann auch nicht als ein Oberster, sondern als ein Mensch. Wäre ich aber mehr Templer als ich bin, so hätte ich laut Auftrag des Tempels den Menschen aufgreifen und ihn nach Jerusalem ausliefern müssen. Weil ich aber mehr Mensch als ein Oberster bin, so ließ ich ihn sogar in der Schule predigen und ging selbst nicht dahin, auf daß es den Schein habe, als hätte ich davon keine Kunde. Aber der sonst sehr klug und weise sein sollende Nazaräer habe da eine höchst mystische und für niemand verständliche Rede gehalten und soll am Ende beinahe allein in der Schule gewesen sein. Na, wenn ich abkommen kann, so komme ich morgen oder übermorgen einmal hinaus; denn wenigstens möchte ich ihn denn doch!“ 19. Hierauf sagte der Wirt: „Tue das; ich stehe dafür, daß dich dessen niemals gereuen wird!“ 20. Darauf empfahl sich der Wirt und kam bald zu uns und erzählte Mir, wie er mit dem Obersten geredet habe. 21. Ich aber sagte zu ihm: „Du hast ganz gut geredet, da Ich dir doch Selbst die Worte in den Mund gelegt habe; aber dessenungeachtet bleibt der Oberste dennoch Templer, und so er einen neuen Antrieb, Mich zu verfolgen, von Jerusalem bekäme, so würde er das mit allem Eifer tun. Aber also ohne Antrieb ist er ein zu großer Freund der lieben Bequemlichkeit und läßt uns gehen und tun, was wir gewisserart wollen. Ob er aber Meinetwegen hierher kommen wird, das ist eine Frage, auf die schwerlich eine Antwort erfolgen wird; denn so der Oberste morgen erwachen wird, da wird er sich dessen, was du mit ihm geredet hast, kaum mehr erinnern. – Nun aber lasset uns zur Ruhe gehen; denn der Berg hat des Leibes Glieder müde gemacht!“ 22. Darauf erhoben sich alle von ihren Sitzen und begaben sich in die bestimmten Schlafkammern, die bei unserem Wirte ganz gut eingerichtet waren. 23. Von nun an blieb Ich noch zwei volle Tage allda, in welcher Zeit sich aber nichts von irgendeiner Bedeutung ereignete. Nur am dritten Tage morgens ging Ich mit den Jüngern und mit dem Wirte hinaus und gebot dem Meere Ruhe. Und alsbald legten sich die Wogen, und die Fischer eilten bald darauf an ihr Geschäft, da sie ohnehin schon bei fünf Tage lang hatten ruhen müssen, was ihnen eben auch nicht geschadet hatte. Kapitel 79 Großes Evangelium Johannes, Buch 6 Der Herr im Norden von Galiläa. (Ev. Joh. Kap. 7) 79. — Der Abschied vom Herbergswirt zu Kapernaum. Das innere Wort als Geheimnis Gottes im Menschenherzen (Ev. Joh. 7,1) 1. An diesem Morgen kam auch Judas Ischariot wieder zu uns und wollte zu erzählen anfangen, was er alles in Meinem Namen getan und geredet habe. 2. Ich aber sagte zu ihm: „Lasse das, denn Mir ist nichts unbekannt! Siehe zu, daß du nicht lügest! Damit aber das unterbleibt, so rede nicht; denn so du redest, so ist davon gut die Hälfte unwahr!“ 3. Darauf ward er still und sah sich um, daß er etwas zu essen bekäme. 4. Ich aber sagte nun zum Wirte: „Höre, Freund, es ist hier nun nichts Weiteres mehr zu machen, und Ich werde Mich nach dem Mittagsmahle von hier begeben! Denn es werden heute gen Abend eine Menge Fremde hier ankommen, darunter viele aus Jerusalem, und mit denen will Ich aus sehr weisen Gründen die Zusammenkunft vermeiden. Lasse denn ein gutes Mittagsmahl richten; dann aber steht es dir frei, uns eine Rechnung zu machen, wennschon nicht für Mich und Meine alten Jünger, so doch für die zwanzig Neujünger, die da des Goldes und Silbers reichlich mit sich haben!“ 5. Sagte der Wirt: „Nein, Herr und Meister, und wären Deine Jünger noch so viele zehn Jahre hindurch hier in dieser meiner Herberge, so dürfte mir keiner auch nur einen schlechten Stater bezahlen! Denn ich bin ja Dir, o Herr, ein so großer Schuldner geworden, daß ich Dir mit ganzen berggroßen Goldklumpen nimmer abzahlen könnte, was ich Dir schulde. Bedenke einmal den Fischfang, dann die wunderbare Zustopfung des großen Loches und endlich gar die Wiederbelebung meines liebsten Kindes! Mit welchen Schätzen der Welt könnte so etwas wohl nach Gebühr bezahlt werden?!“ 6. Sagte Ich: „Nun so gehe, und lasse uns ein gutes Mittagsmahl bereiten!“ 7. Und der Wirt ging und ordnete alles an. 8. Es traten aber nun die Jünger zu Mir und sagten: „Herr, wohin wirst Du nun wohl ziehen? Galiläa haben wir bereits von Ort zu Ort und von Haus zu Haus durchgemacht. Nur Judäa, Samaria und Kleinmesopotamia, wie auch Syria und die Gegend nach Damaskus hin, sind von uns noch wenig oder gar nicht betreten worden. Wie wäre es denn, so wir dahin zögen?“ 9. Sagte Ich: „Daß die von euch benannten Lande des Lichtes bedürfen, und vor allem das am meisten entartete Judäa, das weiß Ich; aber Ich ziehe nun dennoch nicht dahin, weil man Mir da am meisten nach dem Leben strebt. (Joh.7,1) Wohl kann Mich vor Meiner bestimmten Zeit niemand ergreifen, wovon Ich euch schon eine Menge Beweise geliefert habe, – aber Ich will das Judäavolk auch nicht noch ärger machen durch Meine Gegenwart, als es ohnehin schon ist. Die anderen Lande aber sind für Mich noch zu wenig reif, und wir werden darum dennoch in Galiläa verbleiben und hier das Licht noch mehr anfachen.“ 10. Es war das den Jüngern denn auch recht; denn auch sie wollten eben mit den eigentlichen Juden nicht besonders viel zu tun haben. Denn die Juden verachteten beinahe alles, was aus Galiläa herrührte. Die Neujünger meinten, daß Kleinmesopotamien, Syrien und Zölesyrien etwa wohl noch die tauglichsten Landschaften wären, in denen man das Licht der Himmel ausbreiten könnte mit vielem Nutzen. 11. Sagte Ich: „Lehret Mich nicht erkennen jene Lande! Da kommen auf einen – sage – schlechten Juden mindestens zehn Griechen und Römer, die da pur Heiden vom echten, gar finsteren Aberglauben sind! Wie würden diese das wahre, geistige Lebenslicht fassen?! In Samaria haben wir das Licht bereits ausgegossen, und es wächst dort ganz ansehnlich. Damaskus ist eine große Handelsstadt. Die Menschen dort denken nur, wie sie ihre Erzeugnisse irgend am besten absetzen könnten, und da ist mit dem Lichte vorderhand nur sehr wenig zu machen; später aber wird das Licht schon auch dahin kommen, und so bleiben wir nun in Galiläa, besuchen unsere Lichtfreunde und richten sie noch mehr auf! 12. Wenn ein Herrscher ein Volk beherrschen will, so gehört dazu, daß er sich zuvor eine feste Burg erbaue, die von seinen Feinden nicht besiegt werden kann. Und sieht da sein Volk, daß der Herrscher nicht besiegbar ist, so unterwirft es sich ihm und achtet seine Gebote. Und so soll uns auch Galiläa zu einer festen Burg werden, die der Feind des Lichtes nicht leichtlich zu Falle bringen wird. Ich bin als Selbst Galiläer der Grundstein, und euer Glaube ist der Fels, auf dem Ich die Burg Gottes erbaue. – Nun aber kommt auch schon der Wirt, uns zum Mahle zu beheißen. Und so gehen wir!“ 13. Der Wirt kam und lud uns zum Mahle, obwohl es noch nicht um die Mitte des Tages war, und wir gingen und nahmen das wohlbereitete Mahl ein, bei dem noch so manches über unsere bevorstehende Reise gesprochen ward. 14. Nach dem Mahle aber erhoben wir uns schnell und machten uns auf die Füße. Der Wirt fragte Mich, ob er uns nicht bis zu einem nächsten Orte hin begleiten dürfe. 15. Ich aber sagte zu ihm: „Du bist nun auch einer Meiner Jünger geworden; denn du hast Mich wohl erkannt. Bleibe du für jetzt daheim, und du wirst Mir allda mehr zum Nutzen sein, als so du nun mitzögest! Es werden noch heute viele in deiner Herberge verbleiben, und du wirst Gelegenheit bekommen, Mich zu vertreten, und es wird sich das nun in dieser Zeit gar oft wiederholen. In einigen Wochen aber werde Ich wieder zu dir kommen und abermals einige Tage bei dir zubringen; da wirst du dann schon wieder Gelegenheit haben, von Meiner neuen Lehre noch ein mehreres zu überkommen. So du aber von nun an in Meinem Namen reden wirst, da brauchst du nicht zu denken, was du reden wirst, sondern Ich werde dir die Worte in den Mund legen, die du zu reden haben wirst!“ 16. Sagte der Wirt: „Herr, wie soll, wie werde ich das fühlen und wahrnehmen?“ 17. Sagte Ich: „Gedanken, so klar wie rein ausgesprochene Worte, wirst du in deinem Herzen empfinden und wirst sie dann ganz leicht aussprechen mit dem Munde. Darin liegt das Geheimnis Gottes im Menschenherzen. – Endlich aber sage Ich dir noch etwas: 18. So du irgend einen Kranken finden wirst, dem lege in Meinem Namen die Hände auf, und es wird besser werden mit ihm! Hast du aber jemanden geheilt auf diese Art, so lasse dir die Heilung nicht bezahlen, sondern sage zum Geheilten: ,Danke du Gott, dem Allmächtigen, in Seinem Sohne Jesus! Gehe hin und sündige nicht mehr! Halte die Gebote und tue Gutes!‘ Dadurch wirst du Mir viele Gläubige erwecken.“ 19. Hierauf legte ich ihm die Hände auf und gab ihm dadurch Kraft, zu handeln in Meinem Namen. Kapitel 80 Großes Evangelium Johannes, Buch 6 80. — Der Besuch bei dem Wirte in Kana. Die Heilung des kranken Kindes. Ein Evangelium für säugende Mutter 1. Darauf zogen wir schnell von da (diesem Ort) weg und kamen gen Abend nach Kana in Galiläa, allwo Ich das Wasser zu Wein gemacht hatte. Wir kehrten in demselben Hause ein, da es auch eine bedeutende Herberge war. Daß wir allda auch mit der größten Freundlichkeit aufgenommen wurden, braucht kaum näher erwähnt zu werden. 2. Das junge Ehepaar hatte schon ein Kind, und zwar einen Knaben; aber das kaum etliche Wochen alte Kind litt an bösen Fraisen (Krämpfen) und zwar infolge eines Schrecks, den die junge Mutter noch im Wochenbette dadurch erlitt, weil in einem nachbarlichen Hause ein Feuer entstand, das aber bald gelöscht wurde. Die jungen Eltern, wie auch ihre noch lebenden Alten, versuchten alles, das Kind von diesem Übel zu heilen; aber da war alles vergebens. 3. Als Ich aber ins Haus trat und sie Mich wohl erkannten, da fielen sie vor Mir auf die Knie nieder und sagten (die jungen Eltern): „O Meister, Dich hat wahrlich Gott zu uns geführt, auf daß Du heilest unser einziges Kind! Oh, wir bitten Dich inbrünstigst darum! Daß Dir alles möglich ist, das wissen wir schon lange.“ 4. Sagte Ich: „Stehet auf; denn es ziemet sich nicht, daß Menschen vor Menschen sich auf die Knie werfen!“ 5. Sagte das junge Ehepaar: „O Meister, wir wissen es aber, daß Du mehr bist als nur ein Mensch, und so geziemt es sich wohl, daß man sich vor Dir auf die Knie wirft! O hilf unserm Kinde!“ 6. Sagte Ich: „Nun, nun, so stehet auf, und bringet Mir her das kranke Kind!“ 7. Da erhoben sich die Eltern schnell vom Boden und brachten Mir das Kind. Ich aber legte ihm die Hände auf und segnete es, und im Augenblicke ward das Kind also heiter und gesund, als so ihm nie etwas gefehlt hätte. 8. Darauf sagte Ich zur jungen Mutter: „Du aber sei vorsichtig in der Folge! So irgend etwas dein Gemüt stark erregt hat, und du hast noch ein Kind an der Brust, da lasse das Kind so lange nicht saugen, bis dein Gemüt wieder in eine völlige Ruhe zurückgekehrt ist! Denn mit der Muttermilch können allerlei Übel im Leibe und sogar in der Seele der Kinder entstehen. Dies merket euch! – Nun aber sorget, daß wir alle ein Abendmahl bekommen!“ 9. Die Eltern dankten Mir über alle Maßen für diese Wohltat und gingen, um für uns ein Nachtmahl zu bereiten. 10. In einer Stunde war schon alles fertig, und wir wurden in einen großen und ganz neu erbauten Speisesaal geführt, allwo wir das sehr wohlbereitete Nachtmahl einnahmen. Nach dem Mahle aber fragte Ich den jungen Hauswirt, wann und wie, und von wem dieser sehr schöne und sehr geräumige Speisesaal erbaut wurde. 11. Da sagte der Wirt: „Ja, Herr, da ging es wahrlich auch nicht so ganz mit natürlichen Dingen zu! Die Baumeister waren Joses und Joel, respektive Söhne des Joseph und Deine Stiefbrüder. Aber es ging das sehr sonderbar zu. Sie hatten nur zwei Gehilfen, und als sie die Zedern zu behauen anfingen, da dauerte diese Arbeit, die sonst wenigstens zehn Tage vonnöten gehabt hätte, kaum einen Tag, und das Zusammenfügen der Balken, das Aufstellen des Daches und das Legen der Böden, wie das Verfertigen alles dessen, was da im Saale sich vorfindet, kostete geradesoviel Zeit, als wie viele Tage nach Moses Gott der Herr zur Erschaffung des Weltteils benötigte. 12. Kurz und gut, nach der Meinung eines jeden Sachverständigen würde die Herstellung eines solchen Saales beinahe ein gutes halbes Jahr benötigen, und das mit mehr und sehr fleißigen Bauleuten, – und dieser Saal ward von nur vier Bauleuten in sechs Tagen also hergestellt, wie er nun dasteht, und das wird etwa doch auch ein offenbares Wunder sein! 13. Die beiden Brüder sagten es selbst: ,Da hilft uns unsichtbar der Geist unseres göttlichen Bruders!‘ Und es war sicher auch also, da mir das sogar Deine liebe Mutter Maria, die uns oft besucht, auch als etwas sicher Wahres anzeigte. – Ist es nicht also, Herr und Meister alles Lebens und Seins?“ 14. Sagte Ich: „Nun ja, so soll es also auch sein! Aber nun sorget auch für Nachtlager; denn wir sind alle gliedermüde geworden! Morgen werden wir ein Weiteres darüber zu reden Zeit gewinnen.“ 15. Das wurde denn auch schnell bewerkstelligt, und wir begaben uns zur Ruhe. Kapitel 81 Großes Evangelium Johannes, Buch 6 81. — Der Herr im Norden von Galiläa 1. Ich blieb zu Kana in Galiläa bei sieben Tage lang, und Meine Jünger predigten das Evangelium dem Volke. Nach sieben Tagen aber zogen wir weiter, nachdem wir zuvor viel Gutes gewirkt hatten. Von Kana aus begleitete uns viel Volkes eine weite Strecke und kehrte voll Trostes wieder heim. 2. Wir zogen aber von da ganz an die nördlichsten Grenzen Galiläas, wohin wir zuvor noch nicht gekommen waren. Allda trafen aber wir eine Menge Heiden an, die sehr abergläubisch waren und auf allerlei Amulette große Dinge hielten. Sie betrachteten uns auch mit sehr verwunderlichen Augen und begriffen gar nicht, wie wir uns ohne solche Schutzmittel zu reisen getraueten. Als wir ihnen andere Beweise von unseren inneren Kräften zu geben anfingen, da fielen sie auf ihre Angesichter; denn sie hielten uns für Götter aus dem Olymp und getrauten sich nicht, uns anzusehen. Erst nach längerem Reden und Beweisen fingen sie wieder an, uns für Menschen zu halten, und es war von da an erst möglich, sich ihnen näher zu offenbaren. 3. Daselbst blieben wir wohl bei drei Wochen lang und bekehrten da eine große Anzahl Heiden zum reinen Judentume. Es waren aber das sonst ganz gute Menschen, und sie bedienten uns sorglichst mit allem, was sie nur immer besaßen. Als wir sie verließen, da ward viel um uns geweint; aber Ich stärkte sie, und dann ließen sie uns ruhig ziehen. 4. Auf daß aber der Leser dieser Schrift sich leichter orientiere, wo sich eigentlich diese Amulettheiden befanden, so sehe er auf einer alten Landkarte nach, und er wird in Kleinasien eine Landschaft finden, die da heißt Cappadocia (Cai pa dou ceio? = Was wollen diese hier?). Da, an der Grenze gen Süden, war eine Stadt unter dem Namen Melite (Mei liete! = Habe oder zähle die Jahre!) Diesen Namen bekam die Stadt von einem jungen Könige, der zwar recht weise und tapfer war, – als aber der alte König starb, so wollte sogleich der junge den Thron besteigen. Dabei aber stellte sich im Rate der Ältesten des Volkes heraus, daß der Sohn noch nicht das erforderliche Alter hatte, und man sagte zu ihm: „Mei liete!“ = „Habe die Jahre!“ Da ward der Sohn zornig, zog mit einigen tapferen Streitern gen Osten, eroberte eben die obbenannte Landschaft Cappadocia zur schon früher innegehabten Landschaft Cilicia (Ci lei cia = So sie nur will), und erbaute daselbst eine Stadt und gab ihr den triumphierenden Namen Mei liete nei (griechisch: Melitene = Habe die Jahre nicht), womit er dem Rate der Ältesten sagen wollte: „Da sehet her, ob ich nicht die Jahre habe!“ 5. Nun, das gehört freilich wohl nicht so ganz in unser Evangelium; aber es schadet niemandem, auch so etwas zu wissen, weil er sich hernach in vielem leichter orientieren kann. – 6. Also von dieser alten Stadt westlich lag ein bedeutendes Gebirge an der Grenze von Syrien, und daselbst wohnten unsere Amulettgriechen. Wie Ich die Sache mit ihnen ab- und durchgemacht habe, ist in Kürze schon bekanntgegeben worden, und eines weiteren bedarf es da nicht. 7. Von diesen gemütlichen Menschen zogen wir südwestwärts und gelangten in ein Städtchen namens Chotinodora (Choti no dora = Im Winkel ackert oder pflügt man nicht). In diesem Städtchen wohnten viele Juden aus Bethlehem und trieben da Handel mit allerlei, betrieben auch mit besonderem Eifer das Wechselgeschäft. Zugleich aber waren da auch Griechen aus Armenien und trieben Holzhandel am Strome Euphrat bis nach Indien, da dies Städtchen, so wie ein gleich großes Nachbarstädtchen namens Samosata, eben an dem vorbenannten Strome lag. 8. „Nun, lauter Handelsleute! Da werden wir für unsere Sache wenig Geschäfte machen!“, so meinten die Jünger unter sich, und ein ältester Neujünger sagte zu Mir, als wir am Ufer des Stromes dem regen Tun und Treiben der Menschen zusahen: „Herr, diese Orte aber gehören doch nicht mehr nach Galiläa, und doch hast Du sie bereist, obwohl Du nur in Galiläa allein umherziehen wolltest! Wie kam das, und wie sollen wir das verstehen?“ 9. Sagte Ich: „Das kam ganz natürlich, und das darum, weil nun nach der Ländereinteilung der Römer das alles bis an die Grenze von Kleinasien zu Galiläa gehört, und so sind wir nun noch in Galiläa und sehen uns nicht mehr nach den alten Namen um, sondern nur nach denen, wie sie nun bestehen! Dies Land, das in den Zeiten Jakobs und später unter den Richtern das Land der Trauer, ein Land für Verbannte war, ist nun ein Land der Freude geworden, und ob es schon früher klein war, so ist es nun aber dennoch größer geworden denn alle Länder vom ganzen großen Gelobten Lande. Wir sind nun zwar im alten Syrien, aber dennoch sind wir im neuen Galiläa (G = wie Sch ausgesprochen, lautet es ,Schalilia‘ = ein Ort der Trauer), das nicht ein Land der Trauer, sondern ein Land der Freude und der geistigen Auferstehung geworden ist. – Verstehet ihr das?“ 10. Sagten alle: „Herr, das verstehen wir nun ganz gut, weil es in aller Wahrheit also ist! Aber es fragt sich jetzt nur, was wir hier machen werden. Es ist schon zu Ende mit dem heutigen Tage, und wir haben noch keine Herberge. Auch unser Mundvorrat ist ganz ausgegangen. Darum bitten wir Dich, o Herr, daß Du uns da Rat schaffen möchtest! Oder sollen wir hier im Freien übernachten oder uns umsehen in der Stadt, irgend etwas Brot zum Kaufen zu bekommen?“ 11. Sagte Ich: „O ihr Kleinmütigen! Gehet und tut das letztere! Aber um eine Herberge brauchet ihr euch nicht umzusehen; denn sie wird noch von selbst kommen, wenn sie kommen will. Kommt sie nicht, so bleiben wir hier, und es wird niemandem irgend etwas zuleide geschehen. Morgen erst werden wir sehen, was da zu machen sein wird.“ Kapitel 82 Großes Evangelium Johannes, Buch 6 82. — Die Jünger und der strenge Zöllner 1. Darauf erhoben sich einige der Altjünger, gingen in die Stadt und fanden bald einen Bäckerladen und kauften um zehn Pfennige Brot und um vier Pfennige gebratene Fische. Als sie mit diesem Einkaufe aus der Stadt gingen, begegnete ihnen ein Zöllner, der sie anhielt und fragte, wer da so viel Brotes und der Fische bedürfe. 2. Sie aber sagten (Die Altjünger): „Unser Herr und Meister will es also, und so tun wir es auch also!“ 3. Fragte der Zöllner weiter: „Nun, wer ist denn euer Herr und Meister, und was treibt er für ein Gewerbe?“ 4. Sagten die Jünger: „Gehe hin, und erkundige dich bei Ihm Selbst, – Er wird es dir schon sagen, wenn Er wollen wird! Aber er steht nicht gleich jedermann Rede! Dort, einige hundert Schritte am Ufer des Stromes, aber rastet Er samt den andern Jüngern. Gehe hin, und rede mit Ihm Selbst!“ 5. Sagte der Zöllner: „Warum nehmet ihr denn hier nicht eine Herberge? Es gibt ja deren mehrere in unserer nicht gar kleinen Stadt!“ 6. Sagten abermals die Jünger: „Gehe hin zu Ihm, und Er wird es dir sagen; denn wir wissen es selbst nicht, was Er hier alles machen will!“ 7. Hier sagte der Zöllner: „Ja, da muß ich wohl selbst hingehen und mich bei ihm erkundigen, was da mit euch ist! Denn bei uns wird eine strenge Ordnung gehandhabt, und wir müssen wissen, wer irgendein Fremder ist, der sich unserer Stadt genähert hat.“ 8. Hierauf zog der Zöllner mit den Jüngern zu Mir hin, und als er bei uns ankam, da fragte er gleich ganz richterlich strenge und ernst: „Welcher von euch ist wohl der Meister und der Herr?“ 9. Sagte Ich: „Ich bin es! Was willst du von Mir und von Meinen Jüngern?“ 10. Sagte der Zöllner: „Ihr seid Fremde, und solche können wir in der Nähe unserer reichen Stadt nicht dulden, so sie sich nicht näher äußern, wer und woher sie sind!“ 11. Sagte Ich: „Ich kenne eure Gesetze und Rechte besser denn du, der du als ein purer Zöllner gar nicht das Recht hast, uns zu fragen, wer und woher wir seien! Siehe, wir sind von dem Tore der Stadt noch über siebenhundert Schritte entfernt, und dieser Platz, den wir nun einnehmen, ist nach euren Gemeindegesetzen von alters her schon bestimmt für Fremde, und so sind wir nach euren eigenen Gesetzen hier auf diesem Platze frei und sind sonach auch niemand irgendeine Rede und Antwort schuldig! Du selbst aber eile nun lieber in dein Haus zurück, sonst stirbt dein ältester Sohn, der schon sieben Jahre lang krank ist, eher, als du nach Hause kommst!“ 12. Das machte nun den Zöllner äußerst stutzig. Er machte große Augen und fragte Mich, woher Ich das wüßte. Und so Ich das so genau wüßte, so wüßte Ich etwa vielleicht auch, ob denn seinem Sohne nicht mehr zu helfen wäre. 13. Sagte Ich: „O ja, das wüßte Ich auch und könnte ihm sogar helfen, – auch dann noch, so er schon gestorben wäre; aber da müßtest du einen stärkeren Glauben an den einigen, wahren Gott haben, als du ihn hast samt deinem ganzen Hause!“ 14. Da sah Mich der Zöllner wehmütig und freundlich an und sagte: „Meister und Herr, wie dich also nennen, die mit dir sind! Siehe, ich selbst habe eine große Herberge, komme mit mir dahin samt deinen Gefährten, und wohne in meinem Hause! Es solle niemandem von euch etwas abgehen – und so ihr ein volles Jahr bei mir verweilen wolltet –, und wenn du meinen Sohn heilest, so will ich euch auch Gold und Silber geben, soviel ihr nur immer verlangen wollet; denn ich bin sehr reich an allerlei irdischen Gütern und möchte für die Heilung meines liebsten Sohnes wohl mehr denn die Hälfte davon geben. Willst du mit mir dich in mein Haus begeben?“ 15. Sagte Ich: „So du glaubtest, da könntest du dann auch etwas von der großen Macht und Herrlichkeit Gottes wahrnehmen! Aber nun gehe du allein nach Hause, und Ich werde mit den Meinen dir nachkommen! Denn wir wollen nun zuvor unser spärliches Mahl halten, da wir heute den ganzen Tag auf dem beschwerlichen Wege nichts eingenommen haben.“ 16. Sagte der Zöllner: „Aber Herr und Meister! In meinem Hause sollet ihr alle sicher besser bedient werden denn mit diesen wenigen Broten und Fischen; was euch aber diese Brote gekostet haben, das will ich tausendfach wieder ersetzen!“ 17. Sagte Ich: „Gehe du nun nur nach Hause, weil Ich es also haben will, und dein Sohn wird leben! Wir aber werden in einer Stunde nachkommen.“ Kapitel 83 Großes Evangelium Johannes, Buch 6 83. — Der Herr erweckt den verstorbenen Sohn des Zöllners 1. Hierauf ging der Zöllner eiligen Schrittes nach Hause und erkundigte sich daheim gleich nach dem Befinden seines so sehr geliebten Sohnes. 2. Die drei Ärzte aber sagten zu ihm: „Herr, mit deinem Sohne steht es sehr schlimm! Dem ist nicht mehr zu helfen! Wir haben wohl alles versucht, was uns nur immer Wissenschaft und Erfahrung eingaben, aber es war alles eine vergebliche Mühe. Wenn wir ihm noch eine Stunde das Leben erhalten können, so haben wir an ihm ein großes Wunder ausgeübt!“ 3. Da ging der Zöllner zum Sohne, der schon auf dem Sterbebette lag; aber er sagte dennoch zu ihm: „Mein Sohn, diese drei Ärzte werden dir nicht helfen, aber es wird bald ein anderer Arzt kommen, der wird dir helfen; denn auf den setze ich nun all mein Vertrauen und meinen vollsten Glauben.“ 4. Da hob der Kranke das Haupt auf und sagte mit gebrochener, schwacher Stimme: „Ja, der Tod wird mir helfen, – sonst kein Arzt mehr!“ 5. Hier kamen dem Vater die Tränen, und er sagte zum Sohne: „Nein, nein, nicht der Tod, sondern das Leben wird dir helfen! Denn der fremde Arzt, den ich gesprochen und zuvor noch nie gesehen habe, wußte, daß du volle sieben Jahre schon krank seist, und er sagte es auch, daß er dir noch helfen könnte, so du auch schon gestorben wärest, und so glaube ich denn auch fest seinen Worten.“ 6. Darauf sagte der Sohn nichts mehr, und die Ärzte sagten: „Lassen wir ihn in aller Ruhe; denn die geringste Anstrengung tötet ihn! Sieh hin, sein Gesicht hat schon alle Todesmerkmale!“ 7. Es dauerte nun noch eine halbe Stunde, da seufzte der Kranke noch einmal auf und starb. 8. Da sagten die Ärzte: „Wo ist nun dein Arzt, der deinem Sohne helfen könnte, so er auch schon gestorben sein würde?!“ 9. Da trat Ich in das Zimmer des Kranken und sagte laut: „Hier stehe Ich und bin kein Maulreißer, wie ihr es seid, sondern was Ich sage, das ist vollste und nie trügende Wahrheit aus den Himmeln Gottes!“ 10. Da sprachen die erbosten drei: „Dahier liegt der Tote vor dir, du fremder Großsprecher! Hilf ihm nun, wenn dir das möglich ist, und wir wollen uns bis zur Erde vor dir verbeugen und selbst bekennen, daß wir nichts als eitel pure Maulreißer sind!“ 11. Sagte Ich: „Ich brauche weder eure Verbeugung und noch weniger euer Bekenntnis, sondern Ich tue, was Ich tue, weil Ich es also tun kann und auch also tun will! So Ich aber sage, daß Ich das tun kann, so maße Ich Mir nichts an, da Ich das tue aus Meiner höchsteigenen Macht, die in Mir ist, und Ich bedarf dazu keines andern Mittels denn allein Meines allereigensten und freiesten Willens; ihr aber saget es aller Welt laut, daß ihr die ersten Meister eurer Kunst seid, – und was ist der Erfolg eurer Maulreißerei? 12. Da vor euch liegt er! Der junge Mensch bekam ein leichtes Fieber, – ein Löffel voll gebrannten Salzes mit sieben Löffeln voll Weines hätte den Menschen für immer geheilt! Ihr wußtet wohl um dieses Heilmittel; aber da dachtet ihr und sagtet dabei: ,Oh, das ist eines Reichen Sohn, der kann das leichte Fieber jahrelang herumtragen, und das trägt uns viel Geld ein! Wenn der Sohn alt genug wird, da wird ihn das Fieber ohnehin von selbst verlassen.‘ Ich aber sage es euch, ihr argen Ärzte: Das Fieber hätte den Sohn auch schon seit langem verlassen, allein ihr unterhieltet es eures Verdienstes wegen, machtet daraus ein Zehrfieber, das ihr nun nicht mehr zu heilen vermochtet, und somit waret ihr eurer schnöden Gewinnsucht wegen wahre Mörder dieses jungen Menschen! 13. Ihr nanntet Mich einen Maulreißer und habt Mich nie zuvor gesehen und erkannt; Ich aber kenne euch schon gar lange und sagte als euer ,Maulreißer‘ nun über euch die vollste Wahrheit und habe euch dadurch euer eigenes Bekenntnis zu machen erspart! Daß Ich aber über euch die Wahrheit nun geredet habe, davon soll die volle Wiederbelebung dieses verstorbenen Menschen das hellste Zeugnis geben!“ 14. Da sagten die drei Ärzte, höhnisch lächelnd: „Na, da sind wir sicher von jeder Anklage befreit!“ 15. Sagte Ich: „Das wird sich sogleich zeigen!“ 16. Hier trat Ich zu dem Toten hin und sagte: „Jorabe, stehe auf von deinem Schlafe, und gib Zeugnis über die große Falschheit dieser drei, die Mich zuvor einen Maulreißer schalten!“ 17. Augenblicklich erhob sich der Tote von seinem Lager und war so frisch und gesund, als ob ihm nie etwas gefehlt hätte. Der Vater ward darob so voll Freude, daß er nicht wußte, ob er Mir oder dem ihm wiedergegebenen Sohne sich zuerst aus Liebe und Dankbarkeit an die Brust hinwerfen solle. 18. Ich aber sagte zu ihm: „Lasse das nun noch; sorge aber dafür, daß der Sohn Jorabe etwas zu essen bekomme und darauf etwas Wein!“ 19. Da wurde alles schnell angeordnet und für uns ebenfalls ein großartiges Mahl mit. Kapitel 84 Großes Evangelium Johannes, Buch 6 84. — Die Abfertigung der drei Ärzte 1. Die drei Ärzte aber standen nun wie versteinert da, und keiner konnte ein Wort über seine Lippen bringen. 2. Da fragte der Zöllner den ganz munteren Sohn, was er den dreien für ein Zeugnis gebe. 3. Sagte der Sohn: „Ganz dasselbe, das ihnen dieser fremde, wunderbare Heiland gegeben hat! Ihnen liegt gar nichts an der Genesung eines Kranken, sondern nur daran, daß er recht viel von ihren Heiltränkchen verschluckt und sie dafür dann recht viel Geld erhalten. Daß sie aber niemandem irgend wahrhaft geholfen haben, das weiß die ganze Stadt und Gegend. Wie sie aber mir geholfen haben, so haben sie schon gar vielen geholfen, – nämlich von dieser Welt in die andere! Ich meine, daß ich genug geredet habe. 4. Doch das ist wahrlich noch sehr bemerkenswert: Sie sind Juden, wie sie sagten aus Jerusalem, und brüsteten sich sehr mit ihrem Jehova, und daß sie nur dem für ganz gewiß helfen könnten, der an ihren Gott glaube und ein großes Opfer in Gold, Silber und Edelsteinen darbrächte, welches Opfer man ihnen in die Hände legen solle, auf daß sie es dann sendeten nach Jerusalem, allwo ein gewisser Hoherpriester in einer allerheiligsten Kammer des Tempels zu dem Jehova bete für den Kranken und diesem dann für bestimmt besser werden würde. Was sollen aber wir Griechen dazu sagen, die wir ohnehin schon viel zuviel Götter haben? Sollen wir noch einen Gott dazunehmen, auf daß auch der uns ebensogut nichts helfe, wie uns alle die andern noch nie in etwas geholfen haben, außer ihren schlauen Priestern, die für sie die reichsten Opfer mit wichtigen, den Göttern geweihten Mienen einnahmen und sie heimlich zu allerlei schlechten Dingen und Taten vergeudeten?! 5. Ich aber lege nun hier ein offenes Bekenntnis ab und sage: Dieser wunderbare Fremde ist nun und für alle künftigen Zeiten ein allein wahrer Gott für mich! Er ist ein Jehova der Juden und ein Zeus der Griechen, Römer und Ägypter. In ihm müssen alle Götter vereinigt sein. Wir haben schon oft allerlei Märchen erzählen hören, wie dieser oder jener Gott in den alten Zeiten etwas bloß durch seinen allmächtigen Willen hervorgebracht hat; aber wir Griechen als auch Menschen haben noch nie das Glück gehabt, so etwas mit den eigenen Augen zu erschauen. Aber dahier steht ein Mensch, der das vermag, und er ist von mir aus ein wahrster Gott, was ich nun fest glaube, und diesen Glauben werde ich auch mein ganzes Leben hindurch gleichfort behalten. – Was saget ihr andern dazu?“ 6. Sagte der Zöllner: „Ja, mein Sohn, diesem deinem neuen Glauben werden auch ich und alle Menschen meines Hauses uns getreulichst anschließen! Denn einen völlig Toten kann nur ein Gott wieder ins Leben zurückrufen. Aber nun bestimme, du anbetungswürdigster, fremder Meister und – ich sage – Gott, was ich den drei Ärzten tun soll! Denn ihre Art, den Leidenden zu helfen, ist offenbar zu schlecht, als daß man sie ganz ungestraft solle dahingehen lassen!“ 7. Sagte Ich: „Laß sie gehen; denn sie werden noch der gerechten Strafen in die schwere Menge finden! Fürs erste wird sie, so dies alles bekannt wird, sicher kein Mensch mehr begehren, und fürs zweite werden sie dann das Weite ehest von selbst suchen müssen. Nun aber sollen sie gehen und dir einen jeden Groschen zurückbezahlen, den du ihnen für ihre nichtige Heilung ausbezahlt hast!“ 8. Hier machten alle drei ein ganz entsetzlich saures Gesicht; denn das Zurückzahlen von mehreren hundert Groschen, die sie vom Zöllner schon zum voraus erhalten hatten, ging ihnen durchaus nicht ein. 9. Aber der Zöllner bestand nun darauf und sagte: „Wahrlich, ich habe dieses Geld nicht im geringsten irgend vonnöten; aber ich will es den Armen dieses Ortes, deren es viele gibt, geben, und das wird besser sein, als daß ich es euch für nichts und wieder nichts beließe! Gehet denn und überbringet mir noch in dieser Stunde das Geld, ansonst ich euch, ihr elenden Wichte, den Gerichten übergebe!“ 10. Da erhoben sich die drei Ärzte und machten sich zum Fortgehen auf. 11. Ich aber sagte: „Es genügt, daß von euch nur einer um das Geld hingeht, es zu holen, – die beiden andern aber verharren unterdessen als Bürgen hier; denn gingen nun alle drei, so hätten wir sie nun wohl das letzte Mal gesehen! Der jüngste von ihnen aber gehe, weil er noch der ehrlichste ist; denn ginge einer von den zwei älteren, so ließe er die hier Weilenden sitzen, und er würde sich mit dem Gelde für immer von hier empfehlen. Also geschehe es denn!“ 12. Da erhob sich alsbald der jüngste der drei Ärzte, ging und brachte auch in Bälde das Geld. 13. Als der Zöllner das Geld übernommen und in Verwahrung gebracht hatte, sagte er zum Überbringer: „Höre, da du nach dem Zeugnisse dieses wahrhaft göttlichen Meisters noch der Ehrlichste bist, so magst du nun hier verbleiben; aber die beiden andern sollen sich augenblicklich von hier entfernen! Willst du aber mit ihnen gehen, so sollst du daran auch nicht im geringsten gehindert werden.“ 14. Der jüngere Arzt aber sagte: „So ich darf, da bleibe ich, und ich weiß, was ich tun werde. In Gemeinschaft der andern bleibe und wirke ich nimmer; denn sie waren die Herren und ich gleichsam nur ihr Knecht und mußte mit ihnen nach ihrem Willen wider meinen Willen und wider mein besseres Erkennen Hand in Hand gehen. O Herr, das hat mir gar viele trübe Stunden und Tage bereitet! Aber was wollte, was konnte ich tun? Denn sich mit den zweien überwerfen, hieße sich den ganzen Tempel zu Jerusalem zum Feinde machen, und diese Feindschaft ist bekanntlich die allerärgste in der Welt. Stehe ich aber allein, und zwar aufgefordert von dir als dem ersten Vorstande der ganzen Stadt, dann lache ich über die Feindschaft des Tempels.“ 15. Sagte der Zöllner: „Gut, so bleibe du, – und die beiden andern gehen!“ 16. Die beiden andern aber waren schon fort und verließen diesen Ort mit schnellen Schritten; denn sie sahen ein, daß hier für sie kein weiteres Bleiben möglich sei, so Ich Mich etwa allda niederließe. Kapitel 85 Großes Evangelium Johannes, Buch 6 85. — Die Kunst des Lebens 1. Nach dem Abmachen wurden wir zum Mahle geladen und traten da in einen Speisesaal, der seinesgleichen in Jerusalem nicht hatte. In der Mitte des Saales war ein großer Tisch aus Zedernholz, bedeckt mit allerlei Speisen und mit den edelsten Weinen. Wir setzten uns denn dazu und aßen und tranken. Denn die früher gekauften Brote waren nicht gut und auch nicht groß, wie auch die etlichen armselig bereiteten Fische, – daher von uns davon auch nur ganz wenig genossen ward. 2. Während des Essens wurde nicht viel geredet; aber als der gute Wein den Gästen die Zunge löste, da wurde es bald ganz lebhaft um den Tisch. Ich redete jedoch nicht, denn Ich saß zwischen dem erweckten Sohne und dessen Vater; diese aber hatten eine zu große Ehrfurcht vor Mir und getrauten sich nicht, Mich zu stören, während Ich Selbst aß und trank. 3. Als Ich aber sagte, daß Ich nun zur Genüge gegessen und getrunken hätte, da erst fragte Mich der Zöllner, wie es Mir möglich wäre, sogar einem Toten das Leben wiederzugeben; denn es sei so etwas auf der Erde noch nie erhört worden. 4. Ich aber sagte zu ihm: „Freund, des Menschen Geist, so er einmal ordnungsmäßig erweckt worden ist, kommt hinter mannigfache Geheimnisse, und wenn er ganz im Vollichte wach geworden ist, da kommt er auch hinter das große Geheimnis des Lebens und erkennt, daß er der Urheber alles Lebens ist. Aber es ist das eben die größte Kunst des Lebens, sich selbst als solches zu finden und zu erkennen! 5. Du lebst auch und denkst, willst und wirst nach deinem Denken und Wollen tätig; aber du weißt nicht, was das Leben ist, wie es denkt und will, und wie es danach alle die Glieder in eine entsprechend tätige Bewegung setzt. Aber wer in sich das alles gefunden und wohl erkannt hat, der ist dann auch ein wahrer Meister seines Lebens, wie auch des Lebens seines Nebenmenschen geworden und kann dann auch das tun, was Ich an deinem Sohne getan habe. Ja, er kann noch mehr: Sieh, er kann sich selbst völlig unsterblich machen! 6. So man bei der gegenwärtigen Blindheit, Selbstsucht, Habsucht, Neid, Eifersucht und Herrschsucht der Menschen Mich fangen und sogar töten wird, so wird das den argen Menschen nichts nützen; denn bevor drei Tage verrinnen werden, werde Ich Mich Selbst wieder erwecken vom Tode, dann fortleben ewig und noch Größeres wirken denn jetzt. – Das, was Ich dir nun gesagt habe, ist so wahr und so sicher, als wie wahr es ist, daß dein Sohn Jorabe tot war und nun vollkommen wieder lebt. Glaubst du das?“ 7. Sagte der Zöllner: „Daß du mir keine Unwahrheit verkündetest, dessen bin ich vollkommenst überzeugt; denn fürs erste lebt ja mein Sohn allein durch die Macht deiner geheimen Lebenskunst, die eine Folge deiner Wissenschaft sein wird, und fürs zweite haben solche Lehrsätze auch schon die alten, weisen Griechen aufgestellt. Ob sie aber je dir gleich hinter das große Geheimnis des Lebens mit ihrem Geiste gedrungen sind, das weiß ich nicht und erinnere mich auch nicht, je etwas davon gelesen oder sonst gehört zu haben. 8. Die Fabeln von unseren Göttern und Halbgöttern erzählen freilich wohl so manche Wunderchen, die sie sollen ausgeübt haben; aber wer von nur einiger klaren Vernunft kann so etwas glauben?! Auch in den mystischen Schriften erzählt man viel von einem allmächtigen Gott, der aber von einer zahllosen Menge von allerlei sehr mächtigen Geistern umgeben sei, die stets seine Befehle auf das pünktlichste im ganzen Universum ausrichten und auswirken. Sie seien für die Menschen nicht sichtbar, sowie auch der Gott nicht, hätten aber etwa dennoch den vollkommensten Verstand und einen allermächtigsten Willen. Vor vielen hundert Jahren sollen sie sich den frommen Menschen gleich also gezeigt haben wie den Altgriechen ihre Götter und besonders die Halbgötter. 9. Man ersieht bei einem ruhigen und unbefangenen Denken daraus, daß am Ende die Götter- und Lebenslehren der Griechen und Juden auf ein und dasselbe hinauslaufen. Alles ist in ein undurchdringliches Dunkel gehüllt, und so viele und große Mühe sich auch die größten Weisen aller Zeiten und Völker gegeben haben, so haben sie dennoch nie vermocht, den höchst verhängnisvollen Schleier der Isis zu lichten, und wir Sterblichen stehen daher noch auf demselben unentwirrten gordischen Knoten, auf welchem unsere Vormenschen vor vielen tausend Jahren gestanden sind. 10. Du wärest nun wohl der einzige und alleinige, der diesen Knoten wahrhaftigst entwirrt hat, und so möchte ich dich als nun einen wahrsten Meister des Lebens bitten, mir und eigentlich schon uns allen die große Kunst zu zeigen, wie man denn ganz sicher hinter das Geheimnis des Lebens kommt, dasselbe erkennt und endlich selbst ein Meister des Lebens wird. Du hast es offenbar dahin gebracht und mußt dazu denn auch die Mittel und Wege wohl kennen. Weil du sie aber kennen mußt, so wäre es wohl eine große Gnade von dir an uns, wenn du uns solche näher bezeichnen möchtest. 11. Es ist diese Bitte von mir dir als einem so großen Künstler gegenüber wohl außerordentlich dreist, da ein jeder wahre Künstler seine Kunst als sein teuerstes Gut betrachtet und auch betrachten muß und ich auch gar wohl weiß, daß eine noch so große Kunst von ihrem großen Werte dadurch ein bedeutendes einbüßt, so sie allgemein unter den Menschen gang und gäbe wird; aber da solche deine Kunst wenigstens für den besseren Teil der Menschen eine allererste Hauptlebensfrage wäre und durch ihre sichere Lösung den Menschen das größte und unschätzbar wertvollste Lebensglück beschieden wäre, so möchte ich nur für einige Winke, wie man sicher hinter dieses Geheimnis kommt, zum Wohle der Menschen wahrlich drei Vierteile meiner größten Schätze dir geben. Du würdest dadurch offenbar nichts verlieren, und wir würden dadurch Unendliches gewinnen! – Was sagst du, großer Meister, zu diesem meinem dir nun gemachten Antrage?“ Kapitel 86 Großes Evangelium Johannes, Buch 6 86. — Der Herr als Lehrer der Lebenskunst 1. Sagte Ich: „Ich sage dir dazu nichts anderes, als daß Ich eigens darum in diese Welt zu den Menschen als Selbst Mensch gekommen bin, um sie diese allergrößte und allerwichtigste Kunst ohne alles Entgelt zu lehren, und Ich werde es auch euch lehren ohne Entgelt. Daß Ich aber solches tue den Menschen in vielen Landen und Orten und Meine Lehre mit den rechten Zeichen als vollwahr bestätige, dafür sind, die da mit Mir gekommen sind, Meine Zeugen durch Wort und Tat, da sie Meine Jünger sind. Sie sind schon sehr tief in dieses Geheimnis eingeweiht und können dir den Weg und die Mittel dazu an die Hand geben. 2. Wer das annimmt, glaubt und ganz entschieden danach lebt, tut und handelt, der kommt unfehlbar hinter das Geheimnis des Lebens und wird nach der erlangten förmlichen Wiedergeburt seines eigenen Lebensgeistes in sich selbst ein Meister seines Lebens und dadurch auch ein Meister des Lebens seiner Nebenmenschen, weil er ihnen dazu die Wege wird zeigen können und durch seine Lebensmeisterschaft auch dartun die großen Lebensvorteile solcher Meisterschaft. 3. Aber das sage Ich dir auch, daß da niemand über Nacht ein Meister wird und einem Menschen die puren noch so gediegenen Kenntnisse der Mittel und Wege zur Erlangung dieser größten Lebenskunst gar nichts nützen, so er sie nicht alle vollpraktisch in sein Leben aufgenommen hat. Da nützt die Theorie für sich gar nichts, sondern allein die Praxis. 4. Es geht aber Ähnliches auch bei der Erlernung der andern Künste vor sich. Du wolltest zum Beispiel ein Musikinstrument meisterlich zu spielen erlernen, wie etwa die vollkommene Lyra der Griechen oder die noch wohlklingendere Harfe der Juden, da müßtest du dir offenbar einen Meister dieser Instrumente nehmen. Dieser würde dir die Regeln, die zur Erlernung des Spiels eines dieser Musikinstrumente unerläßlich notwendig sind, vor allem ganz genau beibringen, so daß du dadurch genau wüßtest, was du zu tun und zu üben hättest, um mit der Zeit selbst ein Meistermusiker zu werden. Wärest du mit der alleinigen und noch so genauen Kenntnis aller Regeln, Mittel und Wege ein Harfen- oder ein Lyraspieler? Oh, sicher nicht! Du müßtest zuvor durch eine sehr fleißige Übung der Finger und der Ohren nach den dir bekannten Regeln dir erst mühsam die Fähigkeit erwerben, um durch sie dann ein Meister zu sein. Und geradeso geht es auch mit der Überkommung der Lebenskünstlerschaft. 5. Erst durch die Übung wird man ein Meister, und der mehr oder minder vollkommene Grad der erlangten Meisterschaft hängt genau von der größeren oder minderen Übung der erkannten Regeln ab. Je mehr Übung, desto mehr Meisterschaft! Daher glaube du nicht, daß du durch die Kenntnis der Lebenskunstregeln schon irgend etwas zu wirken imstande sein wirst, oder es werde dir schon dadurch der Schleier deiner Isis gelichtet werden! Ich sage es dir: durch die pure Erkenntnis wirst du nicht einmal die Möglichkeit nur von ferne hin begreifen, daß durch die Übung solcher Regeln dir dein Schleier der Isis gelichtet werden könnte! Nur durch die unausgesetzte und fleißige Übung wirst du erst zu der stets heller werdenden Überzeugung gelangen, daß die Regeln richtig und wahr sind und zum Ziele führen. Und hast du durch die Übung erst die Meisterschaft erreicht, dann erst wirst du den völlig gelichteten Isisschleier in und vor dir haben. – Siehe, das war die Voreinleitung zu den etwa nachfolgenden Regeln, durch deren Übung und Ausübung der Mensch zur wahren Lebensmeisterschaft gelangen kann! Was sagt dein Urteil dazu?“ 6. Sagte der Zöllner: „Ich finde das alles in der vollkommensten Ordnung. Daß man durch die bloße Kenntnis der Regeln kein Meister, sondern kaum ein Jünger wird, das ist eine Wahrheit, die in der Erfahrung zahllose Bestätigungen findet; aber es ist ja schon dadurch unendlich viel gewonnen, wenn man zur Erreichung eines solchen Zweckes nur einmal die sicheren und untrüglichen Mittel und Wege hat. Das übrige ist dann ganz natürlich allein unsere Sache. Daß übrigens auch der angehende Jünger in sich noch lange nicht zu dem klaren Innewerden eines Meisters gelangen kann, sondern erst dann, wenn er durch viele Übung es selbst zur Meisterschaft gebracht hat, das ist alles ganz sonnenklar; aber daß ohne dich und vor dir noch kein Mensch irgend diese allerwichtigsten Regeln auch nicht von ferne hin hat auffinden können, das ist ein Etwas, das meinem Verstande durchaus nicht einleuchten will und kann. Weder Altägypten noch Kanaan, noch Griechenland und Rom, noch Persien und Indien haben irgendeinen Weisen vorzuführen, der für diese Kunst irgend die rechten Regeln finden konnte. Du bist somit der einzige, der diese Kunst nicht irgend gelernt, sondern offenbar aus sich selbst geschöpft hat! – Sage, wie war dir als einem Menschen das möglich?! 7. Denn daß du des Lebens Meisterschaft im vollsten Maße besitzest, dafür sitzt hier bei uns der allersprechendste und wahrste Beweis. Du konntest dazu auch sicher nur durch die Übung der dazu erforderlichen Regeln gelangen, die du aber zuvor auch selbst hast erfinden müssen. Nun, das ist eben dasjenige, was ich am allerwenigsten fassen und begreifen kann; denn ich bin in meinen jüngeren Jahren auch weit und breit in aller Welt herumgekommen und habe mich sorglich um alles erkundigt. Das Treiben der Essäer mit ihren Scheinwundern ist mir nur gar zu wohl bekannt, sowie alle die Zauberkünste und Wahrsagereien, deren Schule ich selbst vielfach mit- und durchgemacht habe; aber da ist kein Einverständnis, kein Zauberstab, kein mystischer Zauberspruch, kein Zaubertrank und keine Dämonenbeschwörung, sondern die allerprunk- und mittelloseste Wahrheit! Du sprichst und willst, und es ist da die Wirkung des Wortes und des Willens! Ja, das ist ein Etwas, das über all meinen Wissenshorizont überhoch hinausragt! Wirken ist sicher etwas ganz Leichtes, so man einmal ein Meister geworden ist; aber wie ohne Meister und Führer zur Meisterschaft und besonders zu den zu ihrer Erlangung notwendigen Regeln gelangen, – das ist eine ganz andere Sache! Sage mir denn doch, wie du dazu gekommen bist! Wer hat dir die Regeln gezeigt und gegeben?“ Kapitel 87 Großes Evangelium Johannes, Buch 6 87. — Die innere Entwicklung eines Geistesmenschen 1. Sagte Ich: „Freund, daran liegt vorderhand wenig oder nichts! Es genügt, daß die Regeln aufgefunden sind, deren Echtheit und vollste Wahrheit du nicht in Abrede stellen kannst. Wer sie kennen und befolgen wird, der wird in sich wachrufen des Lebens Kraft und wird dann leben und wirken können aus dieser Kraft, und Ich werde ihn erwecken durch die Kraft des Geistes Meiner Worte am jüngsten Tage seiner inneren, geistigen Neugeburt. 2. Wahrlich, wahrlich, Ich sage dir: Ich Selbst bin – nun da, wie überall – die Wahrheit und das Leben. Wer an Mich glaubt und nach Meiner Lehre tut, der wird für sich und in sich den Tod nicht sehen in Ewigkeit!“ 3. Sagte der Zöllner: „Meister, diese deine Worte klingen sonderbar! Mir kommt es gerade also vor, als wärest du so eine Art höheren, göttlichen Wesens, zwar im Fleische und Blute der Erscheinlichkeit wegen seiend, aber im Grunde für dich dennoch ein purer Geist, der sich nach seinem Belieben mit der Materie umgeben kann, wie und wann er will. – Habe ich recht oder nicht recht geurteilt?“ 4. Sagte Ich: „So und so, es liegt etwas daran! Aber was da eben daran liegt, das fassest du nicht. Was du aber zu fassen meinst, das ist es nicht! Denn Ich kann nun ebensowenig aus diesem Meinem Leibe treten wie du; will Ich als Geist aber hinaustreten, so muß dieser Leib zuvor getötet werden. Aber der Geist, der nun vollwach in Mir lebt und wirkt, kann ewig nicht getötet werden, sondern wird ewig fortleben und -wirken. 5. Du hast doch schon sicher oftmals die Schöpfung betrachtet in ihrem Sein und Wirken, und es kann dir nicht entgangen sein, daß darin eine gewisse Ordnung besteht, und daß die Formen eine Beständigkeit in sich nach allen Richtungen hin haben, aus der du stets leicht erkennen kannst, was dies oder jenes für ein Ding ist. Also erkennst du auch, welche Wirkung eines und das andere hervorbringt, und wozu es nach der erkannten Wirkung gut und also zu gebrauchen ist. 6. Wenn aber die ganze Schöpfung nach eurer neuen Weltweisheit nur ein Werk des blinden Zufalls wäre, würden da die Dinge in der Natur auch die gegenwärtige Seinsbeständigkeit nach allen Richtungen hin beibehalten? O mitnichten! Sieh, der Wind ist so eine mehr blinde Macht, obwohl nur zum Teile! Hast du schon je wann gesehen, daß er irgendeine bestimmte Form, die eine Beständigkeit hätte, allwo hervorgebracht hat? Er wühlt wohl den Staub auf und trägt ihn in losen Wolkenformen durch die Luft, wo sich die Formen in jedem Augenblicke verändern und nimmer als ganz dieselben je wieder zum Vorscheine kommen. Kannst du dir die Gestalt einer Wolke derart merken, daß du etwa nach ein paar Tagen sagen könntest: ,Siehe, das ist ebendieselbe Wolke, die ich schon vor ein paar Tagen gesehen habe!‘?! Oder kannst du am Meer irgend von einer Woge ein gleiches behaupten?! 7. Aus dem aber kannst du nun ganz leicht ersehen, daß eine blinde Kraft nie auch nur ein Moospflänzchen, das in derselben und ganz gleichen Form stets viele Jahrtausende hindurch wiederkehrt, hervorgebracht hat. 8. Wenn aber also, leuchtet da einem besseren Menschenverstande nicht von selbst ein, daß alles Werden, Sein und Bestehen, worin erstens eine bestimmte, unwandelbare Form, Beschaffenheit, Eigenschaft, Nutzwirkung und Endzweck gar absonderlich wohl und bestimmt zu erkennen sind, von einer solchen Kraft hervorgebracht werden muß, die eine unbegrenzte und unwandelbare, wennschon allumfassende Einsicht und Weisheit besitzt, ohne die du nie einen bestimmt geformten Gegenstand, sei es ein Stein, ein Metall, eine Pflanze oder ein Tier, je zu Gesichte bekämest?! Solch eine Kraft muß sicher eine einheitliche und ihrer selbst gar sehr wohlbewußte sein, weil ohne sie nichts eine bestimmte und in sich einheitliche Form annehmen könnte. 9. Und nun zweitens: Da du eine solche Kraft notwendig annehmen mußt, die als Ursein in sich allem Sein zugrunde liegt, so muß denn diese Grundurkraft ja doch auch einen entsprechenden Namen haben, durch den sie sich anfänglich in der Erinnerung und im Gedächtnisse der Menschen, die dazu da sind, diese Kraft zu erkennen, erhalten kann. Wer wird aber je nach der näheren Erkenntnis einer Sache fragen, von der er nicht einmal den Namen jemals gehört hat?! Wir wollen diese Urkraft allgemein einmal ,Gott‘ nennen. Haben wir aber nun einmal einen Gott, so werden wir weiter fragen und sagen: ,Wo ist denn dieser Gott, und wie sieht Er aus? Wie erschafft Er die Dinge, wie bringt Er als ein purster Geist die grobe Materie aus Sich zum Vorscheine?‘ 10. Und sieh, wenn ein Mensch einmal also zu fragen beginnt, dann ist er schon auf einem besseren Wege! Er wird allen Geschöpfen eine höhere Aufmerksamkeit widmen und in ihnen forschen, wieviel von der göttlichen Urweisheit sich darin vorfinden möchte. Und je länger er also prüfen wird, desto mehr der göttlichen Weisheit und Ordnung wird er auch leicht und bald darin finden. 11. Hat er die gefunden, so wird er in seinem Herzen auch bald eine Anregung von Liebe zu Gott wahrnehmen und aus solcher Liebe stets mehr und mehr innewerden, daß Gott in Sich Selbst von der mächtigsten Liebe erfüllt sein muß, damit Er eine so große Lust und Freude hat, so wunderbar weise zu erschaffen eine unzählige Menge von Dingen und Wesen, die nicht nur Zeugen von Seinem Dasein, sondern vielmehr noch Zeugen von Seiner Weisheit, Macht und Liebe sind. 12. Wenn der Mensch in solchen Betrachtungen und Innewerdungen wächst und zunimmt, da nimmt er offenbar auch in der Liebe zu Gott zu und nähert sich Demselben mehr und mehr; je größer und gediegener aber solche Annäherungen eines Menschen zu Gott hin werden, desto mehr des Geistes Gottes sammelt sich auch in seinem Herzen, in welchem dadurch der eigene Geist genährt und stets mehr und mehr erweckt wird zur wahren Erkenntnis des eigenen inneren Lebens und seiner Kraft, im Vereine mit der Kraft des göttlichen Geistes in ihm. 13. Hat ein Mensch es einmal dahin gebracht, so ist er schon in der Lebensmeisterschaft, und es geht ihm da nur noch die völlige Einung mit dem göttlichen Liebe- und Willensgeiste ab. Bewerkstelligt er auch das, dann ist er ein ganz vollkommener Lebensmeister und kann alles das bewirken, was Ich nun bewirke und auch Größeres noch.“ Kapitel 88 Großes Evangelium Johannes, Buch 6 88. — Die Grundlagen zur geistigen Vollendung. Das Wesen Gottes 1. (Der Herr:) „Du siehst daraus, daß da ohne den wahren und lebendigen Glauben an einen einigen und ewig wahrhaftigen Gott kein Mensch zur Lebensmeisterschaft gelangen kann. Daher ist es vor allem notwendig, an einen wahren Gott zu glauben; denn solange du nicht glaubst, daß es einen allein wahren Gott gibt, solange kannst du auch keine Liebe zu Ihm in deinem Herzen wachrufen. Ohne solche Liebe aber ist es unmöglich, sich Gott zu nähern und endlich nahe völlig eins zu werden mit Ihm. 2. Ohne das aber kann von einer wahren Lebensmeisterschaft ebensowenig die Rede sein, als daß da jemand ein Meisterspieler auf der Harfe werden sollte, der nie von ihr etwas hat reden hören und noch weniger irgendwo eine gesehen hat. 3. Wenn du aber noch immer fragst und sagst: ,Ja, wo ist denn Gott, und wie sieht Er wohl aus?‘, da sage Ich dir, daß das eigentliche Gottwesen niemand sehen kann und leben, – denn Es ist unendlich und somit auch allgegenwärtig und ist sonach als Reinstgeistiges auch das Innerste eines jeden Dinges und Wesens, das heißt in Seinem auswirkenden Willensmachtlichte; in Sich Selbst und für Sich aber ist Gott ein Mensch wie Ich und auch du und wohnt in einem unzugänglichen Lichte, das in der Welt der Geister die Gnadensonne genannt wird. Diese Gnadensonne aber ist nicht Gott Selbst, sondern sie ist nur das Auswirkende Seiner Liebe und Weisheit. 4. Wie du aber die Sonne dieser Welt wirken siehst dadurch, daß sie allenthalben gegenwärtig ist durch den beständigen Ausfluß ihres Lichtes nach allen erdenklichen Richtungen hin, also wirkt auch der Gnadensonne allenthalben wirkende Kraft als ein aus ihr strömendes Licht in allen Wesen schaffend und belebend gegenwärtig. 5. Wer nun versteht, recht viel des Lichtes aus der Gnadensonne der Himmel im Herzen seiner Seele aufzufangen, aufzunehmen und dann zu behalten durch die Macht der Liebe zu Gott, der bildet in sich selbst eine Gnadensonne, die der Urgnadensonne in allem völlig ähnlich ist, und die volle Innehabung einer solchen Gnadensonne ist dann eben soviel als die Innehabung der allein wahren Lebensmeisterschaft. 6. Die Klarheit und die lichte Fülle dieser wahrsten Lehre aber wirst du auch erst dann einsehen, wenn du auf diese Weise selbst zur Lebensmeisterschaft gelangen wirst; denn jetzt kannst du das noch nicht völlig fassen, obwohl du all das Gesagte ganz gut aufgenommen hast.“ 7. Sagte der Zöllner: „Ja, du hast recht, lieber Meister! Ich habe wohl alles verstanden; aber ich weiß nun noch nicht, was ich damit beginnen soll. Das jedoch ist etwas Sicheres, daß die Erlangung der vollen Lebensmeisterschaft durchaus keine leichte Arbeit ist; denn da heißt es viel betrachten, viel erfahren, viel denken, wollen und handeln danach. – Aber nur eine Frage noch, lieber Meister!“ 8. Sagte Ich: „So rede, obwohl Ich ganz genau weiß, was du Mich fragen wirst!“ 9. Sagte der Zöllner: „O lieber Meister, so rede du nur gleich; denn ich zweifle nicht daran!“ 10. Sagte darauf Ich: „Du zweifelst gar nicht daran, – aber so ein wenig möchtest du denn doch dich überzeugen, ob Ich das wohl wüßte, um was du Mich noch fragen möchtest! Allein das macht nichts, und Ich werde dir die Frage dennoch vorsagen! Sie lautet also: ,Meister, bist du auch auf diese Weise zu deiner Lebensmeisterschaft gelangt, und wer hat dir also wie du nun mir die gehaltvolle Anleitung gegeben?‘ 11. Siehe, also lautet deine Frage Wort für Wort! Aber Ich kann dir darauf nur eine dich ebensowenig befriedigende Antwort geben als auf deine früheren ganz ähnlichen Fragen. Sieh, als purer Mensch habe Ich wahrlich ganz dasselbe wie du tun müssen; aber da Ich, aufrichtig gesagt, Meinem inneren Geistwesen nach etwas mehr denn ein purer Mensch bin, was du morgen schon noch früh genug erfahren wirst, so hatte Ich es eigentlich schwerer, weil Ich als Mensch dieser Erde nie einen eigenen Willen in Mir aufkommen lassen durfte, sondern stets den Willen Dessen auf das genaueste befolgen mußte, der durch Mich in diese Welt kommen und den Menschen das ewige Leben bringen und geben wollte. Davon jedoch wirst du morgen von Meinen Jüngern ein mehreres überkommen. Für heute aber werden wir unsere Sitzung beschließen und uns zur Ruhe begeben!“ 12. Sagte der Zöllner: „Meister, so es dir genehm wäre, da könntet ihr alle gleich in diesem Saale die Ruhe nehmen; denn an den Wänden sind hier rundherum die allerbequemsten Ruhestätten angebracht!“ 13. Sagte Ich: „Gut denn, so bleiben wir hier, und derlei Ruhestühle sind Mir lieber als die faulen Liegestätten, die sich höchstens für die Kranken schicken. – Und so stehen wir auf und begeben uns zur Ruhe!“ Kapitel 89 Großes Evangelium Johannes, Buch 6 89. — Ein Zwiegespräch des Arztes und des Wirtes über den Herrn 1. Als wir unsere Ruhestühle für unsere Ruhe in Beschlag genommen hatten, da verließen uns auch sogleich der Zöllner, sein Sohn, seine andern Kinder und seine Weiber, deren er nach der morgenländischen Art und Sitte sieben hatte, auch seine vielen Beamten und andern Diener, und wir schliefen bald ganz gemächlich ein, da wir von der langen Reise wohl recht müde geworden waren. Aber die Hausleute blieben in andern Zimmern noch lange wach und redeten viel über unser Erscheinen in ihrem Städtchen. 2. Der zurückgebliebene jüngere Arzt sagte noch zuletzt zum Zöllner: „Freund, wenn es möglich wäre, so eine Lebensmeisterschaft sich zu eigen zu machen, da hätte man bald das Geld der ganzen Erde beisammen! Da würde ja so mancher König sein halbes Reich dem zum Geschenke machen, der ihm also das Leben sichern könnte! Nein, was doch auf der lieben Erde alles vorkommt! 3. Wie lange ist es denn, als etliche Magier, aus Ägypten kommend, bei Gelegenheit ihrer Durchreise nach Melite uns mit so manchen sonderbaren Zaubereien überraschten?! Aber alle ihre Stücke waren wohl mit Händen als falsche Wunder zu greifen und schafften niemandem außer ihnen selbst einen Nutzen. Man unterhielt sich wohl gerade nicht schlecht; aber niemand lernte etwas Gutes dabei. Sie brachten auch allerlei Apparate mit und Schlangen und Affen und Hunde, Kamele und Maultiere und Gefäße voll Salben und Öle. Diese nun kamen zu Fuß, brachten gar nichts mit und leisten Dinge, daß man sie wahrlich ganz leicht für Götter halten könnte! Darüber kann nichts noch Größeres mehr kommen! 4. Auch ihre Lehre an uns war ganz gut und ihrer Sache, die sie betreiben, angemessen; nur hat das alte Judentum stark herausgeleuchtet sowie die mir nicht unbekannten Grund- und Lehrsätze der alten jüdischen Prophetenschulen, aus denen auch ganz außerordentlich weise Männer, die man Propheten nannte, hervorgegangen sein sollen. Nun, ob man aber selbst durch die möglich genaueste Beachtung der uns ganz kurz kundgemachten Regeln im Ernste zu der wunderbaren Lebensmeisterschaft gelangen kann, das wird etwa wohl noch seine sehr geweisten Wege haben! 5. Irgendeine einzige und einige Gottheit gewisserart über alles im vollsten Lebensernste lieben, ist eine schwere Sache, weil man als ein reif denkender Mensch schon schwer glaubt, daß es irgend einen solchen Gott für völlig erwiesen wahr gibt. Sein Beweis für das Dasein eines alleinigen, wahren Gottes ist ganz gut und läßt sich gut anhören; aber es gehörete dazu von seiten des Lehrlings eine sehr fleißige Übung von der Wiege an, und das unter der beständigen Leitung eines erfahrensten Theosophen, ansonst auf diesem Wege schwerlich je jemand zu einer vollen Erkenntnis eines einigen und wahren Gottes gelangen dürfte. 6. Sei ihm nun aber schon, wie ihm wolle, und abgesehen von der uns gegebenen Erklärung von seiten des Hauptwundermannes, so ist er doch eine außerordentliche Erscheinung! Fürs erste einen Toten bloß durch ein Wort ins Leben zurückzurufen, und ganz gesund auch noch dazu, das ist ein Etwas, das in solcher Vollendung noch nie da war, – und fürs zweite auf ein Haar zu wissen, was man sich noch so geheim denkt, und einen zuvor nie gesehenen Menschen gleich bei seinem Namen zu nennen, – Freunde, das sind Dinge, die kein Menschenverstand zu fassen imstande ist! Wahrlich, obschon ich auf die Götter und Gottheiten eben keine zu großen Stücke halte, so wäre ich aber nun dennoch sehr geneigt, diesen Mann eher für einen Gott zu halten denn für einen puren Menschen!“ 7. Sagte der Zöllner: „Dieser Meinung wäre ich auch, und man würde durch diese Annahme viel eher am Ziele sein als durch die noch so strenge Beachtung seiner uns gezeigten Regeln. Übrigens hat er ein paar Male so ziemlich laut durchblicken lassen, daß hinter ihm etwas mehr denn ein purer Erdenmensch stecke. Nun, morgen wird sich vielleicht noch so manches über diesen guten Mann aufhellen lassen! Sein Charakter scheint ein sehr biederer zu sein, und es läßt sich gut reden mit ihm. Wir werden sicher noch so manches von ihm erfahren! Für heute aber gehen auch wir zur Ruhe; denn morgen haben wir viel zu tun!“ 8. Darauf ging nach und nach alles zur Ruhe und schlief fest bis zum Aufgange der Sonne. Kapitel 90 Großes Evangelium Johannes, Buch 6 90. — Das Menschliche und das Göttliche im Herrn 1. Ich aber war mit etlichen Jüngern schon vor dem Aufgange auf den Füßen und ging ins Freie nach Meiner Sitte und hin an den Euphrat, der hier schon eine ansehnliche Breite hat. Wir standen aber gar nicht lange, als schon ein großes Holzfloß in der Mitte des Stromes herabschwamm. In diesem Momente kam auch der Zöllner mit seinem Sohne Jorabe und mit dem Arzte uns nach, um uns zum Morgenmahle zu laden. 2. Es war aber auf dem Floße kein Mensch, der es leitete; denn es war durch eine schlechte Befestigung am Ufer von selbst gehend geworden, und der Zöllner sagte: „Es ist jammerschade um das schöne Holz, das durch die Fahrlässigkeit seiner Besitzer herrenlos geworden ist! Wenn es nur so weit vom Ufer dahinschwämme, daß man seiner noch habhaft werden könnte, so könnte es sogar sich fügen, daß nach einigen Tagen der rechtmäßige Besitzer nachkäme, und man könnte ihm dann das Holz gegen eine kleine Entschädigung zurückstellen. Aber also geht das ganze Floß dahin und natürlich verloren! Nun, vielleicht fangen es die Samosater auf!“ 3. Sagte Ich, als das Floß uns gegenüber, auf dem Strome schwimmend, zu stehen kam: „Willst du das Holz?“ 4. Sagte der Zöllner: „Allerdings möchte ich es, – aber wie es herausbekommen?“ 5. Sagte Ich: „Sieh, ganz leicht! Wenn man ein Meister des Lebens ist, so müssen einem auch alle Elemente gehorchen, und so gebiete Ich dem Wasser, daß es das Holz an dieses Ufer zu uns herübertrage. Ich will es; es geschehe!“ 6. Als Ich das ausgesprochen hatte, da floß das Wasser schnell zu uns herüber und stieg am Ufer um sieben Spannen hoch, setzte das ganze Holz samt dem Floße völlig ans Land und floß darauf gleich wieder seiner natürlichen Richtung nach ab und weiter. 7. Darüber entsetzten sich die drei ordentlich, und der Arzt sagte zu Mir: „Freund, Du bist kein Mensch von unserem gewöhnlichen Schlage und von unserer Natur, sondern Du bist ein Gott! Dich hat kein Mann der Erde in einen Mutterleib hineingezeugt! Ich möchte sogar behaupten, daß Du ein ungeborener Mensch und somit offenbar ein Gott bist!“ 8. Sagte Ich: „Lasse du das gut sein; wer ein Fleisch trägt, der hat es aus einem Mutterleibe! Nur das erste Menschenpaar erhielt den Leib aus der Willenshand Gottes, – alle andern Menschen aber aus einem Mutterleibe. Und so ist auch dieser Mein Leib aus einer irdischen Mutter, wenn auch nicht durch einen irdischen Vater auf die gewöhnliche Art gezeugt, sondern allein durch den allmächtigen Willensgeist Gottes, was bei ganz reinen und gottergebenen Menschen sehr wohl möglich ist. Vor alters bei den noch ganz unverdorbenen, einfachen und Gott sehr ergebenen Menschen war das eben nichts Seltenes, und es geschieht solches dann und wann auch noch in diesen Zeiten. 9. Daß solche auf einem rein geistigen Wege gezeugten Menschen denn auch geistiger sind als jene auf dem gewöhnlichen Wege gezeugten, das ist klar; denn Kinder sehr starker und völlig gesunder Eltern werden auch stark und gesund, – Kinder schwacher und kranker Eltern werden gewöhnlich auch schwach und kränklich. Ich als Mensch, wie Ich nun vor euch dastehe, bin kein Gott, wohl aber ein Gottessohn, was eigentlich ein jeder Mensch sein soll; denn die Menschen dieser Erde sind berufen, Kinder Gottes zu werden und zu sein, wenn sie nach dem erkannten Willen Gottes leben. 10. Einer von ihnen aber ist von Gott aus und von Ewigkeit her bestimmt, der Erste zu sein, das Leben in Sich zu haben und es jedermann zu geben, der an Ihn glaubt und nach Seiner Lehre lebt. Und dieser Erste bin Ich! 11. Aber Ich habe solches Leben aus Gott nicht etwa vom Mutterleibe aus in diese Welt gebracht! Der Keim lag wohl in Mir, aber er mußte erst entwickelt werden, was Mich nahe volle dreißig Jahre Zeit und Mühe gekostet hat. Nun stehe Ich freilich als vollendet da vor euch und kann euch sagen, daß Mir alle Gewalt und Macht gegeben ist im Himmel und auf Erden, und daß der Geist in Mir völlig eins ist mit dem Geiste Gottes, darum Ich denn auch solche Zeichen wirken kann, die vor Mir noch nie ein Mensch gewirkt hat. Aber es ist das für die Folge eben kein besonderes Privilegium ausschließlich nur für Mich, sondern auch für jeden Menschen, der an Mich glaubt, daß Ich von Gott darum in diese Welt gesandt bin, den Menschen, die nun alle im Finstern wandeln, zu geben das Licht des Lebens, und der sodann handelt nach Meiner Lehre, welche den Menschen im hellsten Lichte zeigt den Willen des Geistes Gottes, der freilich wohl in aller Fülle in Mir wohnt. 12. Dieser Geist ist wohl Gott, doch Ich als purer Menschensohn nicht; denn wie schon gesagt, so habe Ich als solcher auch, jedem Menschen gleich, durch viele Mühe und Übung erst Mir die Würde eines Gottes erwerben müssen und konnte Mich als solcher erst einen mit dem Geiste Gottes. Nun bin Ich wohl eins mit Ihm im Geiste, aber im Leibe noch nicht; doch Ich werde auch da völlig eins werden, aber erst nach einem großen Leiden und gänzlicher und tiefst demütigender Selbstverleugnung Meiner Seele. – 13. Und so, Mein Freund und Arzt von besserem Willen, als da waren deine Gefährten, kannst du nun schon wissen, wer Ich bin, und was du von Mir zu halten hast! Glaube das, und lebe nach der Lehre, die du von Meinen Jüngern bald vernehmen wirst, so wirst du leben und in allem deinem Tun und Lassen wandeln im Lichte und nicht mehr in der Nacht der Sünde deines Fleisches und Blutes! – Verstehst du das?“ 14. Sagte der Arzt: „Ja, großer Meister, das verstehe ich, obwohl Deine Worte ganz anders lauten als jene der Priester im Tempel zu Jerusalem, von dem ich selbst auch abstamme, und meine geringe Kunst auch dort erlernt habe! In dir liegt offenbarst Göttliches zugrunde, und dennoch willst Du vor uns nicht mehr sein als ein Menschensohn, während die Pharisäer im Tempel sich gerade also benehmen, als hätten sie Gott die Welt und andere Wesen erschaffen helfen, und als hinge allein von ihnen das Wohl und Wehe der Menschen dieser Erde ab. Ja, Deine Worte, großer Meister, klingen wohl wie Gottes Worte; denn es liegt in ihnen eine ganz eigentümliche Kraft und Macht, die dem Gemüte wohltut, es erhebt und ganz neu belebt und erleuchtet, während der Pharisäer seinsollendes Gotteswort das Menschengemüt im hohen Grade verletzt, betrübt, verfinstert und gar tötet! Denn wer nach ihrer Lehre lebt und handelt, der wird mit der Zeit so dumm und so sinnlich, hochmütig, selbstsüchtig und herrschgierig, daß er am Ende ganz vergißt, daß auch er nur ein Mensch ist. Sich selbst nur hält er für eine höchste Menschenpotenz, – alles andere ist tief unter ihm. Aber nach Deinen Worten, großer Meister, scheint gerade das blankste Gegenteil zu sein und zu werden von dem, was die Pharisäer lehren, und was sie aus den Menschen eigentlich machen wollen! – Habe ich recht oder nicht?“ 15. Sagte Ich: „Ja, ja, da möchtest du wohl recht haben; aber nun nichts Weiteres mehr davon! Das Floß mit dem Holze ist gerettet und ist da am ganz trockenen Ufer, und du, Freund Jored, kannst nun damit machen, was du willst; denn der Besitzer wird nicht darum irgendwann kommen, da er zu weit von hier daheim ist und der Verlust dieses Holzes ihn auch nicht arm machen wird, weil er sehr reich ist. Gib aber deshalb ein Opfer den Armen und benutze das Holz nach deinem Gutdünken!“ 16. Sagte der Zöllner Jored: „Meister, ich danke Dir sehr darum, und die Armen sollen bei mir nicht zu kurz kommen! Aber nun gehen wir zum Morgenmahle; denn es wird nun schon völlig bereitet sein!“ Kapitel 91 Großes Evangelium Johannes, Buch 6 91. — Der Arzt erhält vom Herrn die Kraft, durch Händeauflegen Kranke zu heilen 1. Darauf gingen wir wieder in Joreds Haus, wo in dem schon bekannten Saale ein reichlichstes Morgenmahl unser harrte samt den Jüngern, die am Morgen daheim geblieben waren. Wir setzten uns an den Tisch und aßen und tranken. Die Speisen bestanden in Fischen, Honigbrot und Lämmerfleisch, und der Wein war aus Rom, und zwar von einer besonderen Güte. Es wurde auch mit Griechenlands Wein, besonders aus Zypern, aufgewartet und dazu mit ganz weißem Weizenbrot und Butter, was besonders den Judgriechen überaus wohl mundete. Wir blieben bei zwei Stunden lang beim Tische sitzen, und es wurde da viel geredet, aber mehr von allerlei landwirtschaftlichen Dingen. 2. Erst nach dem Mahle wurde vom Jünger Johannes allen in diesem Hause wohnenden Menschen beiderlei Geschlechtes Meine Lehre von der Liebe zu Gott und zum Nächsten vorgetragen. 3. Nach dem Vortrage gelobten Mir alle, diese Lehre genau zu beachten und danach zu handeln, und Ich sagte: „Glaubet und tut das, so werdet ihr auch leicht und bald zur Meisterschaft des Lebens gelangen!“ 4. Darauf legte Ich allen die Hände auf und stärkte sie für ihre gute und ernste Vornahme. 5. Der Arzt aber sagte darauf: „O Meister, siehe, ich bin nun der einzige Arzt hier im Orte, in dem es immer eine Menge Kranke gibt, so wie auch in der weiten Umgebung! Da Dir nichts unmöglich ist, so könntest Du mir nur ein wenig von Deiner Wunderheilkraft verleihen, und ich würde sie dann bei meinen Kranken anwenden, besonders bei den Armen, die da nicht haben, sich eine kostspielige Arznei zu kaufen.“ 6. Sagte Ich: „Jesus ist Mein Name; in diesem Namen lege du den Kranken die Hände auf, und es wird besser mit ihnen werden, so das ihrem Seelenheile nützt! Den Reichen aber gib du nur Arzneien wie zuvor; denn nur für die Armen verleihe Ich dir diese Kraft!“ 7. Als Ich dem Arzte solches sagte, da dankte er Mir darum und ging darauf gleich hinaus, denn er hatte einige arme Kranke, denen er nun auf einmal helfen wollte. Und er half ihnen auch; denn es ward mit einem jeden besser im Augenblicke, als er ihm in Meinem Namen die Hände auflegte. Nach einer Stunde kam er wieder zurück, dankte Mir noch einmal für diese ihm erteilte Kraft und erzählte uns von den großen Verwunderungen der Geheilten, die doch mit allerlei Übeln behaftet waren. 8. (Der Arzt:) „Sie konnten nicht begreifen, daß ihnen zuvor alle Arzneien nichts halfen und sie jetzt auf einmal durchs bloße Händeauflegen so gesund geworden seien, wie sie zuvor niemals waren. Sie fragten mich, wie ich nun auf einmal zu dieser nie erhörten Heilungsweise gekommen sei, und warum ich sie nicht schon früher angewendet hätte. Ich aber sagte: ,Diese Heilungsweise ist mir erst von einem fremden und großen Heilande gezeigt worden, und ich heile damit die Kranken aber nur dadurch, daß ich Seinen Namen anrufe und Er Selbst dann mit mir will, daß da dem Kranken geholfen werde!‘ Alle aber fragten dann nur um Dich und hegten sehr den Wunsch, Dich persönlich kennenzulernen; denn sie meinten, Du müßtest da offenbar mit göttlichen Kräften versehen sein, ohne die so etwas rein unmöglich wäre. Ich sagte dazu nichts und ließ sie bei ihrer Meinung. 9. Aber ich werde nun bei meinen reichen Kranken eine Not haben; denn diese neue Heilart wird schnell in der ganzen Stadt verbreitet werden, und die Reichen werden dann von mir auch auf dieselbe Weise geheilt werden wollen. Was werde ich ihnen erwidern, so sie von mir das verlangen werden, was zu tun mir von Dir, o Meister, gewisserart verboten ist?“ 10. Sagte Ich: „Nun, da stelle ihnen Bedingungen, die sie als Geheilte dir und den Armen zu leisten haben werden! Gehen sie freudig und willig in die ihnen gemachten Bedingungen ein, so lege auch ihnen die Hände auf; gehen sie aber in diese nicht ein, so laß sie in ihrer Krankheit, und gib ihnen Arzneien, wenn sie solche haben und nehmen wollen! – Bist du nun damit zufrieden?“ 11. Sagte der Arzt: „O lieber Meister, ganz vollkommen! Aber nun kommt eine andere Frage, und diese lautet: Wie und womit kann ich Dir dafür dankbar sein? Ich bin freilich nicht reich und jetzt schon am allerwenigsten, wo meine beiden gestern durchgegangenen Genossen mir sicher nicht viel werden zurückgelassen haben; aber dennoch möchte ich das Äußerste tun, was nur immer in meinen Kräften steht! Herr und Meister, ich bitte Dich, verlange Du von mir doch irgendein Entgelt oder ein Opfer!“ 12. Sagte Ich: „Lasse das; denn in der Welt kann Mir niemand etwas geben, das er nicht zuvor von Gott empfangen hätte, und somit auch du nicht! Aber halte du die Lehre, die euch allen hier gegeben wurde, liebe Gott über alles und deinen Nächsten wie dich selbst, und halte die dir bekannten Gebote Mosis, und lehre auch die Griechen sie kennen, so wirst du Mir das beste und wertvollste Opfer darbringen! Und das sollen auch alle die andern Menschen tun, so werden sie leben in der Wahrheit und in der Gnade Gottes, des Schöpfers und Vaters aller Menschen! 13. Wenn Ich von den Menschen, denen Ich Gutes tue, wollte Geld annehmen, da würde Ich schnurgerade wider Mich zeugen, und Ich wäre Der nicht, der Ich bin; denn so Ich Schätze aus den Himmeln bringe und gebe, weil Ich die Macht dazu habe, so kann Ich Mich darum nicht mit der toten Materie bezahlen lassen. Aber ihr Menschen könnet das mit Maß und Ziel; denn auch Moses hat verordnet, daß die Priester und Richter vom Volke sollen ernährt und erhalten werden und den zehnten Teil von allem haben sollen, was da geerntet wird auf den Äckern und in den Weinbergen und also auch von den Haustieren. Aber Ich nun und Meine Jünger werden dessen nicht vonnöten haben; denn wer Mir gleich ein Meister des Lebens wird, der wird hinfort dieser Erhaltungsmittel nicht bedürfen. Wohin sie auch ziehen werden, da wird ihnen von oben gegeben werden alles, dessen sie bedürfen werden. Denn um was Gutes immer ihr den Vater im Himmel bitten werdet in Meinem Namen, das wird Er euch auch geben ohne Vorenthalt.“ Kapitel 92 Großes Evangelium Johannes, Buch 6 92. — Der Christ als Geschäftsmann. Vom Schutzzoll und Sklavenhalten. Das Verhalten zu den Götzenpriestern 1. (Der Herr:) „Wenn aber in den späteren Zeiten Meine Nachfolger gleich den Pharisäern sich werden für ihre Lehren und Gebete mit Geld und allerlei anderen Dingen zahlen lassen, dann wird der Vater im Himmel ihre Bitten auch gar nicht mehr erhören und wird sie sinken lassen in allerlei Sünden und große Übel. Ich gebe euch allerlei Gaben umsonst, und so sollet ihr sie den andern Menschen auch wieder umsonst geben. Aber als Arzt kannst du dich von den Reichen schon zahlen lassen, – nur von den Armen nicht! 2. Wenn du aber jemandem gelegentlich Meine Lehre gibst, so sei das deine Bezahlung, daß er die Lehre mit freudigem Herzen annimmt und danach lebt. Denn hat jemand einmal die Lehre angenommen, so wird er ohnehin derart dein Freund werden, daß er sagen wird: ,Was mein ist und war, das ist nun auch dein, und du sollst mir keine Not leiden!‘ 3. Ich sage es euch: Was euch die Menschen Meiner Lehre wegen selbst aus freudigem Herzen tun und geben werden, das nehmet nur an und gebrauchet es zu eurem und eurer Nächsten Besten, und die Gnade Gottes wird euch darum nicht benommen werden, welcher Art sie auch sein möchte! Aber so ihr von jemandem dafür ein Entgelt verlangen würdet, da würde euch die Gnade Gottes sofort benommen werden, so wie die Gnade nun auch den Pharisäern und starren Juden benommen und den Heiden gegeben werden wird. Also das merket euch und tut danach, und ihr werdet euch dadurch sammeln gar große Schätze der Gnaden aller Art aus den Himmeln, die euch mehr nützen werden denn alle Schätze dieser Welt! – Verstehet ihr das?“ 4. Sagte Jored: „Meister, das verstehen wir nun ganz gut; aber wie steht es mit meinem Zöllnergeschäfte hier zu Wasser und zu Lande? Da sieht eigentlich von der Nächstenliebe blutwenig heraus! Aufgeben aber kann man es doch nicht so ganz und gar, weil das eine öffentliche Staatssache ist; denn lasse ich es aus, so wird es ein anderer nehmen, der die reisenden Handelsleute und besonders die Fremden noch mehr drücken wird denn ich, der ich doch schon so manchen, der nichts hatte, habe umsonst die Zollschranke passieren lassen. Was wäre denn da Dein Wille?“ 5. Sagte Ich: „Was du bist, das bleibe du! Aber sei billig im Verlangen gegen die Armen; dafür können aber die Reichen schon um ein bedeutendes mehr geben! 6. Die Zölle aber sind gut für das Land, da sonst bald große Karawanen mit allerlei Waren euer Land überziehen und dasselbe bald von seinen eigenen Lebensmitteln entblößen würden. Daher sollst du eben die vielen fremden Handelsleute noch mehr besteuern, damit ihnen die Lust vergehe, zu oft mit ihren Waren in dieses Land zu kommen. Aber bei den Einheimischen sei dafür um so billiger! Nun weißt du auch, was du in dieser Hinsicht zu tun und zu beachten hast. 7. Auch deine Herberge ist gut; beachte aber auch da das gleiche! Sei billig gegen die Nächsten und gerecht gegen die Fremden! Verlange von den Einheimischen, was die Sache wert ist, und von den Fremden einen gerechten Gewinn! 8. So aber ein Fremder kommt und hat nicht, daß er dich bezahlen könnte, dem schenke die Zeche, und wenn er etwa annähme Meine Lehre, da gib ihm noch ein Reisegeld obendrauf, so wird der Vater im Himmel dir das reichlichst vergelten! Dasselbe beachte auch ein jeder Kaufmann und sei gerecht im Maß und Gewicht; denn mit welchem Maße die Menschen ausmessen, mit demselben Maße wird ihnen vergolten werden!“ 9. Sagte der Zöllner: „Jetzt aber noch eine Frage, Herr und Meister! Du weißt, daß wir hier zumeist mit Griechen wohnen und allerlei Handel treiben, leider mitunter sogar mit Menschen, wie solches unter uns Heiden schon von alters her üblich und gebräuchlich war. Ja, ich habe mir meine Weiber alle kaufen müssen! Sie waren zuerst nur meine Sklavinnen; da sie aber fleißig waren und auf meinen Vorteil sahen, so gab ich ihnen die Freiheit und nahm sie dann zu Weibern. Die Hälfte meiner Diener und Arbeiter sind noch Sklaven. Soll das auch so bleiben, oder soll auch da eine Änderung bewerkstelligt werden?“ 10. Sagte Ich: „Was durch die Staatsgesetze besteht, das kannst du nicht ändern, und so mag es bleiben, bis der Staat selbst da eine Änderung machen wird. Du aber sei auch gegen die Sklaven gut, billig und gerecht; denn auch sie sind Menschen und Kinder ein und desselben Vaters im Himmel. Wenn du wieder einen Sklavenmarkt besuchst, so kaufe du sie nur immerhin nach deiner Herzenslust, und behalte sie, und mache aus ihnen freie, gottergebene Menschen, so wirst du dir darob einen großen Schatz im Himmel bereiten! Aber du sollst keinen je wieder verkaufen; denn Menschen verkaufen ist ein Greuel vor Gott! Wo aber Meine Lehre einmal Wurzel fassen wird, da wird auch solch schnöder Sklavenhandel von selbst aufhören. – Da hast du wieder etwas, das du auch beachten wirst! 11. Du hast aber noch eine Frage in deiner Seele, dernach du auch nicht weißt, was du nun mit den heidnischen Götzenpriestern machen sollst, die auch zumeist deine Gäste sind und sich bei dir gerne einfinden. Ich sage dir: die laß du vorderhand sein, wie sie sind! Sie selbst glauben an ihre Götzen wohl noch weniger, denn du ehedem geglaubt hast; aber sie haben als das, was sie vorstellen, ihr Amt und ihr Brot und werden darum von dem nicht leichtlich abstehen, was sie sind. Aber mit der Zeit kannst du dem einen oder dem andern schon so ganz gemächlich etwas von Meiner Lehre kundtun, und sie werden euch wenig oder gar keine Anstände machen. Nach und nach werden auch die Götzentempel fallen. Aber Ich gebe euch dennoch kein Gebot, daß ihr sie zerstören sollet; denn es genügt vollkommen, daß sie in euren Herzen zerstört sind. 12. So aber irgend ein solcher Priester jemanden mit Gewalt dazu anhalten sollte, an seine Götzen zu glauben und ihnen das verlangte Opfer darzubringen, so saget ihm die volle Wahrheit! Will er sich aber nicht bescheiden lassen, so rufet Mich im Geiste an, und wirket ein Zeichen in Meinem Namen vor seinen Augen! Wird er das sehen, so wird er wohl glauben, so er einigen Wahrheitssinn in seinem Gemüte hat; glaubt er aber nicht, da lasset ihn gehen – und ihr bleibet bei der Wahrheit Meiner Lehre! Denn wie jetzt die Statthalter Roms denken und auch handeln, so sind die Menschen völlig frei im Wissen, Denken und Glauben. 13. Wenn aber solch ein heidnischer Priester euren Lichtglauben annimmt, so unterstützet ihn als ein Glied der neuen Gemeinde Gottes auf Erden, so er einer Unterstützung bedürftig ist, und sorget für sein zeitliches Fortkommen; ist er aber dessen nicht bedürftig, so sei er euer Freund! 14. Nun, da ist auch für diesen Fall gesorgt also, daß ihr leicht und sicher euch bei jedem Meiner Lehre hinderlich werden könnenden Falle zu richten wisset! Und da wir nun nichts mehr zu beraten und zu verhandeln haben, so gehen wir wieder ins Freie hinaus. Vielleicht stößt uns da oder dort etwas auf, was uns Gelegenheit gibt, darüber tiefere Betrachtungen zu machen!“ 15. Dieser Antrag war allen recht, und wir gingen hinaus ins Freie. Kapitel 93 Großes Evangelium Johannes, Buch 6 93. — Der Besuch des heiligen Haines. Die Vernichtung der Götzen 1. Als wir aber die Straßen der Stadt durchzogen, da fehlte es natürlich nicht an allerlei Neugierigen, die uns von allen Seiten angafften und emsig fragten, wer wir etwa doch wären. Der Arzt, der Zöllner und seine mitgehenden Kinder, besonders der vom Tode erweckte Sohn Jorab, mußten sich von den Fragenden viel gefallen lassen, da die Menschen nicht begreifen konnten, wie dieser, der volle sieben Jahre krank war und gestern dem Verlauten nach gar gestorben sei, nun ganz gesund dahergehe. Allein die Fragenden wurden freundlich mit dem abgefertigt, daß sie in den nächsten Tagen schon alles erfahren würden, und sie gaben sich damit zufrieden. 2. Aber am Ende einer langen Gasse begegneten uns drei Priester des Apollo, dann ein Zeus- und ein Minervapriester in ihren abenteuerlich und sehr magisch aussehenden Priesterornaten. 3. Sie blieben vor uns stehen, und ein Apollopriester fragte uns, ob wir als Fremde etwa in den heiligen Hain, in welchem den allerersten und allerhöchsten drei Gottheiten ein Kommunetempel erbaut sei, gehen wollten. So das unsere Absicht wäre, da würden sie uns dahin geleiten und uns gegen Entrichtung eines kleinen Opfers zur Besänftigung der drei Götter alles zeigen, was es darin Sehenswertes und Wunderbares gebe. 4. Da sagte der diesen fünf Priestern nur zu wohlbekannte Zöllner Jored: „Das sind meine Gäste; die werde schon ich freihalten, und so wollet uns denn den Tempel und eure Merkwürdigkeiten zeigen!“ 5. Damit waren die Priester ganz zufrieden und führten uns freundlich in den Hain, in dessen Mitte auf einem kleinen Hügel ein runder Tempel von einer ziemlichen Ausdehnung stand. Die Hälfte des Tempels war offen, und sein Dach ruhte auf zehn Säulen; die andere Hälfte aber war eine geschlossene Mauer und bildete einen festen Halbkreis. An dieser Mauer waren die marmornen Statuen der obbenannten drei Götzen angebracht. In der Mitte saß auf einem Throne der Zeus, zu seiner Rechten stand die Minerva in ihrer Kriegsrüstung und zu seiner Linken der Apollo, aber bloß mit der Leier; denn ein Apollo mit dem Sonnenwagen und mit den Pferden wäre für diese kleine Stadt zu teuer zu stehen gekommen. 6. Als wir zum Tempel kamen, da sagte der Zeuspriester: „Wollen die Herren etwa, daß eine von den drei Gottheiten etwas reden soll, so bitte ich gefälligst, mir eine Frage gütigst anvertrauen zu wollen!“ 7. Sagte Ich: „Freund, dessen hat es für uns wahrlich keine Not; denn wir kennen als sehr erfahrene Menschen alle diese Vorkehrungen und wissen nur zu genau, auf welche Weise diese Statuen reden. Daher lassen wir das, und du erspare dir diese Mühe! Aber da heute niemand mehr hierherkommen und diese Götter um einen Rat fragen wird, so lasset die drei Sprecher hinter den Götzen frei, und sie sollen als sonst ganz ehrliche Menschen zu uns herausgehen!“ 8. Hier stutzte der Priester und sagte mit einem gewissen magisch-priesterlichen Pathos: „Freund, du bist ein Fremder; daher rate ich dir freundlich, den ernsten Göttern gegenüber ja nicht zu freveln, da dir darum leicht etwas Übles begegnen könnte! Denn ich sage es dir, daß da hinter den Göttern kein Sterblicher lauert und Fragen für die Götter beantwortet.“ 9. Sagte Ich: „Dieweil du Mich nicht kennst, so vergebe Ich dir deine Lüge; aber überzeugen muß Ich dich denn doch, daß nur Ich, und nicht du, ganz das vollste Wahrheitsrecht habe! Sieh, Ich will nun, daß diese drei Götzen im Augenblicke zunichte werden und die drei armen Sprecher frei werden und zu uns hervorgehen!“ 10. Hier sagte der Priester: „Wenn du das imstande bist, dann fallen wir vor dir nieder und wollen dich als den Gott aller Götter und Menschen anbeten!“ 11. Sagte Ich: „Dessen bedarf Ich nicht, und dennoch sollt ihr eine andere Herrlichkeit der Macht des wahren Gottes, verbunden mit der Macht des Menschengeistes, dadurch kennenlernen, und Ich sage nun: Ich will es, und also sei es!“ 12. Sowie Ich das ausgesprochen hatte, da war von den drei Götzen auch keine allerleiseste Spur mehr vorhanden, und die drei in engen Nischen hockenden Sprecher waren sichtbar geworden und krochen ganz erschreckt und verblüfft aus ihren finsteren Verstecken ans helle Tageslicht hervor. 13. Als die fünf Priester das sahen, wurden sie sehr betrübt, und einer, der unter ihnen der beherzteste war, sagte zu den andern: „Brüder, gegen die Allmacht des Willens eines Gottmenschen ist kein Schwert zu ziehen, sondern da ist es am geratensten, sich in seinen Willen zu ergeben! Wir sind nun freilich auf einmal erwerbs- und somit auch brotlos; aber was wollen wir machen? Wir aber sind diesem Amte stets mit aller Würde vorgestanden und haben durch den kleinen frommen Betrug nie jemandem geschadet, haben über die Gebühr auch nie von jemandem ein Opfer erpreßt, haben die Menschen stets über so manches belehrt und sind ihnen stets mit einem guten Beispiele vorangegangen. Und so hoffe ich mit Zuversicht, daß uns dieser wahrhaft allmächtige Gottmensch nicht ganz verstoßen wird, so wir ihn darum bitten.“ 14. Sagten die andern: „Das wäre schon alles recht; aber was wird nun das Volk, das zum größten Teile doch noch große Stücke auf unsere drei Götter hielt, dazu sagen, so es herkommen und nicht mehr finden wird seine alten, treuen Götter? Was werden wir dann zum Volke sagen?“ 15. Sagte der eine: „Auch das wollen wir diesem allmächtigen Gottmenschen anheimstellen, dann wird sich dafür wohl auch noch irgendeine gute Entschuldigung auffinden lassen, und es wird das um so leichter gehen, als nun bei dieser außerordentlichen Begebenheit unser erster Vorsteher Jored zugegen war. Es handelt sich nun vor allem nur einzig und allein darum, was wir in diesem Augenblicke machen sollen.“ 16. Sagte Ich: „Leget vor allem eure lächerlichen Kleider ab, und ziehet euch als ordentliche Menschen an! Kommet dann wieder zu uns, und wir werden dann schon noch weiter reden über diesen Punkt!“ 17. Hier gingen die fünf schnell in ihr Wohnhaus, das gleich hinter dem Tempel erbaut war, zogen sich um und kamen alsbald mit ihren Weibern und Kindern zu uns. Weiber und Kinder aber machten ein großes Gejammer, als sie den Tempel ganz leer fanden, und fragten nach Mir, der Ich ihnen ein so großes Unglück bereitet habe. 18. Da trat Ich zu ihnen hin und sagte: „Ich bin, den ihr suchet! Wollt ihr euch denn nicht lieber mit dem Werke der Wahrheit als mit diesen Werken des Betruges und der losesten Lüge ernähren?“ 19. Da sagten die Weiber: „Das wollten wir allerdings lieber; aber wer wird uns für Werke der Wahrheit etwas geben?! Wir wissen es schon lange, daß an unseren Göttern nichts Wahres mehr haftet. Aber was nützet uns das?! Wo nehmen wir denn bessere und wahrere her? Diese unwahren haben uns doch ernährt; wie werden uns denn die wahren ernähren, die wir noch nicht haben?“ 20. Sagte Ich: Darum habt ihr Weiber euch nicht zu sorgen und zu kümmern; das werden schon eure Männer tun, wenn sie, anstatt Götzenpriester zu sein, Priester und Diener des lebendigen Wortes Gottes werden!“ 21. Sagten die Weiber: „Und wer wird ihnen solches geben?“ 22. Sagte Ich: „Auch um das habt ihr euch nicht zu kümmern! Ich aber sage nun euch albernen Weibern: Gehet mit euren Kindern nun nur fein wieder dahin, von wannen ihr gekommen seid, ansonst Ich genötigt wäre, euch dazu zu zwingen; denn ihr habt noch zu essen und zu trinken genug! Wenn ihr nichts mehr haben werdet, dann wird schon gesorgt werden, daß ihr mit euren Kindern nicht verhungern werdet! Gehet einmal hinaus auf eure Äcker, Gärten und Wiesen, und arbeitet auch ein bißchen! Das wird euch dienlicher sein als eure Götterwascherei und Göttermacherei aus Lehm und Wachs.“ 23. Hier schoben die fünf Priester ihre Weiber und Kinder zurück in ihre Wohnungen; sie selbst aber kamen bald voll Freundlichkeit zu uns zurück. Kapitel 94 Großes Evangelium Johannes, Buch 6 94. — Die Bitte des Priesters um Wiederherstellung der Götzen. Der heilige See 1. Und der Minervapriester, als der beherzteste und auch wissenschaftlich gebildetste, trat zu Mir hin und sagte: „Herr und Gottmensch, oder wer du auch seist, ich habe aus deinen wenigen Worten an unsere unbändigen Weiber entnommen, daß du ein guter, weiser und höchst billig denkender Mann bist, der mit sich wahrscheinlich auch ein billiges Wort wird sprechen lassen! Und da ich das als ganz sicher voraussetze, so bitte ich dich, mich gefälligst und mit einiger Geduld anzuhören. Sieh, ich weiß es, daß das, was du uns für diesen alten Heidenkram geben wirst, sicher ums unaussprechliche besser sein wird als das, was wir auch als das Allerbeste in unseren Erkenntnissphären aufzuweisen haben; aber es handelt sich hier nicht um das, sondern um ganz etwas anderes, und das ist es eigentlich auch, warum ich dich um dein geneigtes Gehör gebeten habe! 2. Sieh, es handelt sich hier erstens um die mögliche Aufrechterhaltung der Staatsgesetze mit Hilfe von allerlei guter Lehre über das Dasein übersinnlicher Kräfte und Mächte in der Natur, die wir im allgemeinen Götter nennen! Um sie dem Volke zu versinnlichen, haben wir sie ihm in entsprechenden Bildern vor seine Augen gestellt in reinen, kunstgerechten Formen. Das Volk hat sich schon von der Wiege an daran gewöhnt und hat sich bei ihrem Anblicke stets erbaut und sicher so manche gute und fromme Betrachtung dabei angestellt. Wir Priester haben aber auch unter Hinweisung auf die erhabenen Bilder ein leichtes gehabt, dem Volke so manche gute und nützliche Lehre beizubringen, was ohne diese Bilder sicher eine viel schwierigere Aufgabe gewesen wäre. 3. So das Volk an einem bestimmten Tage sich hier versammeln und die altgewohnten drei Gottheitsbilder nicht mehr sehen wird, so weiß ich da wahrlich nicht, wie die Geschichte ablaufen wird. Wir würden uns wohl ganz sicher sehr lebhaft und mit den glühendsten Worten mit dir ausreden und feierlichst entschuldigen; aber wo wirst du als ein fremder Reisender in derselben Zeit sein? Wir haben freilich zum größten Glücke hierortige höchst angesehene Zeugen aufzuweisen; aber es wird uns am Ende auch mit denen gegen ein wild gewordenes, gemeines Volk nicht viel gedient sein, und so hätte ich dich nur noch auf eine kurze Zeit um die dir leicht mögliche Wiederherstellung der drei Statuen der guten Sache wegen flehentlichst gebeten. Wir aber werden dennoch deine Lehre ganz und mit dem dankbarsten Gemüte annehmen und sie auch dem Volke überliefern und so die drei Gottheiten hier ganz entbehrlich machen, dessen du völlig versichert sein kannst; aber nur jetzt auf einmal und mit einem Schlage wird das schwer oder eigentlich schon gar nicht gehen! 4. Daher wolle du, guter Gottmensch, diese meine aufrichtige Bitte gewähren, was dir sicher ein ebenso leichtes ist wie das, was du früher mit den drei Götzenbildern gemacht hast! Ich weiß wohl, daß wir dich ehedem beleidigt haben dadurch, daß wir die von dir angegebenen Sprecher ableugnen wollten, – allein wir hatten damit ja doch nichts Schlechtes und Böses im Sinne; denn wir wußten es ja nicht, wer du sein könntest. Deine Wundertat hat uns dann freilich gleich eines andern belehrt; aber da war es denn auch schon zu spät. Aber da du noch hier bist, so vergib uns unsere frühere Übereiltheit, und gewähre uns gnädigst die an dich von mir in unser aller Namen gestellte Bitte!“ 5. Sagte Ich: „Ja, was soll Ich mit euch Blinden tun? So euch die Nacht lieber ist denn der Tag des Lebens, so habt denn wieder eure toten Götzen! Aber das werdet ihr auch erleben, daß die Zeit bald hereinbrechen wird, in der das Volk hierherkommen und selbst Hand an diese Götzen legen wird, – aber auch an euch! Hättet ihr aber mit Hilfe erstens dieser bewährten Zeugen und zweitens auch mit Meiner unsichtbaren Hilfe euch an das gehalten, was Ich euch vorderhand kurz angedeutet habe, so wäret ihr gerettet; so ihr aber eure Götter alles dessen ungeachtet lieber wollt, so werden sie auch augenblicklich auf ihren alten Plätzen stehen!“ 6. Sagte der Sprecher: „Herr und Gottmensch, laß uns noch eine kleine Beredungszeit, und wir werden dir treuherzigst unseren Entschluß kundgeben!“ 7. Hier sagte der Zöllner: „Meine Lieben, da beratet euch, und kommet nachher zu mir in mein Haus, dort wollen wir die Sache ausmachen; denn hier wird es uns wahrlich schon so öde wie in einer ägyptischen Katakombe!“ 8. Damit waren die Priester einverstanden, und wir zogen weiter dahin, wo ein kleiner See war, der eine große Tiefe hatte, was bei den asiatischen Seen beinahe durchgehends der Fall ist. 9. Als wir zu diesem See kamen, da sagte Jored: „Herr, sieh, das ist eine wahre Merkwürdigkeit in dieser unserer Gegend! Zur Nachtzeit sieht man da, besonders an den hohen Sommertagen, stets eine Menge Lichtlein über der ganzen Fläche des Wassers umherschwimmen; einige bewegen sich langsam, einige wieder schneller. Nun, die Sache da näher zu untersuchen, ist eben da wohl nicht leicht möglich, da man sich dem See wegen seiner sehr sumpfigen Ufer nicht nahen kann. Die Priester aber wissen diese Erscheinung, da dieser See noch auf ihrem heiligen Haingebiete liegt, ganz gut zu benutzen; denn wenn die Zeit, die jetzt nicht mehr ferne ist, kommt, so werden große Reden gehalten über die Ankunft der Genien aus dem Elysium, die darum erscheinen, um den Menschen Gnaden zu erteilen. Sie hätten sich darum nur diesen See erwählt, weil er der reinste auf der Welt sei. 10. Daß der See ein ganz reines Wasser haben wird, ist leicht begreiflich – denn es kann ja nichts hinkommen, was es trüben könnte –; aber mit den elysäischen Genien wird es da wohl seine sehr geweisten Wege haben! Es wäre mit der Erscheinung gar nichts so Besonderes, und sie wird auch sicher ganz natürlicher Art sein; aber die Priester, die da ganz geschickte Redner sind, wissen daraus etwas zu machen, daß man am Ende selbst – wenigstens für den Moment – ganz verblüfft wird, besonders zur Nachtzeit, wo man stets magisch erregter ist denn am Tage. Die starke Umschränkung des Sees aber hat ihr Gutes. Denn nur wenige Schritte über die gesetzten Pfeiler und die durch dieselben gezogenen Schranken wäre es niemandem mehr rätlich, sich zu wagen; denn wer da einsänke, der wäre ohne alle Rettung verloren. 11. Nun, Herr und Meister, da wäre auch so eine Erklärung notwendig, und zwar erstens: Warum muß ein so gefährlicher und eigentlich ganz nutzloser See auf dem Erdboden bestehen? Er ist mit keinen Schiffen zu befahren und hat noch nie auch nur einen Fisch zum Vorscheine gebracht. Er hat weder irgendeinen sichtlichen Zufluß und ebensowenig irgendeinen Abfluß und ist daher auch zur Bewässerung der Gegend gar nicht zu gebrauchen. Und zweitens dient er nach Deiner uns gegebenen heiligwahren Lehre nur zur Abgötterei durch seine wahrhaft magischen Lichterscheinungen, gegen die ich an und für sich nichts einzuwenden habe, aber nun in der moralischen Hinsicht sehr vieles. Denn so nun auch die drei plumpen Statuen durch Deine wunderbare, lebensmeisterliche Wunderkraft hinweggeschafft worden sind, so bleibt die Abgötterei sicher also fortbestehen wie ehedem. Wäre es Dir denn nicht auch ein ebenso leicht mögliches Ding, diesem abgöttischen See dasselbe Ende zu machen wie den drei Statuen?“ 12. Sagte Ich: „Oh, allerdings, und Ich werde es auch tun, dieweil du es aus einem guten Grunde wünschest! Aber es hat dieser See eben keine so unwichtige Bestimmung für die Erde, wie du meinst, da er mit dem inneren Organismus dieses Erdkörpers zusammenhängt und von hier aus bis zu seinem Grunde eine Tiefe von mehr denn dreihundert Stunden weiten Weges hat. Er ist ein Kühlungsaufsatz über eine gar heiße Herzader der Erde, aus welchem Grunde sein Wasser ein sehr kaltes ist. 13. Der See hat einen unterirdischen Zufluß, aber keinen Abfluß, weil sein Überfluß von Wasser stets von der inneren Hitze verzehrt wird auf dem Wege der fortwährenden Verdampfung, die zur inneren mechanischen Belebung ebenso notwendig ist wie die Verdampfung der Speisesäfte im Menschenmagen, und so hat solch ein See freilich wohl keinen außerirdischen Nutzen, aber einen desto größeren innerirdischen. 14. Du magst nun freilich sagen: ,Ja, aber warum muß er denn gerade hier in einer sonst so fruchtbaren, schönen Ebene bestehen? Er könnte ja auch irgend woanders in einer Wüste bestehen!‘ Ja, da hast du gerade auch nicht ganz unrecht; aber diese Gegend war vor noch kaum zweitausend Jahren auch eine Wüste, die später in diese weiten Flächen verbannte Menschen durch den großen Fleiß ihrer Hände erst urbar und fruchtbar gemacht haben. 15. Nun, das kann aber auch mit gar vielen Wüsten dieser Erde geschehen, in denen oft 20-30 solcher Seen vorkommen! So jene Wüsten urbar gemacht werden, so werden dann dort die Menschen sicher auch also fragen: ,Ja, warum muß denn gerade da dieser oder jener gefährliche See bestehen?‘ Ich kann dir da nichts anderes sagen als das: Weil ein solcher zur Unterstützung des mechanischen Erdlebens höchst nötig ist, so muß er auch irgendwo auf der Erde sein, und so ist dieser einmal zufälligerweise nach der Ordnung der Weisheit Gottes hier, und mehrere Tausende sind auf eine gleiche Weise irgend woanders, und die allermeisten sind unter dem Meere und unter den Hochgebirgen. 16. Nun, was seine zumeist im Julius-Cäsar-Monde vorkommenden Lichterscheinungen betrifft, so sind das nichts als leuchtende Insekten, die zur Nachtzeit die vom Wasser aufsteigenden leichten Dämpfe einsaugen und sich damit sättigen. Gehe nach Indien, dort wirst du noch ganz andere nächtliche Lichterscheinungen entdecken! 17. Allein, das machte alles zusammen nichts aus, denn der See kann fest umschränkt werden, was dann seine Gefährlichkeit aufhebt, und es könnte sogar den Menschen die gewisse Lichterscheinung ganz gut und einleuchtend erklärt werden; aber weil wir diesen Priestern zulieb hier auch alles aus dem Wege räumen wollen, womit sie die Menschen ohne viele Mühe leicht betrügen und in allerlei Irrtümer noch weiter verleiten könnten, so werden wir denn auch diesen See bis auf tausend Mannshöhen tief mit fester Erde überdecken und seine notwendige Öffnung irgendwo mit einem andern großen See in Verbindung setzen, und so wird dadurch euch genützt und dem mechanischen Leben der Erde nicht geschadet sein. Und also sei es und geschehe es!“ 18. In diesem Augenblick war von keinem See irgend mehr etwas zu entdecken, sondern alles war ein festes Erdreich. Man konnte des Sees Umfang nun nur nach den noch stehengebliebenen Schranken bemessen. 19. Daß das bei allen, die da mit waren, eine ungeheuer große Sensation erregt hat, läßt sich leicht denken. Aber als wir nun heimkehrten und uns aber noch in der Gegend des Sees befanden, da einige die Festigkeit des neuen Bodens mit ihren Füßen versuchten, da kamen auch die fünf Priester uns nach, da sie vorher schon beim Tempel gewahrten, daß wir etwa auch dem heiligen See einen Besuch machen dürften. 20. Als sie eilenden Schrittes an Ort und Stelle anlangten, da schlugen sie die Hände über den Häuptern zusammen und schrien (die Priester): „Aber um aller Götter willen! Was ist da nun geschehen? Vorher die drei Hauptgötter weg – und nun auch ihr reinster heiliger See! Wehe uns; denn nun sind wir verloren! Es müssen hier die großen Götter irgend gar stark beleidigt worden sein, und sie ließen darum nun zu, daß ein Hauptmagier uns das angetan hat aus ihrer Kraft in ihm, mit der sie ihn werden versehen haben. Oh, wenn uns doch nur der See geblieben wäre! Oh, wer wird uns jetzt helfen und ernähren?“ 21. Sagte Ich: „Gehet nun mit zum Jored; dort werden wir das Weitere besprechen, – hier ist der Ort und die Zeit nicht dazu!“ 22. Damit waren die fünf Priester sehr zufrieden und zogen mit uns zum Jored, allwo schon ein reichliches Mittagsmahl unser harrte. Kapitel 95 Großes Evangelium Johannes, Buch 6 95. — Beim Mahle in des Zöllners Jored Hause. Des Herrn Lebenslehre 1. Der Zöllner Jored lud die fünf Priester natürlich auch zum Mittagsmahle, welche Einladung sie sogleich freundlichst annahmen, und sie setzten sich an unseren Tisch. Unter dem Mahle ward allda nach griechischer Sitte wenig oder auch nichts geredet; aber nach dem Mahle, als der Wein einmal die Zungen gelöst hatte, da ging dann das Reden schon an, und es ward bald sehr lebhaft an dem Tische. 2. Die fünf Priester aber horchten nur und redeten wenig; denn sie wollten so aus den Reden der Jünger und anderen Gäste geheim ablauschen, wer Ich denn eigentlich wäre und von woher gekommen. Aber es wollte sich nichts von derlei aus den verschiedenen Reden der Gäste vernehmen lassen. 3. Mit der Zeit ging den fünfen die Geduld aus, und sie fingen an zu fragen, ob sie nun nicht etwas reden dürften, und zwar eben wegen ihres künftigen priesterlichen Verhaltens, auf daß sie mit dem Volke gleich würden. 4. Da sagte Ich zu ihnen: „Redet nichts als die Wahrheit, wie es war, und wie es geschah, und berufet euch auf die Zeugen, deren ihr hier eine ziemliche Menge habt, und es wird euch darum kein Haar gekrümmt! Dann aber fasset Meine neue Lehre auf, und traget sie dann euren Menschen vor, und sie werden sich alle dessen hoch erfreuen, so sie endlich einmal ganz andere Menschen und Lehrer ersehen werden, als es bisher je der Fall war! Meinet ihr denn, daß euch eure eurem Tempel zuständigen Menschen irgend mehr etwas geglaubt haben? Ich sage es euch: unter Hunderten nicht zwei mehr! Sie liefen euch nur aus alter Gewohnheit zu und ergötzten sich an eurer Spektakelmacherei; aber geglaubt hat euch schon lange beinahe kein Mensch mehr ein Wort! Ihr habt also hiermit nichts verloren, sondern nur vielfach gewonnen. 5. Wie aber Meine Lehre lautet, das werden euch Meine Jünger bis gen Abend hin gar leicht beibringen und euch auch sagen, wie ihr es anzufangen habt, um sie dem Volke beizubringen. Aber vor allem müsset ihr auch das tun, was die Lehre verlangt; denn erst dadurch könnet ihr zur Vollendung des Lebens gelangen und in solcher dann auch tun, was Ich nun tue und so ihr ganz vollkommen werdet, auch noch Größeres und mehreres. 6. Denn der wahre, große, einige Gott hat den Menschen nicht erschaffen, daß er, den Tieren gleich, nur tätig sei wegen der Befriedigung seiner natürlichen Bedürfnisse, sondern vielmehr der inneren, geistigen wegen. Und wer im Geistigen tätig wird und übt durch Wissen, Glauben und Tat des Geistes Kräfte, der wird im Geiste auch stark und mächtig werden. 7. Wer aber da vor allem des Geistes Kräfte übt, der erbaut in sich das Reich Gottes, und das ist im Menschen dann das wahre, ewige Leben, Gott, dem Schöpfer, verwandt und in allen Eigenschaften ähnlich. 8. Hat der Mensch aber solchen seligsten Lebenszustand in sich erreicht und seinen Willen mit dem erkannten Willen Gottes geeint, so kann er auch alles tun, was Gott tut, und er ist also in sich ein Herr des Lebens und ein mächtiger Gebieter über alle Kräfte der Natur. Daß ihr solches nun noch nicht völlig verstehen werdet, das sehe Ich; so aber Meine Jünger euch näher belehren werden, da werdet ihr auch das, was Ich euch nun gesagt habe, heller begreifen denn jetzt.“ Kapitel 96 Großes Evangelium Johannes, Buch 6 96. — Von der Astrologie 1. Hier sagte der Minervapriester: „Höre, du Gottmensch, wir haben vor allem auch das Geschäft der täglichen Zeitbestimmung, die Ordnung und Zählung der Tage, Wochen, Monde und Jahre inne, und wir haben zu erforschen und zu bestimmen des Jahres regierenden Planeten und die zwölf Zeichen des Himmels! Es ist das ein Geschäft, zu dem viele Kenntnisse, Erfahrungen und Arbeit gehören, und es ist das für die gesamte Menschheit etwas höchst Notwendiges, da sie ohne solche unsere Wachsamkeit, Sorge und Arbeit ehest in die größte Unordnung in ihren mannigfachsten Arbeiten geraten müßte. 2. Also machen wir auch die Sanduhren und die Sonnenuhren nach dem Stande der zwölf Himmelszeichen. Nun, so wir deine neue Gottes- und Lebenslehre selbst beachten und sie auch dem Volke beibringen, dürfen wir daneben auch dieses Geschäft nicht mehr betreiben?“ 3. Sagte Ich: „O ja, dieses Geschäft ist ganz in der Ordnung und ist gut; daher dürft ihr es auch betreiben bis auf eure Sterndeuterei und bis auf das, daß ihr aus den Sternen die Schicksale der Menschen herauslesen und bestimmen wollet, und dann auch bis auf das, daß ihr unter den Sternbildern lauter Götter sehet, sie anbetet und ihnen Opfer darbringt. Also, das hinweg, dann könnet ihr rechnen, wie ihr wollet, und zählen die Tage, Wochen, Monde und Jahre und könnet auch Uhren machen, soviel ihr nur immer möget, so ihr euch dabei aller Abgötterei und Wahrsagerei enthaltet! Dieses Geschäft allein ist euch von Mir aus nicht widerraten, obwohl Ich euch offen gestehen muß, daß bei eurem zeitbestimmenden Geschäfte die Bestimmung eines das Jahr regierenden Planeten eine ganz leere und dumme Sache ist. Denn sehet und habet acht: 4. Ihr zählet zu euren regierenden Planeten auch die Sonne und den Mond. Ich will aber vom Monde noch nichts sagen, da als er ein steter Begleiter dieser Erde, die wohl ein Planet ist, also ein Mitplanet ist. Aber die Sonne ist doch kein Planet, sondern sie ist ein Fixstern, wie es deren zahllos viele im endlosen Schöpfungsraume gibt. Sie ist gut um mindestens tausendmal tausend Male größer als diese Erde und für ihre um sie bahnenden Planeten eine feste, unverrückbare Lichtwelt, was ihr von Meinen Jüngern auch noch näher werdet kennenlernen. 5. Wenn das alles aber unstreitig sich also verhält, wie möget ihr eure Planeten zu gewissen Regenten eines und des andern Jahres machen?! Sehet, darin liegt eine schon von den alten heidnischen Priestern ganz fein berechnete Abgötterei! Denn so zum Beispiel in diesem Jahre bei euch Jupiter – oder euer Zeus – der regierende Planet ist, so muß ihm als einem Gotte in diesem Jahre besonders viel geopfert werden, damit er guten Mutes bleibe und des Jahres Früchte wohl gedeihen lasse. Sehet, das ist Abgötterei und darf nicht sein, wo die Menschen den wahren, lebendigen und einigen Gott erkennen sollen und leben und handeln nach Seinem treu geoffenbarten Willen; denn es steht im alten Buche der Weisheit geschrieben: ,Ich allein bin euer Gott und Herr; darum sollet ihr keine nichtigen, fremden Götter neben Mir haben und verehren!‘ 6. Gott ist also nur einer, der alles, was da ist, aus Sich heraus erschaffen hat. An Den allein müsset ihr glauben, Seine Gebote, die Ich euch bekanntgebe, halten und Ihn lieben über alles in der Welt! 7. So ihr aber das tuet, um zu erhalten das, was Ich euch verheißen habe, da ist's mit den regierenden Planeten nichts mehr; denn Gott allein ist der Regent aller Dinge, aller Elemente und aller Zeiten. 8. Wer das glaubt und fest und ungezweifelt annimmt, und getreu lebt nach dem erkannten Gotteswillen, der wird auch in sich bald klarst innewerden, daß diese Worte, die Ich nun zu euch rede und geredet habe, Gottes Worte sind und so sicher zur Erreichung Meiner euch gegebenen Verheißung führen, als wie sicher Ich bloß durch Meinen Willen alles bewirken kann, was Ich will. – Habt ihr das nun wohl verstanden?“ 9. Sagten die fünf Priester: „Herr, Meister und völlig wahrer Gottmensch, wir haben das nun wohl verstanden und sagen und bekennen es offen, daß du in allem ganz vollkommen recht hast und die reinste Wahrheit redest! Aber dennoch sind wir bezüglich unseres Geschäftes der Meinung, daß die Beibelassung der regierenden Planeten bei unseren Zeit- und Jahresberechnungen etwa bloß unter dem fortdauern könnte, so wir nur die altgewohnten Namen beibehalten; wir würden unsere Menschen schon dahin unterweisen, daß dies nur pure Namen sind, mit denen wir die gewissen Wandelgestirne bezeichnen. Es ist das nur wegen der ordnungsmäßigen Feststellung des Zyklus von sieben zu sieben Jahren, nach dem System der alten Ägypter bearbeitet. Das, meinen wir, würde dem Aufblühen deiner Lehre nicht schaden.“ 10. Sagte Ich: „Ja, ja, wenn also schon nicht schaden, aber auch nichts nützen; denn wozu ist fürs erste der Zyklus von sieben Jahren gut? Es hat schon der von sieben Wochen und von sieben Monden gar nichts von irgendeiner Bedeutung in sich, – um wieviel weniger ein Zyklus von sieben Jahren! Aber ihr habt einmal die Zahl Sieben zu einer magischen und also bedeutungsvollen Zahl gemacht und ihr allerlei Wirkungen zugeschrieben und das ganze Volk damit betört, und so steht es nun, daß ihr von den allerleersten Torheiten nicht ablassen könnet. So ihr aber alles das schon beizubehalten nach eurer Meinung bemüßigt zu sein wähnet, so unterweiset aber doch dahin ernstlich das Volk, daß die alten Götternamen nun weiter nichts als eitel leere Namen der gewissen Wandelgestirne sind! 11. Ich sage es euch: Alle eure Berechnungen da oben am gestirnten Himmel sind pur Lüge und Trug. Meine Jünger können euch dafür ein vollgültiges Zeugnis geben. Ich habe es ihnen auch enthüllt, und sie wissen, was die Sonne, der Mond und all die andern Sterne sind. Fraget sie nachher darum, und sie werden euch auch darüber ein rechtes Licht geben! Aber ihr werdet daraus ersehen, wie überaus falsch und lächerlich dumm alle eure Berechnungen und Bestimmungen sind. 12. Wie gesagt, von eurer Zeitberechnung sind nur die sieben zu sieben Tage sich stets ändernden Mondviertel, die daraus hervorgehende Woche, die Zeit eines Mondes und die Dauer des Jahres etwas Wahres und Richtiges, – alles andere ist eine allerleerste Faselei. Ihr wisset nun auch, was an eurer Berechnung ist, und es steht nun völlig bei euch, zu tun, was ihr wollet!“ 13. Als die fünf solche Worte über ihre ihnen so wichtig scheinende Zeit- und Sternberechnung vernommen hatten, machten sie alle große Augen und sprachen geheim also untereinander: „Von Ägypten hat der sich seine Weisheit und magische Willenskraft nicht geholt; denn sonst müßte er über Ägyptens alte und beste Sternkunde doch anders reden! Er aber verwirft schon gleich alles, bloß das nicht, was ohnehin ein jeder noch so einfache Mensch für sich ganz leicht an den Fingern nachzählen und berechnen kann. Er muß seine Gründe dafür haben. Wir werden uns darüber wohl mit seinen Jüngern verständigen!“ 14. Sagte darauf der erste Apollopriester, der der eigentliche Hauptastronom war: „Ich habe doch zu Diathira in Oberägypten unter dem großen Zodiakus im Tempel des Chronos die Zeitrechnung, die Astronomie und die wunderbare Astrologie mit allem Fleiße studiert, und das nach dem neuen System des großen Ptolemäus [Nota bene! Das ist weder der Ptolemäus, der jüngere Astronom, noch einer der Könige, sondern dieser für die Weltgeschichte ganz in die Vergessenheit geratene PDOLOMEUZ (=Feldmesser) lebte 400 Jahre nach der Zeit Mosis. Er ist aber auch nicht zu verwechseln mit dem PDOLOMEUZ von Diathira, der den Zodiakus berechnete. PDOLOMEUZ heißt soviel wie "Feldmesser", "Geometer". Das werde wohl gemerkt! (J.L.)], und jetzt ist das auf einmal nichts?! Was soll man aber dann denken bei dem Anblick der wunderbaren Sternbilder des Himmels? Sollen diese denn im Ernste keine andere und höhere Bedeutung haben, als bloß durch ihren Schimmer zur Nachtzeit dieser Erde ein spärlichstes Lichtlein zu spenden?! Warum dann ihre so mannigfachen Gruppen, die sich stets gleichbleiben? Wozu ihre verschiedenen Größen und ihre Farben? Wahrlich, das ist nun eine harte Probe für uns! Allein, sei es nun, wie es wolle, wir werden sehen, was uns seine Jünger Neues erzählen werden!“ Kapitel 97 Großes Evangelium Johannes, Buch 6 97. — Der Herr heilt Kranke in einem Fischerdörfchen 1. Darauf erhoben wir uns vom Tische, da es ohnehin nahe um die vierte Stunde des Nachmittags war, und Ich beorderte nun Andreas und Nathanael, diesen Priestern den erforderlichen Unterricht zu erteilen, und ging mit den anderen Jüngern und Hausleuten ins Freie. 2. Da kam aber auch der Zeuspriester nach; denn er sagte zu den andern vieren: „Habt ihr wohl acht, was die beiden Männer euch sagen werden; ich aber werde dem Meister nachgehen und sehen und hören, was er irgend tun und reden wird.“ 3. Und also kam er uns nach, als wir längs des Euphrat dahinwandelten, an dessen rechtem Ufer – an dem der Ort lag – sich auch eine Menge seltener und heilsamer Kräuter befanden. Wir kamen eine Stunde Weges am Strome abwärts, allwo sich ein Fischerdörfchen befand, dessen Einwohner sich zumeist vom Fischen ernährten; denn der Boden war steinig und sandig, hie und da nur mit spärlichem Grase und andern Kräutern bewachsen, auf dem kaum einige wenige Ziegen ihr Nährfutter zur Genüge fanden, und er war darum zum Ackerbau nicht geeignet. 4. Als wir hier ankamen, da gingen uns sofort eine Menge Menschen entgegen und grüßten den ihnen sehr bekannten Zöllner Jored, baten ihn aber auch um Nachsicht und Geduld, da sie ihm noch einen Teil ihres Fischerpachtschillings schuldeten. 5. Der Zöllner aber erließ ihnen denselben ganz und sagte noch dazu: „Nicht nur den Pachtschilling, den ihr mir schuldet, erlasse ich euch, sondern ich enthebe euch auch für alle Zukunft jeder weiteren Zinszahlung; nur den kaiserlichen Zinsgroschen allein werdet ihr als von nun an volle und freie Eigentümer dieses Dörfchens und der Fischerei selbst entrichten, und den werdet ihr durch den Verkauf der Fische schon IN COMMUNE gewinnen können. – Seid ihr damit zufrieden?“ 6. Aus großer Dankbarkeit fielen nun Männer und Weiber auf ihre Angesichter nieder und lobten mit lauter Stimme die große Güte Joreds. Jored aber behieß sie, sich zu erheben vom Boden und kein solches Wesen zu machen für eine so geringe Wohltat. 7. Als sie sich vom Boden erhoben hatten, da stellte er ihnen den vom Tode erweckten Sohn vor und gab ihnen kund, wie es hergegangen war. Da drangen diese Menschen zu Mir herüber, da Ich mit dem Arzte ganz knapp am Wasser stand, und fingen an, Mich zu loben und sehr zu preisen, weil Ich des Jored Sohn vom Tode erweckte und er ihnen sicher darum nun solche große Wohltat erwiesen habe, was er sonst, obwohl er allzeit ein sehr guter und billiger Mann war, doch sicher nicht getan haben würde. 8. Darauf fragten sie Mich in ihrer schlichten Einfalt, wer Ich denn sei, daß Ich so etwas Unerhörtes zu bewirken imstande wäre. 9. Ich aber beruhigte sie und sagte zu ihnen: „Wer und was Ich bin, das werdet ihr alle noch früh genug erfahren. Soviel aber möget ihr vorderhand aus Meinem Munde erfahren, daß Ich ein allein wahrer Weltheiland für alle Menschen bin und nicht nur die Macht habe, jeden Menschen dem Leibe nach gesund zu machen bloß durch Meinen Willen und durch Mein Wort, sondern der Menschen Seelen vom langen Irrsal erlösen und ihnen das ewige Leben geben kann. Habt ihr aber etwelche Kranke in eurem Dörfchen, so bringet sie hierher, und Ich werde sie alle gesund machen!“ 10. Da dankten die armen Leute schon zum voraus und sagten: „O du lieber Weltheiland, wir haben der Kranken genug, und selbst wir sind im ganzen nicht so gesund, als wie wir noch teilweise aussehen; aber unsere Kranken sind zumeist wohl mit solchen Gebrechen behaftet, daß bei ihnen nicht viel mehr irgend etwas zu heilen sein wird!“ 11. Sagte Ich: „Gehet und bringet sie nur alle hierher, und ihr sollet die Kraft und Herrlichkeit Gottes, die Er dem Menschen gegeben hat, zum ersten Male in eurem Leben kennenlernen!“ 12. Hierauf eilten diese Menschen in ihre dürftigen Wohnungen und brachten bei zwanzig Kranke; darunter waren Lahme, Krüppel, Gichtbrüchtige, Blinde, Taube, Aussätzige und sogar ein Mensch, der keine Arme hatte. Dieser Mensch war sonst zwar gesund und kräftig; aber da er schon als Kind die beiden Arme durch die Unachtsamkeit seiner Wärterin verloren hatte, so war er als ein armloser Mensch keiner ordentlichen Arbeit fähig, außer, was er mit seinen Füßen notdürftigst zu tun imstande war. 13. Als die Kranken nun alle auf einem sparsamen Rasen dalagen, da trat Ich zu ihnen hin und sagte: „Möchtet ihr wohl alle von euren Übeln geheilt sein, und glaubet ihr es, daß Ich euch heilen kann?“ 14. Da sagte ein gichtbrüchiger Greis: „Guter, lieber Weltheiland, so es dir möglich war, den Sohn Joreds vom Tode zu erwecken, so glauben wir auch, daß du auch uns wieder wirst gesund machen können! Daß wir arg Leidende aber alle wieder frisch und gesund werden möchten, das versteht sich schon lange von selbst. Wenn du, o guter, lieber Weltheiland, uns gesund machen willst, so wolle uns damit deine Liebe und Gnade erweisen! Geben können wir dir zwar nichts darum; denn du siehst ja unsere große Armseligkeit. Wir haben zwar schon alle Götter angerufen, aber sie wollten uns nicht erhören, weil wir sicher kein genügendes Opfer dafür darbringen konnten. Wenn du uns aber heilst, so bist du mehr und besser denn alle Götter des Himmels!“ 15. Hier machte der anwesende Zeuspriester große Augen und sagte zum Arzte: „Wenn er das kann, dann ist er kein Mensch mehr, sondern wahrhaftigst ein Gott!“ Am meisten neugierig aber bin ich auf den armlosen Menschen! Kann er auch dem die beiden verlorenen Arme wiedergeben, so ist er dann schon ganz unfehlbar ein Gott, und wir müssen ihn anbeten!“ 16. Hier hob Ich Meine Augen empor und sagte laut: „Vater, Ich danke Dir, daß Du Mich abermals erhört hast! Ich weiß es wohl, daß Du Mich allzeit erhörst; aber Ich sage und tue das darum, auf daß auch diese Heiden Dich erkennen, an Dich und an Mich glauben sollen und dann allein preisen Deinen heiligen Namen!“ 17. Hierauf wandte Ich Mich zu den Kranken und sagte: „Stehet auf und wandelt!“ 18. Da erhoben sich alle; denn sie wurden alle in ein und demselben Augenblicke völlig gesund. 19. Nur der Armlose hatte seine Arme noch nicht bekommen und kam darum zu Mir und sagte: „O du guter Weltheiland, da es dir möglich war, durch deinen wunderbarst allmächtigen Willen alle diese Kranken zu heilen, so dürfte es dir wohl auch sicher möglich sein, mir die beiden Arbeitshände zu geben, damit ich mir dann durch allerlei Arbeit mein Brot verdienen könnte! Oh, laß mich nicht leer von dieser Stelle ziehen, auf daß auch ich in den vollsten Dankesjubel mit den andern Geheilten aus vollstem Herzen einstimmen kann!“ 20. Sagte Ich: „Warum zweifeltest du in dem Momente, als Ich die anderen heilte? Siehe, die alle glaubten und wurden geheilt; hättest du nicht gezweifelt, so wärest du nun auch schon im Besitze deiner Hände!“ 21. Sagte der Armlose: „O guter Weltheiland, nimm mir doch das nicht für ein Übel, da ich ja nun vollauf glaube, daß du auch mir helfen kannst!“ 22. Hier machte hinter Meinem Rücken der Zeuspriester zum Arzte die geheime Bemerkung: „Ich habe es mir gleich gedacht, daß es mit diesem Armlosen einen Heilungsanstand haben werde! Denn es ist ein ganz anderes, Menschen, die noch alle Glieder, wenn auch noch so verkrüppelt, haben, durch eine magische Wort- und Willensmacht zu heilen, als einem Menschen ein ganz fehlendes Glied als ganz neu erschaffen wiederzugeben!“ 23. Sagte der Arzt: „Der Meinung bin ich nicht; denn wer drei kolossale steinerne Statuen in einem Moment in ein purstes Nichts verwandeln kann und den See zudecken mit fester Erde bis in eine große Tiefe, der kann auch solch einem Menschen die Arme wiedergeben, so er nur will!“ 24. Auf diese Worte des Arztes sagte der Zeuspriester nichts mehr; aber es trat Jored zu Mir und sagte: „Herr, wenn es Dein Wille ist, so gib auch diesem Menschen seine Hände, und ich will ihn dann in meinen Dienst nehmen, und er soll bei mir gut verpflegt sein!“ 25. Sagte Ich zum Jored: „Sei du ruhig, Ich werde ihm die Hände geben; aber nun muß Ich noch des Zeuspriesters wegen ein wenig zögern, denn der hat gemeint, daß Mir solches nicht gelingen werde, und Ich werde darum zuvor mit ihm noch ein paar Worte wechseln.“ 26. Hierauf wandte Ich Mich um und sagte zu dem Priester: „Höre, du schwachsinniger Mensch, wie urteilest du über die göttliche Weisheit, Kraft und Macht?! Wer hat denn den ersten Menschen in die Welt gestellt ohne Zeugung und Mutterleib und hat dem, der zuvor nicht war, gegeben alle seine Glieder in der möglichsten Vollendung? Siehe, das war Der, welcher nun wirket in Mir, wie du dich hast überzeugen können bei den etlichen Zeichen, die Ich hier bereits gewirkt habe! Siehst du denn das nicht ein, daß ein purer Mensch aus sich das nicht wirken kann, was Ich dahier nun wirke, sondern nur der Geist Gottes, der in Mir ist und eins ist mit Meinem Willen?! Ein Priester sein und das nicht auf den ersten Blick einsehen, wie solche Taten, die Ich nun wirke, möglich sind, ist im Ernste für einen Zeuspriester, der doch alle möglichen Schulen durchgemacht und den Plato, Sokrates u. dgl. a. durchstudiert hat, nicht sehr rühmlich! Sage es Mir, ob du vollernstlich meinst, daß Ich dem Armlosen seine Arme nicht wiederzugeben vermag!“ 27. Sagte der Priester: „Das, mein wirklich allmächtiger Freund, habe ich eigentlich denn doch nicht gemeint, obwohl es mir also vorkam, als würdest du bei bresthaften Menschen nur jene Leibesteile wieder gesund machen können, die noch da sind, aber die durch irgendeinen bösen Zufall verlorenen nicht mehr! Denn ich dachte mir: Du kannst wohl mit der rohen und toten Materie, die ihren verwandten Stoff in der Luft und im Wasser hat, als ein in alle unsichtbaren Naturkräfte tiefst Eingeweihter leicht agieren, und sie müssen dir offenbar gehorchen; aber die schon seit langem verlorenen Arme eines Menschen seien ganz etwas anderes, da ihre Grundstoffe doch sicher von den ersten Urelementarstoffen schon sehr weit entfernt sind und aus der Luft und aus dem Wasser nicht so leicht zusammenzubringen sein sollen. Aber es wird dem schon nicht also sein, und dir wird das eine so gut wie das andere möglich sein! Ich habe zuvor wohl dem Arzte meine ein wenig zweiflerische Meinung angesagt, aber er hat mich selbst vom Gegenteile meiner Meinung mit wenigen Worten völlig überzeugt, und so glaube ich nun, daß du dem Armlosen seine Arme geben könntest, so du sie ihm auch aus irgendeinem Grunde nicht geben würdest.“ 28. Sagte Ich: „Ah, das ist nun eine ganz andere Sprache, und Ich habe gar keinen Grund, diesem Menschen seine Arme nicht wiederzugeben; darum will Ich, daß er sie in diesem Augenblicke habe!“ 29. Als Ich solches kaum ausgesprochen hatte, da hatte der Armlose auch schon seine beiden ganz kräftigen Arme und konnte sich ihrer auch sogleich also bedienen, als hätten sie ihm nie gemangelt. 30. Das machte bei allen Anwesenden eine so ungeheure Sensation, daß sie alle zu schreien anfingen: „Das ist kein Mensch, sondern das ist ein wahrer Gott! Dem wollen wir Tempel erbauen und ihm allein die reinsten und die besten und wertvollsten Opfer bringen!“ 31. Ich aber beruhigte sie und erklärte ihnen, so wie tags zuvor dem Jored, des Menschen Lebenskraft im Vereine mit der Kraft des Geistes durch den Glauben und danach durch die höchste Liebe zu Gott, der ewig war, ist und sein wird. Die einfachen Menschen glaubten und begriffen das ganz leicht und bald. Kapitel 98 Großes Evangelium Johannes, Buch 6 98. — Des Heidenpriesters gewandte Verteidigungsrede 1. Darauf behieß Ich die Jünger, daß sie den Leuten die Hauptsätze Meiner Lehre kundtun sollten. Als auch das bald und leicht geschehen war, da dankten alle gar inbrünstigt Mir für solche ihnen erwiesene große Wohltat. Dem Zeuspriester sagten sie aber auch gleich, daß sie seinen toten und niemand etwas helfenden Göttern völlig absagen und hinfort den Tempel nicht mehr besuchen würden. 2. Aber der Priester sagte: „Da bin ich euch schon zuvorgekommen! Wir werden uns aber nun fürder in dieser neuen Lehre noch gar oft sehen und uns gegenseitig erbauen in dieses lebendigen Gottes Namen. Denn unsere alten, steinernen Götter bestehen schon gar lange nicht mehr, das heißt, der Zeit und der Wahrheit nach haben wir Priester schon gar lange nichts mehr darauf gehalten, und sie waren für uns auch schon gar lange so gut wie gar nicht da; aber sie bestehen jetzt auch nicht mehr, denn dieser Allmächtige hat sie mit seinem Willen vernichtet und hat auch den heiligen See für alle Zeiten der Zeiten mit fester Erde zugedeckt. Wir selbst sind nun auch seine Jünger geworden und werden euch dann anstatt der alten Lüge die neue, kernfeste Wahrheit vortragen und werden euch nützen durch allerlei nützlichen Unterricht, und so werden wir die alten, guten Freunde verbleiben!“ 3. Hier sagte der Vorsteher dieses Dörfchens: „Es wäre nun denn also schon alles recht; doch eines gefällt mir von dir, besonders bei dieser wunderbaren Gelegenheit, nicht! Du sagtest, daß ihr Priester sowohl der Zeit als auch der Wahrheit nach schon lange nichts mehr auf die Götter gehalten habt. Das war ganz gut und weise für euch und für eure Säcke; denn weil ihr eben keinen Glauben an die alten Götter hattet, so habt ihr ihnen andichten können, was euch beliebt hat. Ihr repräsentiertet euch uns als die Vermittler zwischen den Göttern und uns armseligen, dummen und blinden Menschen und sagtet: ,Das und jenes verlangen die Götter als Sühnopfer, damit sie uns nicht heimsuchen mit dieser und jener harten Plage!‘ Wir opferten dann als Narren willig, – und ihr verschlanget anstatt der Götter, die nie und niemals irgend bestanden haben, die oft sehr reichlich euch für die Götter dargebrachten Opfer! So ihr selbst aber schon so lange an die Götter nicht geglaubt habt, warum triebet ihr denn hernach einen so ungerechten Unfug, und warum betroget ihr uns? Wie werdet ihr das an uns wieder gutmachen? 4. Was ich hier rede als selbst ein armer Fischer und als Vorsteher dieser kleinen Gemeinde, das rede ich nicht für mich, sondern für die ganze Gemeinde, und du, als mir bekannt der erste von euch fünf Priestern, wirst uns darüber wohl Rede stehen müssen und sagen, aus welchem Grunde ihr mit uns also gehandelt habt, als wäret ihr schon gleich die allmächtigen Götter gewesen, und beleget den mit harten Strafen, der als ein selbst vernünftiger Mensch euch irgendeine Widerrede gegeben hat. Wenn ihr uns da nicht die genügenden Aufklärungen geben werdet, so wird es mit unserer künftigen Freundschaft einen schweren Bestand haben!“ 5. Sagte der Priester: „Lieber Freund, fürs erste haben wir euch die Götterkunde nicht gegeben, sondern ihr seid schon in derselben geboren und erzogen worden, und fürs zweite frage ich dich nun, was ihr dann mit uns gemacht hättet, so wir auf einmal aufgestanden wären und hätten mit guter Rede euch eure alten Götter für null und nichtig erklärt. Wir mußten also das, was wir taten, nur euretwegen tun und nach Möglichkeit suchen, euren alten Aberglauben an die Götter aufrechtzuerhalten, da ihr uns im Gegenfalle ganz sicher nicht sehr freundlich an den Leib gegangen wäret. Solange also der alte Glaube an die vielen Götter bestand, waren wir genötigt, euch als Narren zu dienen, und waren sonach als sonst mit allen Wissenschaften ausgerüstete Menschen doppelt unseres Lohnes wert. 6. Zudem haben wir auch aus politischen Rücksichten für den Staat das, was wir taten, tun müssen. Hätten wir etwas Entgegengesetztes getan, so hätten uns bald die römischen Gerichte gefragt, warum wir der alten Götterkunde entgegenarbeiten und dem Volke eine andere Lehre geben, die nirgends als vom Staate sanktioniert erscheint. Wir wären darauf sicher unserer Ämter verlustig geworden, und euch wären andere Priester gegeben worden, die mit euch sicher nicht so glimpflich wie wir umgegangen wären. Und wer steht nun dafür, daß, so wir abtreten, ihr nicht vom Staate aus bald neue Priester hierherbekommt, die euch dann ganz arg plagen werden? 7. Freilich haben wir alte es nun leichter, indem wir nun so viele Zeugen haben für das, was hier von einem wahrsten und lebendigen Gott bewirket wurde, und so wir von nun an unerschütterlich fest das glauben und tun, was uns die neue Lehre zeigen wird, und wir dann selbst mit unserem geläuterten Willen etwas Besonderes zu bewirken imstande sein werden, so werden wir uns durch das alles vor den allenfalls auf uns aufmerksam gewordenen Gerichten leichter verantworten können, und die Gerichte werden dann ihr Schwert wieder in die Scheide stecken können. 8. Daher sage ich dir als dem Vorsteher dieses Ortes: So wir als Freunde nun also bleiben, wie wir waren, so werden wir sicher eine geraume Zeit hindurch ungestört uns in der neuen Lehre üben können, bis wir darin durch die uns sicher zuteil werdende Gnade dieses wahren, neuen Gottes eine Festigkeit dahin werden erreicht haben, daß auch uns so manches gelingen wird, wovon bis jetzt noch kein römischer Richter einen Begriff hat und haben kann, und dieser wird uns dann, wie ich schon früher bemerkte, in Ruhe lassen. – Rede du nun, ob ich recht habe oder nicht!“ 9. Sagte der Vorsteher: „Da hast du recht geredet, – aber die hauptsächlich Betrogenen waren dennoch immer wir; denn ihr wußtet, daß an der alten Götterlehre nichts ist, wir aber wußten das nicht und hielten große Stücke auf sie, weil ihr uns solches durch eure gewählten Reden gut einzuprägen verstandet. Aber nun lassen wir das gehen, da uns allen durch diesen Weltheiland ein so unerwartet großes Heil widerfahren ist, und seine Jünger befassen sich noch obendrauf damit, uns in der Lehre zu unterweisen, wie ein Mensch zu solchen außergewöhnlichen und eigentlich noch nie dagewesenen Fähigkeiten des Lebens gelangen kann! Aber ich muß nun selbst davon etwas vernehmen.“ 10. Hier begab sich auch der Priester zu den lehrenden Jüngern und hörte die kräftig Lehrenden bei zwei Stunden lang mit der größten Aufmerksamkeit an und ersah erst aus den Worten der Jünger, die hier ganz offen redeten, wer Ich sei, und was Ich mit den Menschen wolle. 11. Ich Selbst aber besprach Mich unterdessen mit dem Jored, mit dem Arzte, mit dem Sohne Jorab und mit dem früher armlosen Menschen, den nun Jored seinem Versprechen nach zu sich nahm, und machte ihnen so manches begreiflich, was sie sonst wohl kaum je hätten begreifen können. Kapitel 99 Großes Evangelium Johannes, Buch 6 99. — Joreds armes Fischerdörfchen wird vom Herrn wunderbar gesegnet 1. Nachdem aber die Jünger ihren Unterricht beendet hatten, da kam alles wieder zu Mir und dankte Mir mit hoch aufgehobenen Händen für die Heilung und ganz besonders für die Lehre, durch die sie nun zum ersten Male zu der Einsicht gelangt seien, was eigentlich der Mensch ist, und wozu er bestimmt ist. 2. Ich aber sagte zu ihnen: „Meine Lieben, tuet danach, dann erst wird euch völlig klar werden, daß die Lehre, die ihr vernommen habt, nicht aus dem Munde eines puren Menschen stammt, sondern wahrhaftest aus dem Munde Gottes, und sie in sich die höchste und reinste Wahrheit und also das Leben selbst birgt!“ 3. Sie versprachen alle auf das teuerste, das alles strengst zu beachten, nur um das einzige baten sie Mich, daß Ich, da es Mir sicher auch möglich sein müßte, ihr Dörfchen dahin nur ein wenig segnen möchte, daß sie hinsichtlich ihrer natürlichen Bestehung nur um ein ganz geringes leichter auskämen und nicht gar so mager und elend leben müßten. Wenn sie so wie bis jetzt nur unter den größten Anstrengungen sich ihre kargste Nahrung fort und fort erwerben müßten, so könnten sie zu dieser neuen und so ernsten Lebenssache viel zuwenig Zeit erübrigen, was für sie nun etwas sehr Schmerzliches wäre. 4. Da sagte Ich: „Nun, was möchtet ihr wohl? Möchtet ihr recht fette Wiesen für eure Ziegen und Schafe, und möchtet ihr auch Obstbäume und Fruchtäcker und eine reichlichere Fischerei haben und daneben etwa auch ein wenig bessere Häuser und Wirtschaftsgebäude?“ 5. Sagte der Vorsteher: „Oh, Herr und Meister des Lebens und aller Dinge, das alles wäre sehr gut und für uns überaus wünschenswert, aber wir sind alles dessen noch gar lange nicht würdig! Daher wären wir vorderhand schon mit einer nur ein wenig fetteren Weide für unsere mageren Ziegen und Schafe mehr als vollkommen zufrieden. Wenn dann und wann uns auch ein reichlicherer Fischfang könnte beschieden sein, so wären wir ja ohnehin die glücklichsten Menschen auf der Erde!“ 6. Sagte Ich: „Höret, bei euch kommt es nun im Ernste auf das alte Sprichwort an, das also lautet: ,Wer das Kleine nicht ehrt, ist auch des Größeren nicht wert!‘ Da ihr aber das Kleine ehret, so seid ihr auch des Größeren wert. Und so denn werde euch alles, was Ich zuvor ausgesprochen habe!“ 7. In diesem Augenblicke standen ganz niedliche Häuser mit ganz guten Wirtschaftsgebäuden da, die ganze weite Sand- und Geröllsteppe ward zur üppigsten Wiesenflur, und strichweise waren die fruchtreichsten Weizenäcker zwischen den Wiesenfluren zu sehen. Um die Häuser prangten mit guter Umzäunung die edelsten Obstbäume von allerlei Art und Gattung, sogar die Rebe fehlte nicht, und was das Fischwasser betrifft, so ward es auch derart gesegnet, daß man nun schon bis ans Ufer die schönsten Fische in großen Gruppen streifend ersah, und die freien Wiesen waren voller Ziegen und Schafe; aber auch innerhalb der neuen Zäune, die ganz zierlich um die Wohnhäuser, Wirtschaftsgebäude und Obstbäume liefen, bemerkten die Einwohner eine Menge Geflügel, wie es sonst bei den reichen Griechen üblich war. 8. Als die armen Einwohner das alles auf einmal ersahen, da wußten sie anfangs gar nicht, ob das wohl Wirklichkeit oder ein schöner Traum sei. Erst nach einer Weile kamen sie zu sich und fingen an, ein ordentliches Dankgeheul anzustimmen. 9. Aber Ich beruhigte sie wieder und ermahnte sie, erstens sich nun darum nie und niemals zu übernehmen, da sonst gar leicht ein Hochgewässer ihnen das alles wieder nehmen könnte, – zweitens sollen sie das nicht aller Welt, die dadurch herkommen könnte, zu laut verkünden, wie sie dazu gekommen sind, da die Welt solches nicht fassen könnte, sie höchstens verlachen würde und nicht unterließe, ihnen zu schaden. Sie sollen nur sagen, daß dies ein Lohn ihres besseren Lebenseifers sei. Und drittens sollen sie untereinander liebreich und sehr verträglich sein, und keiner solle je seinen Nachbarn um ein etwa möglich größeres Glück beneiden, sondern sie sollen alle untereinander voll Liebe und voll Diensteifer sein, einer für den andern, und sollen führen ein reines, keusches und dadurch Gott wohlgefälliges Leben, und es werde da der gegenwärtige Segen nie von ihnen weichen. 10. Sie gelobten das alles auf das teuerste und unter lautem Weinen und Schluchzen vor Freude. 11. Nun aber sagte Ich abermals zu ihnen: „Gehet jetzt in eure neuen Wohnungen, und nehmet von allem Besitz, was ihr darin finden werdet!“ 12. Sie aber baten Mich, daß Ich ihnen nun die neuen Wohnungen als diesem und jenem eigentümlich seiend gnädigst anzeigen möchte, da sie sich nun gar nicht auskennten, wem das eine oder das andere gehöre. 13. Da beschied Ich die Jünger, daß sie diesen Menschen das tun sollten. Und die Jünger taten das, und es war diese Sache also bald in eine gute Ordnung gebracht. 14. Da aber die Bewohner in den neuen Wohnhäusern auch eine reichliche Versorgung vorfanden, so wollten sie alle noch einmal zu uns zurück, um ihren abermaligen lautesten Dank vor Mir auszusprechen; aber die Jünger sagten ihnen, daß sie das nur ganz still im Herzen tun sollten, und daß Ich sie gar wohl verstehen werde, da Mir selbst der allerleiseste Gedanke eines auch in der größten Ferne seienden Menschen nicht fremd sei und bleibe. Daher sie sich das auch zu Herzen nehmen sollen, ja keine schlechten Gedanken in sich aufkommen zu lassen, da Ich darum augenblicklich wissen würde. 15. Da gaben sich die Einwohner zufrieden und fingen an, alles in den seligsten Augenschein zu nehmen, was ihnen durch dieses Wunderzeichen alles zuteil geworden war. Kapitel 100 Großes Evangelium Johannes, Buch 6 100. — Die Rückkehr nach Chotinodora 1. Darauf kamen die Jünger wieder zu uns bis auf Judas Ischariot. Dieser nahm sich noch die Mühe, für sich die Bewohner den Gebrauch der verschiedenen Gerätschaften zu lehren, und aß und trank von Haus zu Haus; denn er wollte für seine Unterrichtsmühe denn doch auch etwas haben. Wir aber ließen ihm seine Freude und zogen unter manchen guten Gesprächen hinauf nach Chotinodora. Als wir allda ankamen, hatte sich die Sonne schon sehr dem Untergange genaht, und wir waren denn auch schon ein wenig müde geworden und gingen ins Haus Joreds, und zwar in den schon bekannten Saal. Da waren auch die beiden Jünger mit den vier Priestern, die daheim von ihnen unterwiesen wurden, und es kamen bald eine Menge Menschen des Hauses und der Stadt und erkundigten sich emsigst, was etwa bei der kleinen Reise nach dem Fischerdörfchen sich alles zugetragen habe. 2. Nun, da gab es gegenseitige Erzählungen und Verwunderungen in die schwere Menge bis nahe in die sinkende Nacht. Nur das hereingebrachte Nachtmahl brachte die Zungen zu einiger Ruhe, und die Bürger der Stadt verließen uns auch nach und nach, so daß wir das Mahl in einer größeren Ruhe genießen konnten. 3. Als wir mit dem Mahle zu Ende waren, da erst kam Judas Ischariot uns nach und machte so ziemlich forschende Augen, ob das Mahl erst angefangen oder schon beendet sei. Er fand es aber schon beendet und ergab sich darum willig in sein Schicksal. Es wollte ihm aber Jored etwas richten lassen; das ließ Judas Ischariot jedoch nicht zu und bat ihn bloß um etwas Brot und Wein, was er auch sogleich bekam. 4. Aber unser Thomas konnte es ihm dennoch nicht ganz nachsehen, da er durch Mich innewurde, daß Judas Ischariot in dem neuen Dorfe dem dortigen Wunderweine ganz kräftig zugesetzt hatte. Aber diesmal tat Judas Ischariot also, als hätte er den Thomas gar nicht vernommen, ging aber dennoch, als er seinen tüchtigen Becher Wein geleert hatte, hinaus, und wir sahen ihn diese Nacht nicht wieder. Er hatte draußen einen Bürger gefunden, der sich mit ihm über die Geschichten dieses Tages unterhielt und ihn dann auch mit in sein Haus nahm, wo es für ihn dann einen guten und reichlichen Nachtschmaus absetzte. 5. Als wir aber noch so am Tische saßen, da kamen die Weiber und Kinder und andere Diener der fünf Priester, um nachzuforschen, was mit ihnen geschehen sei, da sie sich den ganzen Nachmittag nirgends hatten sehen lassen, wo ihre Angehörigen hinzukommen pflegten. 6. Und die Weiber erhoben denn auch ganz ernste Worte, was denn nun in der Folge werden solle, da nun alles zerstört sei, was sonst zu ihrem Dienste gehörte. 7. Die Priester aber verwiesen ihnen solche Fragen ernstlich und sagten: „Wir – und nicht ihr – waren die Priester der menschlichen alten und unverbesserlichen Blindheit und gräßlichsten Dummheit! Wir wissen nun etwas anderes und werden auch erzfest bei dem verbleiben. Haben uns aber die nichtigen, alten und total falschen Götter ernährt und erhalten für unseren leeren Dienst, so wird uns wohl der eine und vollwahre, allmächtige Gott auch erhalten, so wir nun alle Ihm allein wahrhaft dienen! – Und nun fraget um nichts Weiteres mehr; morgen ist auch noch ein Tag, an dem eure weibliche, alberne Neugier befriedigt werden kann!“ 8. Auch diese ganz gute und ernste Rüge der fünf Priester an ihre Familien machte eine gute Wirkung; sie schwiegen und begaben sich ganz geduldig wieder nach Hause. 9. Hierauf ward noch so manches Gute besprochen, und die zwanzig Neujünger sagten unter sich: „Oh, wäre dieser Ort Jerusalem, welch ein seliges Leben wäre da! Aber geschähe das in Jerusalem, was alles heute hier geschehen ist, so würde das die Templer noch ärger aufregen, und keiner von uns wäre eine Stunde mehr seines Lebens sicher. Und dort sollen die Kinder Gottes wohnen, und hier sind pur finstere und lichtlose Heiden?! Höret uns auf mit den Kindern Gottes in Jerusalem! Dahier sind nun die wahren Kinder Gottes – und zu Jerusalem Kinder des Satans!“ 10. Sagte Ich: „Na, na, ereifert euch nicht zu sehr! Ihr habt wohl recht geurteilt; aber hier ist nicht der rechte Ort dazu. Darum redet lieber von etwas anderem!“ Kapitel 101 Großes Evangelium Johannes, Buch 6 101. — Der Herr erläutert die Gesichte Daniels 1. Sagte einer von den zwanzig, der ein Schriftgelehrter des Tempels war: „Herr, da Dir alle Dinge bekannt und möglich sind, so könntest Du uns wohl aus dem Propheten Daniel, und besonders dessen siebentes Kapitel, ein wenig erklären! Dieser merkwürdige Seher gibt zwar eine eigentümliche Erklärung über sein Gesicht der vier Tiere, – aber die Erklärung ist ebenso unbestimmt und dunkel wie das geschaute Bild, das dem Seher Grauen erregte. – Könnten wir denn über dieses Gesicht von Dir keine nähere Aufklärung erhalten?“ 2. Sagte Ich: „Oh, allerdings; aber auch dazu ist hier der Ort nicht, da diese Menschen von unserer Schrift wenig oder auch gar nichts wissen. Dann seid auch ihr selbst noch viel zuwenig in euren – sage – jenseitigen Geist eingedrungen und mit ihm noch zu wenig eins geworden, um das Gesicht des Sehers Daniel einzusehen und aus dem Fundamente zu fassen. Denn würdet ihr auch die zwei ersten Tiere zur Not begreifen, so könntet ihr doch nicht die zwei letzten begreifen, weil ihr Sein und Wirken den künftigen Zeiten aufbewahrt ist. Wie könnte man aber eurem noch bloß natürlichen Verstande etwas als hell erleuchtet darstellen, was auf der Erde noch nicht da war, sondern erst nach vielen Jahrhunderten sich abspielen wird?! 3. Das einzige kann Ich euch sagen, daß die vier sonderbaren Tiere nicht etwa vier nebeneinander bestehende Reiche darstellen, wo vom letzten dann noch zehn Königreiche entstehen nach der Zahl der zehn Hörner, in deren Mitte dann noch ein elftes auf dem Haupte des Tieres hervorkam, dessentwegen drei der früheren zehn Hörner dem Tiere ausgerissen wurden, sondern nur vom Anfange der Menschenzeiten auf dieser Erde vier große aufeinanderfolgende Völkerseinsperioden bezeichnen, zu deren Vergangenheitserforschung viel chronologische Geschichtskenntnis und zu deren Zukunftsdurchschauung ein voll geöffnetes Geistesauge erfordert wird, das über Zeit und Raum hinausblicken kann im Lichte des Lichtes und im Leben des Lebens. 4. Sehet, also soll das letzte Tier eiserne Zähne haben und alles um sich auffressen, und das elfte Horn habe Augen wie Menschenaugen und einen Mund und spräche große Dinge! 5. Ja, Ich sage es euch, daß es unvermeidlich also kommen wird; aber so Ich es euch jetzt auch ein wenig erklären wollte, so würdet ihr von Meiner Erklärung ebensowenig verstehen, wie der Daniel selbst von jener Erklärung, die ihm der Geist gemacht hat, im Grunde des Grundes etwas verstanden hat. 6. Es war Daniels fromme Seele wohl ganz geeignet, solche Gesichte zu schauen wie in einem lebhaften Traume, aber sie konnte sie auch nicht fassen, weil ihr jenseitiger Geist aus Gott mit ihr nicht eins werden und sein konnte, da Ich noch nicht im Fleische da war, um solch eine völlige Einigung zu ermöglichen. Diese volle Einigung aber wird auch erst dann völlig möglich sein, wenn Ich werde aufgefahren sein in Meine alte und nach dem auch ganz neue Heimat. 7. Aus dem aber könnet ihr nun schon ganz klar entnehmen, daß euch Meine Erklärung über das ganze siebente Kapitel Daniels gar nichts nützen würde.“ 8. Sagte nun Petrus: „Aber Herr, so wir irgendeinmal wieder ganz allein untereinander sind, dann könntest Du uns wohl einige Winke darüber geben! Denn ich sage nun selbst: Die Propheten, namentlich die vier großen, haben vieles niedergeschrieben, wie auch Moses, Elias, David und Salomo, – aber für wen? Bis auf uns hat sie kein noch so weiser Schriftgelehrter ordentlich verstanden, wir verstehen auch das wenigste davon, und den nach uns Kommenden wird es sicher auch um kein Haar besser ergehen. Und doch sind jene Bücher für die Menschen und für kein anderes Geschöpf geschrieben worden. Was nützen sie aber den Menschen, wenn sie solche nie und niemals ordentlich verstehen?“ 9. Sagte Ich: „Oh, da irrst du dich ganz gewaltig! Wären jene Bücher der inneren Geistesweisheit also geschrieben, daß sie für jeden natürlichen Weltverstand schon auf den ersten Blick durch und durch verständlich wären, so würde sie der Mensch dann bald zur Seite legen und nicht einmal mehr ansehen. Welchen Nutzen hätte er dann davon?! 10. So aber enthalten sie durchgreifend Geistiges von der einfachsten Kreatur bis in das tiefst Himmlisch-Göttliche und können daher von keinem natürlichen Weltverstande je völlig begriffen werden, sondern allein von dem reinen, vollkommen jenseitigen Geiste des Menschen. 11. Eben das Nichtverstehen solcher Schriften ist ein Wecker des Geistes im Menschen und zeigt ihm, was und wie vieles ihm von der eigentlichen Lebensvollendung abgeht. Er wird daher solche Schriften öfter zur Hand nehmen und darüber Betrachtungen anstellen, wobei ihm von Zeit zu Zeit doch eines und das andere etwas klarer wird. Wenn er also durch seine Mühe und durch seinen Eifer hinter ein Lichtlein des Geistes gekommen ist, so wird er dann schon emsiger und emsiger im Forschen nach den inneren, geistigen Wahrheiten und wird sogestaltig zu stets mehr und mehr Licht und auch zu einer innigeren Verbindung mit seinem inneren, jenseitigen Geiste gelangen und wird dann auch seinen Nebenmenschen ein helleres Licht zu geben imstande sein, das ihnen sehr wohltun wird. 12. Das aber würde nie geschehen, so diese Schriften in einer bloß rein naturmäßigen Art gegeben wären; und wären sie also gegeben, so könnte kein Geistiges und Himmlisch-Göttliches in ihren Worten zugrunde gelegt sein, wie Ich euch solches schon zu öfteren Malen ganz klar gezeigt habe. 13. Was würdet ihr nun dazu sagen, so Ich euch kundgäbe, daß nach nahe 2000 Jahren, von jetzt an gerechnet, erstens diese Meine Lehre im allgemeinen noch ein viel schlechteres Gesicht haben wird denn jetzt das ärgste Heidentum und noch ärger sein wird als das nun blindeste Pharisäertum zu Jerusalem, das von nun an keine fünfzig Jahre mehr bestehen wird?! Was werdet ihr sagen, so Ich es euch eröffne, daß die Menschen in jener Zeit große künstliche Augen erfinden und machen werden, mit denen sie in große Tiefen des gestirnten Himmels hineinblicken und eine ganz andere Rechnung aufstellen werden, als sie die Ägypter aufgestellt haben?! Ja, die Menschen werden eiserne Wege machen und werden mit Feuer und Dampf in eisernen Wagen dahinfahren, so schnell, als wie da schnell fährt ein abgeschossener Pfeil durch die Luft! Sie werden mit ehernen Feuerwaffen einander bekämpfen und werden ihre Briefe durch den Blitz in alle Welt hinaustragen lassen, und ihre Schiffe werden sich ohne Segel und Ruder durch des Feuers Macht bewegen auf dem großen Weltmeere, so schnell und leicht, als wie schnell und leicht da fährt ein Aar durch die Luft; – und noch tausend und abermals tausend Dinge, von denen ihr euch keinen Begriff machen könnet. 14. Und sehet, das alles fasset das vierte Tier in sich und kann von euch nun nicht verstanden werden, weil ihr auch das, was Ich euch jetzt gesagt habe, nicht verstehen könnet! Aber im Geiste werdet ihr in kurzer Zeit das alles wohl verstehen und werdet aber auch niemandem eine andere Erklärung zu geben imstande sein, als wie Ich sie euch nun bei dieser Gelegenheit gegeben habe. Aber Ich werde euch später bei einer schicklichen Gelegenheit doch noch auch darüber etwas Näheres sagen. Für heute aber haben wir des Rechten und Guten zur Genüge getan, und so wollen wir uns denn nun wieder zur Leibesruhe begeben!“ 15. Mit dem ward dieser Abend beschlossen, und alles begab sich zur nötigen Ruhe; denn es war schon ziemlich spät an der Zeit. Nur die fünf Priester und Jored haben in einem andern Zimmer noch lange miteinander verkehrt über all das Gehörte, Gesehene und Geschehene. Kapitel 102 Großes Evangelium Johannes, Buch 6 102. — Die listigen Weiber der Heidenpriester 1. Am Morgen warteten aber schon eine Menge Menschen vor dem Hause, daß sie Mich sähen; aber Ich blieb mit den Jüngern im Saale und ging diesmal vor dem Morgenmahle nicht ins Freie. 2. Es kam aber dennoch Jored zu uns, um nachzusehen, ob wir noch schliefen. Und da er uns völlig wach fand, so sagte er zu Mir (Jored): „Herr und Meister, das Morgenmahl ist bereitet; so es Dir genehm wäre, möchte ich es sogleich hereintragen lassen! Auch die fünf Priester und unser Arzt sind schon da und möchten Dich sehen und grüßen. Dann umlagert mein Haus eine ordentliche Volksmasse und verlangt nichts, als Dich nur einmal zu sehen. Herr, was ist da Dein Wille?“ 3. Sagte Ich: „Laß das Morgenmahl hereintragen und die Priester und den Arzt zu uns hereintreten und natürlich auch deine Mir gar recht liebgewordene Familie! Das neugierige Volk aber soll harren; denn das verliert und gewinnt vorderhand nichts durch das, daß es Mich beschaut. Tue also das; nach dem Mahle werden wir schon sehen, was da zu machen sein wird!“ 4. Darauf geschah sogleich das, wie Ich es angeordnet hatte. Der Arzt und die Priester traten ein, und wir setzten uns an den Speisetisch. Da wurden sogleich die Eßwaren als ganz wohl bereitet aufgetragen, da die sieben Weiber des Jored ganz gute Köchinnen waren, und wir aßen und tranken abermals recht wacker und tranken den Wein nach den Fischen. 5. Nach einer halben Stunde war das Morgenmahl beendet, und einer der Priester bat Mich, ob er reden dürfe. 6. Ich aber sagte zu ihm: „Mein Freund, du kannst für dich reden, soviel es dir beliebt; aber Ich mache dir hier die Bemerkung, daß Ich es ohnehin von Wort zu Wort genau weiß, was du Mir sagen und um was du Mich fragen möchtest, und so kannst du dir die Mühe wohl ersparen, in solch einer höchst unbedeutenden Angelegenheit den Mund aufzutun! 7. Siehe und höre! Als ihr in der Nacht – freilich schon beim Morgengrauen – nach Hause kamet, da habt ihr in eurem Haine heulen und wehklagen hören. Ihr ginget mit einiger Furcht tiefer in den Hain und vernahmet sogar drohende Worte dahin, wie sich die Götter, die ihr meineidig verlassen habet, an euch rächen würden. Ihr eiltet dann mit keiner geringen Furcht zu euren Weibern und erzähltet ihnen das, was ihr vernommen hattet, und habt dadurch erst so recht das Wasser auf ihre Mühle getragen. (Es gab schon zu Jakobs Zeiten derlei Mühlen.) 8. Wisset ihr, warum eure pfiffigen Weiber und Kinder und Diener euch gestern abend holen gekommen sind? Sehet, sie hatten euch einen solchen Spuk bereitet und hätten euch schon früher gerne ins Bockshorn gesetzt! Sie waren darum also erbittert, weil ihr ihnen für ihren euch bereiteten Schreck zu lange verzoget. 9. Obwohl Ich gestern so gut wie jetzt davon nur zu klar wußte, was die Weiber im Sinne hatten, so ließ Ich es doch geschehen, aber nicht etwa, um euch von euren Weibern ein paar Stunden lang ängstigen zu lassen, sondern um eben heute dadurch euch zu helfen, eure Weiber und Kinder und Diener auf den rechten Weg zu setzen. 10. Ich habe darum eurer Weiber Listwerkzeuge auf ihren Plätzen bis dahin festgebannt, bis wir nun bald dahin kommen werden und eure Weiber ins Angesicht überzeugen, welche Wunder sie zur Nachtzeit mit den in den Gebüschen an den Schweifen fest angebundenen Katzen und mit einigen gedungenen feilen Knechten und Dirnen, die sich auf den dicken Baumästen befanden, für euch gewirkt haben. 11. Als ihr euch am Morgen zu Mir herbegabet, da eilten eure Weiber, Kinder und Diener behende in den Hain, und sie geben sich nun alle erdenkliche Mühe, ihre für euch bereiteten Spukwerkzeuge freizumachen; aber es geht das nun so lange nicht, bis wir dahin kommen werden und zuvor den Spukkünstlerinnen einige sehr vernehmbare und kräftige Worte ins Gesicht sagen und dann erst ihre Zauberwerkzeuge in die Freiheit setzen werden. Nun, Freund, rede du, ob es nicht also sich verhält, und ob es nicht das war, was du Mir hast sagen wollen!“ 12. Sagte der Priester: „Ja, großer Herr und Meister, gerade also war es! Ich danke Dir allerinbrünstigst für diese Aufhellung; denn wahrlich, wir waren gestern in keiner kleinen Angst und dachten uns: Na, wenn das so fortgeht, so haben wir binnen kurzem noch einmal den alten Götterkrieg zu erleben, an den wir de facto wohl nie geglaubt haben, wohl aber dahin etwas darauf hielten, daß in jener Urzeit auf dieser Erde gar große Erd- und Elementarrevolutionen vor sich gegangen sein mögen, deren Dasein und Geschehen die damaligen, sicher sehr einfachen Naturmenschen in allerlei Bildern und wunderlichen Sagen für ihre Nachkommen aufbewahrt haben. Aber gestern hätten wir schon beinahe an die Wirklichkeit jener Fabel zu glauben angefangen, und das um so leichter, da wir gestern gesehen und gehört haben, was eine göttliche Macht, auch nur in einem Menschen wohnend, alles zu bewirken imstande ist. Wir sahen Dich und Deine Jünger schon ordentlich brennende Berge und riesenhaftest große Eichen mit furchtbarer Kraft gegen den Himmel schleudern. Nun ist uns aber solch eine Dummheit auch schon ganz vergangen, und ich Redner freue mich nun ganz absonderlich darauf, wie Du, o Herr und Meister, unsere zu verdummten Weiber in eine bessere Ordnung bringen wirst!“ 13. Sagte Ich: „Du sagst mit Recht, daß eure Weiber zu verdummt sind; aber die Schuld an ihrer Verdummung traget ihr. Ihr habt sie also zugerichtet, und somit ist an dem, daß eure Weiber und Kinder nun also sind, wie sie sind, die Schuld an euch selbst, und ihr müsset nun denn, aber mit Liebe und Geduld, das an ihnen selbst wieder gutmachen, was ihr an ihnen verdorben habt! Ich werde das Meinige schon tun, dann aber müßt ihr auch das Eurige tun. Mit Liebe und Geduld werdet ihr vieles ausrichten, – aber mit eurer altgewohnten Strenge gar nichts!“ 14. Sagte der Zeuspriester: „Herr und Meister, an unseren Weibern haben wir unmöglich viel verderben können; diese waren schon von ihrer Kindheit an so sehr in die Götter eingezwängt, daß sie stets unsere Korrektoren machten, so wir irgendwann etwas unterließen, was gewisserart nur als eine pure Nebensache zu unserem zeremoniellen Kultus gehörte, und was man ganz sicher hätte auslassen können.“ 15. Sagte Ich: „Das ist nun zwar wahr, aber ihr werdet euch nun auch gar wohl noch an die Zeit erinnern können, in der ihr um eure Weiber freitet! Da fandet ihr, daß sie als Töchter eines Priesters in Sidon die Schrift der Juden lasen und große Stücke auf sie hielten, wie auch ihr Vater selbst, wenn auch nur geheim für sich. Damals lobtet ihr das, um euch die Töchter geneigt zu machen; als sie aber eure Weiber waren, da finget ihr an, ihnen die Lehre der Juden von Tag zu Tag mehr und mehr zu verdächtigen, zeigtet ihnen allerlei falsche Wunder und behauptetet, daß solches alles die Götter bewirkten. Dann suchtet ihr durch allerlei Mittel der Weiber Phantasie bis auf den höchsten Kulminationspunkt zu treiben, wodurch sie am Ende allerlei Träume und Gesichte bekamen. Diese Träume und Gesichte aber wußtet ihr dann durch eure Redekunst stets also zu deuten, daß sie gerade das bedeuten und anzeigen mußten, was ihr so ganz eigentlich habt haben wollen. Bedenket nun das, und saget dann, wer an der Verdummung eurer Weiber die Hauptschuld trägt! 16. Aber Ich sage euch nun noch etwas hinzu, und das besteht darin: Gar so dumm, wie ihr es meinet, sind so ganz geheim für sich eure Weiber ganz und gar nicht; denn wären sie das und hielten bei sich etwas auf die Hilfe der Götter, so würden sie sich nimmer getraut haben, so im Namen der Götter, die sie dadurch erzürnen müßten, euch einen ganz natürlichen Spuk zu bereiten. Weil sie aber eben ganz heimlich bei sich auf alle die Heidengötter nie besonders viel gehalten haben, und jetzt schon am allerwenigsten, da sie von euch bei guten Gelegenheiten als eure vertrautesten und notwendigen Helferinnen in allerlei von euren Zauberkünsten sind eingeweiht worden, so haben sie denn ja doch einsehen lernen müssen, wie und auf welche Weise eure Götter ihre Wunder verrichten. Also sehet und bedenket, wer eigentlich an der vermeinten Verdummung eurer Weiber die Schuld trägt! 17. Aber es macht das nun nichts; denn in der Folge werden eure Weiber, Kinder und Diener euch auch in der Wahrheit, die nun durch Mich bei euch aufgegangen ist, bei weitem übertreffen. Aber nun gehen wir in den Hain hinaus, und Ich will alldort eure Weiber, Kinder und Diener von ihrer großen Verlegenheit und nahen Verzweiflung befreien! Denn nun fangen sie selbst an zu glauben, daß die Götter sie nun darum züchtigen, dieweil sie ungläubig in dem heiligen Haine wider dieselben gefrevelt hätten. Und so erheben wir uns denn und gehen behende hinaus!“ 18. Wir verließen alsbald den Saal und zogen hinaus in den heiligen Hain, wählten aber dazu einen Hinterweg, damit uns nicht das viele Volk, das noch vor der Hauptfront des Hauses Joreds auf Mich harrte, dränge und auf dem Fuße nachfolge. 19. Unter dem Volke aber befand sich auch unser Judas, der Mich demselben um einige Groschen Gewinnes zeigen wollte, da Mich die Menschen persönlich ja doch nicht kennen konnten. Dieses ward aber dem verräterischen und gewinnsüchtigen Jünger dadurch ganz vereitelt, daß wir einen Hinterweg hinaus in den gewissen Hain wählten. Kapitel 103 Großes Evangelium Johannes, Buch 6 103. — Das gute Zeugnis der Priesterweiber über den Herrn 1. Wir kamen nun draußen an und trafen die Weiber und Kinder und Diener in der größten Tätigkeit, die bezahlten Wehklager auf den Baumästen und die Katzen in den Gebüschen loszumachen; aber die Wehklager auf den Ästen waren wie angenagelt, und den Katzen durfte sich niemand nahen, da sie gar grimmig waren und entsetzlich um sich bissen und kratzten ob des erlittenen Schmerzes. 2. Als die fünf Priester ihre Weiber in solch einer verzweiflungsvollen Nähe antrafen, da fragten sie dieselben, was sie denn da machten. 3. Eines der Weiber, nämlich das des Priesters der Minerva, war noch am meisten beherzt und sagte zu ihrem Gemahle: „Ach, siehe, wir haben uns gestern eine List wider euch ausstudiert, um euch wieder zu dem alten, viel Gewinn gebenden Göttertume zurückzubringen! Du siehst hier einige Heuler und Wehklager auf den Ästen der Bäume hocken und in den Gebüschen mehrere Katzen, die alle gestern nacht bei eurer Ankunft das Geheul machen mußten, um euch darum zu erschrecken, weil ihr wegen der großen Zaubertaten des fremden, vorgestern hier angekommenen Künstlers die Götter verlassen und unsere gute und sehr einträgliche Stellung mit einem Hiebe gänzlich vernichtet habt. 4. Aber wir sind mit unserer List schmählich und eigentlich schon ganz entsetzlich eingegangen. Siehe, entweder haben wir durch diesen Frevel im heiligen Haine die alten Götter hart beleidigt oder den großen Zauberkünstler; denn die Strafe für unseren Frevel ist mehr als augenscheinlich vor unseren Augen! Die Heuler und Wehklager auf den Baumästen sind durch eine unsichtbare Macht wie angenagelt und können trotz aller Anstrengungen nicht von ihren Stellen, und den Katzen in den Gebüschen kann sich kein Mensch nahen; denn sie sehen mehr den grimmigsten Furien als irgendeinem Haustiere ähnlich, beißen und kratzen ganz entsetzlich um sich und können darum um keinen Preis der Welt losgemacht werden. Wir wissen uns nun nicht mehr zu raten und zu helfen. Was sollen wir da nun tun?! O des unglückseligsten Gedankens, durch den wir uns dazu haben verleiten lassen! 5. Was wäre denn da mit dem großen Wundermanne?! Könnte der uns nicht helfen, da doch er an all dem die eigentliche Schuld trägt dadurch, daß er durch seine unbegreifliche Willensmacht uns die Götterbilder vernichtet und den heiligen See in ein festes Erdreich umgewandelt hat?! Gehe du hin zu ihm und ersuche ihn darum in unser aller Namen!“ 6. Sagte der Priester: „Das wird da wenig nützen, sondern ihr alle müsset selbst darum zu Ihm hingehen! Er steht dort in der Mitte Seiner Jünger. Er weiß gar wohl darum und hat uns solches im Hause Joreds eröffnet, ansonst wir nicht hierher gekommen wären. Er will und wird euch helfen; aber ihr müsset zuvor selbst zu Ihm hingehen und Ihn um Vergebung bitten. 7. Ihr habt dadurch, daß ihr solches hier angestellt habt, euch nicht an den alten Göttern, die nie und nirgends – außer in der Phantasie der blinden Menschen – bestanden haben, versündigt, sondern rein nur an dem großen, allmächtigen Gottmenschen, der in Seiner großen Liebe zu allen Menschen eigens darum auch zu uns gekommen ist, um uns aus unserer lange dauernden, großen Irre zu erlösen und uns zu zeigen und zu geben das allein wahrste Licht des Lebens. Durch Ihn und in Ihm wirkt der wahre, ewig unerforschlich weise und allmächtige Gott. Das ist eine Wahrheit, die von niemand mehr, der von Seinen Taten nur von fernehin Zeuge war, geleugnet werden kann. Und hat jemand Seine Taten, die nur einem Gotte möglich sein können, selbst auch nicht geschehen, sondern allein Seine Lehre angehört aus eines andern Munde treu und unverfälscht, so wird er daraus bald und gar leicht gewahren, daß solch eine Lehre niemals von einem Menschen, sondern nur von dem einigen und ewigen Gott abstammen kann; denn nur ein Gottesmund kann solche Worte reden, die wie lebendige Flammen in das Herz der Menschen dringen und im selben ein Bewußtsein schaffen, von dem zuvor nie irgendein Mensch eine Ahnung hat haben können. Darum gehet selbst in aller Demut und Liebe zu Ihm hin, bittet Ihn, und Er wird euch nicht unerhört von Sich lassen!“ 8. Auf diese für einen Priester der Minerva wahrhaft gute und wahre Beredung eilte sein Weib zu ihren Kolleginnen hin und sagte ihnen dasselbe, was ihr ihr Gemahl gesagt hatte. Das hatte eine gute Wirkung, und die Weiber mit ihren Kindern und Dienern kamen zu Mir her und baten Mich, auf ihren Knien liegend, um Vergebung, und daß Ich die auf den Baumästen und die gewissen Tiere in den Gebüschen frei machen möchte. 9. Ich aber sagte: „Wer nicht weiß, was er tut, der hat auch keine Sünde, – und somit habt ihr auch keine Sünde! Aber in der Folge, da ihr nun wisset, wer Ich bin, würdet ihr in grobe Sünden verfallen wider alle göttliche Ordnung, die euch das ewig Beste anordnet und will, daß ihr ganz selig werden sollet, nicht soviel zeitlich, aber desto mehr für ewig. 10. Wie aber der Mensch alles das erreichen kann in diesem Erdenleben, das werden euch eure Männer kundtun. Und nun gehet hin und sehet, ob eure Gefangenen schon frei sind!“ 11. Da dankten die Weiber, die Kinder und Diener und gingen hin. Und als sie hinkamen, da fanden sie alles, was da gefangen war, in der vollsten Freiheit und hatten eine große Freude daran. 12. Sie kehrten jedoch alsbald wieder und dankten Mir auf ihren Knien, daß Ich sie befreit habe von solcher großen Angst. 13. Ich aber hieß sie, sich vom Boden zu erheben, und sagte zu ihnen: „Was ihr nun gesehen habt und wisset aus dem Munde eurer Männer, das lehret auch in aller Geduld und Sanftmut eure Kinder und Diener, und später auch die Kinder anderer Eltern, und gründet sonach eine wahre Lebensschule in Meinem Namen, den ihr auch von euren Männern erfahren werdet, und ihr werdet von Segen aus den Himmeln umflutet sein – also, wie da umflutet ist eine Insel im Strome von dem Wasser des Stromes und zur Nahrung ihrer Pflanzen, Gesträuche und Bäume eines Weltregens aus einer finstern und das Licht der Sonne verhüllenden Wolke nicht bedarf. Merket euch das und tut danach, so werdet ihr vom Tode dieser Welt zum Leben des Geistes also durchdringen, wie Ich Meinem irdisch- menschlichen Teile nach Selbst vom Gottesgeiste durchdrungen bin! Und so ihr wahrhaft glauben werdet an Meinen Namen, so wird euch in allem von Gott aus geholfen werden; denn Ich bin das lebendige Band zwischen Gott und den Menschen.“ 14. Als die Weiber, Kinder und auch die Diener das Heil dieser Meiner Worte in sich wahrnahmen, sagten sie: „Ja, wahrlich, wahrlich, also kann kein Mensch reden wie Du, o großer, gottvoller Meister! Wer Dich allein hört, der bedarf weiter keines andern Zeichens mehr, da ihm schon die Worte den allerklarsten Beweis dahin liefern, wer hinter Dem verborgen sein muß, der da solche Worte auszusprechen imstande ist. Du scheinst wohl ein Mensch zu sein, bist aber eigentlich doch nur Deiner geheiligten Haut nach ein Mensch für unsere Augen; aber unter Deiner Haut ist bei Dir alles Gott, und die Ohren, die bestimmt sind, das zu vernehmen, was inwendig im Menschen ist – als seine Gedanken, Wünsche und Entschlüsse, die er durch laute Worte ausdrückt –, vernehmen aus Deinem Munde nur rein Göttliches, und so bist und bleibst Du, o großer Herr und Meister, für uns der alleinige Gott! Und unsere späten Nachkommen werden es sicher noch mit der größten Lebenswärme und -glut erzählen, wie wir als ihre Voreltern wahrhaft Gott gesehen und mit Ihm geredet haben, von Ihm Selbst belehrt worden sind, und wie wir Ihn wohl erkannt haben an Seinen Worten und Zeichen, die Er vor unseren Augen gewirkt hat.“ 15. Sagte Ich: „Gut also! Bleibet in dem, und Ich werde im Geiste allzeit bei euch sein und bleiben – schon in dieser Welt und jenseits in Meinem Reiche, das Ich für Meine diesirdischen Freunde nun eigens zubereite und einrichte im Innern eines jeden Menschen, der eines guten Willens ist, und es wird unseres rein geistigen und seligsten Zusammenseins ohnehin nimmer ein Ende sein!“ Kapitel 104 Großes Evangelium Johannes, Buch 6 104. — Die Zweifel der gelehrten Weiber am Jenseits 1. Sagten die Weiber und auch ihre schon recht mündigen Kinder: „O du großer Herr und göttlicher Meister, wenn es für uns sterbliche Menschen nur in irgendeinem Jenseits nach dem Leibestode ein anderes, ewiges Leben gäbe! Freilich wünscht sich das wohl ein jeder Mensch, sei er jung oder alt; aber wo, wo liegen die sicheren und untrüglichen Beweise dafür?! Die Weisen aller Völker und Zeiten haben darüber viel pro und contra geredet und geschrieben; die Zeit aber hat sie alle verschlungen, und nichts blieb von ihnen als irgend ihre Werke in einer in unseren Zeiten auch schon sehr verstümmelten Weise, in der die gegenwärtigen Völker nichts als lauter unauflösliche und unzusammenhängende Rätsel entdecken. 2. Wahrlich, du großer Herr und gottvollster Meister, unser griechischer Weise, der bekannte Mann im Fasse (Diogenes) hat bis jetzt die volle Wahrheit dieses unseres Menschenlebens noch am meisten entdeckt, indem er das Nichtsein des Menschen vor der Geburt und nach dem Tode mit vielen Beispielen nur zu hell dargestellt hat, und wir alle waren bis jetzt unter uns völlig seiner Ansicht, obwohl wir unter uns oft des Plato, des Sokrates und sogar des alten ägyptischen Weisen Moses gedachten, dessen Schriften wir teilweise auch zu lesen bekamen, als wir noch in Sidon waren. Ja, wir lasen sogar die Schriften der Indier, Birmanen, der Parsen und Gebern; aber – alles vergeblich! Denn unser Lehrer in Sidon, ein in allen Schriften durch und durch bewanderter Mann, bewies uns mit vielen tausend allertriftigsten Worten und Beispielen anderer Völker, wie die gewisse Seele des Menschen nach dem Tode des Leibes für sich allein unverwüstbar fortlebe in einer besseren oder aber mitunter auch schlechteren Welt, und er schwor uns bei allem, was ihm heilig war, daß, so er vor uns stürbe, er als Geist zu uns kommen und uns dadurch eben den größten und untrüglichsten Beweis von der Wahrheit seiner Lehre geben werde. 3. Und siehe, er starb; aber den versprochenen Beweis ist er uns noch bis zur Stunde schuldig geblieben. Ja, geträumt hat uns gar oft von ihm, und wir fragten ihn, wann er kommen und sein Versprechen einlösen werde. Und er sagte stets und beteuerte so lebhaft wie im Leben: ,Ich kann nicht anders denn nur also zu euch kommen!‘ Aber dann wurden wir wach und ersahen, daß nur unsere stets wache und rege Phantasie uns im Traume sein redend Bild erzeugt hatte, das wahrlich sonst nichts war als ein lebhafter Gedanke an ihn! Denn die Träume sind doch nichts anderes als beschauliche Gedanken des Gehirns, die so lange irgendein flüchtiges Dasein haben, als des Menschen Augenlider geschlossen sind; aber wenn der Mensch einmal völlig tot ist und sein Herz nicht mehr pulst, da haben auch seine Gedanken und seine Träume ein Ende genommen für alle Zeiten der Zeiten. 4. Und so sind wir schon mit allem eher zu vertrösten als mit dem Leben der Seele nach des Leibes Tode! Es ist wohl alles möglich; aber bis jetzt haben wir dafür wahrlich noch keine anderen als nur Wortbeweise von noch hier lebenden Menschen bekommen! 5. Noch keiner von all den zahllos vielen Hinübergegangenen ist irgend gekommen und hat gezeigt, daß und wie er jenseits fortlebt! Solange aber das nicht geschehen wird, wird der Glaube an ein jenseitiges Fortleben auch stets nur ein höchst schwacher und schon so gut als gar keiner verbleiben. Freilich war bis jetzt seit Menschengedenken auch noch keiner da, der dir, gottvollster Meister, gliche, und so du uns etwas sagst, werden wir auch allen Grund haben, dir den vollsten Glauben zu schenken; aber sonderbar bleibt es immer, daß von drüben gar kein Wesen mehr zu uns herüberkommen will und sagen: ,Freunde, die ihr noch hier euer schweres Fleisch herumschleppet wie ein müdes Lasttier seine schwere Bürde, sehet, ich lebe glücklich, – da gibt es keinen Tod mehr, und wir zahllos vielen leben so und so!‘ Das wäre ja doch etwas ganz Leichtes! Aber nein, es geschieht so etwas nie und nimmer auf eine solche Weise, die uns Menschen gar leicht überzeugte, daß es eben so und so ist, und nicht anders! 6. Gottvollster Meister, wenn es jenseits ein Fortleben der Menschenseele gibt – worauf beruhend sich doch am ehesten und sichersten alle sittlichen Bestrebungen der Menschen auf dieser Erde untereinander ordnen ließen –, warum geschieht denn da von seiten irgendeiner bestehenden Geisterwelt, als rückwirkend auf uns noch sterbliche Menschen, eigentlich gar nichts?! Ist doch kein Mensch schuld daran, daß er in diese Welt geboren worden ist; so er aber schon als ein vernünftiges Wesen da ist und sein muß, so sollte ja doch jene höchst weise Macht, die ihn wider seinen Willen ins Dasein gerufen hat, dafür auch eine genügende Sorge tragen, daß er von einer wirklich irgendwo bestehenden Geisterwelt aus dahin belehrt würde, warum er da ist, und was er zu erwarten hat. 7. Siehe, du gottvollster Meister, wir sind nur Weiber; aber wir sind nicht ohne Verstand, da wir stets vieles gelernt haben, und mit uns zu reden, dürfte einem jeden Weisen mit der Zeit ein wenig schwer werden! Wir sind gut und haben Achtung vor jedem Menschen; denn wir bedauern jeden herzlich, daß er uns gleich sich auch in dieser Welt befindet zur Abschlachtung und zum elenden Futter für die gefräßige und nimmer zu sättigende Zeit. Aber das ist nicht gut, daß irgendeine höhere, ewige, allwaltende Gottmacht sich um die Menschen und alle Geschöpfe dieser Erde nicht um ein Haar mehr kümmert als wir Menschen um den Kot, den wir als Kinder vom Leibe ließen. Aber was wollen wir Schwachen machen?! Gottes Macht wirkt über den Sternen im endlos Großen und kümmert sich um die weinenden und klagenden Würmer dieser Welt nicht! Daher müssen sich die armen Menschen selbst trösten und stärken so lange, bis der Tod sie von der Erde vertilgt; dann kommt die Ruhe in dem ewigen Nichtsein, das ewig und immer des armen Menschen endliches und größtes Glück ist. 8. Du bist nun zwar ein gottesmachtvollster Mensch und Meister; aber nach etlichen Hunderten von Jahren wird die Welt höchstwahrscheinlich von dir auch nicht viel mehr wissen, als daß du da warst. Wenigstens unsere Nachkommen, wie wir schon gesagt haben, werden dieses Angedenken sich lebendigst bewahren, obschon in deinen Worten mehr denn in deinen wunderbaren Taten ein Geist weht, der von einem gottgeistigen Dasein in dir ein großes Zeugnis gibt. Es hat aber schon gar viele große Geister als Menschen in dieser Welt gegeben, und ihre auch gar unbegreiflich großen Wundertaten bezeugten, daß sie mehr als pur gewöhnliche Menschen waren; aber sie sind auch alle gestorben, und keiner ließ sich je wieder sehen als ein fortlebender Geist, daß er dadurch bestätigte die volle Wahrheit seiner Lehre, die er den armen Menschen oft unter Donner und Blitz gegeben hat. 9. Nun bist du zu uns armen sterblichen Menschen gekommen und hast uns auch ein jenseitiges, ewiges Leben verheißen! Wir zweifeln nicht einen Augenblick, daß du uns solches auch beweisen wirst auf eine sehr begreifliche Weise, – aber sicher auch nur auf so lange, als wir in dieser Welt fortleben! Sind wir einmal gestorben, na, da bedürfen wir sowieso keines Beweises mehr; denn leben wir fort, so ist jeder weitere Beweis überflüssig – und, leben wir nicht fort, noch überflüssiger! Die Hauptsache ist, daß wir armen Menschen nur bis auf unsere diesirdische Lebensdauer wenigstens in der fixen Idee dahin erhalten werden auf dem Wege des noch so blinden Glaubens; denn das würzt dann wenigstens für einen Teil der Menschen dieser Erde ihr handspannenlanges Leben und macht ihnen ihre Leiden erträglich. Am besten daran aber sind immer die Narren und Blindgläubigen, und man kann aus der tiefsten Erfahrung sagen, daß die Götter einen Menschen sehr hassen mußten, den sie mit der Weisheit begabten. 10. Vielleicht geht es endlich dir als dem mit aller Weisheit und Macht Begabtesten besser, als es deinen vielen großen Vorgängern ergangen ist, woran wir jedoch sehr zweifeln! Aber gerade als unmöglich wollen wir die Sache auch nicht bezeichnen und wünschen, darüber eben von dir selbst – und nicht von unseren Männern – ein Näheres zu vernehmen. Wenn es dir gefällig wäre, so möchten wir dich anhören!“ Kapitel 105 Großes Evangelium Johannes, Buch 6 105. — Des Herrn Mißfallen an den hochmütigen, kritischen Weibern 1. Sagte Ich: „Meine wahrlich mit recht vielem Verstande begabten Weiber! Hier auf diesem Flecke werde Ich nicht reden, sondern im Hause Joreds, alldahin ihr euch begeben könnet, so ihr wollet. Aber Ich sage es euch zum voraus, daß es bei euch schwer hergehen wird, bis ihr in euch erkennen werdet, daß euer Fleisch allein nur sterblich ist, nicht aber auch eure Seele, weil ihr euch schon von eurer Jugend an in die Materie des Fleisches hinein begründet habt und dann nichts mehr sehen, fühlen, wahrnehmen und empfinden konntet als allein das nur, was euch die gröbste Materie vor die Augen des Fleisches stellte. – Doch jetzt nichts Weiteres mehr von dem!“ 2. Hier dankten Mir die Weiber, ihre Kinder und Diener noch einmal für das, was Ich ihnen hier getan hatte, und begaben sich dann in ihre sehr stattlichen Wohnungen. 3. Es fragte Mich aber Jored, ob er sie etwa zum Mittagsmahle einladen solle. 4. Sagte Ich: „Das eben nicht, denn Ich liebe die Gesellschaft von gar so superklugen Weibern nirgends minder als gerade bei einem Mahle; denn wenn bei denen einmal die Zunge in Schwung kommt, da vergessen sie Essen und Trinken, und unsereiner käme, ohne ihnen zuvor die Zunge auf eine Zeit hin gelähmt zu haben, sicher zu keinem Worte. Diese fünf Weiber hätten wahrlich der Fähigkeiten zur Übergenüge, jemanden förmlich totzureden. 5. Erstens sind sie Töchter eines sehr gelehrten griechischen Oberpriesters des Gottes Apollo und des Gottes Merkur, das heißt nach ihren heidnischen Begriffen. 6. Zweitens haben sie einen in allen Wissenschaften wohlbewanderten Mentor Erzieher) gehabt, der ihnen die Köpfe erst recht verdreht hat; denn er hatte sie alle alten Weisen ganz vom Grunde aus kennen und verstehen lehren wollen, bedachte aber nicht, daß alle diese alten Weltweisen aller bekannten Völker und Nationen sich im höchsten Grade widersprechen, daß bei der Kenntnis und Anhänglichkeit an alle diese Weisen sich nie ein einheitliches Lebenssystem erzielen läßt, und daß aus solchen Menschen nichts als eine Art hochmütiger Vielwisser werden kann, die am Ende kein anderes Bedürfnis in sich fühlen, als gelegentlich zu zeigen, wie sehr sie in allem Wissen und an Erfahrungen jedem andern Menschen überlegen sind. Und das ist auch bei diesen Weibern und sogar schon bei ihren Kindern und Dienern der Fall. Rede du nur mit solch einem Diener, und du wirst sehen, welch eine Fertigkeit er mit seiner Zunge entfalten wird! 7. Endlich drittens sind sie Weiber der Priester und gleichsam selbst Priesterinnen und müssen da schon EX OFFICIO (von Amts wegen) so gescheit und weise sein, daß da schon gar kein anderer Mensch sich ihnen irgend nahen kann, – darum denn auch ihre Kinder und Diener als Aushängeschilder ihrer Weisheit ihnen wie leuchtende Herolde vorangehen und die Menschen am Ende fühlen und sagen müssen: ,Ja, wenn diese schon so weise sind, wie weise werden dann erst die Priester und Priesterinnen selbst sein!‘ Ja, Mein Freund, bei solch einer inneren Lebensbeschaffenheit läßt sich freilich der Geist ihres Mentors nicht herbei, um bei ihnen sein Versprechen einzulösen! 8. Hast du es nicht bemerkt, wie sie Mir kaum den Dank dargebracht haben, und – als Ich ihnen versprach, daß Ich ihnen, so sie bei Meiner Lehre verbleiben würden, auch allzeit helfen würde und, so sie anrufen würden Meinen Namen, den sie samt der Lehre von ihren Männern erfahren würden, Ich sie trösten und stärken wolle – wie sie da gleich ihre Bedenken über die Unsterblichkeit der Seele auszukramen anfingen?! Meinst du da, daß es ihnen im Ernste darum zu tun war, von Mir einen Gegenbeweis mit lebendiger Sehnsucht zu vernehmen? O nein, sondern nur darum war es ihnen zu tun, Mir zu zeigen, wie großartig weise sie sind und wie sehr geeignet zur Errichtung einer neuen Lebensschule in Meinem Namen! Aus dem aber kannst du schon sehen, daß Ich gerade am Mittagstische nicht gerne mit derlei Weibern zusammen bin. Nach dem Mahle aber mögen sie schon kommen, was du ihnen durch ihre Männer sagen lassen kannst.“ 9. Sagte Jored: „Siehe, Herr und Meister, gerade also habe ich mir diese Weiber aber immer vorgestellt, und ich konnte sie auch nie gar zu besonders gut leiden, weil sie mit ihrem Wissen stets mindestens um tausend Jahre voraus sein wollten! Denn sagte man etwas, das man denn doch auch gelernt und erfahren hatte, so hieß es allzeit, wennschon in einem ganz artigen Ton: ,Ich bitte wohl darüber zu schweigen, ansonst wir uns entfernen müßten; denn das verstehst du nicht und wirst es auch nie verstehen!‘ Ja selbst ihre Männer mußten sich ganz absonderlich zusammennehmen, um in einem Diskurse mit ihnen eben von ihren Weibern nicht korrigiert zu werden. – Das waren denn nur so meine inneren Gefühle bei gar manchen Gelegenheiten, und jetzt sehe ich es erst klar ein, daß mich meine Gefühle nicht getäuscht haben, und so werde ich sie etwa so bei drei Stunden nach dem Mahle zu mir zu kommen bitten.“ 10. Sagte Ich: „Ganz gut! Gehe aber nun hin und sage den Männern, daß einer oder der andere auf ein paar Worte zu Mir kommen solle!“ 11. Da ging Jored hin und berief den Minervapriester. Und der kam sogleich zu Mir und fragte Mich, was Ich von ihm verlange. 12. Und Ich sagte: „Freund, heute zu Mittag bleibet daheim bei euren Weibern, sonst kommen sie Mir euretwegen am Mittagstische mit ihrer stereotypen Weltweisheit über den Hals, was Ich eben nicht wünsche, weil Ich am Tische während des Essens gerne Ruhe habe! Aber um die dritte Mittagsstunde könnet ihr mit euren hochgelehrten Weibern schon herkommen. Unterweiset sie aber zuvor ein wenig in dem von Mir, was ihr bereits wisset, auf daß sie uns, wenn Ich reden werde, keine Einwürfe und keine Einstreuungen bringen! Denn eure Weiber sind Anhängerinnen der Lehren des Diogenes, und mit denen ist hart eine tiefere Rede zu führen; sie sind aber auch Skeptikerinnen obendrauf, und das ist noch schlimmer! Darum tut das, was Ich euch nun gesagt habe! Sie werden uns noch am Nachmittage genug zu schaffen geben!“ 13. Der Priester dankte Mir für diesen Rat und versprach Mir, daß er den Weibern das schon ganz gehörig beibringen werde, und er stehe dafür, daß sie sich im Saale Joreds ganz bescheiden benehmen würden. 14. Darauf ging er hin und hinterbrachte solches auch seinen Kollegen, die damit ganz einverstanden waren, obwohl es ihnen um vieles lieber gewesen wäre, so sie nun auch mit uns wieder hätten zum Jored hinziehen können, da es nun ohnehin schon nahe am Mittage war. 15. So ward denn diese nicht unwichtige Sache auch geschlichtet und der schlimmste Teil des Heidentums dieses Ortes auf einen besseren und lichteren Weg gestellt. Kapitel 106 Großes Evangelium Johannes, Buch 6 106. — Ein Schriftgelehrter unterstützt die Ansichten der Priesterweiber 1. Dieser Ort war darum ein gar wichtiger, weil der Tempel für gar viele Heiden, die zu Zeiten dahin wallfahrteten, ein zweites Orakel zu Delphi war, und diese Priester und Priesterinnen hatten sich schon große Schätze gesammelt. Von da aus konnte denn auch über einen großen Teil der asiatischen Griechen und Römer ein besseres Licht ausgegossen werden, und deshalb verweilte Ich denn hier auch ein wenig länger als an den früher berührten Orten des kleinen und eigentlichen, wie auch des großen und uneigentlichen Galiläa. 2. Wir begaben uns nun auf demselben Hinterwege zurück ins Haus des Jored, um dem Judas Ischariot ja seinen erhofften Verdienst zu vereiteln; denn über den Mittag hinaus warteten die vielen Menschen nicht mehr, und einige gaben dem Jünger sogar bittere Worte, dieweil er sie so hingehalten habe und sie Mich doch nicht zu Gesichte bekamen. Der Jünger aber verbarg sich im Haus, da er fürchtete, daß er nun anstatt seiner erhofften Groschen gar leicht eine andere Bezahlung überkommen könne. 3. Wir kamen nun in den Saal, und es war das Mittagsmahl auch schon bereitet und sogleich auf den Tisch gebracht. 4. Ich aber sagte zuvor allen: „So der Jünger kommt, da lasset ihn gehen und tut, als wäre er gar nicht abwesend gewesen!“ 5. Ich hatte das aber kaum ausgeredet, so kam er auch schon in den Saal und grüßte alle freundlich und tat auch, als hätte er uns vormittags gar nie vermißt. Wir aber taten desgleichen und aßen und tranken ganz heiteren Mutes. 6. Während des Essens ward wenig geredet, – nur unsere zwanzig Neujünger besprachen sich über die Rede der Priesterweiber; denn sie hatten so ganz steinfeste Stoiker noch nie zu genießen bekommen. Einer von ihnen machte diese und ein anderer eine andere Bemerkung. 7. Der Schriftgelehrte unter ihnen, der auch ein Kabbalist [Anhänger der jüdischen Geheimlehre] war und das in der Folge ganz in Verlust geratene Buch der ,Kriege Jehovas‘ wohl innehatte – das in dieser Jetztzeit die Altindier aber doch noch unter dem Namen Sen scrit (,Ich bin verborgen‘) besitzen –, sagte: „Man muß vor den fünf Weibern dennoch Respekt haben; denn gelernt haben sie bei weitem mehr als oft die gelehrtesten Juden, und von unserem natürlichen Lebenszustande aus betrachtet, kann man ihre ganz absonderlich gediegenen Ansichten durchaus nicht tadeln. 8. Der sichtliche Tod aller Kreatur ist eben ein Etwas vor den Augen eines scharfen Denkers, das dem Schöpfer viel von Seiner großen Glorie und Majestät nimmt! Kann Er mit Seiner Allmacht die Erde mit ihren Bergen und Meeren, den Mond, die Sonne und alle die Sterne erhalten, warum denn nicht auch wenigstens den Menschen, wie er ist, mit Leib und Seele? 9. Und soll der Mensch schon mit der Zeit den Leib ablegen und in ein stets reineres geistiges Wesen übergehen, so könnte das bei der Allmacht des Schöpfers ja auf eine Art geschehen, daß der Leib nach und nach geistiger würde und endlich ohne die geringste Störung des Bewußtseins seiner selbst in das rein Geistige überginge, oder daß wenigstens der Mensch in einem gewissen reifen Alter in sichtbaren Verkehr mit den schon ganz hinübergegangenen Menschenseelen träte, auf daß er dadurch eine volle Sicherung für das Leben nach dem Tode für sich und für seine Nächsten überkäme. Aber so ist von alldem auf dieser Erde nahezu keine Spur anzutreffen. 10. Der Mensch wird erstens dümmer und unbehilflicher denn jedes Tier zur Welt geboren und muß von seinen Eltern jahrelang gepflegt und ernährt werden, bis er zu jener Kraft und Einsicht gelangt, sich selbst zu erhalten, – und zweitens, so er dann ein Mensch geworden ist, wo er sich frei bewegen können soll, wird er dann mit einer großen Menge von allerlei Gesetzen derart verpalisadiert (eingeschlossen) und so physisch und geistig geknebelt, daß ihm kaum noch ein freier Atemzug übrigbleibt. Und ich frage: Was hat er denn eigentlich dafür für eine Entschädigung? Nichts als den lieben Glauben, daß es ihm, wenn alle die schwer zu haltenden, durch das Gesetz aufgebürdeten Lebensbedingungen erfüllt sind, nach dem Tode besser und sogar überaus gut gehen werde. Ja, das wäre schon alles ganz recht, wenn der Mensch dafür eine sichere Bürgschaft hätte! Aber da stinkt es eben am meisten bei allen Menschen! 11. Man liest wohl in den Büchern, daß die einfach-sittlichen Vormenschen solche Bürgschaften gehabt haben. Ja, das ist auch ganz gut, und es ist ihnen wahrlich sehr zu gratulieren, wenn sie solche gehabt haben! Aber uns gegenwärtigen Menschen ist gar nicht zu gratulieren; denn uns mangeln derlei Bürgschaften gänzlich, und doch sind wir ebensogut Menschen, wie es unsere Vormenschen waren. Man sagt uns freilich, daß solches darum bei uns nicht mehr stattfinden könne, weil wir zu grob sinnlich und materiell geworden seien; ich aber meine, daß gerade da, wo der Mensch, entweder durch seine Schwäche geleitet oder durch irgendeinen unsichtbaren Teufel verlockt, auf Irrwege geraten ist, dergleichen Bürgschaften aus irgendeiner Geisterwelt am meisten auftauchen sollten, um die Irrwandelnden auf den rechten Weg zu bringen. Aber da geschieht im allgemeinen eben erst recht gar nichts von etwas dergleichen. 12. Daß wir wenigen nun gerade das große Glück genießen, Dich, Herr und Meister, unter uns zu haben, der Du uns durch Worte und Zeichen zeigst, daß und wie ein Mensch zu einem ewigen und rein geistigen Leben berufen und bestimmt ist, das gilt aber noch lange nicht für alle Menschen in der Welt und selbst für uns nur so weit, als wir es Dir glauben müssen, daß es also ist, weil unserem Glauben Deine rein göttlichen Zeichen und Werke eine feste Stütze verleihen. Aber des Moses Werke waren auch großartig und zwangen die Menschen besonders seiner Zeit zum vollen Glauben; aber nachderhand hörten alle die außerordentlichen Zeichen auf, und die Menschen wurden schwächer und schwächer im Glauben und stehen darum nun vielfach auf dem Punkte, ein ewiges Nichtsein für das größte Glück anzusehen und schon im voraus ordentlich zu fühlen. Denn für das gänzliche Vergehen der Dinge haben sie täglich zahllos viele Beweise, aber für das ewige Fortbestehen auch nicht einen! 13. Daß sich aber die Sachen in dieser Welt also verhalten, wird hoffentlich wohl niemand in Abrede stellen können, und man kann es wahrlich den Priesterinnen in dieser Zeit nicht verdenken, wenn sie also urteilen und ihre Ansichten auf die Weise laut werden lassen, wie sie solche aus aller Natur bei einem ganz emsigsten Forschen erprobt haben. Warum kam denn der Geist ihres verstorbenen Mentors nicht also, wie er es ihnen noch bei seinen Lebzeiten auf das teuerste versichert hatte? Und warum gehorchte dann Samuels Geist dem Machtspruche der Hexe von Endor und weissagte dem Saul sein Ende? Ja, das sind denn doch so sonderbare Dinge, aus denen ein Mensch auf einem natürlich- vernünftigen Wege wohl ewig niemals klug wird! 14. Man kann einem Menschen durch Worte und Lehren zwar viel Licht und Beruhigung verschaffen und sie durch wunderbare Zeichen festen; aber von einer Überzeugung im eigenen lebendigen Bewußtsein ist da noch lange keine Rede! – Was sagst Du, Herr und Meister, zu dieser meiner sicher sehr verzeihlichen Ansicht?“ Kapitel 107 Großes Evangelium Johannes, Buch 6 107. — Der Verkehr mit dem Jenseits. Beweise über das Fortleben nach dem Tode 1. Sagte Ich: „Vorderhand wenig oder gar nichts; denn da bist du noch lange nicht fähig, von allem Geistigen einen wahren, klaren und richtigen Begriff zu bekommen! 2. Meinst du wohl, daß von Gott aus die Menschen also verlassen sind, daß sie nun aus der Geisterwelt gar keine Kunde mehr erhielten? Oh, da irrst du dich sehr; aber die Menschen haben sich eigenwillig von Gott abgewandt, haben angefangen, in der Materie ihr alles zu suchen und allein dafür tätig zu sein, und haben sich also vom Geistigen ganz abgewandt. Was Wunder, wenn sie darum von den an sie abgesandten geistigen Bürgschaften über das Leben nach des Leibes völligem Tode nichts mehr wahrnehmen und eigentlich nichts mehr wahrnehmen wollen! 3. Wie oft sind von den Juden und Pharisäern solche Menschen, die mit den Geistern und mit den Engeln Gottes Zwiesprache gehalten haben, als freche Lügner zu Tode gesteinigt worden, da sie von einem sie mahnenden Geiste nichts hören und wissen wollten! Wenn aber gar viele hunderttausend Male also, was Wunder, daß dann ein jeder harmlose Seher innehielt und seine Gesichte und Überzeugungen für sich behielt? 4. Waren der alte Simeon und die alte Anna im Tempel nicht ein großes Licht aus der Geisterwelt, da beide täglich stundenlang sich mit den Engeln Gottes unterhalten und besprechen konnten? Wer glaubte ihnen denn? Man wollte selbst an einem bestimmten Tage mit den Geistern der Himmel verkehren mit Augen, Ohren und mit dem Munde; auch das wurde auf die Bitte Simeons gewährt. Was sagte man aber von jener großartigen Erscheinung im Tempel? Simeon und Anna hätten im geheimen Bunde mit den Essäern und ägyptischen Zauberern solch einen frommen Spuk bereitet! Da sind doch Hunderte der Templer Augen-, Ohren- und Mundzeugen gewesen! Warum glaubten sie es denn nicht?! 5. Der spätere Hohepriester Zacharias hatte Gesichte. Wer glaubte ihm? Als man aber selbst merkte, daß die Gesichte des Zacharias volle Wahrheit sind, was tat man da mit ihm?! 6. Als sein vom Gottesgeiste durchdrungener Sohn (Johannes der Täufer) in der Wüste predigte und die Juden sich von der vollsten Wahrheit seiner Reden durch allerlei Zeichen überzeugten, hätten sie dann nicht also tun können, wie er sie belehrt hatte? O nein, sie wurden nur voll Zorns und giftigsten Ärgers, ergriffen ihn, warfen ihn ins Gefängnis, und – das andere wisset ihr! 7. Nun bin Ich mit dem allerhöchsten Geiste Gottes da und zeige euch durch Worte und Taten, daß es also ist, und dennoch zweifelt ihr an der Wahrheit Meiner Worte! Saget nun selbst: was für noch größere und noch haltbarere Bürgschaften über ein jenseitiges Leben soll Ich euch denn noch geben? 8. Oder müssen Menschen, die durch die unbegrenzte Liebe des Vaters bestimmt sind, völlig Seine Kinder zu werden, nicht ohne alles Gericht ihrem Seelenteile nach in diese Welt geboren werden ohne irgendeine schon ausgebildete höhere Lebensfähigkeit? Müssen sie nicht erst durch allerlei Unterricht und Übung sich allerlei Kenntnisse und Fertigkeiten nach ihrem ganz freien Willen erwerben und dadurch an ihrer gottähnlichen Lebensvollendung wie junge, angehende Schöpfer selbst arbeiten, wozu ihnen der Vater im Himmel stets alle möglichen Hilfsmittel in die Hände gab und noch immer gleichfort gibt?! 9. Warum sage Ich denn zu euch: ,Tut nach Meiner Lehre, so wird sich das ewige Leben in euch selbst allerhellst offenbaren!‘? Wenn aber also, wie mögt ihr denn hernach noch so blind sein und sagen, die höchst stoischen Weiber dieser Priester hätten im Grunde recht, daß sie also redeten? O ihr sehr blinden Toren! So Ich es wollte und es euch irgendeinen Nutzen brächte, so könnte Ich euch im Augenblick die innere Sehe öffnen, und ihr würdet von einem Heere von Geistern nach allen Richtungen hin euch umlagert sehen! Aber was würdet ihr dann sagen? Ich sage es euch: nichts anderes als die stoischen Weiber! Ihr würdet da, wenigstens in euch, also urteilen: ,Ja, solange wir leben, fühlen und sehen, ist es leicht, uns einen blauen Dunst vorzumachen; aber man gehe hin in die Begräbnisstätten und mache den Toten das vor, – die werden davon doch nichts mehr hören, sehen und fühlen!‘ Und Ich sage euch: Da habt ihr vollkommen recht; denn diese sind auch durchaus nicht mehr bestimmt zu leben, obwohl auch in ihnen noch gerichtete Seelenlebensspezifika vorhanden sind, die nach ihrer völligen Ausreifung auch noch einmal für ein anderes Individuum zu einem freien Leben erweckt werden. 10. Zum möglichen ewigen Fortleben ist nur allein des Menschen Seele bestimmt; die Materie aber als Materie kann nicht zum ewigen Fortbestehen bestimmt sein, weil sie in sich nur ein gerichtetes Geistiges ist, also nur auf eine bestimmte Zeit fixierter Wille Gottes, der nicht immer also bleiben kann, weil in Gott nebst allem andern auch ganz besonders der Wille frei ist und einen Gedanken Gottes nur so lange festhält, als derselbe zur Erreichung eines höheren Zweckes nötig ist. 11. Ohne Gott und außer Gott kann ewig niemals und nirgends etwas sein. Was da ist in der ganzen, ewigen Unendlichkeit, das ist aus Gott, und also im Grunde des Grundes völlig geistig. Daß es in einer Welt als eine feste Materie erscheint, das macht die beharrliche Festigkeit des göttlichen Willens; hörte dieser auf, einen Gedanken Gottes festzuhalten, so wäre von ihm auch für kein materielles Auge mehr irgendeine Spur zu entdecken, obwohl der auf diese Art aufgelöste Gedanke Gottes in Gott geistig ewig fortbestehen müßte. 12. Saget, wo habe Ich denn das Erdreich hergenommen, mit dem Ich den See zugedeckt habe, oder woher jene Stoffe, mit denen Ich gestern abend den armen Fischern ihre irdischen Besitzungen verbesserte, und wohin ist die Materie der drei Götter gekommen? Beim See und bei den Fischern ist Mein Gedanke durch Meinen Willen fixiert und bei den Statuen Mein fixierter Wille ausgelassen und Mein Urgedanke frei und wieder geistig gemacht worden. Und darin besteht somit auch die Erklärung Meiner hier vor euch gewirkten Zeichen. Daß Ich aber auch ein Herr der Geister und alles Lebens bin, dafür steht als ein fester Zeuge dieser von Mir vorgestern abend vom vollen Tode wieder zum Leben erweckte Sohn Jorab. Kann Ich euch wohl noch mehr Beweise für das Fortleben der Seele nach dem Abfalle des Leibes geben?“ 13. Sagte nun der Schriftgelehrte: „Nein, mein Gott, mein Herr und Meister! Nun bin ich über alles vollends im klaren. Ja, also ist es und kann ewig unmöglich anders sein! Aber Herr, wenn nun bald die Weiber der Priester kommen dürften, so lasse gnädigst mich eine Weile mit ihnen reden, und ich werde ihnen ihren Diogenes schon hinaustreiben auf eine solche Art, daß sie nachher sicher nicht mehr je an einen Diogenes denken werden!“ 14. Sagte Ich: „Ja, ja, tue das, denn Mir ist es ohnehin schon sehr widerlich, mit allen Arten von Stoikern zu tun zu haben! Aber gib acht, daß am Ende nicht du den kürzern ziehst; denn diese Weiber sind in ihrer Art da ganz tüchtig und wissen ihre Sache zu vertreten.“ 15. Sagte der Schriftgelehrte: „Herr, das wird mit Deiner Hilfe schon meine Sache sein!“ 16. Als er solches ausgeredet hatte, da kamen auch schon die fünf Priester mit ihren Weibern an. Kapitel 108 Großes Evangelium Johannes, Buch 6 108. — Die atheistische Rede des mundfertigen Priesterweibes 1. Die Priester und ihre Weiber grüßten uns und machten vor Mir ihre tiefe Verbeugung, und Jored wies ihnen sogleich Plätze an unserem Tische an und setzte ihnen Brot und Wein vor. Als sie der Ehrung halber etwas Brot und Wein zu sich genommen hatten, da fingen die Weiber bald an laut zu werden, und ganz besonders das gar überkluge und weltweise Weib des Minervapriesters. Diesem Weibe gerade gegenüber saß der judgriechische Schriftgelehrte und konnte schon beinahe die Zeit nicht erwarten, in der er mit dem Weibe wortgemein würde; denn es sprach nun von ganz anderen und gleichgültigen Dingen. 2. Etwa nach einer kleinen Stunde erst wurde das Gespräch auf einen anderen Gegenstand von einiger Bedeutung geleitet, und zwar auf das Orakel zu Delphi und auf das seit alters bestehende Weltorakel zu Dodona. Bei dieser Gelegenheit erst fand unser Schriftgelehrter einen Moment, in welchem er mit dem Weibe in einen Wortwechsel treten konnte, worüber er aber schon ganz ärgerlich wurde, weil er so lange auf eben diesen Moment hatte warten müssen. 3. Aber um so intensiver ging jetzt das Wetter los. Das Weib behauptete nämlich, daß diese Anstalten für die gemeine Menschheit noch immer eine große Wohltat wären, weil eben durch sie die Menschen noch am meisten beim blinden Glauben an eine Lebensfortdauer der Seelen nach dem Tode erhalten worden seien. Denn allda hätten die blinden und schwachsinnigen Menschen, sich gegen ein kleines Opfer in eine Besprechung mit ihren verstorbenen Freunden einzulassen, eine noch immer ganz gute und durch den alten Glauben autorisierte Gelegenheit, und das sei und bleibe immer gut, da man den Menschen bis jetzt noch nichts Besseres hätte bieten können. 4. Mit der stoischen Wahrheit, die sie freilich nur als die einzige und durch alle Erfahrungen bestätigte anerkennten, wäre dem ungebildeten Volke wenig geholfen, und es sei darum auch gut, daß diese Wahrheit allein nur den Priestern anheimgestellt sei, auf daß sie weise seien und desto mehr allerlei fromme Betrügereien fürs Volk erfinden könnten, durch deren Effektuierung das Volk für die kurze Lebenszeit ganz glücklich gemacht werde. Die Priester könnten so ein Glück freilich nie genießen, dafür aber bedürften sie der Opfer, um ihr sonst trauriges und elendes Leben leichter zu ertragen, und sie müßten sich mit dem kommenden gefühl-, schmerz- und sorgenlosen Nichtsein vertrösten. 5. „Ich sage nicht“, sprach die Priesterin weiter, „als könnte für dieses Gute nichts Besseres gegeben werden; aber solange das nicht geschieht, ist das Bestehende noch immer das bei weitem Beste. Die rechte Weisheit lehrt uns Menschen, durch jedes zweckmäßige, aber stets geheim zu haltende Mittel die allgemeine Menschheit in einen möglichst wohlerträglich glücklichen Lebenszustand zu versetzen und sie im selben zu erhalten. Dadurch bekommt dann der Mensch erst den sittlichen Wert und wird fähig, ein brauchbares Glied der menschlichen Gesellschaft auszumachen. Darum ist aber dann auch der in sich höchst traurige Priesterstand, der sich für sich im Anschauen der reinen, aber sehr traurigen Wahrheit befindet, von seiten aller laien Menschen nie genug zu achten; denn allein von dem sich für die Menschheit opfernden Priesterstande hängt alles Wohl und Wehe der Menschen ab. 6. Ich setze den möglichen Fall: Alle Priester und Priesterinnen würden sich einmal dahin gegen das Volk verschwören, daß sie ihm die volle und reine Wahrheit sagten und ihm den ganzen Kram des frommen Betruges entdeckten. Das würde in der Welt sicher eine der allergräßlichsten Unordnungen unter den Menschen bewirken. Nichts wäre dann einem Menschen mehr heilig, und der Stärkere würde den Schwächeren wie ein reißendes Tier anfallen und zerreißen, ja, man würde die neugeborenen Kinder schlachten und sie den Hunden zum Fraße vorwerfen. Kurz und gut, der Mensch würde bald sein eigener Feind und ein fürchterlicher Feind alles Lebens, wie es im Grunde auch wir selbst für uns und unter uns der vollen Wahrheit nach sind. 7. Denn wir kennen keinen Gott – außer nur den, der aus unserer Phantasie seinen Ursprung nahm. Wir kennen wohl etwas, und das besteht darin, daß es in der großen Natur geheime Kräfte gibt, denen unter vielen und verschieden zufällig sich entwickelt haben Umständen auch der Mensch sein trauriges Dasein verdankt; aber diese Kräfte sind ebensowenig irgend intelligente und ihrer selbst bewußte Gottheiten, als wie wenig das Wasser darum eine Gottheit ist, weil es durch seine ganz stumme und blinde Kraft der Schwere stets der Tiefe zueilt, was man aus der alten Erfahrung wohl weiß, weil man noch nie irgendeinen Bach auf einen Berg hinauf hat fließen und rinnen sehen. Darum sind tausend Götter mit dem dicksten Aberglauben dem Menschen um unaussprechbar vieles heilsamer und nützlicher denn alle noch so reine Wahrheit. He, was liegt daran, was ein Mensch von der Wiege bis zum Grabe hin für einen Glauben gehabt hat, wenn der Glaube ihm nur eine wohldargestellte Versicherung auf ein erträgliches und fortwährendes Leben der Seele nach des Leibes Tode gab? 8. Was kann uns da irgendein dummer Wahrheitszelote sagen und was erwidern, so wir sagen: ,Jede Götterlehre für die Menschen, welche sie zum Glauben an irgend höhere Gottwesen bringt und ihnen die volle Versicherung auf ein ewiges Leben der Seele nach dem Tode bietet, ist gut!‘? Falsch und erlogen ist in sich jede Götterlehre, nur die davon abgeleiteten Sittengesetze sind gut. Darum ist aber auch – so es ein Leben nach dem Tode gibt – noch nie ein Mensch zurückgekommen, daß er uns Priester deshalb zu einer Verantwortung zöge und allenfalls sagte: ,O ihr bösesten Wichte, warum habt ihr mich denn mit so kolossalen Lügen, mit falschen Lehren auf die schmählichste Art betrogen?‘ 9. Wahrlich, gäbe es ein Leben der Seele nach dem Tode, so würden solche von uns so tief betrogenen Seelen schon gar lange sich an uns sichtbar und glaubbar gerächt haben, oder sie würden, unser Elend einsehend, uns eine nähere Aufklärung über Gott und über das Leben der Seele nach des Leibes Tode gegeben haben! Aber weil es nach dem Tode des Menschen, wie jedes Tieres, kein Leben mehr gibt und geben kann, so kommt auch kein Geist mehr zum Vorschein und rächt sich an uns dafür, daß wir ihn in dieser Welt gar so sehr belogen und betrogen haben, und wir dürfen uns darob auch durchaus keine unnötigen Sorgen machen. 10. Die Menschen haben hier auf dieser Erde nach den klimatischen Boden- und Wasserverhältnissen verschiedene Talente und Eigenschaften. Der eine ist riesenstark, der andere schwach wie eine Fliege. Der eine hat einen scharfen Verstand, und ein anderer daneben ist dumm wie die Nacht. Der eine hat ein scharfes Gesicht wie ein Aar, und sein Nächster ist blind. So hat einer vermöge seiner durchgängigen Scharfsinnigkeit eine kaum glaubliche Beobachtungs- und Kombinationsgabe, dringt leicht in alle Tiefen des Wirkens der geheimen Naturkräfte und weiß es bald anzustellen, es ihnen irgend im kleineren oder größeren Maßstabe nachzutun, und die andern, solcher Eigenschaften baren Menschen staunen dann über ihn und halten ihn beinahe für einen Gott. Andere wieder dürfen tausend Jahre die stets rege und tätige Natur beobachten, und sie finden und erfinden nichts, obwohl sie eben auch Menschen sind. 11. Aber trotz allen den oft gar überaus wunderbarsten Eigenschaften, mit und unter denen schon oft die Menschen auf dieser großen Erde gewandelt sind, haben sie am Ende dennoch sterben müssen, und kein sterbliches Auge hat von ihnen je einmal wieder etwas gesehen. Und so sagen wir, obwohl wir eure wunderbarsten, in der Machtgröße noch kaum je dagewesenen Fähigkeiten im höchsten Grade bewundern, daß auch ihr alle samt uns also vergehen werdet von dieser Erde, wie alle eure großen Vorgänger vergangen sind. Nur ihre mannigfachen Lehren und ihre Taten und Werke sind noch bei ihren Nachfolgern in der Erinnerung geblieben, und das wird in der Zeitenfolge auch mit euch der gleiche Fall sein, was euch freilich nichts nützen wird, weil ihr als nicht mehr Seiende auch nichts mehr brauchen werdet. 12. Das ist so unsere durch die Erfahrung aller Völker der Erde wohlbegründete und bis jetzt allein wahrste Ansicht über das Sein und über die Bestimmung des Menschen. Daß es außer dieser allein vollwahren Lebensanschauung wohl bei allen Völkern eine Menge recht schöner Phantasien über eine ewige Lebensbestimmung der Menschenseelen nach des Leibes Tode gibt, das wissen wir recht gut; aber wer bürgt für ihre Wahrheit? Etwa die Bilder der Träume der Menschen oder jene Phantome einer fieberig erhitzten Phantasie? Oh, das sind alles nur Wirkungen der verschiedenen Lebensstadien des Menschen, solange sein Herz pulst! Hat das aufgehört, tätig zu sein, dann haben auch die Träume und die Fieberhitzphantome aufgehört und mit ihnen das Dasein des Menschen und seine oft so schönen Hoffnungen! – Ich habe nun geredet, und nun redet ihr, Meister aus dem Reiche der Götter, und gebet uns etwas Besseres!“ 13. Über diese ziemlich gedehnte, rein atheistische Rede der Priesterin war der Schriftgelehrte schon ordentlich grimmig, weil er der gleichfort und bündig redenden Priesterin nicht irgend ins Wort fallen und ihr den Mund stopfen konnte. Nun erschien für ihn der gar so ersehnte Moment, und er konnte nicht tief genug Atem schöpfen, um der Priesterin so recht zentnerschwere Gegenbeweise mit aller Kraft und Kürze entgegenzudonnern. 14. Als er mit dem Atem einmal glücklich in der Ordnung war, so sagte er mit einer sehr bedeutungsvollen Miene (der Schriftgelehrte): „Höre, du höchst lebens- und gottlose Minerva von einer Priesterin! Hast du als eine so überaus weise Heidin das römische Sprichwort niemals vernommen, das also lautet: QUOD LICET IOVI, NON LICET BOVI!? [Was dem Jupiter erlaubt ist, ist dem Ochsen nicht erlaubt.] 15. Sagte geschwind die Priesterin: „Lieber Freund, willst du das auf mich oder auf dich in Anwendung bringen? In der gegenwärtigen Lage aber scheint es wahrlich auf dich mehr zu passen denn auf mich; denn mir sei es wohl ferne, je mit einem ungewählten und ungeprüften Worte jemanden beleidigen zu wollen, – was bei dir nun soeben doch der Fall zu sein scheint. Wenn es einen Jupiter gibt, dann wird schon er Sorge tragen, daß seine Sache ihm der Ochs nicht nachahmen wird; gibt es aber keinen Jupiter, dann steht der Ochse offenbar, als wenigstens daseiend, höher denn der nicht daseiende Gott. Wahrlich, Freund, wenn in solchen hierher höchst unpassenden Mottos deine ganze Weisheit besteht, dann möchte ich deine Lehrer wohl gekannt haben! Die müssen sich beim Sonnenlichte eben nicht gar zu ästhetisch ausgenommen haben! Weißt du mir vielleicht noch mehrere solche Sprüche vorzubringen?“ Kapitel 109 Großes Evangelium Johannes, Buch 6 109. — Meinungsaustausch zwischen dem Schriftgelehrten und dem Priesterweibe 1. Diese ziemlich bissigen Bemerkungen der Priesterin brachten den Schriftgelehrten zu einer besseren Besinnung, und er sah nun ein, wie plump sein römischer Spruch war und wie sinnlos hier angewandt. 2. Er besann sich und sagte (der Schriftgelehrte): „Na, na, liebe Freundin, so habe ich es ja doch nicht gemeint, sondern nur also, daß es dir, weil du von einer Seele und von einem Fortleben derselben auch nach des Leibes Tode und also auch von einem allein wahren Gott gar nichts weißt und uns nur den ewigen Tod vorpredigst, nicht geziemt, also zu reden, als ob du allein alle Weisheit der ganzen Welt in dir hättest, und als ob du uns, die um ein zehntausendfach Besseres wissen, mit deinem alten Diogeneskrame belehren wolltest, gerade als ob wir noch nie etwas davon gehört hätten, sondern wir wollen nun nur euch armen Blinden etwas Besseres geben; und unter diesem Punkte nur geziemte sich das für dich nimmer, was sich für uns nun geziemt euch gegenüber! Ihr müsset ja nur uns anhören, nicht aber wir euch, da wir ja ohnehin nur zu gut wissen, wie ihr stehet, und worin eure innere diogenesische Weisheit besteht, die bei euch auszufegen unsere Aufgabe ist. Und darin liegt auch so annäherungsweise eben die Bedeutung meines Sprichwortes.“ 3. Sagte die Priesterin: „Sei die Bedeutung deines Sprichwortes nun, wie sie wolle, so hast du es dennoch nicht als ein dem Anscheine nach seiender Grieche, der auf Bildung, Art, Sitte und Humanität alles halten soll, sondern als ein so recht roher Jude hier angewandt. Allein ich sage dir nun das also, damit du sehen kannst, daß wir uns hier auf einem feineren sittlichen Boden bewegen, als auf welchem vielleicht bei euch zu Jerusalem das Volk Gottes sich bewegt. 4. Es wäre wahrlich der Mühe wert, den Gott näher kennen zu lernen, der sich solch ein Völkchen zu dem Seinen erwählt hat! Wahrlich, das sage ich dir: der Gott wäre ein sehr bedauerliches Wesen! So du uns belehren und uns den Diogenes ausfegen willst, da mußt du ganz anders mit mir zu reden anfangen, sonst wirst du als nur ein Jünger des großen Meisters – und das sicher gerade nicht der bevorzugteste – mit uns eben nicht die besten Geschäfte machen! Nimm dich daher ein wenig besser zusammen!“ 5. Sagte der Schriftgelehrte: „Lassen wir nun das, und gehen wir gleich zu der Hauptsache über! Siehst du aber nicht ein, daß wir Jünger alle an einen wahren Gott und an die Unsterblichkeit der Seele des Menschen glauben? Ja, warum denn hernach ihr nicht? Wir sind hiervon alle vollkommen überzeugt und sind doch auch Menschen! Wie kommt es denn hernach, daß ihr gar keine Überzeugung habt von allem dem, was nun doch schon von jedem nur ein wenig tiefer denkenden Menschen als eine ausgemachte Sache betrachtet und auch ganz gründlich eingesehen wird? 6. Sehet, ich kann es euch sagen, woher das kommt: das ist eine Strafe von dem wahren Gott Israels für euch, daß ihr euch darum stets von dem schrecklichen Gefühle des ewigen Todes plagen lassen müsset, weil ihr die einst gehabte höhere Lebenswahrheit den Völkern vorenthalten und sie, statt mit der lichten Wahrheit, nur mit allerlei Lug und Trug wegen eures zu großen Wohllebens und Nichtstuns abgespeist habt! 7. Ihr habt euch dem Volke als die wahren Diener und unsterblichen Freunde der Götter gezeigt und verlangtet oft große und mitunter sogar höchst grausame Opfer von dem armen, von euch durch und durch belogenen und betrogenen Volke; dafür aber hat Gott euch das innere, überzeugende Gefühl des Seelenlebens genommen und das Gefühl des ewigen Todes in euch gelegt, und darin besteht nun eure große Weisheit, daß ihr fühlet und klar gewahret, daß der ewige Tod in euch haust! 8. Aus eben diesem Grunde könnet ihr auch nicht mehr irgend dahinterkommen, wo der noch gleichfort bestehende Verkehr zwischen den hier lebenden Menschen und den abgeschiedenen Seelen noch ebenso fortbesteht, wie er allzeit bei Menschen bestanden hat, die bei der alten Wahrheit geblieben sind. 9. Nun aber sei euch noch etwas gesagt! Das überaus lächerlich dumme Heidentum ist bei euch nun ausgefegt, und ihr werdet es hoffentlich fürder nimmer aufrichten; nehmet daher die Lehre, die ihr von euren braven Männern schon erfahren werdet, in eure Herzen auf und lebet und tut danach, so wird das in euch wieder zurückgekehrte Leben überzeugende Gefühl des Lebens der Seele nach des Leibes Tode sich schon wieder einfinden und wird euch erkennen lassen den einigen, wahren Gott und Herrn, der euch nicht für den ewigen Tod, sondern nur fürs ewige Leben erschaffen hat, so ihr euch desselben würdig machen wollet auf dem Wege einer ganz anderen Weisheit als auf dem eures dümmsten Diogenes! – Hast du mich verstanden?“ 10. Sagte die Priesterin: „O ja, recht gut! Hast wohl recht klug geredet nun, aber leider nur Worte, wie wir ähnliche auch gar oft von unserem verstorbenen Mentor vernommen haben! Die Worte an und für sich sind recht gut, – nur schade, daß sie für uns keine irgend überzeugende Kraft und Macht haben! Wenn sich einst, etwa schon vor einigen tausend Jahren, unsere Eltern von irgendeinem wahren Gotte abgewandt haben, so können wir dafür doch unmöglich eine Schuld tragen, derentwegen derselbe einige und einzig wahre Gott auf uns schuldlose Nachkommen jener gewesen sein sollenden Frevler noch immer einen solchen Haß haben sollte, der unsere Gemüter in einem fort mit dem ewigen Tode plagt! Nun, wenn so, da danken wir euch für euren einigen, wahren Gott! Da gibt uns unser Diogenes mit der Lehre der zu erwartenden ewigen Vernichtung einen viel größeren Trost als du uns nun mit der Aussicht auf die Wiedergewinnung des Gefühles ewigen Lebens in unseren Seelen! Nein, das wäre mir ein schöner allweisester und allmächtiger Gott, der einen so unbändigen Zorn gegen ein Geschöpf festhalten könnte, daß denselben alle die vielen tausend vergangenen Winter nicht endlich einmal abzukühlen imstande sein sollen! 11. Ich könnte mir einen wahren Gott höchstens nur unter dem Begriffe einer höchsten und reinsten Liebe vorstellen, weil die Liebe das eigentlich alles zeugende und belebende Element ist; aber unter dem Begriffe eines höchsten Zornes mir einen Gott vorstellen, das wäre für mich etwas rein Unmögliches und Undenkbares! Wir Heiden haben wohl auch Zorngötter, – allein die haben als symbolische Bilder ihren Sitz in der Unterwelt, weil von dorther selten etwas Gutes zum Vorscheine kommt; denn in den unterirdischen Löchern und Höhlen wohnen gewöhnlich Schlangen, Drachen und reißende wilde Bestien, und auch Schwefel, Pech und fürchterliches alles verheerendes und verzehrendes Feuer haben darin ihre Wohnstätten. Weil darin so böse Dinge hausen, so haben wir alle die schlechten und bösen Leidenschaften unter den finsteren Zerrbildern in die Unterwelt gesteckt. 12. Aber unsere Begriffe von den guten Göttern sind alle derart, daß sie sich aus der reinen Liebe ganz gut ableiten lassen. Mächtiger und weiser Ernst, mit Liebe gepaart, ist das, was wir uns als einen gültigen Begriff für einen Gott aufstellen, der irgend in oder über den Sternen wohnt, und für den Begriff des häßlichen Zornes und der verabscheuungswürdigen Rache haben wir die Symbole der Furien. Und so, Freund, haben wir Heiden immer noch die besseren und vor jeder reinen Menschenvernunft billigeren Begriffe von einem wahren Gottwesen! – Was sagst du nun dazu?“ Kapitel 110 Großes Evangelium Johannes, Buch 6 110. — Des Schriftgelehrten Rede über das Wesen Gottes 1. Sagte der Jünger: „O du meine liebe, weise Heidenpriesterin! Du redest zwar nach deinem Begriffe weise und hast von der guten Gottheit eben keinen verwerflichen Begriff, – aber du kennst dessenungeachtet das wahre Wesen Gottes nicht, und würdest du es kennen, dann würdest du mit den Weisen der Vorzeit ausrufen: ,Schrecklich ist es für den Sünder, in die Hände des allmächtigen Gottes zu geraten!‘ Gott ist wohl voll der höchsten Liebe gegen jene, die Ihn erkennen, lieben und Seine Gebote halten, – aber tausendmal Wehe denen, die Ihn nicht erkennen wollen oder, so sie Ihn schon erkennen und um Seine Gebote wissen, sich aber in ihrem Herzen doch von Ihm abwenden und Seine Gebote nicht halten! 2. Siehe, die Geschichte weist uns gar erstaunliche Beispiele von den glühendsten Zorngerichten über ganze Völker, die Gott nicht mehr erkennen wollten und nur taten, was ihren Sinnen frönte! Weil aber Gott derlei grobe und ganz verstockte Sünder und Gegner Seines heiligen Willens allzeit mit den unnachsichtlichsten, schärfsten Strafen heimsuchte und dieselben oft auf Kinder und Kindeskinder ausdehnte, so können wir nicht umhin, als ganz bestimmt anzunehmen, daß in dem einzig und alleinig wahren Gott auch Zorn und Rache wohnt, und das um so bestimmter, als solche Eigenschaft auch in allen Seinen Geschöpfen nur zu vorherrschend anzutreffen ist! 3. Es kommt nun bei uns Geschöpfen nur darauf an, in welche der in uns vorhandenen Eigenschaften wir uns vorwaltend hineingelebt haben und nach denselben handeln; denn in denselben und gleichen Eigenschaften wird sich auch Gott gegen uns verhalten. Sind wir gut, weise, liebevoll gegen Gott und unsere Nebenmenschen und barmherzig, demütig und geduldig, so wird Gott gegen uns eben auch also sein zu jeder Zeit. Er wird in uns erwecken das Bewußtsein des ewigen Lebens, und wir werden strotzen von allen Segnungen. Sind wir aber das Gegenteil, dann wird auch Gott gegen uns gleich also sein und uns züchtigen in einem fort, und das auf so lange, als wir uns nicht völlig nach Seinem Willen gebessert haben. Und siehe, darin besteht denn auch die höchste Gerechtigkeit Gottes, ohne welche Eigenschaft Gott unmöglich ein vollkommen wahrer Gott wäre! 4. Denn Gott, der allsehende, allwissende und allfühlende, muß ja sicher doch auch zu beurteilen imstande sein, was da gut und böse ist, das heißt, was da ist entweder in Seiner ewigen Ordnung, oder was da ist wider dieselbe, und muß dann das Geschöpf, das Er mit Vernunft und freiem Willen begabt hat und zu einem höheren Lebenszwecke auf dieser Erde erheben will, durch eine gerechte Erziehung auch entweder belehren oder strafen. 5. Unser allein wahrer Gott ist daher alles in allem. Er ist die höchste und reinste Liebe, aber auch die höchste und unerbittlichste Gerechtigkeit Selbst. Meine Liebe, so du Myriaden von Jahren fortlebtest, handeltest aber immer wider den erkannten Gotteswillen, so würde Er dich nicht erhören, so du Ihn auch Tausende von Jahren auf den Knien bätest, daß Er dich von deinem Elende befreien möchte. Aber sobald du dich ermannst, allen Ernstes Seinen Willen zu dem deinen durch die Tat zu erheben, dann wird dich Gott auch erhören und wird dir helfen nach dem Maße, in welchem du Seinen Willen angenommen hast. Siehe, das ist ein wahrer und richtiger Begriff von dem allein wahren Gott, der den Himmel und diese Erde und alles, was da ist, aus Sich erschaffen hat! – Was sagst du nun dazu?“ 6. Sagte die Priesterin: „Ja, ja, das klingt ein wenig besser und hat viel aus der Natur Begründetes für sich! Aber ich bin denn ein selbständig denkendes Wesen, habe Verstand und Vernunft, und ich suche und finde keinen Gott, – und wo ist der, der mir kundtäte den erwiesen wahren Gotteswillen, auf daß ich dann nach demselben handeln könnte? Oder habe ich vor diesem meinem Dasein je mit dem treuest wahren Gott irgendeinen Kontrakt abgeschlossen, in dem die Bedingungen festgestellt worden wären, unter denen ich in diese Welt hätte geboren werden sollen, und was dann tun? 7. Nein, von dem ist nirgends etwas zu erfragen, sondern der Mensch kommt ohne sein Wissen und Wollen in diese Welt, muß zuerst wegen seiner Unbehilflichkeit und Schwäche sich gar viel von seinen starken Eltern gefallen lassen, was jedoch gut ist, weil der höchst schwache Kindmensch ohne ihre Hilfe sicher in der kürzesten Zeit zugrunde gehen müßte. Mit der Zeit aber wird das Kind ein starker Mensch, und das zu strenge Gehorchen dem elterlichen Willen wäre da bedeutend gemäßigter, – aber da kommt nun der Gehorsam gegen einen höheren Willen Gottes und hemmt den Menschen in allen seinen freien Lebensrichtungen bis zum Grabe hin. Nun, das wäre denn ja schon recht, wenn man sich zuvor einem Gotte dafür verbindlich gemacht hätte; aber von dem ist nirgends auch nur eine Silbe zu erfahren und zum lebendig erinnerlichen Bewußtsein zu bringen! 8. Wir Menschen sind offenbar durch eine große Macht und Kraft ins Dasein gerufen. Das lehrt uns unser Selbstbewußtsein. Wer aber diese Kraft ist, und wie sie beschaffen sein mag, das ist eine ganz andere Frage. Wir bringen höchstens so viel heraus, daß sie irgend da sein muß, weil denn doch eine jede Wirkung ihre Ursache haben muß. Aber wo liegt diese Ursache, was ist sie, wie sieht sie aus, und wie wirkt und handelt sie? Wer kann sie suchen, wer kann sie finden und wer vernehmen ihre Stimme und ihren Willen und wer ihr Angesicht schauen? 9. Was wir von dieser Kraft und Macht wissen, das wissen wir bis jetzt nur aus dem Munde und aus der frommen Phantasie der Menschen, und zumeist von solchen, die durch ihre eigentümlichen Fähigkeiten auch mit den geheimen Kräften der großen Natur näher vertraut waren und sich dieselben oft auch in einer staunenswerten Ausdehnung auf ihre Lebenszeit dienstbar machen konnten. Diese Art freilich seltener Menschen, die wir gewisserweise Halbgötter nannten, benutzten ihre Naturgabe denn auch gewöhnlich dahin, daß sie den Menschen im Namen eines oder auch mehrerer Götter Lehren und Gesetze gaben, und die leichtgläubigen und blinden Völker glaubten ihnen denn auch ungezweifelt fest und halfen den Wundertätern noch, über sie und ihre Nachkommen nicht selten unerträglich harte Gesetze zu machen und sie mit den grausamsten dies- und jenseitigen Strafen zu sanktionieren. Wenn dann auch ebenso weise und mit vielen außerordentlichen Eigenschaften begabte Menschen dem alten, verrosteten Unsinne mit dem besten Willen von der Welt ein Ende zu machen sich vornahmen, so wurden sie bald oft ganz traurige Opfer der alten, grausamen Gesetze. Und das ist stets also gewesen auf dieser Erde und wird auch fürder also bleiben, weil unserer Erde Natur und Temperatur also ist, daß auf ihrem Boden etwas wahrhaft Gutes nie lange währt, aber desto hartnäckiger und beständiger das Schlechte und Arge. 10. Streue aus den reinsten Samen in ein sorgfältig gepflegtes Erdreich, und es wird zwischen demselben dennoch stets eine Menge Unkraut zum Vorscheine kommen! Streue des Unkrautes Samen in ein Erdreich, und du wirst nicht eine Weizenähre mitten aus dem Unkraute von selbst emporkommen sehen! Also muß der Mensch das Gute stets mit einem besonderen Fleiße pflegen, und er hat dabei vollauf zu tun, um es vor allerlei Verderben zu beschützen. Aber trotz allem Fleiße und Eifer so mancher sehr achtenswerter Menschen geht dann mit der Zeit dennoch alle ihre große Mühe derart in Trümmer wie eine große, schöne Stadt, die einst der Glanz der Erde war, von der man später aber kaum mehr weiß, wo sie gestanden ist. 11. Ich sage es dir, daß du mir ehedem wahrlich eine ganz annehmbare Definition des Begriffes Gott gegeben hast; aber du als Redner bist ein Mensch, und ich, deine Zuhörerin, bin auch nichts anderes, und ich kann dir da nichts anderes sagen als: deine Erörterung war gerade der reineren Vernunft nicht zuwider, – aber es fehlt ihr dennoch das Wichtigste, nämlich der notwendig klare Beweis, daß es im Ernste einen solchen Gott gibt, von dem du recht Gutes und Annehmbares ausgesagt hast. Kannst du das, dann hast du an uns allen ein gutes Werk getan, und wir werden dich zu loben wissen.“ 12. Sagte der Schriftgelehrte: „Diesen von dir verlangten Beweis kann dir niemand anders geben als nur du allein dir selbst, – auch Gott nicht; denn der muß erst durch die Tätigkeit nach dem wahren, geoffenbarten Willen Gottes in dir selbst wach werden! Denn darin liegt eben jenes Wahrzeichen für die Erlangung des ewigen Lebens als eine lebendig wahre Bestätigung, daß der den Menschen geoffenbarte Wille Gottes nicht eines Menschen, sondern des ewig wahren und lebendigen Gottes Wort ist, das in sich selbst Leben, Liebe, Kraft und Weisheit ist. – Mehr kann ich dir nicht sagen, da dieses allein jedem genügt, der danach leben und tun will; mit allem Hin- und herkritisieren aber läßt sich für das Leben der Seele ohnehin nie etwas gewinnen. Willst du aber noch mehr, da wende dich nun nur an unseren Herrn und Meister, der wird dir schon noch ein mehreres zu sagen sehr imstande sein!“ 13. Sagte die Priesterin: „Freund, das hätte ich auch ohne solchen deinen hier ganz unnötigen Rat gewußt! Du aber hast gleich mit uns zu reden angefangen, und so verlangte es die bessere Lebensart, mit dir zu reden; nun aber scheint es mit deiner Weisheit am Ende zu sein, und so verweisest du mich an den großen und weisesten Meister! Ist auch recht; aber hättest du das gleich anfangs getan, so wäre das mir und uns allen lieber gewesen.“ Kapitel 111 Großes Evangelium Johannes, Buch 6 111. — Der Weg zur Gotteserkenntnis und Gottesliebe 1. Hierauf sagte der Schriftgelehrte nichts mehr; aber Ich sagte zu der Priesterin: „Höre, du stark weltweise Priesterin, es war das einerlei, ob Ich oder dieser Jünger mit dir geredet hat; denn ein jeder Meiner Jünger, der irgend in Meinem Namen den Mund auftut, kann nicht anders reden, als wie ihm von Mir Selbst die Worte in den Mund gelegt werden! Er hat dir gerade das gesagt, was Ich dir gesagt hätte! Daß ihr gar losen Stoiker nichts als den Tod und die endliche völlige Vernichtung eures Daseins in euch fühlet, daran schuldet niemand denn ihr selbst. 2. Warum gibt es denn gar viele Heiden, die so gut wie die besten Juden an das Fortleben der Seele nach dem Tode nicht nur fest und ungezweifelt glauben, sondern alles dessen in sich auch fest und lebendig bewußt sind?! Warum seid denn ihr das nicht? 3. Ich werde euch aber sagen, was bei und in euch daran schuldet! Sehet, daran schuldet euer Hochmut, eure Selbstliebe und die Gier, vor den Menschen als hochtrabende Viel- oder gar Alleswisser zu glänzen und jeden andern mit den alten, weltweisheitlichen Brocken in den Staub hinabzureden! Wer soll euch denn etwas sagen oder raten, wenn ihr allzeit nur darauf euer Gewicht leget, daß ein jeder nur von euch belehrt werden kann, – ihr aber von niemandem? Darin aber besteht der allergefährlichste Hochmut, dem der Spruch gilt: Wem nicht zu raten ist, dem ist auch nicht mehr zu helfen! 4. Solange ihr aber in diesem Hochmute verharren werdet, ebenso lange werdet ihr auch anstatt des Lebens nur den ewigen Tod in euch fühlen; denn der Hochmut treibt die Seele mit aller Gewalt in ihres Leibes Fleisch, und diese, sich in sich selber stets mehr und mehr aufblähend, wird dadurch ordentlich völlig eins mit ihrem Fleische und kann in solch einem Zustande dann nichts anderes fühlen und empfinden als den Tod des Fleisches. 5. Wo aber die Seele von ihrem Hochmute absteht und sich demütigt, da isoliert sie sich auch stets mehr von ihres Leibes grobem Fleische und steht mit demselben nur allein durch den ihr verwandten Nervengeist im Verbande. Ist das bei einer Seele einmal eingetreten, dann wird sie auch schon lebensfühlend in sich werden, und bestrebt sie sich, auch mehr und mehr in der Nächstenliebe und dadurch auch in der reinen Liebe zu Gott, den sie in ihrer Demut auch bald und leicht finden wird, recht tüchtig zu werden, so ruft sie dadurch auch ihren jenseitigen Geist aus Gott wach und fängt an, sich mit demselben zu einen. Wenn das aber einmal vor sich geht, dann geht sie schon in das vollkommene, ewige Leben ein und wird dadurch Gott ähnlicher und ähnlicher in allem, und das ewige Leben ist in ihr zur großen Klarheit geworden. 6. Solange aber eine Seele in ihrem Welthochmute verharrt und sich von ihren Nebenmenschen über alle die Maßen nur Weihrauch über Weihrauch streuen läßt, so lange versenkt sie sich selbst auch stets mehr in ihr grobes Fleisch und somit auch notwendig stets mehr und mehr in des Fleisches Tod. Welche Worte und welche Taten und Zeichen aber sollen dann einer todvollen Seele den Beweis liefern können, daß sie nach des Leibes Tode fortlebt, und daß es einen einigen und wahrhaftigen Gott gibt?! 7. Du meinst nun freilich, daß ein höchst weiser, allwissender und allmächtiger Gott solchem Menschen doch auf irgendeinem Wege ein Licht geben könnte, daß er gewahr würde, daß es mit ihm also steht. Das tut Gott immer; aber der Hochmut des Menschen läßt es nicht zu, daß der Mensch alles dessen in sich innewerden möchte. 8. Ich sage es euch: Wer immer einmal anfängt, daran zu denken, daß es einen Gott gibt, der alles, was da ist, erschaffen hat und alles erhält und leitet, der wird auch bald einsehen, daß alles, was da ist, gut und zweckmäßig eingerichtet ist. Er wird aus der weisen Einrichtung auch bald dahin ins klare kommen, daß der Schöpfer alles dessen, was da ist, höchst gut sein müsse. Denkt der Mensch recht oft daran und beurteilt also Schöpfer und Geschöpfe, so wird er den Schöpfer zu lieben anfangen, und von Tag zu Tag, immer mehr und mehr wird sich die Liebe zu Gott im Herzen des Menschen mehren und festen, und diese Liebe ist dann eben der jenseitige Geist des Menschen, von dessen Lichte die Seele durchdrungen und von dessen Lebenswärme sie belebt wird. Und ist das beim Menschen einmal der Fall, so ist es ihm dann auch nicht mehr möglich, sich je irgend einen Tod in sich zu denken. 9. Daß aber das leicht ein jeder Mensch mit und in sich bewerkstelligen kann, könnt ihr aus dem entnehmen, daß ein jeder Mensch Augen hat zum Sehen, Ohren zum Hören und den Geruchsinn, den Geschmack, das Gefühl und zu allem dem Verstand, Vernunft und Hände und Füße und einen freien Willen, durch den er nach Belieben seine Glieder in eine Tätigkeit setzen und seine Liebe ordnen kann. Also ausgerüstet, sieht er die Sonne auf- und niedergehen, – also den Mond. Er sieht die Sterne und zahllos viele Arten und Gattungen der Geschöpfe, die er betrachten und aus denen er Gott den Herrn stets mehr und mehr erkennen kann. 10. Ein jeder Berg, eine jede Ebene mit den vielen Früchten, ein jeder Strom, alle die verschiedenen und mit aller Schönheit geschmückten Gräser, Pflanzen, Gesträuche und Bäume und die gesamten Tiere geben ihm ja doch Stoff zur Genüge, der ihn über ihr Entstehen und Bestehen zu denken nötigt. 11. Denkt aber ein Mensch darüber nach, so wird ihm eine innere Stimme sagen, daß alles das nicht irgend von und aus sich selbst hat entstehen können, sondern daß da ein höchst weiser, liebevollster und allmächtiger Schöpfer dagewesen sein muß, der alles dieses geschaffen und geordnet hat, es jetzt noch forterhält und in einer stets veredelteren und vervollkommneteren Art ewig forterhalten wird, weil Er es schon seit für den Menschenverstand undenklichen Zeiten bis jetzt erhalten hat. 12. Wer also sich einen Gott und Schöpfer vorstellt, der muß dann ja doch auch eine große Achtung vor Ihm und Liebe zu Ihm stets mehr in sich wachrufen. Ist aber diese einmal da, so ist auch der Anfang zum inneren Lebendigwerden der Seele in ihrem Geiste da, und wächst dann fort mit der Zunahme der Liebe zu Gott, welche Zunahme um so leichter stattfindet, weil der Liebegeist die Seele stets mehr erleuchtet und sie über das Wesen Gottes in eine stets größere Klarheit gelangt. 13. Hat ein Mensch auf diese Weise den Weg zu Gott und somit zum wahren, ewigen Leben gefunden, so kann er dann aus Nächstenliebe solchen auch seinen Nebenmenschen zeigen und ihnen einen rechten Führer abgeben, und er wird dafür von Gott aus mit noch mehr Licht und Weisheit begabt werden, und seine Jünger werden ihn lieben und mit allem Nötigen unterstützen. 14. Hättet ihr das von jeher getan – wie ihr schon eben durch euren Mentor, der Platoniker war, auf ganz gutem Wege euch befandet –, so würdet ihr uns nun nicht mit eurem Diogenes vollends totreden wollen; denn ihr hättet da selbst schon eine große Lebensfülle in euch. Aber euer Diogenes und euer geheimer großer Hochmut haben euch ganz verkehrt, und so werdet ihr nun nach Meiner euch hier gegebenen Lehre ganz von vorne euer inneres Leben zu bilden anfangen müssen. Mit recht viel Eifer und Liebe werdet ihr bald große Fortschritte machen; aber so ihr in eurem Eigensinne verharren werdet, so werdet ihr auch verharren in eurem inneren Tode. – Habt ihr das wohl begriffen?“ 15. Sagte die Priesterin: „Ja, Herr und Meister, das war klar, und ich habe die Wahrheit alles dessen nun ganz wohl eingesehen; aber es wäre das von seiten eines einigen, wahren und allmächtigen Gottes ja eben auch ein leichtes gewesen, uns den Geist unseres verstorbenen Mentors erscheinen zu lassen, weil er uns das als den endgültigen Beweis seiner Seelenlebenslehre oft auf das feierlichste unter Eid versprochen hatte. Wäre er uns erschienen, so wären wir in seinen Lehren befestigt worden und hätten nach ihnen auch unser ganzes Leben eingerichtet; aber da er uns das bis jetzt noch schuldig geblieben ist, so ist es selbstverständlich, daß wir darum an der Wahrheit seiner Lehren zu zweifeln haben anfangen müssen. Warum erschien er uns denn nicht?“ 16. Sagte Ich: „Er ist euch sieben Male im Traume erschienen und hat euch stets den gleichen Grund angegeben, warum er euch nicht anders denn nur im Traume besuchen kann. Warum glaubtet ihr ihm denn nicht? Weil ihr als sehr schöne Töchter eines Oberpriesters schon zu eitel und zu hochmütig geworden seid und euren braven Mentor schon bei seinen Lebzeiten nur mehr belacht denn irgend mit einem freudigen Lebenseifer angehört habt! Eure Seelen verkrochen sich zu mächtig ins Fleisch; dadurch verloret ihr die zum Geistersehen notwendige Außenlebensäthersphäre, und da war es dem Geiste unmöglich, sich euch ersichtlich zu zeigen. 17. Wer aber durch die Fülle seines inneren Lebens auch außer seinem Leibe eine Lebensatmosphäre überkommt, der kann die Seelen verstorbener Menschen sehen und sich mit ihnen über die wichtigsten Lebensdinge besprechen, wann und wie oft er will. Aber dazu gehört freilich eine innere, nahe gänzliche Lebensvollendung. 18. Nun aber denket darüber nach, besprechet euch mit euren Männern, die Meine Lehre bereits überkommen haben, und ihr werdet dann schon in euch zu einem rechten Urteile kommen! Ist das einmal geschehen, so werden wir am Abend schon noch etwas hinzutun, das euch etwas mehr erleuchten wird. 19. Die Menschen dieser Erde haben die große Bestimmung, selbstmächtige Kinder Gottes zu werden; daher müssen sie auch in aller Selbsttätigkeit aus sich selbst geübt und gebildet werden. – Und nun gut vor dem Abend!“ 20. Da wurden die Weiber still, und ich begab Mich mit den Jüngern und Hausleuten hinaus ins Freie. Kapitel 112 Großes Evangelium Johannes, Buch 6 112. — Der abergläubische Fischmeister am Euphrat 1. Wir gingen zu dem Strome hin, und zwar an die Stelle, wo sich das aufgefangene Holzfloß befand, das noch in seiner ganzen Größe unaufgelöst dalag, und wo gerade die Fischer des Jored ihre Netze zu einem größeren Fischfange ausgeworfen hatten. Wir sahen ihnen zu, wie sie einen Zug um den andern vergeblich machten. 2. Da sagte Jored zu dem Fischmeister: „Ja, was ist denn das heute? Sind denn gar keine Fische mehr in unserem sonst so fischreichen Strome?“ 3. Sagte der alte Fischmeister: „Herr, das ist mir selbst ein Rätsel! Es wäre die Zeit sonst sehr günstig, und es kommen auf des Wassers Oberfläche stets eine Menge Bläschen zum Vorscheine, was sonst eines der besten Zeichen zum Fischfange ist. Also haben wir auch keinen Wind, und die Sonne steht gerade in der rechten Neigung; dazu kommt noch, daß der Mond im Aufnehmen und in das Himmelszeichen der Fische getreten ist, was wieder zum Fischfangen außerordentlich gut ist. Sonst habe ich bei so überaus günstigen Umständen stets einen reichen Fang gemacht mit geringer Mühe, heute aber ist alles wie rein verhext. Wir haben nun schon fünf Züge gemacht, und das beinahe über den ganzen breiten Strom, und ich habe den Neptun und der Triton und alle Nymphen dieses Stromes angerufen, aber alles rein umsonst! Nicht ein Fisch kommt uns in die guten Netze! Es ist schon rein zum Verzweifeln! 4. Da unten die Fischer in Malaves sollen gestern eine ungeheure Menge Fische gefangen haben; sie müssen einen Zauberer unter sich haben. Aber auch ich verstehe mich auf allerlei Fischverzauberungsdinge und habe bereits schon alle angewandt; aber es nützt heute alles nichts! Alle Auspizien (Voraussetzungen) sind gut, und doch kein Erfolg! Jetzt sage mir ein Mensch, was denn doch da um aller Götter willen dahinter stecken mag! Am Ende sind die Götter alle auf uns zornig geworden, weil der fremde Magier ihre Statuen, die wir verehrten, auf einen Wink vernichtet haben soll, – was ich gehört, wovon ich mich aber noch nicht selbst überzeugt habe. Wenn die Sache wahr wäre, mein Herr, da möchte es mit uns bald sehr schlimm aussehen; denn die einmal erzürnten Götter sind so leicht nicht wieder zu besänftigen. Das würde uns große Opfer kosten! Aber ich will nun doch noch ein paar Züge versuchen; fallen die auch leer aus, so tue ich heute nichts mehr!“ 5. Sagte Jored: „Tue das, vielleicht kommt doch etwas zum Vorscheine!“ 6. Darauf ordnete der Fischmeister schnell wieder einen neuen Zug an. Es ging alles in der besten Ordnung, und als das Netz an das Ufer gebracht ward, da war es wieder wie früher leer, was dem Fischmeister viel Ärger machte, und worauf er sagte (der Fischmeister): „Ich sage es ja: heute ist ein verhexter Tag, und da ist jede Arbeit und Mühe vergeblich! Wenn ich nun noch einen Zug anordne, so wird er sicher wieder genau also ausfallen, wie dieser ausgefallen ist, und ich glaube, daß man für heute diese Arbeit einstellen sollte. Wenn du für heute Fische benötigst, so können sie von Malaves hergeschafft werden; denn die dortigen Fischer sollen gestern einen großen Vorrat gefangen haben. Auch soll ein Magier durch einen geheimen Zauberschlag ihre Häuser in einem Moment derart hergestellt haben, daß sie uns Stadtbewohner ganz ordentlich auslachen könnten! Was in dieser lieben Welt doch alles zum Vorscheine kommt, – ja, es kennt sich jetzt schon kein ordentlicher Mensch mehr aus! Was meinst du, Herr, sollen wir uns noch einmal die sicher sehr vergebliche Mühe machen, oder sollen wir lieber diese Arbeit für heute einstellen?“ 7. Sagte nun Ich: „Höre, du Mein alter, sehr abergläubischer Fischer, solange aus dem Wasser die gewissen Bläschen aufsteigen, ist das fürs Fischen nie ein gutes, sondern allzeit ein schlechtes Zeichen, weil das ganz natürlich anzeigt, daß die Fische am Boden ruhen. Denn um das zustande zu bringen, müssen, durch ihren Instinkt geleitet, sich ihre Luftsäcke, die sie im Leibe haben, der Luft entledigen, und das macht bei einem fischreichen Wasser stets die Erscheinung des Aufsteigens der gewissen von dir bemerkten Bläschen. Wenn du diese Bläschen vermissest, dann erst wirf die Netze aus, und du wirst Fische in Menge bekommen! Denn wenn der Fisch aus seinem Luftsacke keine Luft mehr ausstößt, dann braucht er sie, weil er nur durch sie auf die Oberfläche heraufkommen kann. 8. Siehe, nun hat das Aufsteigen der Bläschen aufgehört, und die Möwen und Reiher fangen an, ins Wasser zu stoßen! Jetzt mache noch einen Zug, und du wirst ohne alle Zauberei Fische in die schwere Menge bekommen!“ 9. Dem Fischmeister wollte das zwar nicht sehr einleuchten, doch weil es ihm auch sein Dienstherr Jored befahl, so ordnete er noch einmal einen Zug an, warf die Netze aus und bekam eine solch kolossale Menge Fische, daß er die Netze kaum ans Ufer zu bringen imstande war. Nun gab es natürlich Arbeit über Arbeit, um die vielen und zumeist sehr großen Fische in den Behältern unterzubringen. 10. Nach einer Stunde waren diese untergebracht, und der Fischmeister konnte sich nicht genug verwundern über diesen nun auf einmal so überreichen Fischfang und sagte am Ende seines Staunens: „Das soll zwar keine Zauberei gewesen sein, – aber ich sage: Das war dennoch die höchste und noch nie dagewesene Zauberei aller Zaubereien! Der Mann, der mir riet, noch einen Zug zu machen, scheint mir mehr zu wissen und zu kennen, als bloß die reiche Fischfängerei aus dem Ausbleiben der Bläschen und aus der Aktion der gewissen Wasservögel einem alten Fischmeister zu verkünden. Am Ende ist eben er derjenige, der die Statuen des Tempels wegzauberte und den Malavesern bessere Wohnungen hinhauchte! Aber lassen wir nun das, und ich frage nun bloß, ob wir noch einen Zug wagen sollen!“ 11. Sagte Ich: „Tuet das, und ihr seid dann auf Wochen lang versorgt!“ 12. Da beeilten sich die Fischer und machten noch einen Zug, der ebenso reich ausfiel wie der frühere. 13. Als die Fische in den großen, leeren Behältern untergebracht worden waren, da befahl der Fischmeister seinen Dienern, die Boote und das Fischerzeug in Ordnung zu bringen, und er trat darauf zu Mir hin und sagte: „Höre, du mir bis jetzt noch ganz unbekannter Mann! Du kannst und verstehst mehr, als was sonst ein gewöhnlich erfahrener, kluger Mann kennen und verstehen kann! Du mußt die große Magie irgendwo tief in Hinterindien studiert haben; denn hier unter den Griechen und teilweise Römern und Juden ist so etwas völlig unerhört. Diesen reichen Fischfang hast allein du uns in die Netze hineingezaubert! Ich bin ein alter Fischer; aber noch nie habe ich, selbst in der allerbesten Fischzeit, einen solchen Fang – und das von lauter Edelfischen – gemacht. Oh, mit dir möchte ich wohl so manches und vieles reden; denn du mußt viel gelernt und viel erfahren und auch schon von der Geburt an viele Talente besessen haben! Dich müssen die Götter wahrlich sehr stark angehaucht haben, weil in dir dein Wille zu einer solchen Macht gediehen ist!“ 14. Sagte nun Jored: „Ganz gut, mein alter, treuer Diener, wir werden davon einmal allein noch vieles reden! Aber nun sorge du, daß für den heutigen Abend noch einige der schönsten und besten Fische in die Küche geschafft werden; denn wir wollen noch heute davon einen Genuß haben! Sorge aber auch, daß ihr mir nicht irgend zu kurz kommet!“ 15. Das tat der Alte sogleich, war aber darauf bald wieder bei uns, indem wir unterdessen uns an den Floßholzstämmen gelagert hatten, um von da zu betrachten, wie eine große Menge von großen Möwen und Reihern ihre Auskundschaftungen über die großen und offenen Fischbehälter anzustellen anfingen und unter sich gewisserart einen Rat hielten, wie aus diesen ein Fisch zu bekommen wäre. 16. Da fragte Mich der Fischmeister, sagend: „Du lieber Mann, was wäre denn da gegen diese befiederten Fischdiebe zu unternehmen, damit sie uns in den Behältern keinen Schaden anrichten können? Denn sieh, wenn diese Tiere dir auch keinen von diesen großen Fischen aus dem Wasser zu heben imstande sind, so verwunden sie aber die Fische dennoch mit ihren langen und spitzigen Schnäbeln durch ihr pfeilschnelles Herabstoßen. Die Fische werden dadurch krank und sind nicht mehr so gut für den menschlichen Genuß, oder sie verenden gar nach einer stärkeren Verwundung, werden von diesen Vögeln als auf der Wasseroberfläche tot schwimmend derart zerfleischt, daß sie am Ende zu Boden sinken und das Wasser im Behälter verpesten, was dann für die gesunden Fische auch nachteilig wirkt. Dir wird dagegen sicher auch ein Mittel bekannt sein! Habe doch die Güte und gib es mir kund!“ 17. Sagte Ich: „Du meinst noch immer, daß Ich ein Zauberer sei; aber Ich sage es dir für ganz wahr und bestimmt, daß das bei Mir nicht im geringsten der Fall ist und sicher nie war. Daher werde Ich dir da bloß als ein naturkundiger Mensch auch ein ganz natürliches Mittel ansagen, und dieses besteht darin: Decke die Behälter mit einem alten Fischnetze zu, dergleichen ihr genug habt, und diese Vögel werden durch das Netz den Fischen nichts mehr anhaben können! Siehe, das ist ganz wahr etwas Natürliches und leicht ohne alle Zauberei Ausführbares, und wenn es gut und fleißig gemacht ist, so ist es auch von einer entschieden guten Wirkung!“ 18. Hier ging der Alte wieder, da er die Sache gut fand, berief seine Diener und setzte Meinen Rat schnell ins Werk und hatte darauf selbst eine Freude, dadurch den gefräßigen Vögeln einen solchen Riegel vor ihre lüsternen Schnäbel gesteckt zu haben. Kapitel 113 Großes Evangelium Johannes, Buch 6 113. — Die rechte Art religiöser Belehrung 1. Meine Jünger aber meinten und fragten Mich, warum Ich denn diesem Fischer Mich nicht näher geoffenbart habe. 2. Ich aber sagte: „Das weiß und verstehe Ich am allerbesten! Für den ist es besser, daß er es später von den hiesigen Lehrern noch früh genug erfahren wird, mit wem er es in Meiner Person zu tun gehabt hat. Er ist zu sehr in seiner Idee, daß Ich ein Zauberer sei, befangen, und mit derlei Menschen ist da für weiter in der kurzen Zeit nicht wirksam gut zur Genüge auszukommen. Er wird nachderhand von diesen Hausleuten über uns, und namentlich über Mich, schon belehrt werden, und das zumeist von dem Arzte, der alles am meisten aufgefaßt hat, und dem Ich auch die Fähigkeit erteilte, mittels Auflegung der Hände allerlei Krankheiten zu heilen. Dann wird er seinen Zauberer bald verabschieden und von Mir den rechten Begriff bekommen. 3. Ich sage es euch allen: Wenn ihr jemand von den Heiden belehret, so dürfet ihr nirgends gleich samt der Tür ins Haus fallen, sondern ihr müsset zuvor den Menschen genau erforschen und daraus erkennen, von welcher Seite er zugänglich ist; denn habt ihr ihn bei einer unzugänglichen Seite gefaßt, so habt ihr euch die Arbeit nur selbst erschwert, und ihr werdet dann zu tun haben, um solch einen Menschen auf den rechten Weg zu bringen. Daher kann Ich euch nicht oft genug sagen: Seid klug wie die Schlangen und sanft wie die Tauben! 4. Ihr wisset es nicht, welche Gewalt eine falsche Begründung eines Menschen über sein Gemüt ausübt. So ihr aber erfahret, worin diese besteht, so dürfet ihr den Menschen niemals direkt bei solcher seiner am meisten gepanzerten Seite anpacken, sondern nur dort, wo er am allerschwächsten ist, was ihr bald herausfinden könnet. Habt ihr ihn da überwunden, nun, so wird es dann gar nicht mehr schwer sein, sich auch seiner starken Seite zu bemächtigen. Ihr müsset euch also allzeit so verhalten und müsset auch also handeln wie ein geschickter und sehr gewandter Feldherr. Ein geschickter und gewandter Feldherr wird durch seine verläßlichen Spione den Feind auskundschaften lassen, wo derselbe irgend seine schwächsten Seiten hat. Weiß er nun das, so wird er dem Feinde auf seiner stärksten Seite nur ganz unbedeutende Beschäftigungen geben, um ihn zu täuschen; aber von seiner schwächsten Seite wird er ihm in den Rücken fallen und ihn ohne weiteres schlagen und besiegen. 5. Auch müsset ihr euch also verhalten wie ein sehr geschickter Arzt, der die Krankheit eines Menschen und ihren Sitz wohl erkannt hat. Was tut er? Seht, da, wo die Krankheit sitzt, tut er nichts und kann oft auch nichts tun! Aber er gibt dem Kranken solche Mittel, die die Krankheit ableiten auf die gesunden Teile des Leibes, von da zum Teil durch den Schweiß und zum Teil durch den Magen und die Gedärme, – und der Kranke wird gesund. Wo die Krankheit als der Feind sich stark hingesetzt hat, da ist mit ihr nichts anzufangen, sondern man zerteile sie durch gute und rechte Mittel, und man wird sie dann leicht in ihrer Schwäche besiegen. 6. Sehet und höret weiter! Dieser Fischmeister – der nun nicht hier ist, darum Ich mit euch auch also ganz frei reden kann – ist in seiner stärksten Begründungsseite ein Magier. Er glaubt an gewisse Sprüche, Amulette, Salben, an die Mondstände und -viertel, an die Sonne, Wolken, Luft und Vogelzüge und noch an tausend andere Dinge so fest, daß er dem ganz entsetzlich gram werden würde, der ihm da schnurgerade entgegenträte. Mit solch einem Menschen würde er dann sicher sehr wenig irgendwann mehr verkehren, weil er ihn für zu dumm und seiner Weisheit unwürdig halten würde. 7. Aber er ist sonst ein ganz guter und ehrlich treuer Mensch und hat seine Freude daran, von jemandem etwas Neues und Besonderes zu erfahren, – und sehet, das ist eben seine schwache Seite! Bei der muß man ihn fassen und ihm die Dinge in einem ganz naturwahren Zustande darstellen und erklären, und er wird dann schon geheim bei sich selbst den Zauberer hinauszuschaffen anfangen, weil er auf der andern Seite stets mehr und mehr einzusehen anfangen wird, daß seine ganze Zauberei auf lauter hohlem Boden basiert ist. 8. Es ist darum auch gut, die Menschen, die man für die Wahrheit gewinnen will, sich vorher ganz vom Grunde aus ihrer falschen Begründungen entäußern zu lassen. Haben sie das mit aller Energie – wie die Weiber der Priester – getan, dann haben sie in sich keine weitere Hauptkraft mehr und fangen dann erst an, ein aufmerksames Ohr auf den Gegner zu haben, fangen dann auch an, in seine höheren Wahrheiten einzugehen, verwerfen von selbst ihre falschen Begründungen, und man hat sie gewonnen. 9. Darum nehme es euch nicht wunder, so Ich mit derlei Menschen nur ganz wie ein natürlicher Mensch rede; denn Ich sehe ja jeden Menschen gleich durch und durch und erkenne nur zu klar seine starken und schwachen Seiten und weiß denn auch, was Ich ihm zu sagen und zu tun habe! Und wenn das menschliche Gemüt nicht zu sehr vom Hochmute und vom Geize gefangengenommen ist, kann ein jeder für die Wahrheit gewonnen werden; aber der Hochmut und der Geiz sind bei den Menschen stets am schwersten zu besiegen. Das merket euch denn auch, und so ihr danach handelt, so werdet ihr leicht handeln und stets die besten Erfolge erzielen!“ Kapitel 114 Großes Evangelium Johannes, Buch 6 114. — Die Schlange als Vorbild 1. Sagte Petrus: „Herr, wie sagtest Du: daß wir klug sein sollen wie die Schlangen? Die Schlange ist ja doch das Sinnbild alles Bösen und Schlechten, ein Symbol des Satans, der durch seine Arglist in der Gestalt einer Schlange das erste Menschenpaar verführte! Die Schlange mag in ihrer bösen Tücke immerhin sehr listig sein; aber welcher ehrlich gute Mensch wird sie gegen seine Nebenmenschen in ihrer Tücke nachahmen wollen?! Kurz, dieses Dein Gleichnis verstehe ich noch immer nicht so recht! Erkläre uns das!“ 2. Sagte Ich: „Wie lange werde Ich euch denn noch ertragen müssen! Sehet ihr denn auch das noch nicht ein, was doch so sonnenklar vor euren Augen liegt? Sagte Ich denn nicht, daß ihr die kluge List der Schlange euch aneignen sollet, aber nicht auch ihre damit verbundenen bösen Zwecke, darum ihr im Besitze solcher Klugheit aber dennoch gut und sanft gleich den Tauben verbleiben sollet? 3. Betrachtet aber nur einmal eine Naturschlange, und ihr werdet finden, daß eben dieses Getier klüger ist denn jedes andere der Erde. Die Naturkundigen sagen, daß der Löwe der König der Tiere sei, und Ich sage euch, daß das die Schlange ist; denn wenn schon der Löwe vermöge seiner Stärke alle andern Tiere in einem Kampfe besiegt, so flieht er aber doch vor der Schlange, und so sie ihn auf ihrer Lauer umringt hat, dann ist er verloren und wird ihr zu einer erbärmlichen Beute. Kurz und gut, die Schlange besitzt die größte Überlegung und sucht sich den Platz zu ihrer Jagd mit der möglichsten Vorsicht und förmlicher Berechnung aus, und die Beute, für die sie sich auf irgendeine Lauer gestellt hat, entgeht ihr nie. Nur allein der Mensch ist ihr Herr, sonst aber kein Geschöpf auf der Erde, besonders wenn sie einmal erwachsen ist und ihre volle Kraft erreicht hat. Ich rede hier von den wirklichen Schlangen und nicht von ihren kleinen Abarten, die aber auch noch klüger sind denn gar viele große Tiere. 4. In Indien und auch in Afrika, wo es viele von allerlei reißenden Tieren gibt – als Löwen, Panther, Tiger und Hyänen, also auch böse Affen und noch andere böse Tiere –, werden die Schlangen von den Menschen zu ihren sichersten und verläßlichsten Wächtern abgerichtet. Wo um eine Wohnung der Menschen, wie sie auch immer beschaffen sein mag, die Schlangen Wache halten, dahin kommt sicher nie irgendein Raubtier; sogar der Elefant und das mächtige Nashorn haben eine große Scheu vor diesen Hauswächtern. Sie tun aber auch den Haustieren keinen Schaden, so sie von den Menschen sonst mit dem nötigen Futter versehen werden. Sowie aber die Menschen sie hungern lassen, da verlassen sie dann ihre Wohnungen und gehen auf den Raub aus. 5. Zugleich sind die Schlangen durch einige Mühe derart zu zähmen und abzurichten, daß sie auf ein gegebenes Zeichen alles tun, was man – nach ihrer Fähigkeit – von ihnen verlangt. Das ist denn doch auch ein Zeichen von der ganz besonderen Intelligenz dieser Tiere. Je mehr Intelligenz aber irgendein Tier besitzt, desto leichter ist es zu irgendeinem guten Gebrauche abzurichten, und um so klüger ist es auch in sich und für sich selbst. 6. Ich habe euch nun einen förmlichen Naturlehrer gemacht, und so denket auch darüber nach, auf daß ihr Mich dann nicht wieder um eine Erklärung angehet, so Ich euch irgend bei einer andern Gelegenheit auf dieses Gleichnis aufmerksam machen werde! – Habt ihr Mich aber wohl auch verstanden, was Ich euch damit habe sagen wollen?“ 7. Sagte Petrus: „Ja, hochgelobt sei Dein Name; denn Dir sind alle Dinge wohl bekannt, und so Du etwas erklärst, da wird es dem Menschen klar, und mir ist darum auch dies alles höchst klar! Wir werden uns aber in der Folge auch allenthalben also zu benehmen wissen.“ Kapitel 115 Großes Evangelium Johannes, Buch 6 115. — Die Floßdiebe 1. Als Petrus solches geredet hatte, da ersah man mehrere Flöße die stromabwärts gerudert wurden, damit dieselben schneller schwammen, als da von selbst fließt das Wasser. 2. Da fragte Petrus den Jored und sagte: „Freund, warum rudern denn diese also, wie man es bei einem Strome, der ohnehin einen schnellen Lauf hat, nicht zu tun pflegt?“ 3. Sagte Jored: „Das sind Flößer, die wahrscheinlich noch heute nach Samosata kommen wollen. Es ist aber hier ein alter Brauch, daß Flößer am Tage, das heißt solange die Sonne noch nicht untergegangen ist, hier zollfrei vorüberfahren können; wenn sie aber daherkommen, wenn die Sonne schon untergegangen ist, so müssen sie hier landen und den Zoll entrichten, ansonst sie bestraft werden. Siehe, darin liegt der Grund, warum diese ihre Flöße nun gar so sehr stromabwärts treiben! Wenn sie so fortfahren, so sind sie in zwei Stunden leicht in Samosata und kommen dort noch in der straflosen Zeit an. Um eine halbe Stunde später müßten sie dort schon eine Strafe bezahlen. Siehe, also stehen diese Sachen!“ 4. Sagte Petrus: „Ja, aber warum da eine Strafe? Bei mir am Galiläischen Meere kann ein Schiff ankommen, wann es kann und mag, so braucht es darum keine Strafe zu bezahlen; denn man kann ja für zufällige und unvorhergesehene Hindernisse nicht, durch die man auf dem Wasser gar oft im Vorwärtskommen beirrt werden kann. Warum da eine Strafe?“ 5. Sagte Jored: „Freund, du hast zwar in deiner Weise recht; aber auch diese Strafe hier ist recht und gerecht. Denn alle die Wasserfahrer an diesem mächtigen Strome bis dahin, wo er schiffbar wird, wissen es genau bei jedem Stande des Wassers, wann sie von ihrem Stapelplatze abzugehen haben, um zur rechten Zeit an einem nächstbestimmten Orte anzukommen. Halten sie diese Ordnung nicht ein, so können sie bei einer zu lange in die Nacht hineindauernden Fahrt leicht ein Unglück haben, da der Strom viele recht gefährliche Stellen hat, wo sich selbst alterfahrene Flößer am Tage zusammennehmen müssen, um unbeschadet durchzukommen. In der Nacht dürfte es wohl sehr schwer sein, solche gefährlichen Stellen ohne Unglück zu passieren. Um die aus der Nichtbeachtung der allgemein bekannten Stromfahrtgesetze leicht erfolgenden Unglücke soviel als möglich zu verhüten, hat man eben mit Einstimmung des Kaisers diese Stromfahrtgesetze sanktioniert und deren Übertreter mit einer angemessenen Geld- oder Warenstrafe belegt, verwendet diese Strafgelder aber dann zur Erhaltung guter Landungsplätze und zur Hinwegschaffung zufällig im Strome entstandener Hindernisse, zu welchem Zwecke auch teilweise die Wasserzollgelder und Landungszinsen verwendet werden. Und siehe, Freund, also ist diese ganze Sache ja doch eine gerechte?!“ 6. Nun aber sagte Ich: „Freund Jored, was ist denn dann, wenn zum Beispiel – wie es hier der Fall ist – Diebe mit schon auf dem Wasser zusammengebundenen Flößen, die zur Abfahrt zu einer bestimmten Zeit bereitstehen, zur Nachtzeit die Floßwache unschädlich machen, die Flöße ablösen und eiligst davonfahren, was jetzt bei dem etwas höherem Wasserstande ganz leicht möglich ist?“ 7. Sagte Jored: „Herr, was sagst Du?! Wenn also, da müßten wir sie ja augenblicklich anzuhalten und einzufangen trachten! Sie kommen nun gerade schon in unsere Nähe!“ 8. Sagte Ich: „Lasse das nur fein gut sein; denn sie wären schon lange bei uns vorübergefahren, so Ich sie trotz aller ihrer Tätigkeit nicht an ihrem Weiterkommen behindert hätte! Aber nun kommen sie ganz langsam dennoch nahe an uns heran, und wir werden sie dann schon aufzuhalten verstehen!“ 9. Sagte Jored: „Na wartet, ihr bösen Spitzbuben, euch soll euer Handwerk gelegt werden! – Herr, haben sie die Floßwächter etwa gar ermordet?“ 10. Sagte Ich: „Allerdings, aber diese bestanden in Wachhunden. Diese Tiere verteidigten die Flöße gar grimmig, und es wurden zwei der Diebe von ihnen gebissen; aber am Ende des Gefechts mußten die Tiere den Hieben dieser Diebe erliegen, wurden ins Wasser geworfen, und die Diebe lösten schnell die Flöße und fuhren eher ab, als die Menschen, durch den Hundelärm geweckt, herbeikommen konnten. Es sind ihnen wohl gleich darauf Menschen zu Wasser und zu Land nachgefolgt, haben sie aber bis jetzt noch nicht einholen können. Die zu Wasser werden nun wohl nicht gar lange auf sich warten lassen; aber die zu Lande werden kaum bis um die Mitternacht hier ganz erschöpft anlangen. Wir werden sie, diese Flößer nämlich, hierher ans Ufer ziehen, sowie die Sonne untergeht, was sogleich erfolgen wird, und du, Jored, fordere ihnen durch deine Beamten gleich den Landungszins ab! Währenddessen werden die sie verfolgenden Eigentümer dieser Holzflöße nachkommen, und es wird das eine ganz absonderliche Geschichte abgeben! Laß nun deine Beamten nur ans Ufer treten; denn sie werden nun bald ans Ufer stoßen müssen, weil Ich es also haben will!“ 11. Jored beorderte nun schnell seine Beamten, und diese kamen und erwarteten die Flöße, ohne aber zu wissen, welchen Gelichters die Flößer seien. Es kam das erste Floß dicht ans Ufer, und der Beamte forderte von den vier darauf befindlichen Flößern das Geld. 12. Aber diese (die Flößer) sagten: „Wir wollten ja weiter, – aber es hielt uns da eine unsichtbare Macht auf und zog uns völlig ans Ufer her; darum zahlen wir nichts, da wir ohne unser Wollen hier behindert worden sind. Auch haben wir kein Geld und werden erst, so wir zurückkommen, unseren Zins bezahlen.“ 13. Sagte der Beamte: „Das geht bei uns nicht an! Könnt oder wollt ihr nicht zahlen, so bleiben die Flöße unterdessen als Pfand hier, bis ihr sie auslösen werdet!“ 14. Da wollten die Flößer doch zahlen; aber man sollte sie sogleich wieder weiterfahren lassen, denn sie wären gute und sehr geschickte Nachtfahrer. 15. Aber der Beamte verweigerte ihnen solches und sagte: „Zahlet, und fahret morgen zur gesetzlichen Zeit ab! Zahlet ihr jetzt nicht, so ihr Geld habt, so werdet ihr am Morgen das dreifache zu zahlen haben!“ 16. Als die Floßdiebe das vernahmen, da zahlten sie dennoch den Zins und banden das Floß ans Ufer; aber vom Floße herab wollten sie nicht treten. Dasselbe geschah auch mit den noch nachfolgenden fünf Flößen, und als also der Landungszins bezahlt war, da bemerkte man auch schon das diesen sechs gestohlenen Flößen nacheilende Floß mit acht Menschen, die auch gar gewaltig stromabwärts ruderten. Es dauerte kaum einige Augenblicke, und das Floß stieß an unser Ufer. 17. Diese acht Flößer erkannten sogleich ihre gestohlenen Flöße und sagten mit zornglühenden Augen: „Haben wir euch, ihr uns schon lange bekannten schlechten Spitzbuben?! Na wartet, euch soll euer Floßstehlen von nun an sicher für alle Zeiten vergehen! Dieses Holz ist nach Serrhe zu einem wichtigen Baue bestimmt, und wir haben es selbst gar aus Cappadocia, und zwar aus Arasaxa, Tonosa und Zaona bis nach Lacotena in Mesopotamien, allwo wir zu Hause sind, mit großen Kosten bezogen, und ihr gewissenlosesten Schurken habt es uns auf eine gar so schnöde Weise stehlen wollen, ohne selbst zu eurer Sicherheit so weit gedacht zu haben, daß ihr uns mit diesem schweren Holze nicht entkommen könnet und wir die Mittel haben, euch bis tief nach Indien zu verfolgen! Diesmal werdet ihr eurer gerechten Strafe nicht entgehen!“ 18. Hierauf ersahen sie den ihnen sehr bekannten Zöllner Jored, gingen hin und zeigten es ihm an. Kapitel 116 Großes Evangelium Johannes, Buch 6 116. — Die Floßbesitzer und der Herr 1. Jored aber sagte zu ihnen: „Seid nun vor allem froh, daß ihr das Holz wieder habt; was ihr mir aber hier anzeiget, das habe ich vor nahe einer Stunde schon gewußt durch einen Fremden, der Sich mit Seinen Jüngern schon ein paar Tage bei mir aufhält. Dem aber habt ihr es auch allein zu verdanken, daß ihr zu eurem teuren Holze wieder gekommen seid; denn ohne Den wäre euer Holz wahrscheinlich schon über Samosata hinaus. Denn diese wären Tag und Nacht bis tief nach Persien oder gar Indien fortgefahren, und hättet ihr sie auch eingeholt, so hätte euch das auch nichts genützt, da sie, als vierundzwanzig Mann an der Zahl, euch dreimal überlegen gewesen wären. Darum seid vor allem froh, daß ihr euer Holz wieder habt, und danket dafür dem einen Manne; denn ohne Den wäret ihr nie wieder zu eurem Holze gekommen!“ 2. Sagten die Flößer: „Ja, ja, Freund, das werden wir allerdings tun, und der gute Mann wird mit uns sicher sehr zufrieden sein; aber zuvor muß denn doch dafür gesorgt werden, daß diese elenden Schurken den Gerichten überantwortet werden?!“ 3. Sagte Jored: „Sehet sie an auf den Flößen! Keiner von ihnen kann sich entfernen und irgendeine Flucht ergreifen! Wer hält sie fest? Ich sage es euch: bloß der eine Mann; denn hielte Der sie nicht, so wären sie schon lange ins Wasser gesprungen und hätten als sicher gute Schwimmer das jenseitige Ufer erreicht, und wir hätten ihnen auf dem Wege nicht nachsetzen können! Aber so will es der eine Mann, und es kann nicht anders geschehen, als wie gerade nur Er es will. Und ich sage euch das, daß ihr nicht Hand an die Diebe leget, sondern alles Gericht über sie dem einen Manne anheimstellt, und ihr werdet da das Beste tun!“ 4. Sagten die Flößer: „Wenn also – womit wir ganz einverstanden sind –, so führe uns zu dem merkwürdigen Manne hin, und wir wollen selbst mit ihm reden!“ 5. Sagte Jored: „Sehet, dieser hier knapp an meiner Seite ist es!“ 6. Hier knirschten die Diebe aus Zornwut Mir ihre Zähne entgegen und hätten Mich gerne laut zu verwünschen angefangen; aber Ich hatte ihnen schon zuvor den Mund gesperrt, das heißt zum Reden, und so glichen sie den Stummen, die auch nichts reden können. 7. Die Flößer aber verneigten sich tief vor Mir und sagten: „Freund, daß dir ungemeine Kräfte und Eigenschaften innewohnen, das haben wir aus dem ersehen, was uns unser Freund Jored von dir ausgesagt hat! Wer du bist, und wie du zu solchen wunderbarsten Eigenschaften gekommen bist, das geht uns Lacotenaer nichts an; aber da wir durch die Freundlichkeit des lieben Oberzöllners Jored es erfahren haben, daß wir allein dir alles zu verdanken haben, und daß wir es ganz allein dir überlassen sollen, die Schurken nach Gebühr zu richten und zu züchtigen, so bitten wir dich als allzeit ehrliche Bürger aus Lacotena, du wollest uns gütigst bestimmen, was wir dir für deine unschätzbare Bemühung zu unserem großen Vorteile schulden, und daß du nach deinem sicher allzeit gerechtesten Ermessen die argen Diebe richten möchtest.“ 8. Sagte Ich: „Seid ruhig, – was Ich tue, das tue Ich ohne Entgelt! Ihr aber habt Arme in eurer Stadt; denen erweiset Gutes und denket, daß auch die Armen Menschen und eure Erdenbrüder sind! Seid nicht karg gegen sie, und gebet ihnen gerne von eurem großen Überflusse, und ihr werdet dadurch am allerergiebigsten eure Gegend vor Dieben und Räubern sichern und reinigen! Vor allem aber sei euch gesagt, daß eben auch diese Diebe sehr arme Tröpfe sind, und daß sie nicht so sehr ein böser Wille, sondern nur ihre Armut zu dieser und noch anderen, schon früheren, kleineren Diebereien genötigt hat. 9. Wenn diese Menschen, die recht kräftige Arbeiter sein könnten, irgend von gerecht und bieder denkenden Dienstgebern in eine angemessene Arbeit gegen eine verhältnismäßige Belohnung genommen würden, so würden sie sicher sehr gerne dies ihr schnödes Treiben aufgeben. So aber das der Fall nicht ist, da bleibt ihnen denn auch wahrlich sonst nichts übrig, als bei dem zu verbleiben, was sie nun notgedrungen sind. 10. Sie können kein Feld bebauen, weil sie keines haben; denn alles Feld und alle Wälder und Berge gehören euch, und ihr lasset sie viele Stunden weit brachliegen, weil ihr sie nicht bearbeiten könnet. Warum gebt ihr nicht den Armen Felderstrecken zur nützlichen Bearbeitung?! Dadurch würden diese Leute dann auch etwas haben und euch noch obendrauf, so einmal die nun wüsten Felder und Berge kultiviert wären, einen mäßigen Tribut bezahlen. Saget selbst, ob das nicht besser wäre, als so ihr wenigen Reichen am Ende alles selbst besitzen wollt, was euch keinen Nutzen bringt, sondern nur einen kaum glaublichen Schaden! 11. Ich will aber mit diesen vierundzwanzig Dieben kein Wort reden, weil diese nun schon zu tief in ihren Diebssinn verfallen sind; aber ihr habt in eurem Orte und in eurer großen und weitgedehnten Umgegend noch eine Menge ähnlicher Leutchen. Tut ihnen das, was Ich euch nun geraten habe, und ihr werdet bald über keine Diebereien mehr zu klagen haben! 12. Stellet so viele Wächter aus, als ihr wollet und könnet, und ihr werdet damit wenig oder nichts erreichen; denn ihr werdet dadurch die Armut noch mehr zum Zorne reizen, und sie wird Tag und Nacht studieren, wie sie euch nur immer auf die empfindlichste Weise irgend schaden könnte! So ihr aber Meinen Rat befolget, so werden eben die von euch versorgten Armen selbst eure besten Wächter sein.“ Kapitel 117 Großes Evangelium Johannes, Buch 6 117. — Die Geschichte vom reichen Mann und seinen Arbeitern 1. (Der Herr:) „Sehet, es war vor alters ein Mann, der mit seiner Familie in ein einsames, noch von keinem andern Menschen bewohntes Land auswanderte und sagen konnte: ,Soweit das Auge reicht, ist nun alles mein Eigentum!‘ Er errichtete sich bald eine ganz erkleckliche Wohnung und nährte sich von der Milch der dort gefundenen großen Anzahl wilder Ziegen, die gar nicht scheu waren, weil sie noch nie von irgendeinem Jäger verfolgt worden waren. Mit den Jahren hatte sich auch seine Familie vermehrt, und es ward aus der früheren schlichten und sehr einfachen Wohnung förmlich eine feste Burg errichtet. Das geschah aber darum, weil er in solch seinem Lande eine große Menge gediegenen Goldes und eine noch größere Menge der edelsten Steine fand, welche Schätze er sich nun nicht mehr getraute in seiner früheren einfachen Wohnung zu beherbergen. 2. Als sich aber durch sein fleißiges Sammeln seine Schätze von Gold und Edelsteinen noch mehr vermehrten, da suchte er durch Boten in bewohnte Länder seine Schätze gegen andere ihm für seinen Haushalt nötig dünkende Sachen umzutauschen. Er machte anfangs gute Geschäfte und ließ auch mehrere andere Menschen in sein Land kommen, die ihm zu dienen bestimmt waren. 3. Da er ihnen aber nur wenig Lohn bot und sie für ihn und die Seinen nach seinen Geboten beinahe Tag und Nacht arbeiten mußten, so wurden sie unwillig und begehrten mehr Lohn und eine bessere Behandlung. Der nun reiche Mann aber sagte: ,Geduldet euch, bis ich mein Haus werde besser eingerichtet haben, – dann werde ich euch schon geben zu eurer Zufriedenheit!‘ Da vertrösteten sich die Arbeiter und gingen an ihre Arbeiten. 4. Der reiche Mann aber dachte bei sich: ,Ich habe zwar nun Angst vor euch; aber ich werde meine vertrauten Boten wieder aussenden, daß sie mir Wachen und Streiter bringen. Diese werde ich etwas besser halten, und sie werden dann dem Übermute der Arbeiter schon zu steuern wissen.‘ – Das tat er denn auch, und als die Arbeiter das sahen, wurden sie sehr betrübt und schworen dem harten reichen Manne Rache. 5. Nun sandten sie heimlich auch in ihr Land um Hilfsleute. Diese kamen bald, weil sie eine reiche Beute zu erwarten hatten. Als die Arbeiter also sehr verstärkt waren, da kamen sie abermals zu dem reich gewordenen Manne, der nun ein großes Land sein eigen nennen konnte, und verlangten voll Ernstes eine rechte Besserung ihres Lohnes und die ihnen schon lange gebührende Behandlung. 6. Allein der reich gewordene Mann rief die Wachen, die die Arbeiter ihres Frevels willen züchtigen und sie in allem noch mehr beschränken sollten. Da brach den Arbeitern die Geduld, und sie sprachen: ,Herr, durch unseren Fleiß bist du so reich geworden! Unsere Hände haben dir diese feste Königsburg erbaut, errichteten allerlei Werkstätten, bebauten das Land mit Getreide und haben Weingärten angelegt. Wir sammelten für dich Gold, Silber und allerlei Edelsteine und trugen sie für dich in alle Welt hin auf den Markt, und du willst uns dafür nun noch härter halten und behandeln?! Na, warte du, das werden wir dir wohl vergehen machen! 7. Jeder Mensch auf dieser Erde muß das Klaub- und Sammelrecht für sich haben; dient er aber einem Nebenmenschen, so muß dieser ihn ganz gut verpflegen, da er ihm das eigene Klaub- und Sammelrecht abgetreten hat. Wir vielen haben dir das getan und haben dir unsere gerechten Vorteile zugewandt, und dafür willst du uns nun also belohnen?! Weißt du, harter Mensch, daß wir von dir für alle unsere Mühe und unseren Fleiß nicht nur beinahe gar keinen Lohn, sondern dazu noch eine schlechte Behandlung hatten, die nun in der letzten Zeit schon gar dahin ging, daß du frechstermaßen durch deine Schergen unsere Hütten durchsuchen ließest, um zu ersehen, ob wir etwa nicht auch für uns irgendeine Kleinigkeit gesammelt hätten? Und ist bei jemand irgend etwas gefunden worden, so hast du ihm nicht nur alles weggenommen, sondern du hast ihn durch deine Wächter noch sehr grausam züchtigen lassen und hast sogar förmlich ein Gesetz verkünden lassen, dem nach ein jeder, der von den Schätzen etwas verheimlichen würde, mit dem Tode bestraft werden solle. 8. Wenn du, elender, alter Wicht, uns das auch noch zu tun imstande wärest, ohne nur im geringsten zu bedenken, daß auch wir so gut Menschen sind wie du und von einem Gott aus auf ein Haar dieselben Rechte auf diesen Erdboden haben wie du, – so verlangen wir nun von dir, daß du uns alle die Schätze, die wir für dich mit großer Mühe gesammelt haben, herausgibst; denn sie sind durch unsere Mühe auch unser Eigentum! Die Erde hat sie uns gegeben, und es gab nirgends weder einen Gott noch einen Menschen, der sie uns zu nehmen verweigert hätte, und sie sind vollkommen unser Eigentum. Du aber bist uns gegenüber nur ein Dieb und sogar ein Räuber, so du sie uns vorenthalten würdest! Wir nehmen dir aber nur, was und wieviel wir gesammelt haben, und begehren für das ohnehin nichts, daß wir dir mit großer Mühe diese Burg erbaut haben und damit sieben Jahre hindurch geplagt waren. Gib nun gutwillig her, was da unser ist, sonst brauchen wir Gewalt und nehmen dir alles und zerstören dir auch noch diese feste Burg!‘ 9. Als der reiche Mann nun sah, daß er mit den vielen Arbeitern durch irgendeine Gewalt nichts ausrichten könne, da besann er sich und sagte: ,Seid ruhig! Ich sehe mein an euch begangenes Unrecht ein, und ich will euch von nun an ganz so behandeln, als wäret ihr meine eigenen Kinder, und erteile euch das vollkommene Klaub- und Sammelrecht, und ihr habt mir als dem, der dieses Land mit Mühe und vielen Ängsten und Sorgen aufgefunden hat, nur den zehnten Teil von all dem Gesammelten abzuliefern, wofür ich euch aber allen Schutz und allen Schirm nach allen meinen Kräften werde angedeihen lassen.‘ 10. Da sagten die Arbeiter: ,Wärest du ein Mann von Wort, so glaubten wir dir, aber da du bis jetzt noch nie das gehalten hast, was du uns versprochen hattest, so glauben wir dir auch diesmal nicht! Denn dein großer Geiz läßt es dir niemals zu, dein Wort zu halten. Wir würden dir das nun wieder glauben, – aber wir wissen nur zu gut, daß du bei unserem ruhigen Abzuge für diesen unseren Gewaltschritt in deine Burg sogleich deine Wachen ums Zehnfache verstärken würdest und uns dann über alle Maßen von deinen uns leicht und bald überlegenen Wachen züchtigen ließest. Darum gib uns unser dir erwiesenes Eigentum heraus, und wir ziehen dann von hier weg für alle Zeiten der Zeiten!‘ Der Mann aber zauderte und wollte nicht; da nahmen sie ihm darauf von selbst alles und zogen von dannen.“ Kapitel 118 Großes Evangelium Johannes, Buch 6 118. — Die Schuld der Floßherren 1. (Der Herr:) „Nun frage Ich euch, Meine Freunde, und sage: Hatten hier unter solchen Umständen die Arbeiter recht an ihrem Dienstherrn gehandelt oder nicht recht?“ 2. Sagten die acht Floßherren: „Ja, ja, unter solchen Umständen hatten die Arbeiter ein in aller Natur ganz wohlbegründetes Recht! Denn das sehen wir auch ein, daß ein jeder Mensch von einiger Vernunft und von einigem Verstande ohne weiteres das Recht zu klauben und zu sammeln haben muß, da er einmal auf dieser Erde Boden gesetzt ist und eine Nahrung und eine notdürftige Wohnung ohne weiteres haben muß. Aber daneben solle dann ein anderer Mensch kein solches Recht mehr haben, dem Klauber und Sammler das Zusammengeklaubte und Gesammelte wegzunehmen!“ 3. Sagte Ich: „Hat der Reiche selbst geklaubt und gesammelt? O nein! Das haben seine Arbeiter getan, die auch so gut Menschen waren wie er! So sie aber für ihn gearbeitet, geklaubt und gesammelt und somit ihr gutes persönliches Recht gegen den verheißenen Lohn an ihn allein übertragen haben, er ihnen aber den verheißenen Lohn vorenthalten und sie noch tyrannisiert hat, so hatten sie am Ende ja ganz das volle Recht, ihr Eigentum von dem zu verlangen und zu nehmen, für den sie geklaubt und gesammelt hatten. 4. Freilich, so zum Beispiel der A fleißig geklaubt und gesammelt hatte und sich dadurch einen Vorrat bereitete, so hat der träge B kein Recht, sich an dem Vorrate des fleißigen A zu vergreifen. In Meiner Parabel ist aber eben der reiche Mann der träge B, und die Arbeiter sind der fleißige A. So sie aber das sind, so haben sie auch das Recht, wenn ihnen für ihre Mühe und Arbeit keine andere Entschädigung geleistet wird, ihr Eigentum von dem unrechtmäßigen Besitzer zurückzuverlangen.“ 5. Sagten die reichen Floßherren: „In dem Falle ohne weiteres; aber da hat dann ja auch kein Monarch ein Recht, von uns allerlei Steuern und Abgaben zu verlangen! Denn er arbeitet auch nichts und klaubt und sammelt nichts, und so wir Untertanen stärker wären denn seine Wache, da könnten wir ihm ja auch wegnehmen, was nach den Rechten der Natur unser Eigentum ist!“ 6. Sagte Ich: „Oh, da seid ihr in einer großen Irre! Bei einem Herrscher ist das ganz anders; denn er ist nur ein höchster und allgemeinster Gemeindenvorsteher und hat von allen Gemeinden das gekrönte Recht, für ihre innere Ordnung und Sicherheit alle Sorge zu tragen, und somit auch das Zepter der Gewalt und das Schwert des Gesetzes und allgemeinen Rechtes. Er muß nicht nur für sich, sondern vielmehr für alle die vielen Gemeinden gar viele Wachen bestellen und halten, für deren notwendige Erhaltung er nicht allein mit seinen Händen klauben und sammeln kann. 7. Da aber die Gesetze, die Richter und die vielen Wachen nur zumeist zum Frommen der Gemeinden stets aufrechterhalten werden müssen, so müssen auch die Gemeinden dazu gerne und willig beitragen, daß der Monarch stets in jenem entsprechenden Vermögenszustande dasteht, damit er alles das bestellen und errichten lassen kann, was da allen Gemeinden frommt. Und also sind da eure Steuern und Abgaben eine ganz gerechte Sache. 8. Nur dann, so ein tyrannischer Herrscher gar zu große und mutwillige Erpressungen den Gemeinden auferlegte, hätten auch diese das Recht, solch einen Tyrannen vom Throne zu entfernen. Denn die Gemeinden haben von Anbeginn an das Recht gehabt, sich einen König zu wählen und ihn auszurüsten mit aller nötigen Macht, Kraft und Gewalt. Was sie aber im Anbeginn hatten, das haben sie noch. 9. Dennoch aber ist es jeder Gemeinde besser, auch unter einem Tyrannen eine Zeitlang zu dulden, als sich mit ihm in einen Krieg einzulassen; denn die Tyrannen sind gewöhnlich nur auf eine kurze Zeit von Gott aus zugelassene Geißeln, durch welche die einen wahren Gott schon lange völlig vergessenden Gemeinden wieder daran erinnert werden, daß es einen allweisen und allmächtigen Gott gibt, der am Ende ganz allein noch jedem bedrängten Volke helfen kann, wenn dieses sich allen Ernstes um Hilfe flehend und gläubig an Ihn wendet. – Sehet, also stehen die Sachen! Da ihr aber nun solches von Mir vernommen habt, so urteilet nun selbst, was wir nun mit diesen euren vierundzwanzig Dieben machen sollen!“ 10. Sagten die acht Floßherren: „Ja, die müssen nach den Gesetzen denn doch ganz exemplarisch bestraft werden!“ 11. Sagte Ich: „Ganz recht; aber was soll dann mit ihnen geschehen, wenn sie einmal abgestraft worden sind?“ 12. Sagten die Floßherren: „Nun, dann verweise man sie des Landes oder verkaufe sie als Sklaven irgend nach Afrika oder Europa hin!“ 13. Sagte Ich: „So! Ich sage es euch, ihr denket als Menschen nicht übel, – aber weil ihr also denket, so muß Ich euch doch noch etwas ganz Besonderes kundtun. 14. Sehet, diese Diebe, die nun schon länger ihr durchaus nicht löbliches Handwerk treiben, waren vor fünf Jahren noch eure Arbeiter und dienten euch nach ihren Kräften und Fähigkeiten ganz gut! Wie aber habt ihr ihnen euer Versprechen gehalten? Ihr hattet nichts Emsigeres nach jeder von ihnen getanen Arbeit zu tun, als nur nachzuforschen, um Mängel der Arbeit zu entdecken. Habt ihr auch keine gefunden, so habt ihr solche erdichtet und den Arbeitern den wohlverdienten Lidlohn (Gesindelohn) stark verkürzt oder solchen ihnen ganz vorenthalten. 15. Wer gab euch denn das Recht, diese Menschen dahin zu bemüßigen, für euch zu arbeiten, für euch zu klauben und zu sammeln, und sie dadurch zu berauben ihres persönlichen freien Menschenrechtes?! 16. Wenn sie dann sahen, daß euer Verhalten gegen sie ein höchst ungerechtes war, so mußten sie ja doch offenbar auf ein anderes Mittel zu sinnen anfangen, und zwar auf ein solches, wie sie sich bei euch und bei noch manchen andern für ihre von euch ihnen geraubten Rechte entschädigen möchten! Mit Gewalt konnten sie euch nichts anhaben, weil ihr die bedeutend Mächtigeren waret; also mußten sie sich an die Diebeslist halten. Diese gelang ihnen auch bis jetzt vollkommen und wäre ihnen ohne Mich auch diesmal vollkommen gelungen. 17. Ich aber sage euch noch etwas: Diese Diebe haben also ein natürliches Recht gehabt, sich selbst bei euch zu entschädigen; aber sie fehlten dennoch durch solche ihre Handlungsweise, weil sie euch auf dem gesetzlichen Richterwege auch dazu hätten anhalten können, und das um so leichter, weil eben der römische Richter ein streng rechtlicher Mann ist, der sich durch nichts als nur durch das trockene Gesetz bestechen läßt. Aber ihr habt gar kein Recht, sie darum zu richten, dieweil ihr noch ihre großen Schuldner seid! Mehr als viele hundert solche Flöße in Serrhe wert sind, schuldet ihr ihnen noch an dem verheißenen Liedlohne; darum bezahlet ihnen zuvor solchen Lohn, – dann erst richtet sie, so sie sich jemals wieder an euren Gütern vergreifen sollten! 18. Für jetzt aber gebe Ich diesen Dieben keine andere Strafe als: Stehlet in der Folge niemandem mehr etwas, und seid freie, ehrliche und tätige Menschen! Aber nach Lacotena gehet nicht mehr hin, sondern bleibet hier in diesem Orte, und ihr werdet samt euren Weibern und Kindern Arbeit in Menge finden! – Ihr Floßherren aber werdet darauf bedacht sein, diesen euren Dienern den schuldigen Lohn nachzutragen und ihre Weiber und Kinder wohlversorgt hierher zu bringen! Und so könnet ihr nun eure Flöße wieder in euren Besitz nehmen! Aber dieser Mein Richterspruch muß von euch genauest befolgt werden, sonst könnte es euch von Mir aus sehr schlecht ergehen!“ 19. Als die Floßherren solches vernahmen, fingen sie gar sehr zu stutzen an und versprachen, Meinem Ausspruche ganz Gehorsam zu leisten. 20. Darauf behieß Ich den Jored, die vierundzwanzig Diebe gut zu bewirten; aber von den achten solle er sich nur alles ganz gut zahlen lassen, was sie benötigen würden. Darauf begaben wir uns wieder in das Haus, allwo schon die wohlbereiteten Fische auf uns warteten. Kapitel 119 Großes Evangelium Johannes, Buch 6 119. — Die Ehrfurcht der Priesterfrauen vor dem Herrn 1. Als wir in unseren Saal eintraten, da gingen Mir die fünf Priesterinnen voll Ehrfurcht entgegen und baten Mich um Vergebung darum, daß sie ehedem Mir und Meinen Jüngern gar so hartnäckig widersprochen hätten; denn sie hätten es ja doch nie ahnen können, daß Ich Der sei, der Ich wäre. 2. Denn die Priester hatten es ihnen geradeheraus gesagt, daß Ich in Meinem geistigen Teile Gott der Einige und Alleinige Selbst bin und darum einen äußeren Leib habe und trage, um Mich den Menschen mehr anschaulich und zugänglich zu machen. Mein Leib sei zwar begrenzt wie der Leib eines jeden Menschen –, aber Mein Geist durchdringe alles nahe und ferne und brauche darum nur zu wollen, und es geschehe nahe und ferne, was Ich nur immer wolle. Wolle Ich etwas, so sei es auch schon da und bestehe so lange fort, als wie lange Ich es als bestehend haben wolle. Wolle Ich es aber fürder nicht mehr als bestehend, dann bestehe es auch nicht mehr, und das also, als wäre es nie dagewesen. Also wisse Mein innerer Gottgeist auch um alles, was irgend noch so verborgen da sei, ja, Ich wisse sogar um die allergeheimsten Gedanken aller Menschen auf der ganzen Erde und auch um alles, was irgend noch so geheim geschehen sei. 3. Das belegten sie alles mit tatsächlichen Beweisen, so, daß die Weiber nimmer umhin konnten, alles das fest und ungezweifelt zu glauben, was ihnen ihre Männer über Mich gesagt hatten, und darin lag denn auch der Grund, demzufolge sie Mir nun mit einer so unbegrenzten Ehrfurcht entgegenkamen. 4. Aber Ich sagte ganz ruhig zu ihnen: „Wenn ihr, Meine lieben Kinder, nun das durch eure Männer wisset und glaubet, daß Ich Der und Der bin, so ist eure Art, Mir nun entgegenzukommen, eine ganz in keiner Ordnung seiende. Eine zu große und unbegrenzte, das menschliche Gemüt ganz zerknirschende Ehrfurcht vor einem Gottwesen ist ebenso unvorteilhaft wie eine zu geringe; denn so ihr jemand zu außergewöhnlich mit Furcht und Zittern hochachtet, so fraget euer Herz, ob ihr ihn wohl auch lieben könntet! Achtet ihr aber jemanden gar nicht, so werdet ihr ihn auch nicht lieben können. Aber so ihr jemanden wohl erkennet in seinen vielen guten und besten Eigenschaften und Fähigkeiten, so werdet ihr ihn in euren Herzen ganz entzückt bewundern und über alle Maßen zu lieben anfangen; und sehet, das eben ist dann die ganz rechte Ehrfurcht, die ihr einem Gottwesen ebenso schuldet wie einem jeden Menschen, der euer Nächster ist allenthalben, wo euch einer entgegenkommt! 5. Lasset also ab von eurer nunmaligen zu übertriebenen Ehrfurcht! Setzet euch zu Tische, und esset und trinket ganz heiteren und fröhlichen Mutes mit Mir! Denn so ihr gar oft bei euren Festmahlen habt heiter sein können, wo und wann noch der Tod in euren Herzen hauste, da werdet ihr nun wohl um so heiterer sein können, da der Tod von euch gewichen und das Leben in eure Brust eingekehrt ist! – Was meinet ihr dazu?“ 6. Sagten die Priesterinnen: „Ja wohl, ja wohl, – aber wir sind noch zu ergriffen von Deines Geistes Macht und Größe! Wir werden uns schon auch in diesem Stücke des Lebens die möglichste Mühe geben, vor Dir nicht zu beben, sondern Dich wahrhaft zu achten und sicher über alles zu lieben. Dir allein also von uns alle Ehre und alle unsere Liebe!“ 7. Sagte Ich: „Nun, nun, es ist schon gut also; aber nun setzen wir uns nur gleich alle zu Tische und essen und trinken in aller Heiterkeit! Nach dem Mahle aber wollen wir dann von allerlei Dingen reden und uns erheitern und erbauen!“ 8. Darauf setzten sich nun alle zu Tische und aßen und tranken mit Herzenslust. Nach dem Mahle wurde dann von allerlei gesprochen, und die Priesterinnen wußten eine Menge recht sonderlicher Dinge zu erzählen, und es kam die Rede auf den Mond und seine oft unheilbare Einwirkung auf die Erde und auch auf gar viele Menschen. 9. Eine Priesterin erzählte, wie sie einen Mondsüchtigen gekannt hätte, der namentlich in den Vollmonden zur Nachtzeit mit festverschlossenen Augen aus seinem Zimmer hinausging, seine Hände nach dem Monde ausstreckte und darauf bald mit der größten Sicherheit die steilsten Wände so leicht emporstieg, als ginge er auf dem ebensten Boden fort und vorwärts. Nur eines war für den erstaunten Zuseher dabei zu beachten, nämlich sich möglichst still und ruhig zu verhalten, weil ein menschlicher Laut dem Mondwandler das Leben kosten würde. 10. (Die Priesterin:) „Nun, was ist wohl das für eine besondere Eigenschaft des Mondes auf gewisse Menschen, und wie kommen die Menschen dazu?“ Kapitel 120 Großes Evangelium Johannes, Buch 6 120. — Der Herr erklärt die Mondwelt und das Wesen der Mondsucht 1. Sagte Ich: „Daß der Mond als ein der Erde nächstes Gestirn eine Wirkung auf diese Erde ausübt, das ist ganz sicher; aber im allgemeinen wirkt er auf Menschen und Tiere, Pflanzen und Mineralien nicht ein, sondern nur sonderheitlich auf das, was auf dieser Erde irgend aus ihm abstammt. Habt recht wohl acht, besonders ihr Kalendermacher! 2. Seht, der Mond ist beinahe so eine Welt wie diese Erde und eben dieser Erde steter Begleiter bei ihrer Jahresreise um die Sonne, um die auch die andern Planeten in ungleichen Zeiten kreisen; die der Sonne näheren brauchen weniger Zeit als die Erde und die weiteren natürlich eine längere Zeit. Jupiter und Saturn haben auch Monde um sich, aber als viel größere Welten mehrere denn diese Erde, während die noch kleineren Planeten gar keine Monde um sich haben. Bei dieser Erde bewirkt ihre tägliche Umdrehung Tag und Nacht, und ihr Lauf um die Sonne ein Jahr.“ 3. Hier stutzten die Heiden, da diese Meine Erklärung zu stark über ihren Wissenshorizont hinausragte, und ein Priester sagte: „Herr, wir danken Dir für alles, aber da erkläre uns nichts weiter; denn wir können es ja unmöglich verstehen, weil wir uns das nicht versinnlichen können!“ 4. Da sagte Ich: „Nun denn, wenn es sich um eine Versinnlichung handelt, so soll diese sogleich dasein!“ 5. In einem Moment ersahen alle über dem Tische im freien und hohen Saalraume die Sonne, den Mond mit der Erde und also auch alle die andern Planeten mit ihren Monden, und alles das in entsprechender Bewegung. Da war des Staunens kein Ende, und Ich erklärte ihnen alles auf das genaueste bei zwei Stunden lang, und sie verstanden nun alles und hatten eine große Freude daran. Nebst dem mathematischen Teile aber zeigte Ich ihnen auch die Bewohnbarkeit der Sonne und aller Planeten und ihrer Monde und ganz ausführlich die Bewohnbarkeit unseres Erdmondes und sagte dann besonders: 6. (Der Herr:) „Da ihr nun das einsehet und begreifet, so kann Ich euch nun auch so manches sagen über das Vorkommen des Übels der Mondsucht. Die Bewohner des Mondes haben als höchst einfache und in sich gekehrte Menschen vorzüglich die Gabe des Hellschauens, und das namentlich zur Zeit ihrer volle vierzehn Erdentage langen Nacht, die sie in ihren unterirdischen Wohnhöhlen zumeist schlafend zubringen. In diesem Schlafe aber bleiben dennoch ihre Seelen völlig wach und sehen da alles weit und breit um sich, und sonach auch diese Erde, der sie eigentlich mehr oder weniger angehören, welche sie aber der natürlichen Stellung des Mondes wegen im Wachzustande als an ihrem langen Tage niemals sehen können; denn die Mondmenschen bewohnen nur den der Erde abgekehrten Teil des Mondes, nicht aber den der Erde zugekehrten Teil, da der Mond, wie Ich es euch schon erklärt habe, aus ganz natürlichen Gründen auf der der Erde zugekehrten Seite keine Luft und kein Wasser hat, und so es auch hie und da in den vielen Vertiefungen eine Art Luft gibt, so reicht sie dennoch nicht aus, um im Fleische lebenden Wesen zum nötigen Einatmen zu dienen, und taugt dazu auch nicht, weil ihr das Element des Salzes (der Sauerstoff) gänzlich fehlt. 7. des Mondes Menschen haben in ihrem Naturzustande auch keine Sehnsucht danach, da sie ja ohnehin in ihrem Traumleben, das ihnen das liebste ist, alles sehen können und auch erfahren, was zum Heile ihrer Seelen taugt. Sie haben denn danach auch zuallermeist die Sehnsucht, bald Einwohner dieser Erde zu werden, was denn so ganz eigentlich auch ihre Bestimmung ist. Und haben sie auf ihrer Welt den Leib abgelegt, so wandern ihre Seelen, wenn sie sich in ihrem Fleischleben dafür würdig gemacht haben, alsogleich auf diese Erde und werden bei entsprechenden Gelegenheiten in einen Mutterleib eingezeugt, als Kinder dieser Erde wieder geboren und wachsen dann auf und genießen die Erziehung der Erdenmenschen, wodurch sie wenigstens die Fähigkeit erreichen, entweder schon hier oder jenseits auf den Weg der Kinder Gottes gestellt zu werden. 8. Nun, dieser Menschen Seelen bestehen aus der Substanz des Mondweltkörpers und haben somit, besonders in ihrem Traumleben, einen hervorragenden Zug dahin, von wo sie ausgegangen sind, was sich besonders zu der Mondvollichtzeit am stärksten wirkend zeigt, weil sich durch das Mondlicht eine größere Menge substantieller Seelenspezifika zur Erde senken und die bezeichneten Mondseelenmenschen erregen und anziehen. 9. Allein es kann auch diesem Übel bald und leicht abgeholfen werden, und zwar durch die glaubensvolle Auflegung der Hände und durch den Gebrauch von kalten Bädern.“ Kapitel 121 Großes Evangelium Johannes, Buch 6 121. — Eigentümlichkeiten der auf der Erde inkarnierten Mondseelen 1. (Der Herr:) „Übrigens schadet dem Menschen solch eine Eigenschaft durchaus nicht, und am allerwenigsten seiner Seele; denn solche Menschen sind gewöhnlich ganz guter und sanfter Gemütsart, und es ist mit ihnen sehr leicht auszukommen. Aber es kann sich manchmal bei diesen Menschen ereignen, daß ihr Leib noch von einer andern, im Erdluftraume noch frei herumvagierenden Seele in der Gegend der gröberen Eingeweide in Besitz genommen wird, ja oft auch von mehreren, und das zumeist von solchen Seelen, die schon eine Fleischlebensprobe auf dieser Erde durchgemacht haben, aber ihrer großen Sinnlichkeit und Selbstsucht wegen für ihr jenseitiges Lebensheil nicht nur nichts gewonnen, sondern nur noch dazu vieles verloren haben. 2. Diese Seelen werden gewöhnlich nach ihrer zu einer Besserung sich hinneigenden Eigenschaft wieder irgend bei einer rechten und tauglichen Gelegenheit zu einer abermaligen Fleischlebensprobe zugelassen. Aber da gibt es welche, die dann nicht mehr erwarten können, bis sie irgend in einen Mutterleib gelegt werden, und dann sagen: ,Ei was, Fleisch ist Fleisch! Wir wollen nun des nächstbesten Menschen Fleisch in Besitz nehmen und es kasteien, soviel es nur möglich ist! Und wenn das Fleisch einmal vor lauter Kasteiung zugrunde geht, so können wir es als völlig geläuterte Seelen verlassen und zur Seligkeit eingehen!‘ 3. Derlei Seelen täuschen sich zwar sehr gewaltig, weil ihnen solch eine Art Afterbesitzung des Fleisches nicht nur nichts nützt, sondern nur schadet, weil sie dann wieder gar lange warten können, bis sie zu irgendeiner wahren abermaligen Einzeugung in einen Mutterleib zugelassen werden können. Aber es werden solche Afterbesitznahmen des Fleisches anderer Menschen dennoch zugelassen, weil eine jede einst völlig lebensfrei werden sollende Seele am Ende nur allein durch ihren höchsteigenen, freiesten Willen gebessert und gefestet werden kann, der freie Wille aber unmöglich anders als durch allerlei bitterste Erfahrungen zu jener bescheidenen Nüchternheit zu bringen ist, durch die er sich endlich in den lichtvollen Willen eines besseren Geistes fügt und so erst dann wahrhaft aus sich heraus gebessert werden kann. 4. Und sehet, da sind dann eben unsere Mondseelenmenschen zeitweilig etwas übel daran, weil sie von solchen frei herumvagierenden, noch immer argen Seelen – die man gut noch Teufel (Ouvraci = Wendlinge zum Bessern) nennen kann – zuerst und am leichtesten in zeitweiligen Besitz genommen werden, wovon jedoch des Leibes eigene Seele nie irgendeinen Schaden leidet, sondern ein solcher Zustand schafft ihr noch obendrauf den Nutzen, daß sie dadurch sehr gedemütigt wird und am Leben ihres Fleisches wenig oder schon gar keine Lust mehr empfindet, was für die Mondseelenmenschen ganz gut ist. Denn erstens sind sie trotz ihrer Hellseherei zumeist sehr eigensinnig und stark in die geschlechtliche Liebe vergraben, und zweitens sind sie sehr rechthaberisch und zanksüchtig, verschlossen und heimtückisch, obschon gerade nie völlig bösartig. 5. Aber auch dieses Besessensein ist zu heilen durch Gebet, durch die Anrufung Meines Namens, durch Fasten und durch die Auflegung der Hände in Meinem Namen. – Und damit habt ihr nun auch in dieser Hinsicht alles, was euch vorderhand zu wissen not tut; alles Höhere und Weitere wird euch euer Geist lehren, den Ich erfüllen werde mit Meinem Geiste zu seiner rechten Zeit.“ Kapitel 122 Großes Evangelium Johannes, Buch 6 122. — Der Herr warnt vor dem Rückfall ins Materielle. Das Wesen der Materie. Die Unendlichkeit des Herrn 1. (Der Herr:) „Ich habe euch nun gezeigt, was und wer der Mensch ist, und was er zu tun hat, um zu erreichen das ewige Leben. Von nun an hängt es ganz von euch ab, danach zu handeln. Sehet aber zu, daß ihr nicht etwa der Welt wegen wieder in euren alten Unsinn und dadurch in euren alten Tod verfallet, denn dann wäret ihr noch um vieles schwerer auf den rechten Weg zu bringen denn jetzt! Ich kann nun persönlich nicht länger mehr bei euch verbleiben; aber so ihr tätig verbleibet in Meiner Lehre, so werde Ich auch im Geiste wirkend bei euch und in euch verbleiben, und um was ihr diesen Meinen Gottgeist bitten werdet in Meinem Namen, das wird euch auch gegeben werden. 2. Aber um rein weltliche Dinge kommet Mir ja nicht; denn dies seelentötende Gift werde Ich euch nicht geben, und würdet ihr Mich auch jahrelang darum bitten! Denn Meine Sache ist es, euch in euren Seelen von aller Welt völlig frei zu machen, nicht aber, euch noch mit derselben zu verbinden. – Ihr wisset nun, was ihr zu tun und was ihr zu glauben habt, und eines mehreren bedarf es vorderhand nicht. 3. Nun aber kommt noch etwas anderes! Siehe, du Mein Freund Jored, wir waren nun bei drei Tage bei dir und haben viel verzehrt in deinem Hause! Was meinst du denn, was wir dir dafür schulden?“ 4. Sagte Jored ganz gerührt: „Herr, alles, was da ist, ist ja ohnehin nur Dein, und nur ich sollte Dich fragen und sagen: O Herr, ich bin Dein übergroßer Schuldner! Wann und wie werde ich Dir diese meine große Schuld abtragen können? Wenn Du tausend Jahre mit noch tausendmal so vielen Jüngern hier verbleiben möchtest und essen und trinken Tag und Nacht, so wäre ich selbst nach tausend Jahren Dir ein noch ebenso großer Schuldner, als ich es jetzt bin; daher sei Du mir fortan bloß gnädig und barmherzig, – alles andere ist nichts und kostet auch ewig nichts! – Aber eine Bitte möchte ich Dir, o Herr, dennoch unterbreiten!“ 5. Sagte Ich: „Erspare dir die Worte; denn Ich weiß es ja ohnehin, was du auf eine Zeitlang hier in diesem Saale erhalten möchtest! Siehe, diese Gestirne möchtest du also erhalten! Ja, sie sollen zu eurer weiteren Belehrung noch ein Jahr lang also verbleiben! Während dieser Zeit bildet sie euch künstlich nach; nachher aber sollen diese Wunderbaren vergehen, wie auch dereinst dieser ganze sichtbare Himmel und diese Erde vergehen werden, so sie alles, was in ihnen gefangen ist, ganz werden hergegeben haben. 6. Denn höret: Alles das, was der ganze unendliche Raum als Materielles in dieser Zeit innefaßt, ist gefangenes und gerichtetes Geistiges! Es sind Geister im Gerichte der Kraft und Macht des göttlichen Willens bis zu einer geordneten Zeit hin, wo sie als von der göttlichen Allwissenheit wohlerachtet jenen Grad der für sich selbst beständigen Festung erreicht haben, auf dem dann erst die geistig selbständige Lebensfortbildung angebahnt werden kann. Das versteht ihr jetzt zwar nicht und könnet es auch nicht verstehen; aber ihr werdet es einmal dennoch verstehen. 7. Ich aber habe euch solches nur darum gesagt, auf daß ihr auch als Heiden einsehen möget, daß Ich der eigentliche ewige Ich bin und im Grunde des Grundes alles Ich ist, was die Unendlichkeit umfaßt. Aber behaltet das vorderhand bei euch, bis euch der ewige Geist der Wahrheit darüber eines Näheren belehren wird! 8. Nun gebe Ich euch in dieser Nacht noch eine kurze Frist. Wer da noch etwas zu fragen hat, der frage! Morgen vor dem Aufgange ziehe Ich weiter; denn Ich habe gar viele Kindlein, die Ich als ein wahrer Lebensvater noch besuchen will, um auch ihnen des ewigen Lebens froheste Botschaft zu verkünden.“ 9. Hier stand ein Priester auf und sagte: „Herr, morgen darfst Du uns noch nicht verlassen; den jetzt erst hast Du uns recht entzündet, und wir werden dann noch gar vieles haben, wobei wir Deines heiligen Rates bedürfen!“ 10. Sagte Ich: „Bin denn Ich das Ich oder ist es Mein innerer Geist? Ich habe es euch ja gesagt, daß dieser bei euch verbleibt, und so ihr etwas benötiget, so wird er es euch geben ohne Vorenthalt. Meine Persönlichkeit ist euch fürder kein nütze, sondern allein der Geist, der euch nimmerdar verlassen wird, so ihr ihn nicht verlasset.“ 11. Sagte der Priester: „Herr, das glauben wir nun alle völlig ungezweifelt fest; aber wir alle haben nun eine große Liebe zu Dir gefaßt, weil wir Dich in der Fülle erkannt haben, und gerade jetzt willst Du uns auch schon wieder verlassen?! Wenigstens nur einen Tag noch, Herr, bleibe Du persönlich bei uns, und wir alle sind dadurch ja unendlich glücklich!“ 12. Sagten auch Jored und sein Sohn: „Ja, ja, Herr, also ist es! Bleibe wenigstens nur noch einen halben Tag bei uns, und wir wollen Dir dann das Geleite geben, wo Du auch nur immer hinziehen willst!“ 13. Sagte Ich: „Nun denn, so will Ich denn bei euch morgen früh noch das Morgenmahl nehmen, dann aber wohl ohne Rückhalt ganz schnell von hier weiterziehen!“ 14. Darauf sagte der vom Tode erweckte Sohn Jorabe: „Höret, meine Lieben alle! Diesen allein und ewig wahrsten Gott hält nur allein die Liebe zurück! Diese ist die einzige Macht, der Er sogar in Sich Selbst gehorcht! Daher fassen wir eine rechte Liebe zu Ihm, und Er bleibt uns auch bis Mittag!“ 15. Sagte Ich: „Du hast ganz richtig geredet – denn das hat dir nicht dein Blut, sondern das hat dir dein Geist eingegeben –; aber Ich kann dennoch nicht anders, als wie Ich es ehedem ausgesprochen habe. Aber um euch allen zu genügen, so werde Ich erst nach dem Aufgange der Sonne von hier fortziehen, aber im Geiste dennoch bei euch verbleiben. Es fragt sich jetzt nur, ob ihr alles verstanden habt, und ob niemand von euch irgend mehr um etwas zu fragen hat.“ Kapitel 123 Großes Evangelium Johannes, Buch 6 123. — Vom Gebet und Gottesdienst 1. Sagte die Priesterin der Minerva: „O Herr, zu fragen gäbe es eine Ewigkeit hindurch in einem fort; aber was nützet uns das, da wir Deine Antworten in unserem jetzigen Zustande ja doch nie fassen könnten! Aber sende Du uns nur ehestens Deinen verheißenen Geist, der uns in alle Wahrheit leiten wird, so sind wir schon mit allem dem mehr als vollends zufrieden, was uns bis jetzt von Dir zuteil geworden ist. Nur eines wäre da noch einer Erwähnung wert, und es wäre gut, daß wir auch in dieser Hinsicht aus Deinem Munde eine rechte Anweisung bekämen. 2. Siehe, wohl in allen Gotteslehren ist an die Menschen die ganz löbliche Anforderung gestellt, daß ein Gottwesen von uns Menschen anzubeten ist! Nun, für unsere falschen Götter haben wir eine ganze Legion von gutgeheißenen und auch nicht gutgeheißenen Gebeten gehabt. Die gutgeheißenen und somit auch wirksamen Gebete waren von den Priestern – natürlich höchsten Ranges – gemacht und durften auch nur von den Priestern während einer gewissen Zeremonie und nur zu einer bestimmten Zeit des Tages gebetet werden und gehörten zum mysteriösen sogenannten Götterdienst. Ein solches Gebet durfte der Laie und Ungeweihte bei strengster Strafe niemals selbst beten, sondern er mußte da zu einem Priester gehen und ihm ein bestimmtes und für alle Fälle fest taxiertes Opfer bringen, damit der Priester dann für ihn irgendein solches gutgeheißenes Gebet in einem Tempel mit der dazu bestimmten Zeremonie ganz monoton und völlig gedankenlos herabmurmelte. Die nicht gutgeheißenen und daher auch wirkungslosen Gebete aber durfte auch der Laie beten, aus dem alleinigen Grunde, damit er sich übe in der Beschauung der Götter und daraus die Wirkungen der gutgeheißenen heiligen Gebete der Priester kennenlerne. 3. Nun, daß derlei vor Deinen Augen und Ohren ein Greuel ist, das braucht mir niemand weiterhin zu erklären und zu beweisen; aber dessenungeachtet sollte der Mensch einen wahren Gott um so mehr in gewissen gewählten und gotteswürdigeren Worten anbeten und anrufen, als in welchen er mit seinen Nebenmenschen spricht und redet. Und in dieser Hinsicht möchten wir denn auch von Dir Selbst ein Wort zu unserer Richtschnur haben.“ 4. Sagte Ich: „Meine Jünger haben euch ja ohnehin Mein sie gelehrtes Gebet gegeben, das ein jeder Mensch in seinem Herzen gleich wirkend beten kann; jedes andere Gebet mit den Lippen ist vor Mir ein Greuel. 5. Ich bin im Geiste von Ewigkeit her immer der völlig Gleiche, habe Mich nie verändert und werde Mich auch ewig nie verändern in Meinem Sein, Wirken und Wollen. Ich bin nun bei drei Tage lang bei euch und habe euch gelehrt, was ihr zu wissen, zu glauben und zu tun habet – ein jeglicher für sich –, um zu erlangen das ewige Leben der Seele. Habe Ich euch da von irgendwelchen Gebeten oder von irgendeinem wirksamen mysteriösen, Mir allein wohlgefälligen Gottesdienst etwas gesagt, oder von einem gewissen Feiertage, wie allenfalls von einem Sabbate der Juden, den sie einen Tag des Herrn Jehova nennen, und an dem die Priester den Menschen alle Arbeit verbieten, während sie selbst als Priester aber eben an dem Tage des Herrn die größten und schändlichsten Betrügereien verüben und dabei noch der gewissenlos argen Meinung sind, Gott damit einen guten Dienst zu erweisen? Nein, von allem dem habt ihr aus Meinem Munde nichts vernommen, und Ich sage es euch als vollwahr: 6. Hinweg mit allen Gebeten, hinweg mit allen Feiertagen, da ein jeder Tag ein wahrer Tag des Herrn ist, und hinweg mit allem Priestertume! Denn ein jeder Mensch, der Gott erkennt und Ihn über alles liebt und Seinen Willen tut, ist ein wahrer und rechter Priester und ist dadurch auch ein rechter Lehrer, so er seinen Nebenmenschen eben diese Lehre gibt, die er von Mir empfangen hat. 7. Wer also Meinen Willen tut, spricht nun der Herr, der betet wahrhaft und betet allzeit ohne Unterlaß; und ein jeder Tag, an dem ein Mensch seinem Nebenmenschen in Meinem Namen eine Wohltat erweist, ist ein rechter und Mir allein wohlgefälliger Tag des Herrn. 8. Wenn aber jemand seinem Nächsten eine Wohltat erweist, so tue er das im stillen und mache darum nicht reden von sich und brüste sich nicht damit vor den Menschen! Denn wer das tut, der hat seinen geistigen Lohn bei Mir schon dahin genommen, daß er für seine edle Tat einen weltlichen Ruhm erhielt; dieser aber stärkt die Seele niemals, sondern verdirbt sie nur, weil er sie eitel und selbstgefällig macht. 9. Also ist es auch mit dem Bitten um irgendeine Gnade von Mir. Wer da durch seine Bitte etwas von Mir erhalten will, der bitte ganz still in seinem von der Liebe zu Mir erfüllten Herzen, und es wird ihm gegeben, um was er gebeten hat, so es sich mit dem Lebensheile seiner Seele verträgt. 10. Desgleichen können sich auch ganz im stillen zwei, drei oder auch mehrere vereinen und für sich und die ganze Gemeinde bitten – aber nicht also, daß es gleichfort erfahre die Gemeinde –, und Ich werde solche Bitten sicher erhören. Aber so da gingen etwa zwei, drei oder auch mehrere und würden es der Gemeinde verlautbaren, daß sie das an diesem oder jenem Tage oder in dieser und jener Tageszeit tun werden, auf daß sie dann die Gemeinde ansähe und lobte, ja am Ende gar ein solch frommes Bittwerk bezahlte, – wahrlich, da wird solch ein Gebet niemals erhört werden und somit auch der Gemeinde wie denen, die da gebetet haben, nichts nützen! Denn alles das und derlei haben auch die Heiden getan und tun es noch, daß sie bei großen Gefahren in großen Scharen von einem Götzentempel zum andern zogen, dabei allerlei dümmstes Schnitzwerk, Fahnen, Gefäße und noch eine Menge anderer Sachen trugen und ein großes Geheul machten, in die Hörner stießen, gewaltig die Zimbeln schlugen und mit den Schilden klirrten. Sie veranstalteten auch weite Wallfahrten zu den außerordentlichen und besonderen Götzengnadenbildern, und so sie dort ankamen, verrichteten sie allerlei dümmstes Bußwerk und spendeten dem Götzen große und oft ganz ansehnliche Opfer; damit war freilich den Götzenpriestern sehr geholfen, nur den dummen Wallfahrern niemals. Also derartige allgemeine Gebete und Bitten werden von Mir aus niemals erhört! 11. Wer also bei Mir eine gute Bitte erhört haben will, der wallfahrte in sein Herz und trage Mir also ganz im stillen seine Bitte mit ganz natürlichen und ungeschmückten Worten vor, und Ich werde ihn erhören. Aber Ich sage euch noch hinzu, daß Mir dabei ja niemand mit irgendeiner fromm aussehenden Gebärde und Miene kommt! Denn wo bei einer Bitte an Mich die gewissen heuchlerisch frommen Gesichterdrückereien vorkommen werden, da wird auch keine Bitte erhört werden; denn wer Mir nicht kommen wird so natürlich, wie er ist, und nicht bitten wird im rechten Geiste der vollsten Wahrheit, der wird nicht erhört werden, sondern nur der, der Mich wahrhaft liebt, Meinen Willen tut und zu Mir ganz ohne allen Prunk und Zwang kommt, wie er ist, der wird von Mir aber auch allzeit erhört werden. 12. Also ist es auch eine alte Sitte, sogar bei den Juden, daß die blinden und dummen Menschen bei ihren Bitten und Gebeten auch eigene (besondere), mehr feine und bessere Kleider anziehen, weil sie meinen, daß der Mensch zur sogenannten größeren Ehre Gottes nicht genug tun könne. Aber das bedenkt so ein Narr nicht, daß es gar viele Arme gibt, die kaum zur größten Notdurft ihres Leibes Blöße bedecken können. Wie muß es dem Armen zumute sein, so er den Reichen also geschmückt in einem Bethause ersieht und sieht, welch eine Ehre dieser Gott gibt, während der Arme das nicht tun kann und sich dabei denken muß, daß er mit seinem Gebete in seinen Lumpen seinen Gott nur beleidigen muß! 13. Wahrlich, sage Ich euch: Wer immer mit gewissen besseren Kleidern angetan Mich um etwas bitten wird, der wird auch niemals erhört werden – und noch weniger irgendein Priester in seinen dummen, verbrämten Zaubermänteln und Röcken! 14. Also gibt es auch eine alte Unart bei den Gebeten zu Gott, daß man nur irgendeine gewisse fremde Sprache dafür gebraucht und hält diese für die Verehrung Gottes am würdigsten. Wo solch ein Unsinn je in der Folge bestehen wird, da wird die Bitte auch niemals erhört werden. 15. Der Mensch schmücke vor Mir sich allein nur im Herzen und rede die Sprache, die die seine ist, und rede die Mir wohlverständliche Sprache seines Herzens, und Ich werde seine Bitte erhören! 16. Ich will, daß da alle die alten Narrheiten ganz abkommen und die Menschen ganz neue, wahrhaftige, reine Menschen werden sollen. Und wo sie also sein werden, da werde Ich auch stets mitten unter ihnen sein; aber die blinden Weltnarren sollen fortan gezüchtigt werden durch das, daß ihre Bitten nicht erhört werden! 17. Gott hat den Menschen erschaffen ohne Kleid und erschuf ihn nach Seinem Ebenmaße, und Gott gefiel also die Gestalt des Menschen, weil sie Sein Ebenmaß war. Gott aber zeigte dem Menschen auch, sich ein Gewand zu machen, damit er vor Kälte schützen konnte seine Haut; aber darum lehrte Gott die ersten Menschen nicht, sich Kleider zu machen, daß sie dieselben als eine hoffärtige Zierde ihrer Glieder tragen sollen. Und noch weniger lehrte Gott den Menschen, sich darum ein verbrämtes Kleid zu machen, daß er im selben allein nur Gott würdig anbeten solle. 18. Darum kleidet euch zwar nun nach eurem Stande, aber einfach, und leget auf den Rock und Mantel keinen andern Wert als allein den, daß er bedecke den Leib; was darüber ist, das ist schon vom Übel und trägt keine guten Früchte. 19. Und so wisset ihr nun auch in dieser Hinsicht, was da zu tun ist, und Ich meine nun – da es schon nahe um die Mitte der Nacht geworden ist –, daß wir uns zur Ruhe begeben könnten!“ Kapitel 124 Großes Evangelium Johannes, Buch 6 124. — Von der Bildung der Menschen 1. Sagte der Priester der Minerva: „Ja Herr, Du hast in allem ganz vollkommen recht; aber da Du heute leider schon die letzte Nacht bei uns zubringst, so hätte ich im Namen aller an Dich noch eine ganz bedeutende Bitte zu stellen, und diese bestände in dem, daß Du uns gnädigst gestatten möchtest, Deine uns nun gegebene Lehre Wort für Wort niederzuschreiben, damit sie als ein größtes Gut aller Menschen nimmerdar verlorengehe, weil sich sonst jede Lehre durch bloße mündliche Überlieferungen am Ende mit der Länge der Zeiten verunstaltet und verunreinigt. Denn die Menschen setzen gerne mit der Zeit so manches hinzu und lassen anderseits leicht etwas Wesentliches aus. Ist aber die Sache einmal niedergeschrieben und von allen hier seienden Zeugen unterzeichnet zur Steuer der vollsten Wahrheit, dann, meine ich, dürfte eine Verunreinigung Deiner Lehre nicht so leicht mehr möglich sein. Auf daß wir aber nichts Falsches niederschreiben mögen, so wolle Du, o Herr, uns leiten mit Deinem allwissenden und allmächtigen Geiste!“ 2. Sagte Ich: „Das könnet ihr allerdings tun; so ihr aber schon das tun wollet, da schreibet es in mehreren Exemplaren, auf daß die Sache allgemeiner wird und das eine und zuerst geschriebene Buch – namentlich bei den sehr abergläubischen Heiden – nicht irgendeine Art magischer Wirkung erhält, wodurch dann der Wert seines inneren Gehaltes entstellt würde und die Menschen vor solch einem Buche dann förmlich eine Heiligenscheu bekämen, es sich vor lauter Ehrfurcht gar nicht mehr zu lesen getrauten und am Ende gar dahin kämen, zu glauben, daß die alleinige Verehrung solch eines Heiligtumes den Menschen schon den Himmel verschaffe! Sind aber mehrere gleiche Bücher da, so ist solch eine Ausartung nicht leichtlich mehr möglich. 3. Ich sage nicht, daß die Menschen solche Bücher nicht in Ehren halten sollen; aber sie sollen daraus auch nicht mehr machen, als was sie sind, und sollen davon auch nur den Gebrauch machen, der allein daraus zu machen ist, und durchaus keinen andern. 4. Ich aber sage euch noch hinzu, daß ihr eure Mühe auch dahin verwendet, daß alle Menschen schon von Kindheit an ordentlich lesen, schreiben und rechnen lernen sollen – nicht nur die Reichen allein –, sonst nützen euch die geschriebenen Bücher wenig. Suchet vor allem eine rechte Bildung des Wissens und daraus des Herzens bei den Menschen zu bewerkstelligen, so werdet ihr euch einen großen Lohn in Meinem Reiche bereiten, und ihr werdet dadurch auch ein leichtes Handeln auf der Erde mit den Menschen haben; denn mit wahrhaft gebildeten Menschen ist leicht zu reden und zu verkehren. Aber suchet eine rechte und ganze Bildung unter den Menschen auszubreiten; denn eine halbe Bildung ist oft schlechter als gar keine! 5. Enthaltet euren Jüngern keine Wahrheit vor, so wie auch Ich euch nichts vorenthalten habe; denn nur die Wahrheit bildet den Menschen wahrhaft zu einem Menschen. Wo diese fehlt, da muß offenbar die Lüge an ihre Stelle treten, und diese ist die Gebärerin alles Unheiles, das nur immer auf der Erde unter den Menschen vorkommen kann. Das somit auch zu euer aller Lebensrichtschnur! Werdet ihr das beachten, so werdet ihr gar bald die Segnungen davon schon auf dieser Erde nur zu klar und wahr erfahren. – Habt ihr nun noch etwas auf eurem Herzen?“ Kapitel 125 Großes Evangelium Johannes, Buch 6 125. — Der Geist des Mentors der Priesterweiber erscheint 1. Sagte die Minervapriesterin: „Herr, soviel uns unsere gegenwärtige Einsicht gestattet, dürfte es wohl kaum noch etwas geben, um das wir Dich zum Behufe unseres gegenwärtigen Erkenntniszustandes noch fragen könnten, da Du uns ohnehin schon nahe zu viel gezeigt und gelehrt hast; aber etwas könntest Du uns Weibern dennoch tun, und das bestünde darin, daß Du uns zeigtest die Seele unseres Mentors, auf daß wir uns dadurch von dem jenseitigen Fortleben zum voraus noch mehr und tiefer überzeugen könnten.“ 2. Sagte Ich: „Es ist das zwar ein etwas unkluges Verlangen von euch – denn fürs erste habt ihr noch lange die Fähigkeit nicht, einen Geist zu sehen, weil ein Geist auch nur mit den Augen des Geistes, nie aber mit den Augen des Fleisches gesehen werden kann, und zweitens ist die Seele eures gewesenen Mentors auch noch lange nicht in jenem Lebenszustande, daß euch sein Erscheinen irgendeinen Nutzen schaffen könnte –; aber weil ihr denn schon gerade darauf reitet und der Meinung seid, daß das euren Glauben sehr stärken werde, so kann euch zum Beschlusse ja auch noch das gewährt werden. – Isma kore! – komme und rede!“ 3. Also berief Ich des Mentors Seele. Und es entstand ein großes Geräusch im Saale, aus dem Boden stieg ein Qualm empor, als wäre da unten ein Brand, und mitten aus dem Qualme trat der Geist ganz zornigen Gesichtes hervor und sagte zu den Weibern: „Was störet ihr ungläubigen Weiber mich aus meiner Ruhe, in der ich mit meiner Vollendung zu tun habe und in süßer Gesellschaft jener Geister bin, die mir gleichen, und wo unter uns an keinen Hader und Zank zu denken ist? 4. Ich habe mein euch gegebenes Versprechen schon längst eingelöst und habe es euch klar gesagt, wie nichtig des Diogenes Lehren sind und dem Menschen, der sie annehmen kann, zur größten Schande gereichen, weil sie nichts als elendeste Lügen sind zum Hohne der höchsten Weisheit eines ewigen und allmächtigen Gottes! Aber ihr hieltet das nur für einen Traum und für ein Spiel eurer Phantasie! 5. Hat euch da nicht euer Verstand gesagt, daß der Mensch ein gar wunderbares Werk eines großen und wunderbarst allmächtigen Schöpfers ist, und daß im selben nichts vorgehen kann, das nicht seinen Grund und seine weise Bestimmung hätte?! Das habe ich euch oft gesagt noch im Erdenleben; aber ihr achtetet nie darauf, sondern euch war es nur darum zu tun, von aller Welt wegen eurer stoischen Weisheit bewundert zu werden. Aber dessenungeachtet nagte doch fortwährend der Zweifel an eurem Herzen, den ich durch offenstes Wiedererscheinen hätte tilgen sollen. 6. Aber es ist nun ein höherer Geist zu euch gekommen und hat euch belehrt. Warum glaubtet ihr Ihm denn nicht vollkommen? Warum fordertet ihr mich zum Zeugen Dessen auf, dessen Namen ich nicht wert bin auszusprechen? O ihr arg törichten Weiber! Wahrlich, wäre nun jener große Geist nicht hier, so wäret ihr alle nun gar übel von mir bedient worden! Merket es euch aber, daß, so ihr mich noch einmal störet in meiner Ruhe, es euch ganz übel ergehen wird!“ 7. Hierauf verschwand der Geist plötzlich, und die Weiber durften nichts reden mit ihm und hatten auch den Mut nicht dazu. 8. Ich aber fragte sie und sagte: „Nun, wie seid ihr zufrieden mit eurem Mentor?“ 9. Sagten die Priesterinnen: „O Herr, wahrlich, der hätte füglich in seiner dummen Ruhe verbleiben können! Wenn jenseits seine Gesellschaft ihm völlig gleicht, so werden sie an ihrer Lebensvollendung noch sehr lange zu tun haben. Der ist ja ganz entsetzlich grob und roh! Bei seinen Lebzeiten im Hause unserer Eltern war er der bescheidenste und sanfteste Mensch, und nun als ein Geist ist er des glühendsten Zornes voll! Wie ist denn das möglich? Hatte er denn auf dieser Welt eine andere Seele?“ 10. Sagte Ich: „Oh, das wohl nicht, – aber auf der Welt verbarg aus äußerer Klugheit seine Seele ihr eigenstes Ich und zeigte sich mit Hilfe ihrer Leibesglieder ganz anders, als sie innerlich war; aber jetzt in ihrer Nacktheit geht das durchaus nicht mehr. Denn jenseits kann keine Seele sich anders zeigen, als wie sie ist aus- und inwendig; und so konnte euer Mentor sich euch nun auch nicht anders zeigen, als wie er ist, und wie er eigentlich auch in sich gegen euch allzeit gesinnt war. Seine Bescheidenheit und seine Sanftmut waren nur ein Spiel seiner Außenmiene, innerlich aber war es ganz anders! 11. Darum verlanget in der Folge ja nicht mehr irgend einen Geist zu eurer Belehrung, sondern lebet nach Meiner Lehre, daß ihr dadurch fähig werdet, mit Meinem Geiste in den vollen Lebensverband zu treten, – dann werdet ihr solcher Geister harte Belehrung leicht entbehren können!“ 12. Damit waren die Weiber nun auch völlig zufriedengestellt und verloren alle Sehnsucht, je irgendwann mit einem solchen Mentorgeiste zusammenzukommen. 13. Hierauf aber empfahl Ich dann allen, sich nun zur Ruhe zu begeben, was denn auch alle sogleich taten. Ich und die Jünger taten dasselbe, und wir nahmen unsere Ruhestühle ein. 14. Die Nacht verging bald, und wir machten uns auf die Füße. Als wir den Saal verlassen wollten, da kam uns auch schon Jored entgegen und bat Mich, aufs bald bereitete Morgenmahl zu warten. 15. Ich aber sagte: „Gib uns nun nur etwas Brot und Wein, und wir werden dann gleich abziehen, auf daß uns nicht die Priester mit ihren Weibern, die bald kommen werden, noch hier antreffen!“ 16. Das geschah sogleich. Wir nahmen Brot und Wein und zogen dann gleich ab, nachdem Ich zuvor noch Joreds Haus und seine Leute alle gesegnet hatte. Kapitel 126 Großes Evangelium Johannes, Buch 6 126. — Die Bedeutung des Judenvolkes gegenüber den Heiden 1. Jored und sein Sohn Jorab gaben Mir das Geleit bis Malaves, wo uns die dankerfüllten Bewohner schnell entgegeneilten und uns bewirten wollten. Aber wir nahmen nichts an, empfahlen ihnen aber noch einmal, in der empfangenen Lehre zu verharren. Das versprachen sie auch auf das feierlichste, fragten Mich aber, wohin Ich Mich nun nächstörtlich wenden werde. 2. Und Ich sagte zu ihnen: „Nach Samosata! Habt ihr ein Fahrzeug dahin auf dem Wasser, so könnet ihr Mich dahin bringen.“ 3. Sagten die sehr gemütlichen und dienstfertigen Malavesaner: „O großer Herr und Meister, wohl haben wir zwei Fahrzeuge, auf denen Du und Deine Begleiter ganz bequem von hier nach Samosata in wenigen Stunden kommen könntet; aber es ist nur hernach das Zurückbringen der Fahrzeuge ziemlich schwer. Sie müssen stromaufwärts gezogen werden, und das mit Ochsen und Maultieren, und das kann dann geschehen, wenn von Serrhe bei einem günstigen Wasserstande Warenschiffe nach Melitene hinauffahren. Diese hängen dann derlei kleinere Fahrzeuge an und bringen sie dann an den Ort zurück, dahin zu bringen sie die Weisung von dem Schiffmeister bekommen. Allein das macht nichts; wir werden euch ein Paar verläßliche Schiffer mitgeben, und diese werden dann schon in Samosata das Geeignete veranstalten, daß die Fahrzeuge ehestmöglich zurückgebracht werden. Wenn es Dir, o Herr und Meister, denn gefällig wäre, so könntet ihr sogleich die Schiffe besteigen und abfahren!“ 4. Sagte Ich: „Ganz gut, meine lieben Leutchen; aber anstatt nur zwei Schiffer gebet uns vier mit, und Ich stehe dafür, daß sie heute noch lange vor Sonnenuntergang mitsamt den zwei Schiffen zurückkommen werden!“ 5. Sagten die Malavesaner: „Das wäre auf eine ganz natürliche Weise wohl nicht möglich; aber Dir, o Herr, ist nichts unmöglich! Denn wir haben das schon an uns erfahren, daß Dein Wort und Wille ein vollbrachtes und fertiges Werk ist.“ 6. Hier gingen gleich fünf Schiffer anstatt vier mit; drei übernahmen die Leitung des größeren Fahrzeuges, und zwei begaben sich auf das kleinere, das Ich mit den zwölf Altjüngern bestieg. Es waren aber diese Fahrzeuge auch mehr Flöße denn irgend eigentlich Schiffe; nur waren sie mit Geländern und Sitzbänken versehen, und jegliches hatte ein Dach aus grobem Segeltuche. 7. Als Ich mit den Altjüngern auf das kleinere Fahrzeug ging, da grüßten Mich Jored und sein Sohn auf das herzlichste und baten Mich, daß Ich doch noch ja einmal sie persönlich besuchen möchten, aber bei einem abermaligen Besuche aber länger in ihrer Mitte verweilen möchte als diesmal. 8. Ich aber grüßte sie auch und sagte: „Bleibet tätig in Meiner Lehre, und Ich werde nicht nur sehr oft, sondern am Ende schon gleich ganz in eurer Mitte Meine Wohnung aufrichten! Unsern Gruß und Segen allen, die eines guten Willens sind!“ 9. Hierauf wurden die Fahrzeuge losgemacht, das kleinere voraus und das größere um einige Augenblicke später, und es fuhr hinter uns. 10. Als wir nun allein waren, sagte Petrus: „Herr, es wäre beinahe besser, so wir uns gleichfort unter den Heiden herumtrieben und ließen die Juden Juden sein; denn es ist ja doch eine wahre Herzensfreude zu sehen, wie diese Menschen mit einer wahren Gier die Worte des Lebens in sich aufnehmen. Die Zerstörung ihrer drei Götzen ging doch so leicht durch, und beinahe kein Mensch außer den fünf Weibern machte sich darüber etwas Besonderes daraus, und am Ende waren sogar die Weiber auch eben nicht gar zu schwer zur Umkehr zu bringen. Und wenn man die Sache so recht bei Lichte betrachtet, so liegt in solch einem Heiden, wie da war und ist der Jored und sein ganzes Haus, wohl hundertmal mehr gesunden Menschenverstandes als in einem jüdischen Ältesten und Schriftgelehrten. Wie wäre es uns in Jerusalem ergangen, wenn Du den Pharisäern den Tempel also gelichtet hättest wie vor drei Tagen den zu Chotinodora?! Ich sage mit immer mehr Einsicht und Überzeugung: Die Juden sind Deiner großen Erbarmung, Geduld und Nachsicht unter allen Völkern am wenigsten wert. – Was sagst Du zu dieser meiner Ansicht?“ 11. Sagte Ich: „Siehe, du redest, wie du es verstehst! Wenn du ein Feld siehst, das gar dicht mit allerlei Unkraut überwachsen ist, so muß dir da ja auch dein gesunder Menschenverstand sagen: Da muß ein gutes und fruchtbares Erdreich sein! Da lohnte es sich wohl der Mühe, dies Feld von dem Unkraute zu reinigen und dann darauf den Weizen zu säen; da kann er hundertfältige Frucht bringen! So du aber ein Feld ersiehst, das da gar recht rein aussieht, da nur höchst sparsam hie und da ein Gräschen mager emporwächst, wird es sich da wohl der Mühe und Arbeit lohnen, solch ein Feld zu einem fruchtbaren Weizenacker umzugestalten? Sicher nicht, denn wo der Boden fürs Unkraut keine Nahrung hat, da wird er sie sicher auch für den Weizen nicht haben. Du wirst auf ein solches Feld viel guten und kräftigen Dünger geben müssen, um das Magerfeld für den Weizen fruchtbar zu machen. 12. Siehe, welche Zeichen mußten hier geschehen, damit diese Heiden den Glauben annahmen! Die Zeichen waren ein kräftiger Dünger, damit die Lehre als der Lebensweizen auf ihrem Gemütsfelde aufkeimen und zu einer künftigen Frucht emporwachsen konnte. Als Ich aber vor anderthalb Jahren zu euch Juden kam, da bedurfte es nur allein des Wortes, und ihr folgtet Mir, ohne daß ihr deshalb schon ganz im klaren gewesen wäret, wem ihr gefolgt seid. Es war euer Gemütsboden wohl mit manchem Unkraute bewachsen, und manches Dorngestrüpp umzog euer Herz, – aber es war daneben dennoch auch viel freies Feld für den Weizen. 13. Bei diesen Heiden aber hätten wir zehn Jahre lang reden können, so hätten wir sie dennoch nicht bekehrt zum Lichte des Lebens aus Gott, da sie uns trotz der vielen und großen Zeichen noch einen harten Widerstand leisteten. Nun sind sie wohl unser, mehr denn viele Juden, und es wird auch den Juden wegen ihres Starrsinnes das Licht genommen und den Heiden gegeben werden; aber alles dessenungeachtet dürfet ihr das nie unbeachtet lassen, daß das Heil der Menschen nur von Jerusalem ausgeht, und alle den Juden gemachten Weissagungen werden daselbst ihre Erfüllung haben für alle Menschen der Erde! Aber alles dessenungeachtet werden wir nun auch die Heiden besuchen und sie vorbereiten auf das, was sie nach Meiner Auffahrt werden zu erwarten haben, nämlich die Ausgießung des Heiligen Geistes aus Gott. 14. Nun aber habet alle ein wenig acht; denn wir kommen nun an eine Wasserstelle dieses Stromes, an der er mehr steht denn fortfließt! Da müssen die Ruder stark gehandhabt werden, ansonst man daselbst leicht von Stromräubern eingeholt und überfallen werden kann. Allein es sollen unsere beiden Schiffer das Fahrzeug nur gehen lassen, wie es geht; denn Ich will diese Räuber sprechen und von ihrem Gewerbe abbringen!“ Kapitel 127 Großes Evangelium Johannes, Buch 6 127. — Der Herr überwindet die Stromräuber 1. Als Ich solches noch kaum ausgesprochen hatte, schwamm unser Fahrzeug auch schon auf der Stromruhe, allwo der Strom sehr breit und auch sehr tief war. Wir waren kaum bei zwei Morgen auf der Stromruhe vorwärtsgekommen, als unsere beiden Schiffer die Ruder für stromabwärts in die Hand nahmen und zu rudern anfingen; aber Ich sagte zu ihnen, daß sie das nun nicht tun sollten. 2. Sie aber sagten (die Schiffer): „Herr, das ist eine unsichere Stelle, auf der man leicht von argen Räubern angehalten wird, die jedem Floße, das sie einholen, einen übermäßigen Tribut abnehmen! So wir aber unser Fahrzeug schnellen, dann holen sie uns bis zur darauffolgenden Schnelle nicht ein, und wir sind dann schon geborgen, weil sie sich über diese Stromruhe nicht hinauswagen.“ 3. Sagte Ich: „Ja, ja, da habt ihr schon recht; aber Ich will eben mit diesen Stromräubern zusammenkommen und sie für die Folge für hier ganz unschädlich machen. Darum lasset das Rudern auf einige Augenblicke!“ 4. Auf diese Worte stellten unsere beiden Schiffer das Rudern ein, und es dauerte keine zehn Augenblicke, als schon ganz verdächtig aussehende Männer auf einem breiten Kahn unser Fahrzeug einholten und uns sogleich zur freiwilligen Herausgabe unserer sämtlichen Güter aufforderten. 5. Ich aber erhob Mich von Meinem Sitze und fragte mit mächtiger Stimme die Räuber: „Mit welchem Rechte verlangt ihr solches von uns und von jedermann, den ihr einholen könnet?“ 6. Sagte ein Räuber von riesiger Gestalt: „Wir sind Freibeuter und kennen kein anderes Recht als nur das des Stärkeren!“ 7. Sagte Ich: „Wie dann, wenn nun wir hier die Stärkeren wären und verlangten von euch euer Gut oder euer Leben?“ 8. Sagte der Räuber: „Dann müßten wir es uns auch gefallen lassen! Aber da das nicht der Fall ist, so zaudert nicht, uns das Verlangte zu geben, da wir euch ansonst unliebsamerweise unsere Stärke zeigen müßten!“ 9. Sagte Ich: „Wir haben nichts und geben daher auch nichts; glaubet ihr Mir aber nicht, so machet nun nur sogleich Gebrauch von eurer Riesenstärke!“ 10. Da hoben die Räuber gewaltige Keulen auf, um nach uns zu schlagen. Ich aber machte sie im Augenblicke steif, daß sie dastanden so unbeweglich wie Statuen und vor Schmerz ein gar jämmerliches Geheul anstimmten. 11. Ich aber fragte nun den stärksten Räuber: „Nun, wo ist nun das Recht?“ 12. Dieser aber schrie (der Räuber): „O du Mächtigster, du bist ein Gott! Hilf uns, und wir wollen fortan für alle Zeiten von diesem Gewerbe abstehen und alles tun, was du von uns verlangst!“ 13. Sagte Ich: „Gut denn, seid frei; aber euer geraubtes Gold gebet Meinen zwei Schiffern, ansonst es euch gar übel ergehen würde!“ 14. Da sagte der große Räuber: „Herr, nicht nur das Gold, sondern auch all das Silber geben wir her; aber nur laß du es uns zehn Männern zu, daß wir dich, wohin du ziehest, begleiten dürfen, – denn ich ahne, daß du ein Besitzer ganz anderer und höherer Schätze bist, als da sind die unsrigen, und von diesen deinen Schätzen möchten wir ein weniges nur uns aneignen!“ 15. Sagte Ich: „So gehet und holet euer Gold und Silber!“ 16. Da eilten sie dem felsigen linken Stromufer zu, wo sie in Höhlen wohnten. In einer Viertelstunde waren sie schon wieder bei uns und übergaben Mir bei hundert Pfunde Goldes und dreihundert Pfunde reinen Silbers, dazu noch Perlen und Edelsteine. 17. In dieser Zeit kam auch das größere Fahrzeug mit den zwanzig Jüngern uns nach, und diese fuhren ganz nahe zu uns, weil ihre Schiffer ihnen sagten, daß wir sicher von den berüchtigten Räubern angehalten worden seien. Als sie aber zu uns kamen, da staunten sie über unsere Schätze und wollten fragen, wie wir dazu gekommen seien. 18. Ich aber sagte: „Fahret nun nur weiter, alles andere werdet ihr noch früh genug erfahren! Diese Schätze aber sind nun schon ein Eigentum unserer fünf Schiffer, und diese zehn Männer, die sie hergegeben haben, sind gekommen, um Mir nachzufolgen. Und nun sehet, daß ihr weiter kommet!“ 19. Da fuhren die zwanzig weiter, aber unter sich sprachen sie: „Es ist doch ein sonderbares Ding mit unserem Herrn! Jetzt nimmt Er schon Heiden und Zöllner und Diebe und Räuber zu Seinen Jüngern an; aber die vielen Jünger aus Jerusalem ließ Er in Kapernaum ohne ein Wort abgehen! Ja, ja, wir werden es noch erleben, daß Er auch Huren und Ehebrecherinnen zu Seinen Jüngern annehmen wird! Es ist das wahrlich sehr sonderbar! Aber was wollen wir machen? Er ist und bleibt einmal ein mit aller Kraft Gottes erfüllter Prophet, dem niemand widerstehen kann, und wir müssen Ihm Sein Recht lassen, – da nützet nichts dawider!“ 20. Als sie aber also redeten, hatten wir samt den zehn Räubern, die in ihrem breiten Kahne uns behende nachfuhren, sie auch schon eingeholt, und Ich sagte zu den zwanzig: „Ihr findet es sonderbar, daß Ich also tue, – Ich aber finde es bei euch zehnfach sonderbar, daß ihr eben solches Mein Tun und Handeln sonderbar findet. Die Menschen sind Mein Werk, und Ich kenne dieses Werk am besten, kenne eines jeden Fähigkeiten und weiß darum wohl, was Ich tue. Darum komme euch fürder nichts mehr als von Mir Getanes sonderbar vor, ansonst müßte es euch sehr sonderbar vorkommen, daß Ich euch angenommen habe, da ihr doch ärger waret tausendfach denn diese zehn Räuber, die aber noch niemanden getötet, sondern nur die reich- und schwerbeladenen Flöße etwas leichter gemacht haben!“ 21. Da ermannten sich die zwanzig und baten Mich um Vergebung. Ich aber fuhr ihnen wieder vor und zeigte ihnen durch die Stromschnelle den sicheren Weg. Als wir diese hinter uns hatten, da ersahen wir auch schon Samosata und erreichten diesen Ort auch nach einer Stunde. Kapitel 128 Großes Evangelium Johannes, Buch 6 128. — Der Herr in Samosata 1. Als wir allda landeten, da kamen gleich die Zöllner und forderten hastig ihren Zoll. 2. Und Ich sagte zu Petrus: „Nimm ein ganzes Pfund Silber und gib es hin für uns alle!“ 3. Petrus tat das, aber der Zöllner sagte: „Herr, das ist zehnfach zuviel, da bekommst du noch viel heraus!“ 4. Ich aber sagte: „So tue damit den Armen Gutes, behalte das Ganze und zeige uns eine gute Herberge; denn wir bleiben heute und morgen hier!“ 5. Sagte der Zöllner: „Da bleibet bei mir; denn ich selbst besitze eben die beste und größte Herberge!“ 6. Sagte Ich: „Gut, so führe uns hin!“ 7. Hier stiegen wir aus, und als wir die Fahrzeuge verließen, fuhren diese sogleich pfeilschnell stromaufwärts mit den Schätzen zurück, was den Zöllner überaus zu wundern anfing, und das um so mehr, da auch der leere und schifferlose Kahn von selbst den zwei anderen Fahrzeugen nachflog. 8. Als der Zöllner sich ausgewundert hatte, führte er uns in seine Herberge. Dieses unseres Samosater Zöllners Haus und Herberge war dem Hause Joreds in Chotinodora sehr ähnlich und hatte beinahe dieselbe Einrichtung; nur der Speisesaal war nicht so geräumig und bequem und zierlich eingerichtet, – namentlich war der Oberboden (Plafond) eben nicht sehr erquicklich anzusehen, da er nicht aus Dielen, sondern nach der mehr orientalischen Art bloß in einer Überspannung schmutzigen Segeltuches bestand. Aber es machte das gerade nichts, es war das ja dennoch der beste Saal in ganz Samosata, und so quartierten wir uns hier ein, obwohl Mich ein Räuber darauf aufmerksam machte, daß diese Herberge zwar wohl eine der besten im ganzen Orte sei, aber auch eine der teuersten; denn unter zehn Pfennigen komme da für einen Tag wohl niemand aus. Der Wirt sei da ein sehr geldsüchtiger Kauz. 9. Ich aber sagte: „Lassen wir das! Es wird sich morgen schon zeigen, was er uns für eine Rechnung machen wird!“ 10. Als wir uns um den großen und langen Tisch gelagert hatten, da fragte Mich der Wirt, was wir nun zu Mittag essen und trinken wollten. 11. Ich sagte zu ihm: „Brot und Wein hast du, und eines mehreren bedürfen wir nicht, und du hast auch nichts weiteres und mehreres vorbereitet; am Abend werden wir uns schon selbst versorgen.“ 12. Sagte der Wirt ganz höflich: „O mein sehr verehrter Freund, ich habe wohl noch allerlei Vorräte an Fleisch, Milch, Butter, Käse, Eiern, Honig und allerlei Gartenfrüchten; auch gute Fische habe ich in meinen Behältern! Du brauchst nur zu schaffen (befehlen) und es wird alles in aller Zeitkürze bereitet werden!“ 13. Sagte Ich: „Laß alles das nun gut sein, wir werden nun schon bei Meinem ersten Verlangen verbleiben; nur einen besten Wein, den du irgend hast, wünsche Ich!“ 14. Der Wirt berief sogleich seine Diener und ließ Brot und Wein in hinreichender Menge auftragen, und Ich segnete beides und gebot nun allen, zu essen und zu trinken nach Herzenslust. 15. Die zehn gewesenen Räuber aber sagten: „Herr, wir sind aber nicht würdig, an eurem Tische zu sitzen, und unsere Bekleidung ist zu dürftig und schmutzig für euch, die ihr Herren und wohlbekleidet seid!“ 16. Sagte Ich: „Das gehört nun nicht daher; jetzt tut das, was Ich will, und dann wird bald auch eure Bekleidung eine bessere werden! Der Mensch, wenn sein Inneres in der Ordnung ist, ist und bleibt ein Mensch auch in den dürftigsten Kleidern.“ 17. Wir aßen und tranken nun ganz wohlgemut und redeten wenig dabei. Als wir gegessen und getrunken und sonach unsere Glieder gestärkt hatten, da erhoben wir uns alsbald von unseren Plätzen, und Ich fragte den Wirt um die Zeche. 18. Er aber sagte, das sei schon bezahlt aus dem noch großen Überreste des Pfundes Silber, und wir könnten für den Überrest noch drei volle Tage bei ihm in der Herberge sein. 19. „Gut“, sagte Ich, „so können wir uns nun ganz ungeniert ins Freie machen und uns ein wenig den Ort ansehen.“ 20. Sagte der Wirt: „Allerdings, – nur werde ich euch zu eurer größeren Sicherheit begleiten; denn wir haben hier ein römisches Gericht und eine kleine römische Besatzung, und diese ist mit den fremden Reisenden eben nicht zu freundlich, wenn sie mit ihnen irgend zusammenkommt. Aber so ich als der Hauptzöllner und auch Vorsteher des ganzen Ortes mit euch gehe, so werdet ihr überall anstandslos durchkommen. Damit aber auch ich um so sicherer und gedeckter in allem bin, so wäre es gut, wenn ihr es bloß mir anvertrauen möchtet der Wahrheit gemäß, wer und woher ihr seid, und was euch so ganz eigentlich hierher geführt hat.“ 21. Sagte Ich: „Dieweil du eine ehrliche Weltseele bist und es in deiner Art gut mit uns meinst, so sage Ich als der Herr und Meister für Mich und für diese alle, und so höre: Ich bin ein Heiland aller Heilande der Erde, und diese sind Meine Jünger. Wir sind zumeist Galiläer. Und nun weißt du vorderhand aber auch schon genug!“ 22. Sagte der Wirt: „Ah – so, so, – also ein Sohn Äskulaps, und das deine Jünger?! Nun, ganz gut, ganz gut; ich habe mir schon bei eurer Ankunft so etwas Ähnliches gedacht! Aber sage du mir, mit was für sonderbaren Schiffen seid ihr denn hier angekommen?! Wie möglich konnten denn diese so schnell stromaufwärts fahren? Das ist ja doch ein Etwas, das ich noch nie gesehen habe! Und wem gehörte denn das viele Gold und Silber, das in dem Schiffe lag, in welchem du, Meister, hier angekommen bist, und die Edelsteine und Perlen?“ 23. Sagte Ich: „Das gehört zwar Mir, – aber Ich habe alles den armen Schiffern geschenkt, weil sie uns alle so wohlbehalten hierhergebracht haben. Daß aber die Schiffe auch stromaufwärts fahren konnten, das ist ein Geheimnis, das Ich dir jetzt nicht erklären kann aus dem einfachen Grunde, weil du solches unmöglich verstehen könntest. Aber nun gehen wir ins Freie!“ 24. Der Wirt war damit einverstanden und ging voran, um uns den Weg zu zeigen und uns an jene Punkte des Städtchens zu führen, die nach seiner Ansicht die sehenswürdigsten waren. Wir kamen denn auch vor das ansehnliche Gebäude des römischen Hauptmannes, der im Hofraum gerade seinen Soldaten Befehle gab, wie sie diese Nacht hindurch die Wachen zu halten hätten, weil ihm angezeigt wurde, daß da eine große persische Karawane im Anzuge sei. Diese sei anzuhalten und zu visitieren, welche Waren und Schätze sie mit sich führe, damit man ihr von allen die gesetzliche Zollgebühr abnehmen könne. Kapitel 129 Großes Evangelium Johannes, Buch 6 129. — Die Heilung des fieberkranken Hauptmannssohnes 1. Als der Hauptmann damit fertig war und die Soldaten und Aufseher sich entfernten, da wurde er unser ansichtig und begab sich eilig zu uns. Als er bei uns war, erkundigte er sich gleich beim Zöllner, wer und woher wir wären, und was wir da zu tun hätten. 2. Der Zöllner erklärte ihm das, und als der sehr ernst aussehende Hauptmann vernahm, daß Ich ein Heiland aller Heilande der ganzen Welt sei, da trat er alsbald zu Mir hin und sagte (der Hauptmann): „Wenn du das bist, was der Vorstand von dir ausgesagt hat, so heile meinen Sohn! Er ist mit einem bösen Fieber behaftet, liegt schon volle vier Jahre auf dem Krankenlager und sieht schon mehr einer Leiche denn einem lebenden Menschen gleich. Ich habe schon von allen Orten die besten Ärzte kommen lassen; aber sie konnten ihm alle nicht helfen. Wenn du ihm helfen kannst, so soll dir ein königlicher Lohn zuteil werden!“ 3. Sagte Ich: „Führe Mich hin zu deinem kranken Sohne, und wir wollen sehen, wie es mit ihm steht!“ 4. Sogleich führte uns der Hauptmann zum kranken Sohne in sein Haus. Als Ich da ankam, standen in seinem Krankenzimmer mehrere heidnische Götterstatuen um sein Lager herum, die ihm nach dem Rate der Priester hätten helfen sollen. 5. Ich aber sagte zum Hauptmanne: „Du bist doch ein vernünftiger und vielerfahrener Mann und mußt selbst einsehen, daß diese durch Menschenhände gemachten Statuen dem Kranken nichts helfen konnten, und dennoch hast du sie von den betrügerischen Priestern zu diesem Zwecke um ein teures Geld gekauft oder eigentlich gemietet! Ich sage dir nun: Laß die betrügerischen Priester kommen! Vor ihnen werde Ich diese Statuen vernichten und darauf deinem Sohne auf das allerbestimmteste helfen.“ 6. Der Hauptmann, der ohnehin weder auf die Priester und noch weniger auf die Statuen der Götzen etwas hielt, sandte sogleich nach den Priestern, deren es hier sieben gab. Diese kamen bald herbei, und der Hauptmann stellte Mich ihnen gleich als einen Arzt von besonderen Kenntnissen vor. 7. Die Priester aber sagten: „Freund, du lebst als ein Mensch in einer großen Einbildung, wenn du noch einem Kranken helfen zu können wähnst, dem selbst die allmächtigen Götter nicht mehr helfen mögen, da sie es einsehen, daß gar für jeden Menschen einmal die Zeit zum Sterben bestimmt ist!“ 8. Sagte Ich: „Aber, ihr Stoiker von eurer Geburt an, wie wollet ihr das einem andern Menschen glauben machen, an was ihr noch nie auch nur ein kleinstes Sonnenstäubchen groß geglaubt habt?“ 9. Sagten die Priester: „Wer kann sagen, daß wir nicht glauben, was wir lehren?“ 10. Sagte Ich: „Ich kann euch das sagen, weil dazu auch die Macht in Mir wohnt!“ 11. Sagten die Priester: „Was für eine Macht? Was redest du von deiner Macht?! Hier hat niemals jemand uns eine Macht außer dem Hauptmann und, und am allerwenigsten ein Fremder, der froh sein muß, daß wir ihn hier leben lassen!“ 12. Sagte Ich: „Daß Ich hier auch eine Macht habe, davon sollet ihr nun sogleich eine volle Überzeugung bekommen! Sehet, diese eure ehernen und steinernen, aller Macht und Kraft baren, völlig toten Götzen werde Ich bloß durch ein Wort völlig vernichten, weil Ich sonst dem Kranken nicht helfen möchte und wollte! Und so sage Ich denn: Hinweg mit euch toten Götzen!“ 13. In diesem Moment waren alle die Statuen völlig zunichte, und es war im ganzen Zimmer nicht das geringste von ihnen wahrzunehmen. Man durchsuchte nun das ganze Haus, und auch da war in allen Gemächern alles vernichtet, was sich in selben als ein Götzenbild befand. 14. Da schlugen sich die Priester auf die Brust und schrien: „O du frecher Magier, wir erkennen deine unbegreifliche Macht an; aber siehe zu, wie du dafür mit den wahren Himmelsgöttern auskommen wirst!“ 15. Sagte Ich: „Ich bin ein Jude aus Galiläa und habe als solcher nie eine Furcht vor euren toten Götzen gehabt und werde sie auch nie haben. Wo Ich nun hinkomme, da helfe Ich den Menschen wahrhaft, physisch und geistig. Aber die Götzen müssen weichen und der einige, allein wahre, lebendige, ewige Gott an ihre Stelle treten; denn ohne Den gibt es kein Heil bei den Menschen auf dieser Erde. Da nun eure Götzen aber weg sind, so will Ich nun auch diesem Kranken helfen! Und so sage Ich zu dir: Stehe auf und wandle!“ 16. Hier verließ den Kranken augenblicklich das böse Fieber, und er stand auf, war völlig gesund und verlangte zu essen, da es ihn hungerte. 17. Und Ich sagte zum Hauptmanne: „Gib ihm nun Brot und Wein, aber nicht zu viel auf einmal, und er wird sogleich dastehen, als hätte ihm nie etwas gefehlt!“ 18. Dieses geschah, und der Sohn stand so gesund da, als wäre er nie krank gewesen. 19. Hier trat der Hauptmann gar freundlichen Angesichtes zu Mir, sagend: „O du unbegreiflicher, über alle unsere Götter erhabener Heiland! Was ist nun meine Pflicht dir gegenüber? Wie kann ich dir denn dafür einen rechten Lohn geben? Was verlangst du nun denn von mir?“ 20. Sagte Ich: „Mit nichts Irdischem kannst du Mich belohnen; denn Ich nehme nie von jemand irgendeine Zahlung an. Aber Ich werde dir durch diese Meine Jünger eine neue Lehre von Gott und von dem Leben der Seele auch nach dem Tode geben; nach dieser sollst du und dein ganzes Haus leben. Willst du aber ein mehreres von Mir erfahren, so begib dich jüngst einmal nach Chotinodora; dort wirst du schon das Nähere erfahren. Ich bleibe aber auch noch morgen allhier, und wir werden auch hier noch miteinander eine nähere Bekanntschaft machen.“ 21. Der Hauptmann war nun über alle Maßen entzückt und sagte: „Herr und Meister aller Meister und wahrster Heiland aller Heilande! Alles, alles, was du nur immer willst, wird geschehen; aber nur für heute bitte ich dich, daß du mit allen deinen Jüngern mein Gast verbleibst; denn siehe, mein Haus ist geräumig und hat viele Zimmer! Denn es wäre ein zu großer Undank von meiner Seite, dich in der Herberge des Zöllners zu lassen, die heute höchstwahrscheinlich von der ankommenden großen persischen Karawane völlig besetzt wird.“ 22. Sagte der anwesende Zöllner: „Deinem Wunsche, Hauptmann, kann ich nichts entgegenstellen, – sonst aber hätte ich nun auch alles aufgeboten, um so einen Gast ohne alles Entgelt auf das möglichst beste zu bedienen; nur das erlaube du mir, daß ich wenigstens in der Gesellschaft hier verweilen darf!“ 23. Sagte der Hauptmann: „Dadurch wirst du mir erst eine größte Freude machen. Mir ist nur gar überaus leid, daß nun meine andere Familie nicht allhier ist, sondern in Serrhe, von wo sie erst in einigen Tagen hierher zurückkehren wird. Aber ich habe dennoch Leute in Menge, und es soll euch nichts abgehen.“ 24. Sagte einer der Priester: „Herr, dürfen auch wir in der Gesellschaft verbleiben?“ 25. Sagte der Hauptmann: „Das hat unser großer Heiland zu bestimmen; denn ihr habt ihn nicht also empfangen, daß er an euch eine Freude haben könnte.“ Kapitel 130 Großes Evangelium Johannes, Buch 6 130. — Die Bekehrung der Götzenpriester 1. Sagte Ich: „Diese Priester sollen nach Chotinodora ziehen zu ihrem Oberpriester; dort werden sie schon die Weisung bekommen, was sie fürder zu tun haben. Die Zeit des alten, leeren Götzentums und des blindesten Aberglaubens einerseits und des gänzlichen Nichtsglaubens anderseits ist vorüber; von jetzt an werden die Menschen an den einigen, allein wahren, lebendigen und für jedermann findbaren und begreifbaren Gott der vollsten und überzeugendsten Wahrheit nach zu glauben anfangen und werden sich selbst finden in solchem Glauben und erkennen die Unsterblichkeit ihrer Seele und deren ewige seligkeitsvollste Bestimmung. Ist aber diese Zeit des innern Lichtes und Lebens gekommen, so ist's nichts mehr mit eurem blinden, phantastischen Vielgöttertume. 2. Nun tritt der Gott auf, dem die Athenienser als dem ihnen unbekannten Gotte auch einen Tempel erbaut haben, in welchem aber kein Götzenbild aufgerichtet war, sondern auf einem Altare lagen die Bücher der alten Weisen Ägyptens, und so einmal im Jahre die Menschen sich versammelten in diesem Tempel, so wurden ihnen aus den Büchern Stellen weisen Inhalts vorgelesen, und die Menschen erbauten sich allda und alldann am meisten, während sie vor den andern Götzen wenig Achtung bezeugten. Wenn aber nun dieser allein wahrhaftige Gott auftritt, so müssen vor Seinem Geiste alle die nichtigen und falschen Betrugs- und Lügengötter zunichte werden. Gehet hin in euren Tempel, und ihr werdet kein Götzenbild mehr darin finden!“ 3. Da schlugen die Priester die Hände über dem Kopfe zusammen und sagten: „Herr, wenn das, dann sind wir verloren! Was wird das Volk dazu sagen?“ 4. Sagte der Hauptmann: „Das Volk habe ich unter meiner Gewalt und weiß, was ich bei einem allfälligen Aufstande zu tun habe. Das Volk wird einmal ganz in aller Ruhe und Gelassenheit unterrichtet, was das zu bedeuten hat. Stellt es sich damit höchstwahrscheinlich sehr zufrieden, weil es nun mit eurer Wirtschaft durchaus nicht mehr zufrieden war, so ist das schon etwas ganz Gutes. Sollten sich dabei einige, etwa von euch aufgewiegelt, unzufrieden gebärden, so habe ich dann schon auch wieder Mittel genug in meinen Händen, sie zur Ruhe und Zufriedenheit zu bringen. Hütet euch aber, jemanden aufzuwiegeln; denn meinen Ernst kennet ihr! 5. So aber der Tempel, der hier ohnedies nichts heißt, von den falschen Göttern leer ist, nun, so weihet ihn dem unbekannten Gott etwa nach meiner Verordnung zu eurer Besserung ein und belehret das Volk danach, und es wird tausendmal zufriedener sein, als es so ist, wo ihr es beinahe in jeder Woche dreimal mit euren Zimbeln zusammenrufet, um ihm irgendeines Gottes Willen, den ihr erfunden habt, unter allerlei dummer und nichtssagender Zeremonie zu verkünden, wofür ihr von jedermann ein Opfer abfordert. 6. So es irgendein heller sehender Mensch nicht hergibt, so wird er mit aller Götter Strafen für hier und jenseits bedroht und auf eine Zeitlang aus der Gesellschaft der gläubigen Narren ausgeschlossen. Aber dazu müssen wir euch leider unsern Arm leihen, auf daß ihr in eurem Ansehen bleiben könnet; ziehen wir den zurück, so wird euch das Volk gleich etwas anderes zu erzählen anfangen! Bestehet ihr aber, nur durch unsern Arm angesehen, in aller eurer Betrügerei, so werdet ihr als Verkünder der Wahrheit euch wohl noch mehr auf unsern Arm stützen können. Sehet ihr das auch nicht ein?! Hat das Volk euch für eure Lügen gerne und willig ein Opfer gebracht, so wird es euch für die Wahrheit wohl noch lieber ein angemessenes Opfer darbringen. Das sehe ich als ein Laie klar ein, – warum denn ihr als weisheitsvolle Priester der Götter nicht?“ 7. Sagte ein Priester von der mehr gemäßigten Art: „Das ist alles wohl ganz gut und wahr! Es wäre ganz gut dem Volke die Wahrheit zu predigen, wenn man sie nur irgend selbst hätte; aber wo diese hernehmen? Das ist eine ganz andere Frage!“ 8. Sagte der Hauptmanne: „Dafür hat euch dieser Heiland schon den rechten Rat gegeben. Ziehet hin nach Chotinodora! Dort werden euch die Oberpriester schon die rechte Weisung geben; nach der handelt, und es wird dann sicher alles recht gehen! Ziehet noch heute dahin, lasset euch dort unterrichten, – dann kommet und lehret das Volk die Wahrheit!“ 9. Sagte Ich zum Hauptmann: „Für heute sollen sie hier verweilen; morgen aber sollen sie tun nach deinem Rate. Heute aber dürften sie noch so manches hier erleben, was ihnen die Augen öffnen dürfte.“ 10. Sagte der Hauptmann: „So bleibet denn heute hier in der Gesellschaft, deren ihr als Menschen, nicht aber als Priester würdig seid!“ 11. Ich aber sagte nun etwas geheim zum Hauptmanne: „Da du nach dem allem ein Mensch bist, an dem Ich ein rechtes Wohlgefallen habe, so bekleide du jene zehn Menschen, die, in gar dürftige Lumpen gehüllt, da stehen! Ich habe sie angenommen, und sie ziehen nun als Jünger mit Mir.“ 12. Sagte der Hauptmann: „Herr, dein Wille geschehe; denn dein Wille steht für mich höher denn der meines Kaisers, weil ich es nun zu gut einsehe, daß auch des Kaisers Wille dem deinigen untertan ist und sein muß! Es ist ein leichtes, mit großen Heeresmassen zu wirken, die dem Feldherrn blindlings gehorchen und Völker und Länder erobern; aber alle Kriegsheere können nicht bloß durch ihren Willen eherne Statuen zunichte machen und ein unheilbares Fieber in einem Augenblicke heilen. Ich selbst habe eine große Macht zu gebieten über viele Krieger und Kriegsknechte; aber meinen Sohn mußte ich trotz aller meiner Macht vier Jahre hindurch elend leiden sehen. Also steht, o du guter, wunderbarer Heiland, die Macht deines Willens ja endlos höher denn die Macht aller Kaiser und Könige auf der ganzen Erde, so groß und weit sie auch sein mag!“ 13. Hierauf berief er seine Diener und gebot ihnen, die zehn Männer mit den besten Kleidern zu bekleiden. Solches geschah in wenigen Augenblicken, und der Hauptmann beschenkte sie noch reichlich mit römischem Gelde. Darauf kamen sie wieder zu uns, ganz als Römer gekleidet. 14. Der Riese nahm sich besonders ehrfurchtgebietend aus, so daß der Hauptmann unwillkürlich ausrief: „Oh, welch eine herrliche Mannesgestalt! Wenn deine Seele ebenso groß und wohlgeformt ist, so wirst du noch Großes leisten auf Erden!“ 15. Sagte Ich: „Jawohl, das kann sehr leicht sein, es kommt da nur auf den rechten Lebensernst an! Aber Menschen, die noch nie einen ihnen freundlichen Tag begrüßen konnten, haben ihren Ernst in den Kämpfen der Nacht gestählt und werden demnach sicher am freundlichen Lebenstage auch des Lebens Ernst nicht hintansetzen.“ Kapitel 131 Großes Evangelium Johannes, Buch 6 131. — Der römische Hauptmann findet seine Geschwister 1. Sagte der Riese, höchst gerührt: „O du göttlichster und erhabenster Freund der Menschen! Wir alle zehn waren Kinder eines reichen Fürsten am großen Kaspischen Meere. Wir lebten im Frieden, und unser Volk war vielleicht eines der glücklichsten auf der Erde. Da kamen auf einmal wilde Horden vom tiefen Norden her, raubten, sengten und mordeten alles, was ihnen unterkam. Da sagte unser Vater: ,Kinder, da ist an keinen Gegenkampf zu denken, sondern fliehen wir, sonst sind wir verloren!‘ Des Vaters Wille war uns heilig, und wir flohen in die Gebirge und entkamen also den wilden Horden. Wir zogen über die Gebirge und kamen endlich diesseits der hohen und breiten Gebirge. Unser Vater starb vor fünf Jahren, und der Euphrat war sein Grab; denn wir konnten ihm kein anderes Grab geben und bereiten. 2. Im ganzen haben wir lange zehn Jahre hindurch nur unterirdische Höhlen am Strome bewohnt und uns notgedrungen von Kräutern und – leider – von einer Art unschädlichen Raubes gar elend erhalten. Das Silber und Gold und die Perlen und Edelsteine waren zumeist noch das in der Eile mitgenommene Kleinod aus unserem königlichen Schatze, obwohl wir in der letzten Zeit es auch gar nicht mehr verschmähten, anderen Reichen ihren Überfluß abzunehmen. Aber was wir in unseren Höhlen verborgen hatten, das haben wir, o Herr und Meister, dir abgetreten, als wir erfuhren die nie besiegbare Macht deines Wortes und deines Willens. 3. Wir baten dich nur um die Gnade, dir folgen zu dürfen und von dir als eifrigste Jünger etwas zu erlernen, das uns unseren großen Verlust sicher ersetzen wird. Und so können wir wohl sagen: Des Lebens gar entsetzlich bitterste Erfahrungen haben wir durchgemacht und kennen des Lebens elendst bittersten Ernst, und es kann uns nun treffen, was da wolle, so werden wir vor nichts erbeben, und am wenigsten vor dem, was uns das erstemal in unserem Leben ein wahres Licht auf den weiteren Pfaden dieses unseres Erdenlebens verspricht mit so untrüglichen Zeichen, wie ähnliche noch kein sterbliches Auge je gesehen hat. 4. Ja, Herr, an uns sollst du Schüler haben von dem unbeugsamsten Willen und Ernste! Oh, gib uns nur bald bekannt, was wir tun sollen, und wir werden danach handeln mit solch einem unerschütterlichen Mute, wie er nur bei jenen Menschen sich findet, die dem Tode zu jeder Zeit mit der größten Kaltblütigkeit ins Gesicht zu schauen gewohnt sind!“ 5. Sagte Ich: „Bleibet getreu solchem eurem Grundsatze, und ihr werdet endlos Größeres gewinnen, als ihr je verloren habt!“ 6. Als aber der Hauptmann solches von den zehn Männern vernommen hatte, da kamen ihm die Tränen, und er sagte: „O Brüder, das alles hat der unbekannte Gott also wunderbar gefügt! Könnet ihr euch nicht erinnern, einmal einen Bruder noch als einen Knaben von kaum zehn Jahren Alters verloren zu haben? Sehet, euer Vater war auch der meinige! Man fing mich einmal, als ich ganz sorglos in einem Haine Blumen pflückte. Da half kein Bitten; die Kinderdiebe schleppten mich übers Gebirge, und ich wurde in Sidon an ein römisches Schiff als Sklave verkauft. In Rom wurde ich wieder an einen edlen Römer als Sklave verkauft; diesem aber gefiel ich, und da er keine Kinder hatte, so setzte er mich an Kindesstelle, schenkte mir die volle Freiheit und ließ mich erziehen und ausbilden zu einem Krieger. Ich wurde nach und nach das, was ich nun bin, freilich mehr durch mein Geld als durch meine Verdienste, und wurde vor ein paar Jahren hierher als Kommandant gestellt. 7. Ja, ich möchte nun schon behaupten, daß dieser nun unser wunderbarster Heiland heimlich bei sich in seinem göttlich hellsehenden Gemüte auch um alles das gewußt und es also weise eingeleitet hat, daß wir Brüder uns hier finden mußten. So mußte ich auch hierher als Kommandant kommen, weil ihr als meine unglücklichen Brüder euch in meiner Nähe – leider traurig genug – aufhieltet; denn wäret ihr als Räuber von meinen Soldaten eingefangen und mir zum Gerichte vorgestellt worden, so hätten wir uns so wie jetzt sicher erkannt, und ich hätte dann offenbar Mittel und Wege gefunden, um euch von allen Übeln frei zu machen. Und das haben wir alles dem einen, wahren, uns noch unbekannten Gott zu verdanken, der uns höchstwahrscheinlich nun in diesem Heilande einen Apostel zukommen ließ, daß er uns von den toten Göttern befreie und uns dafür zeige den einen, wahren Gott. – Ist es nicht also, meine lieben, edlen Brüder?“ 8. Sagte der Große: „Ja, edelster Bruder, genau also ist es! Was haben wir um dich geweint und was dich gesucht in unserem ganzen großen Lande, und alle Ufer des großen Meeres wurden durchsucht, – doch alles vergebens! Bis zu dieser Stunde vernahmen wir nichts von dir. Nur unserer einzigen Schwester, die oft so recht sonderbare Träume hatte, träumte einmal, daß sie dich in einer großen, wunderschönen Stadt gesehen und sogar gesprochen habe und du ihr eigens aufgegeben habest, daß wir um dich nicht so sehr trauern sollen; denn du lebest und seiest gut aufgehoben. Diesen Traum konnte sie uns nicht oft genug erzählen. Oh, welche Freude hätte sie jetzt, wenn sie noch am Leben wäre! Aber sie wird schwerlich mehr am Leben sein; denn bei dem Überfall und bei der großen Flucht ging sie, die einzige, samt der Mutter uns verloren und ist höchstwahrscheinlich in die Hände der wilden Horden gefallen. Der große, uns noch unbekannte Gott allein wird es wissen, wie es den beiden Armen ergangen ist! Vielleicht leben sie noch irgendwo im großen Elende?!“ 9. Sagte Ich: „O nein, Meine Freunde, auch für diese ward von dem euch noch unbekannten Gott gesorgt! Sie kamen auch glücklich über das Gebirge in die Gegend des Euphrat und kamen mit Hilfe einer zurückreisenden Handelskarawane nach Chotinodora. Eure Schwester ist dort nun das brave Weib des euch bekannten Zöllners Jored. Er hatte zwar schon ein paar Weiber, aber er nahm auch diese damals arme Person wegen ihrer Schönheit zum Weibe; sie ist nun sein Liebling, obwohl sie ihm noch kein Kind gebar. Aber er hat Kinder von den andern Weibern, die aber eure Schwester ebenso liebt, als wären sie ihre eigenen. Ich war über drei Tage in seinem Hause, und das ganze Haus hat Meine Lehre angenommen; aber Ich wollte ihm nichts von dem sagen, was alles hier noch seiner harrt. Es wird ihm um so mehr Freude machen, wenn er in Kürze durch dich, Mein Hauptmann, das alles erfahren wird. Bis jetzt weiß er noch nicht, wer sein liebstes Weib ist, und woher sie stammt; denn weder das Weib noch eure schon sehr bejahrte Mutter, die ganz stille bei ihm lebt, haben – aus Furcht vor irgendeinem Verrat – es ihm irgend eröffnet, wer und woher sie sind. 10. Daher, so du hinkommen wirst, teile das vorerst bloß dem Jored unter vier Augen mit, und sage ihm auch, wie Ich solches alles also bewerkstelligt habe! Da werden er und sein Sohn Jorab eine übergroße Freude haben und eine noch größere deine Schwester und deine Mutter. Kurz, wenn du jüngst dahin kommen wirst, so wirst du Wunder über Wunder sehen, die da während Meiner dortigen Anwesenheit geschehen sind. – Aber nun lassen wir das; denn wir haben uns hier noch um ganz andere und wichtigere Dinge umzusehen. 11. Vor allem aber gehen wir nun ein wenig ins Freie, und da wird sich gleich etwas vorfinden, durch das Ich euch mit dem euch noch unbekannten Gott in eine nähere Bekanntschaft werde setzen können, und das ist sicher mehr wert als tausend derartige romantische Lebensbegebenheiten der Menschen, an denen es auf dieser Erde wahrlich keinen Mangel hat. 12. Ich habe das alles schon lange vorgesehen und kannte euch und alle eure diesirdischen Lebensverhältnisse; aber Ich wußte auch darum, daß Mein Wort bei euch einen guten Boden finden wird und kam darum zu euch, um euch allen Trost zu bringen. Aber der allergrößte Trost für euch sei der, daß in Mir das Reich des euch noch unbekannten Gottes zu euch gekommen ist und mit ihm das ewige Leben eurer Seelen! 13. Denn sehet: Was nützen dem Menschen alle Schätze dieser Erde, so er sie dennoch in Bälde für immer und ewig verlassen muß? Ist es denn da nicht unberechenbar klüger für den Menschen, sich solche Schätze zu sammeln, die für ewig bestehen und der menschlichen Seele für ewig das seligste und wonnevollste Leben sichern, und zwar also, daß der Mensch schon in diesem Erdenleben die klarste und ungezweifelte Überzeugung erlangt, daß bei ihm das wahre, vollkommenste und freieste Leben erst nach dem Tode des Fleisches seinen vollsten und wahrsten Anfang nimmt?“ 14. Sagten alle, sogar die Priester: „Ja, Herr, das wäre freilich wohl das Höchste und Beste, was der Mensch auf dieser Erde erreichen könnte! Aber da ist eine Wand, die bis jetzt noch niemand hat durchbrechen können, und der höchst fatale Isisschleier, den bis jetzt noch kein Sterblicher völlig gelüftet hat. Es gab wohl hie und da sehr weise Menschen, die dieser Sache wenigstens insoweit auf die Spur gekommen sind, daß daran allerdings etwas sei; aber über das Wo, Wann und Wie liegen noch alle die vielen tausendmal tausend Fragen völlig unbeantwortet. Wenn du so glücklich bist und diese Fragen für den menschlichen Verstand wohleinsichtlich beantworten kannst, dann gehörten dir der größte Ruhm und die höchste Dankbarkeit aller Menschen.“ 15. Sagte Ich: „So Ich dazu nicht imstande wäre, so wäre dann auch in Ewigkeit kein Wesen mehr dazu imstande, und es wäre ohne solche Meine Fähigkeit auch kein Leben im ganzen, endlosen Weltraume mehr denkbar möglich; aber weil Ich alles dessen wohl fähig bin, so ist und lebt alles im endlosen Weltenraume und veredelt sich durch mannigfache Seinsänderungen von der Mücke bis zum Menschen und von dem Sonnenstäubchen bis zur Sonne hinauf. Aber nun gehen wir ins Freie und sehen, was uns irgend unterkommen wird!“ 16. Darauf erhob sich alles und begab sich mit Mir ins Freie. Kapitel 132 Großes Evangelium Johannes, Buch 6 132. — Des Hauptmanns Klage über den Krieg im Tierreiche 1. Der Hauptmann führte uns längs des Stromes auf einen kleinen, spärlich mit Palmen bewachsenen Hügel, von dem aus man eine gar herrliche Aussicht ringsum in die weite Ferne genoß und den Strom in seinen großen Krümmungen weithin, beinahe bis in die Gegend von Serrhe, überblickte. Da ließen wir uns auf den Rasen nieder und weideten uns eine Zeitlang an der wirklich schönen Fernsicht, und der Hauptmann erzählte da ein Faktum ums andere, was sich irgend hier und dort ereignet hatte, und alles hörte ihm aufmerksam zu; denn er war ein guter Redner und der griechischen Sprache sehr mächtig, die jeder in der Gesellschaft wohl verstand, weil diese Sprache nahezu in ganz Vorderasien die allgemeinste war. 2. Während sich aber der Hauptmann noch in seinem Erzählungseifer befand, da begab es sich, daß ein wahrer Riesenadler ganz nieder über uns hinwegflog und ein Kaninchen als Beute in seinen mächtigen Krallen hielt. 3. Da sagte der Hauptmann zu Mir: „Erhabenster und wundervollster Heiland, siehe, das war wieder so ein Stückchen der traurigen Naturgeschichte, aus dem man auf der ganzen lieben Erde nichts als Feindschaft über Feindschaft erblickt! Ein Tier ist des andern Feind, und das pflanzt sich fort bis zum Menschen herauf, der am Ende noch der größte Feind von allen andern Dingen und Wesen ist, ja sogar seinesgleichen nicht schont in seinem Zorn und Grimme. Nur gleiche Gattungen von Tieren scheinen eine Art unfeindliche Liebe zueinander zu haben; aber ungleiche Gattungen sind sich gegenseitig stets die größten Feinde. Das gibt aber für einen allweisen und allgütigen Gott offenbar ein schlechtes Zeugnis. 4. Hat denn der allweiseste und allmächtige Gott den Tieren kein anderes Futter auf der Erde bereiten und geben können als bloß das, daß sie einander gegenseitig töten und dann mit dem Leichname sich sättigen? Was Übles wohl hat das arme Kaninchen dem Aare zugefügt, daß der es darob in seine mächtigen Krallen faßte und nun irgendwohin trug, um es dort bei noch lebendigem Leibe zu zerfleischen und aufzufressen? Und so gibt es eine Menge solcher Raubtiere, die sich nur vom Fleische und Blute anderer, schwächerer und sanfterer Tiere nähren. Könnten sie denn nicht ebensogut wie die Ochsen, Esel, Ziegen und Schafe sich vom Grase ernähren? 5. Es ist die Erde wahrlich wunderbar schön und geschmückt mit allem, was nur des Menschen Sinne erquicken kann; aber kaum hat man sich irgendwo ein sicheres und ruhiges Plätzchen ausgesucht, um am selben sein Gemüt mit erhebenden Betrachtungen zu erheitern, so hat einem irgendein böses und neidisches Fatum eine Szene vor die Nase hingestellt, die einem alles Schöne und Erhabene auf viele Tage hin verleidet. 6. Ich bin zwar ein Soldat, ein Krieger, und es steht mir gar nicht gut an, daß ich so weichherzig bin, – aber ich bin einmal so beschaffen und kann es da von irgendeinem allweisen, allgütigen, allmächtigen Gottwesen, so es irgend eines gibt, unmöglich begreifen, wie es an der gegenseitigen und beständigen Würgerei und Auffresserei seiner sein sollenden Geschöpfe eine Lust haben kann. Es muß wahrlich ein Gemüt haben wie diejenigen Menschen in Rom, die nichts mehr in der Welt ergötzt als die wilden Stiergefechte und andere haarsträubend gräßliche Tierhetzereien. 7. Ist aber der große, allein wahre Gott, den du, lieber Freund, uns näher kennen lehren willst, ein solcher Patronus, dann verschone uns alle mit Seiner näheren Bekanntschaft und noch mehr mit einem ewigen Leben unter Seiner Herrschaft; denn das wäre mein letzter und schrecklichster Wunsch! Da wärest du selbst als ein Gott mir äonenmal lieber! Ja, ich meine, daß ähnliche Erfahrungen auch am Ende den sonst so weisen Diogenes bestimmt haben, alles zu fliehen und zu verachten, was nur irgend nach einem allmächtigen Gotte roch. 8. Er sagte ja einmal in irgendeiner Weisheitsschule, in der man nach Plato des Menschen Würde und Größe so recht oratorisch herausstrich, indem er eine ganz gerupfte, aber noch lebende Gans ausließ: ,Da, da habt ihr die Würde des platonischen Menschen!‘ Der eigentliche Mensch hat vor diesem Tiere nichts voraus als die armselige Vernunft, die ihm dazu dient, den Schmerz desto tiefer zu empfinden, wenn ihm von allen Seiten her die Lebensfedern ausgerauft werden! 9. Herr und wunderbar großer Meister in deiner geheimen Kunst, kannst du uns darüber eine genügende Erklärung geben, so wirst du uns eine große Wohltat erweisen! Mir aber wäre es nun schon lieber, wir gingen wieder in unser Haus; denn es könnte sich hier leicht noch ein gleicher naturgrausamer Fall ereignen, und das würde mich auf Tage lang verstimmen und unglücklich machen.“ Kapitel 133 Großes Evangelium Johannes, Buch 6 133. — Von der Seelenlehre. Wesen und Zweck der Materie. Die freie, selbsttätige Entwicklung des Menschen zum Gotteskinde 1. Sagte Ich: „Mein Freund, wenn dich sonst nichts nötigt, diese anmutige Stelle zu verlassen, so kannst du schon hier verbleiben, und Ich werde dir hier mit wenigen Worten erläutern, was dich nun gar so sehr beirret in deinem Gemüte! Siehe, Ich wußte um solche deine Gemütsschwäche und habe eben darum zugelassen, daß der riesige Aar seine Beute dir gerade vor der Nase hinwegtragen mußte! 2. Es ist ganz wahr, daß auf dieser Erde alles Leben fortwährend allerlei Feinden ausgesetzt ist und stets kampfbereit dastehen muß, um sich als Leben zu behaupten. Allein dieser Kampf gilt ja nur der durch den allmächtigen Willen Gottes gerichteten Materie, die stets dann am meisten zu leiden hat, so ihr inneres Geistwesen, das wir Seele nennen, sich von der losen Materie trennt und in einen vollkommeneren Lebensgrad aufsteigt. 3. Siehe, alle Materie dieser Erde – vom härtesten Steine bis zum Äther hoch über den Wolken – ist Seelensubstanz, aber in einem notwendig gerichteten und somit gefesteten Zustande. Ihre Bestimmung aber ist, wieder ins ungebundene, rein geistige Sein zurückzukehren, so sie eben durch diese Isolierung die Lebensselbständigkeit erreicht hat. Um aber diese durch eine stets erhöhte Selbsttätigkeit zu erlangen, so muß die aus der gebundenen Materie frei gemachte Seele alle möglichen Lebensstufen durchmachen und muß sich in jeder neuen Lebensstufe auch wieder von neuem in einen materiellen Leib einpuppen, aus dem sie dann wieder neue Lebens- und Tätigkeitssubstanzen an sich zieht und solche sich zu eigen macht. 4. Ist eine Seele – was ihr jenseitiger Geist aus Gott gar helle sieht – einmal in einem Leibe, sei es der einer Pflanze oder der eines Tieres, durch die erforderliche Ausreifung fähig, in eine höhere Lebensstufe aufzusteigen, so veranlaßt ihr sie stets fortbildender jenseitiger Geist, daß ihr der für fernerhin unbrauchbare Leib abgenommen wird, damit sie dann, als schon mit höheren Intelligenzen begabt, sich einen andern Leib bilden kann, in welchem sie eine kürzere oder auch längere Zeit hindurch sich wieder zu einer größeren Lebens- und Tätigkeitsintelligenz emporarbeiten kann, und das so fort bis zum Menschen hinauf, wo sie, als schon völlig frei, dann als im letzten Leibe zum vollen Selbstbewußtsein gelangen wird, zur Erkenntnis Gottes, zur Liebe zu Ihm und dadurch zur vollen Vereinigung mit ihrem jenseitigen Geiste gelangen wird, welche Vereinigung wir die Neu- oder Wiedergeburt im Geiste nennen. 5. Hat eine Menschenseele diesen Lebensgrad erreicht, so ist sie vollendet und kann alsdann als ein vollkommen selbständiges Sein und Leben nicht mehr von dem allgemeinsten göttlichen Allsein und All-Leben zerstört und verschlungen werden. 6. Das sicherste Zeichen der schon erlangten Lebensselbständigkeit einer Menschenseele ist und besteht darin, daß sie Gott erkennt und Ihn sogar aus allen ihren Kräften liebt. Denn solange eine Seele Gott nicht erkennt als ein Wesen wie außer ihr seiend, ist sie noch wie blind und stumm von der Gewalt der göttlichen Allmacht nicht ledig; da muß sie dann noch gar gewaltig kämpfen, um sich aus solchen Fesseln loszumachen. Aber sowie eine Seele anfängt, den wahren Gott wie außer ihr seiend zu erkennen und durch das Gefühl ihrer Liebe zu Ihm Ihn ordentlich wesenhaft wahrzunehmen, dann ist sie schon von den Banden der göttlichen Allmacht frei und gehört dann auch schon stets mehr und mehr sich selbst an und ist sonach Selbstschöpferin ihres eigenen Seins und Lebens und dadurch eine selbständige Freundin Gottes für alle Ewigkeiten der Ewigkeiten. 7. Wenn aber also, so verliert das eigentliche Wesen ja eigentlich gar nichts, so demselben der für es weiterhin unbrauchbare Leib abgenommen wird, damit es dann schneller seine endliche Bestimmung erreichen kann. 8. Was liegt denn am Leibe dieses Kaninchens, mit dem sich der Aar seinen Hunger stillt, – dabei aber des Tierchens Seele frei macht, so daß diese nun schon in der vollen Fähigkeit steht, in eine höhere Lebensstufe aufzusteigen? Der Aar aber hat eben auch eine Seele, die derselben Bestimmung entgegengeht. Im Fleisch und Blute des Kaninchens aber befinden sich auch noch gröbere Seelensubstanzen. Diese werden mit den Seelensubstanzen des Aars darum vereinigt, damit des Aars Seele dadurch etwas sanfter und intelligenter wird und nach dem Verluste ihres Leibes schon etwa gar zu einer Menschenseele werden kann, und das zu einer ganz ansehnlichen, mit viel Licht, Mut und Kraft begabten. 9. Auf dieser Erde ist einmal die Einrichtung also für die auf ihr zu erziehenden Kinder Gottes. Das Leben ist und bleibt so lange ein Kampf mit allerlei Feinden, bis es sich über alle Materie als ein Sieger aus eigener Kraft emporgerungen hat. Und so darfst du dich über die materiellen Lebensfeinde gar nicht wundern; denn sie sind nicht Feinde des eigentlichen Lebens, sondern nur Feinde des materiellen Scheinlebens, das eigentlich gar kein Leben ist, sondern nur ein Werkzeug des wahren, inneren, geistigen Seelenlebens, mittels welchem sich dieses stets höher und höher zur wahrsten eigentlichsten Lebensfreiheit emporarbeiten kann, was ohne dieses zeitliche Mitleben gar nicht denkbar möglich wäre. 10. Gott kann infolge Seiner Allmacht freilich einen Geist mit vollendeter Weisheit und Macht aus Sich hinausstellen oder erschaffen, und das in einem Momente gleich zahllos viele, – aber alle solche Geister haben keine Selbständigkeit; denn ihr Wollen und Handeln ist kein anderes als das göttliche Selbst, das unaufhörlich in sie einfließen muß, auf daß sie sind, sich bewegen und handeln nach dem Zuge des göttlichen Willens. Sie sind für sich gar nichts, sondern pur momentane Gedanken und Ideen Gottes. 11. Sollen sie aber mit der Zeit möglich selbständig werden, so müssen sie den Weg der Materie oder des gerichteten und also gefesteten Willens Gottes durchmachen, auf die Art, wie ihr sie auf dieser Erde vor euren Augen habt. Haben sie das, dann sind sie erst aus sich selbständige, selbstdenkende und freiwillig handelnde Kinder Gottes, die zwar auch allzeit den Willen Gottes tun, aber nicht weil er ihnen durch die Allmacht Gottes aufgedrungen ist, sondern sie erkennen solchen als höchst weise und bestimmen sich selbst, nach solchem zu handeln, was dann für sie selbst lebensverdienstlich ist und ihnen erst des Lebens höchste Seligkeit und Wonne gibt. 12. Siehe, du Mein lieber Freund, so stehen diese Sachen, und eben daran, daß sie so stehen, kannst du des einigen, wahren Gottes höchste Weisheit immer mehr und mehr erkennen und bewundern, da du daraus ersehen kannst, wie Gott aus Seiner höchsten Liebe und Weisheit Seine höchsteigenen Gedanken und Ideen zu selbständigen, Ihm vollkommen ähnlichen Kindern gestaltet und erzieht! Wenn du das nur so einigermaßen begriffen hast, so sage Mir nun dein eigenes Urteil über all das Naturleben!“ Kapitel 134 Großes Evangelium Johannes, Buch 6 134. — Des Hauptmanns Erzählung von dem weisen Illyrier 1. Sagte der Hauptmann: „Höre, du übergroßer Meisterheiland, ich weiß nun wahrlich nicht, was ich an dir mehr bewundern soll, ob deine wunderbarste Wort- und Willenskraft oder deine außerordentliche theosophische Weisheit! 2. Ich habe wohl in Rom einmal einen Menschen gesprochen, der in Illyrien geboren und ein eigener Mensch war. Man konnte ihn um die sonderbarsten und oft geheimsten Dinge fragen, so wußte er genau darum. So man ihn fragte um das Schicksal irgendeines Menschen, so sagte er: ,Tust du dies, dann wird das dein Los sein, und tust du dieses und jenes, wird dir unvermeidbar eben auch dieses und jenes begegnen!‘ Mir sagte er auf ein Haar voraus, daß ich nahe an das äußerste Ende des großen Kaiserreiches im Aufgange (Osten) werde gestellt werden, und daß mir viel Wunderbares begegnen werde, was bis jetzt alles eingetroffen ist. 3. Diesen Menschen, dessen Aussehen durchaus nichts Auffallendes hatte, fragte ich denn auch so im Vertrauen, was er denn von den Göttern halte. Da sagte er: ,So, wie sie nun von euch betrachtet und verehrt werden, halte ich gar nichts darauf; denn sie bestehen nirgends, weder in der Natur und noch weniger in irgendeinem Reiche der Seelen und Geister. Die Bilder von ihnen aber sind nur Menschenwerke, und die menschliche Phantasie gab ihnen die Form. Im Altertum waren sie nur entsprechende Darstellungen der besonderen aus den Wirkungen der Naturkräfte erkannten Eigenschaften des einen, ewig wahren Gottes, den aber die gegenwärtigen Menschen nicht mehr kennen.‘ 4. Aber diese Eigenschaften seien nicht also zu nehmen, als bestünde unter ihnen der allein wahre Gott, sondern etwa nur also, wie Er durch Seine höchste Weisheit und Willensmacht den Menschen als Sein Ebenbild aus der Materie der Erde durch gar viele Naturlebensstufen endlich zum Menschen hervorlocke. Die Erde bestehe aus gar endlos vielen Seelen, und des Menschen Seele als der eigentliche, wahre Mensch sei eben auch eine so vielfache Seele unter einer Form und Haut, als wie vielfach ihre Intelligenzen und ihre inneren und äußeren Anschauungen und Wahrnehmungen sind. Aber solches sehe nun niemand mehr ein und könne es auch nicht, weil der Mensch sich durch seine fleischlichen Gelüste von sich selbst entfernt habe. Die Selbstliebe und die Hurerei habe die Menschen in eine große und starke Lebensnacht gestürzt, aus der sie nur Gott Selbst wieder herausziehen könne und – wie er meinte – vielleicht auch bald werde. Aber mit Rom werde Er nicht den Anfang machen, doch auch nicht außer den Grenzen des großen Kaiserreiches. 5. Siehe, Meister, so redete jener sonderbare Illyrier! Wenn er zu solcher seiner gediegenen Weisheit auch etwelche Zeichen zu wirken imstande gewesen wäre, so hätte man ihn nahezu für einen Gott angesehen. Er hatte durch mich viele ihm sehr geneigte Zuhörer und Gönner gefunden; aber nach einem Jahre nahm er von mir Abschied und sagte: ,Ich habe hier zwar sehr viele Freunde gefunden, aber auch eine noch größere Anzahl Feinde aus der Sphäre der Priester. Diese stellen mir heimlich nach dem Leben; darum gehe ich auch ganz heimlich wieder von hier.‘ Ich habe ihn reichlich beschenkt und gab ihm ein sicheres Geleite bis an die Küste des Adriatischen Meeres. Da bestieg er ein Schiff und fuhr mit gutem Winde wieder in sein Vaterland. 6. Ich erwähnte nun dieses Menschen nur deshalb, um dir zu zeigen, daß ich von dem, was du nun so weise erklärt hast, schon Vorbegriffe gehabt habe und dich darum nun leichter habe verstehen können. Aber das, was du nun darüber gesagt hast, steht endlos höher und ist klar und nahezu für jedermann wohlverständlich. Wenn ich aber nun deinen Zeichen, deiner förmlichen Allwissenheit und deiner Weisheit so recht meine Aufmerksamkeit schenke, so gedenke ich nun auch der sonderbaren Weissagung jenes Illyriers, der nach nur der große, allein wahre Gott – und das recht bald – die Menschen aus ihrer Nacht herausziehen werde, und das innerhalb der Grenzen des großen Kaiserreiches. Am Ende bist du selbst so ein Abgesandter des allein wahren, großen Gottes – oder gar identisch mit Ihm?! 7. Ist eines oder das andere der Fall, dann sage es uns, auf daß wir alle uns danach zu richten wissen!“ Kapitel 135 Großes Evangelium Johannes, Buch 6 135. — Die Persönlichkeit Gottes. Gottes Wille und des Menschen Wille. Die Kraft des Willens 1. Sagte Ich: „Ob nun so oder so, so gehört das nun nicht daher; denn ob so oder so, das muß erst euer Herz verkünden! Würde Ich Selbst es euch sagen, Ich sei das oder jenes, so würdet ihr davon keinen geistigen Gewinn für eure Seelen überkommen. Daß Ich gleich euch nur ein Mensch bin, das könnet ihr mit euren Augen sehen und mit euren Händen greifen; daß aber auch Gott ein vollkommenster Mensch ist, ansonst die Menschen nicht Seine Ebenbilder wären, das könnet ihr euch auch vorstellen. 2. Aber ein jeder Mensch kann auch in allem Gott völlig ähnlich werden, wenn er den erkannten Gotteswillen völlig zu dem seinigen macht. Das habt ihr noch nicht gewußt; aber Ich beweise euch solches nicht nur durch Worte, sondern vielmehr durch die Taten, die Ich vor euren Augen gewirkt habe. 3. Du meinst nun bei dir, Ich rede nun also, als wäre das auch ein anderer zu tun imstande; aber dafür kann Ich dir keinen andern Gegenbeweis geben als nur den allein, daß Ich nun einen Meiner alten Jünger berufe und ihm sage, daß auch er ein Zeichen wirken soll.“ 4. Sagte der Hauptmann: „Ja, daran zweifle ich gar nicht, daß ein jeder deiner Jünger auch dasselbe für unsere Augen wirken wird, was du selbst wirkest; aber der Jünger wird es aussprechen, und du wirst es wollen, und es wird dann sicher geschehen, was er aussprechen wird.“ 5. Sagte Ich: „O nein, da irrst du dich gewaltig! Er wird nur seinen Willen mit dem Willen Gottes auf dieselbe Weise einen, wie Ich dasselbe auch tue, und es wird dann aus solch einem vereinten Wollen auch schon die vollbrachte Tat hervorgehen. 6. Ich sage es dir: Wenn du den einen, wahren Gott völlig erkennst, Ihn über alles liebst und Seinen wohlerkannten Willen zu dem deinen machst, dazu aber dann auch volltrauig glaubest und nicht zweifelst, so kannst du zu jenen Bergen dort sagen: ,Hebet euch, und stürzet euch ins Meer!‘, und es wird sofort geschehen, was du mit Gott gewollt hast!“ 7. Sagte der Hauptmann: „Ja, ja, das kann allerdings schon ganz also sein; aber es fragt sich da nur, ob Gott es dann zulassen wird und das wollen, was in diesem Augenblick ich will, wenn ich sonst auch noch so sehr meinen Willen dem göttlichen unterordne, – denn etwas Dummes kann Gott ja doch ewig nicht wollen. Die Vernichtung jener Berge aber, so ich sie wollte, wäre doch in jedem Falle etwas sehr Dummes und überaus Boshaftes, und da würde Gott Seinen Willen mit dem meinen nicht einen! – Habe ich recht oder nicht?“ 8. Sagte Ich: „Diesmal nicht ganz besonders, denn Ich sagte dir das nur des Beispiels halber. Denn das versteht sich ja doch von selbst, daß derjenige, der einmal seinen Willen vollkommen mit dem Willen Gottes geeint hat, doch auch die göttliche Weisheit zu der seinigen – wenigstens teilweise – gemacht hat. Ein solcher Mensch wird dann doch wohl auch einsehen, ob das, was er will, auch gut und weise ist. Sieht er aber das, so wird er mit Gott auch nur etwas Rechtes wollen, und was er also will, das wird auch geschehen, so der Mensch nicht daran zweifelt; denn zweifelt ein Mensch daran, so ist solcher Zweifel eine Folge der noch nicht völligen Einigung seines Willens mit dem Willen Gottes. – Aber nun verlange von einem Meiner Jünger ein beliebiges Zeichen; nur muß es ein logisch mögliches und vernünftiges sein!“ 9. Sagte der Hauptmann: „So rufe du einen hervor; denn du kennst am besten ihre Tüchtigkeit!“ 10. Sagte Ich: „Petrus, komme, so du den hinreichenden Glauben hast, und vernimm, was der Freund will!“ 11. Hier trat Petrus schnell zum Hauptmanne hin und sagte: „Freund, was verlangst du, das ich dir tun soll?“ 12. Sagte der Hauptmann: „Wenn du auch etwas vermagst, so sieh hin über das jenseitige Ufer des Stromes! Dort ist ein wildes Gestrüpp um einen plumpen Felsen gewachsen. Darin halten sich eine Menge böser und sehr giftiger Schlangen auf und belästigen nicht selten auf eine weite Umgebung Menschen und Tiere; das schaffe mir durch die Macht deines mit Gott vereinten Willens weg, und vernichte auch die lose Brut dieser Tiere!“ 13. Da streckte der Jünger seine Hände über die angezeigte Stelle aus, und sie verschwand im Augenblick aus dem Dasein. 14. Als solches der Hauptmann ersah, da sagte er: „Herr und Meister, wenn solches deine Jünger von dir erlernen können, dann möchte ich selbst dir folgen und auch dein Jünger sein; denn das ist tausendmal tausend Male mehr denn zehntausendmal zehntausend römische Kriegerlegionen! Mit solch einer Fähigkeit ausgerüstet, gehört die ganze Welt mir, und ich bessere sie durch weise Gesetze.“ 15. Sagte Ich: „Das könnte Ich Selbst tun, so es für alle Menschen in diesem Momente gut wäre! Aber da sagt die Weisheit Gottes: Sie sind allenthalben noch nicht reif dazu; darum gehe Ich auch hier nur an solche Orte, von denen Ich weiß, daß ihre Bewohner reif dazu sind, eine höhere Offenbarung annehmen zu können. – Aber nun hat die Sonne sich auch dem Untergange schon sehr genähert, und es wird gut sein, so wir uns nun ins Haus zurückziehen.“ 16. Sagte der Wirt, der natürlich auch bei uns war: „Herr und Meister, es tut mir sehr leid, daß ich nicht die Gnade haben kann, euch alle in meinem Hause zu beherbergen! Aber wenigstens etliche deiner Jünger sollen denn auch meine Gäste sein.“ 17. Sagte der Hauptmann: „Freund, heute wohl nicht, denn heute bist auch du mein Gast; aber morgen wollen wir alle deine Gäste sein, und übermorgen, wenn diese Wundermenschen durchaus nicht mehr bei uns zu halten sein sollten, wollen wir sie nach Serrhe geleiten! Nun aber gehen wir; denn ich hoffe, daß bei mir das bestellte Nachtmahl schon bereitet sein wird!“ 18. Darauf erhoben wir uns und zogen ins Haus des Hauptmanns, allwo das Nachtmahl schon unser harrte. Der Wirt aber machte noch einen Gang in sein Haus, kam aber bald wieder zu uns. 19. Das war eine ganz römische Mahlzeit, und einige Jünger getrauten sich nicht recht, in die Schüsseln zu greifen. 20. Ich aber merkte das wohl und sagte: „Was Ich esse, das könnet auch ihr ohne Sorge essen!“ 21. Da ermannten sie sich und aßen und tranken den römischen Wein. Alles ward bald sehr heiter, und wir blieben wach die ganze Nacht hindurch, in welcher allen Anwesenden die Hauptzüge Meiner Lehre bekanntgemacht wurden. Kapitel 136 Großes Evangelium Johannes, Buch 6 136. — Der Schönheitssinn, eine Blüte der Wahrheit 1. Wir blieben, wie es Mein Wunsch und so auch am Ende der Wunsch aller war, die ganze Nacht wach. Nur eine Stunde vor dem Aufgange der Sonne gingen wir ins Freie, und zwar in den schön angelegten Garten des Hauptmanns. Da waren anmutige Laubgänge und Rasenbänke, eine Menge Blumen aller Art und Gattung, ein Rosenwald, Jasmingesträuch und auch Nardusölpflanzen in großer Menge vorhanden. Daneben gab es alle Arten edler Fruchtbäume, die nur irgendwo auf der Erde wachsen, und alles bewunderte diesen kunstvoll, schön und nutzbringend angelegten Garten. 2. Ich aber sagte: „Sehet, gleich wie dieser musterhafte Garten soll auch der rechte Mensch nach dem Willen Gottes bestellt sein! Er soll in sich auch das Wahre und Gute mit dem Schönen und Erhabenen vereinen. Tut er das, so beweist er dadurch, daß er Gott, seinem Schöpfer und Vater, in allem ähnlich ist. 3. Sehet die große Anmut aller dieser Blumen an! Wie herrlich sie geschmückt sind, und eine übertrifft die andere an Herrlichkeit! Ja, warum denn also? Am Ende folgt der Blüte einer noch so reizend schönen Rose denn doch nur ein höchst einfach und nie besonders schön aussehender Same, dessen Vorgängerin die schöne Blüte war, und zu dessen Hervorbringung es eigentlich keiner gar so schönen Blüte bedurft hätte. Aber Gott wählte darum auch zu allen Seinen Werken die Ästhetik im höchsten Grade, auf daß Er dadurch auch weckte bei den Menschen den zu aller Seligkeit notwendigen Schönheitssinn. Ist dieser in einem Menschen völlig wachgerufen, so ist ein solcher Mensch dann auch empfänglich für alle Wahrheit und für all das Gute, dessen Urheberin eben die Wahrheit ist. 4. Sehet, unser lieber Freund, der Hauptmann, hat sehr viel Sinn für alles Schöne und darum auch für das Nützliche und Gute! Hätte er solchen Sinn nicht, dann wären ihm auch diese Meine Wahrheiten, die den Menschen zur Erkenntnis des einen, allein wahren Gottes und zur Erkenntnis seiner selbst führen, ganz gleichgültig gewesen, und er hätte sie nicht angenommen; weil er aber sehr viel Schönheitssinn besitzt – was die Anlegung dieses wunderschönen Gartens mehr als hinreichend beweist –, so war er auch der erste, der sich hier um die Mitteilung Meiner neuen Lebenslehre sehr bekümmerte und sie auch zur streng genauen Beachtung annahm. Tue sonach ein jeder desgleichen, und es wird ihm so etwas bei Gott gut angerechnet werden! 5. Gehet hin in eines Menschen Haus! Findet ihr es sehr rein und auch nach Umständen möglich zierlich eingerichtet, so könnet ihr da schon bestimmt darauf rechnen, daß dieses Menschen Inneres auch nahe also bestellt sein wird. Kommet ihr aber in das Haus eines andern Menschen und findet im Hause alles voll Schmutz und überhaupt einen gänzlichen Mangel an häuslicher Ordnung, da könnet ihr euch gleich umkehren und den euch Jüngern schon gegebenen Satz beachten, dem nach ihr die Perlen Meines Evangeliums niemals den Schweinen vorwerfen sollet! Da wäre es auch völlig vergeblich; denn wie gesagt: ein Mensch der keinen Schönheitssinn hat, der eigentlich eine Blüte der Wahrheit ist, der hat auch keinen Wahrheitssinn, der als ein Nutz- und Lebenssame der Blüte folgt. 6. Ich will aber damit nicht sagen, als solle deshalb ein Mensch nichts anderes tun, als vor allem nur trachten, sein Haus, seine Gärten und seine Äcker und Wiesen durch allerlei irdisch kostbare Mittel zu einer derartigen Pracht zu erheben, daß darob alle Menschen ins größte Staunen versetzt werden müßten. Denn solch ein unermeßlicher Prachtsinn würde nur zu bald in einen dicksten Eigendünkel, in Selbstliebe, Hochmut und Herrschsucht ausarten; er wäre für die ärmeren Menschen nur zu sehr ein Zeugnis, daß der Eigentümer solcher Pracht ein übermäßig reicher Mensch sein müsse. Man würde ihm etwa, um von ihm etwas zu gewinnen, zu sehr, seine Pracht bewundernd, huldigen, wodurch sich dann dieser Mensch bald und leicht übernehmen und dann noch mehr aufbieten möchte, um die Menschen für sich noch dienerischer zu machen und über die Bewunderer am Ende gar ein Herrscherrecht zu erwerben. 7. Also mit solch einem übertriebenen Prachtschönheitssinne ist es nichts, da er am Ende noch schlechter denn die faule Schmutzhaftigkeit ist. Ein solcher Sinn heißt Hoffart und ist eine Sünde der menschlichen Natur, die der Seele niemals zum ewigen Leben verhilft. Aber der Schönheits- und Ordnungssinn, der nur mit seinem Fleiße und dem wahren Eifer für alles Schöne, Wahre und Gute etwas schafft, wie dieser Garten da ist, ist eine Tugend, die jedermann bestens anzuempfehlen ist. 8. Doch nun von etwas anderem; denn es kommen nun der Hauptmann und der Zöllner, und denen ins Gesicht will Ich den Garten nicht allzusehr loben; hernach wird es der Hauptmann schon ohnehin erfahren, was Ich damit gemeint habe.“ Kapitel 137 Großes Evangelium Johannes, Buch 6 137. — Der Besuch im Tempel der Weisheit 1. Nun kam der Hauptmann samt dem Zöllner zu Mir und entschuldigte seine kurze Abwesenheit durch die notwendige Erfüllung seiner Amts- und Standespflichten. Und ebendasselbe tat auch der Zöllner; darauf aber lud er uns zum Morgenmahle bei sich, und da der Hauptmann für diesen Tag auch sein Gast sein wollte, so willigte Ich denn auch ein, und wir gingen in das sehr geräumige Haus des Zöllners, von dem die am Abende angekommene Handelskarawane gerade um eine Stunde früher abgezogen war. Allda nahmen wir das ganz gut bereitete Morgenmahl ein, und die Jünger unterrichteten darauf die Priester in Meiner Lehre und zeigten ihnen den eigentlichen Grund an, warum Ich so ganz eigentlich in die Welt gekommen bin. 2. Ich Selbst unterrichtete den Hauptmann und seinen Sohn, die alles, was sie vernahmen, mit der größten Freude und mit dem festesten Glauben annahmen. Und so verging mit guten Reden und Werken auch dieser Tag, und Ich beschied noch einmal die Priester nach Chotinodora, was zu tun sie feierlichst versprachen. Darauf begaben wir uns zur Ruhe und reisten am frühen Morgen, vom Hauptmanne und seinem geheilten Sohne begleitet und von dem Zöllner vielmals begrüßt, zu Wasser nach der bedeutenden alten Stadt Serrhe ab. 3. Allda angelangt, führte uns der Hauptmann schnell zu seiner Familie hin, die da bei einem dem Hauptmanne nahe verwandten Obersten wohnte, bei dem sie auf Besuch war. Wie groß da der Hauptmännin Freude war, als sie ihren schon tot geglaubten Sohn ganz gesund ersah, das kann sich wohl ein jeder leicht von selbst denken, und es bedarf da keiner näheren Beschreibung. 4. Da wir in dieser Stadt schon ziemlich spät am Abend ankamen, so machte unsere zahlreiche Ankunft beinahe gar kein Aufsehen in der Stadt. Wir nahmen die freundlichst angebotene Herberge beim Obersten an, wo wir, mit allem wohl versorgt, uns bei fünf Tage lang aufhielten. 5. Unfern dieser Stadt auf einem mäßig hohen Hügel stand ein Tempel, der allein der Weisheit geweiht war. In diesem Tempel war kein Götzenbild aufgerichtet, sondern auf einem Altare lagen allerlei Bücher und uralte Schriften. Darin standen allerlei weise Denksprüche und so manche Prophezeiungen aus den ältesten Zeiten. 6. Am vierten Tage besuchten wir diesen Tempel und seine drei alten Priester. Wir waren unser an vierhundert an der Zahl, da uns viele aus der Stadt folgten; denn wir hatten allda allerlei Kranke geheilt, Blinde sehend und Taube hörend gemacht, und viele nahmen die Lehre an und wandelten fortan nach ihren Lebensgrundsätzen. 7. Als wir bei dem Tempel ankamen und die drei Priester des römischen Obersten ansichtig wurden, da kamen sie aus dem sonst zumeist verschlossenen Tempel zum Vorscheine und fragten den Obersten in der tiefsten Ehrfurcht, was etwa in dieser ungewöhnlichen Zeit sein Verlangen wäre. 8. Der Oberste aber deutete auf Mich und sagte: „Dieser Erste und Höchste aller Ersten und Höchsten ist gekommen und will euren Weisheitstempel sehen und besehen seine Schriften. Darum öffnet das Tor und lasset uns eintreten in seine geheiligten Hallen!“ 9. Sagten die Priester: „Es ist uns dieses dein Verlangen wohl sehr zur Unzeit gekommen, aber weil du es gebietest, so tun wir es; aber du selbst mußt die Verantwortung, sogar gegenüber den strengen und unerbittlichen Göttern, auf dich allein nehmen!“ 10. Sagte der Oberste: „Ja, ja, das tue ich ohne weiteres; denn ich selbst muß mich ja überzeugen, ob das wohl in eurem ältesten Weisheitsbuche also stehet, wie dieser allerweiseste und mit aller Macht der Götter begabte Mann es mir erzählt hat.“ 11. Nun erst willigten die drei Priester völlig ein und öffneten nach einigen Bücklingen vor dem Tempel das Tor, das eben nicht zu den größten zu zählen war. Wir gingen nun hinein, und die Priester zogen unter dem Altare ein altes Buch hervor, das in altindischer Sprache geschrieben war; nur einer von ihnen konnte es lesen und halbwegs verstehen. 12. Ich Selbst aber zeigte ihm die Stelle an, die er lesen und dann verdolmetschen solle. 13. Er besah sich die Stelle wohl, überlas sie und verdolmetschte sie dann also (der Priester): „Aus den Bergen, wo die Dohlen [kauka] nisten in großen Scharen, ein Strom entspringet, der da fließet mächtig, breit und weit. An seinen Ufern sah ich Städte groß und klein, und er trägt auf seinem breiten Rücken der Lasten viele. Aber siehe da, eine Last sah ich schwimmen auf seinem Rücken, – da lag eine schwere Nacht in der ganzen, weiten Gegend vom Anfange des Stromes bis dahin, da er endet in das große Weltmeer. Aber die Last trug einen Menschen, dessen Angesicht mehr leuchtete als die Sonne, und aus seinem Munde schossen flammende Pfeile und Schwerter. Am Ufer aber lagen viele Tote, und die von den Pfeilen aus seinem Munde getroffen wurden, die fingen an, sich zu regen, wurden lebendig, und es ward voller Tag um sie. Aber die Last trug noch mehrere Menschen, die lebten und hatten auch ein Licht in sich und leuchteten wie der Vollmond. Auch aus ihrem Munde ging ein Licht, das da glich dem Lichte des Morgensterns, und die, welche von dem Lichte berührt wurden, obschon sie früher tot waren, wurden wieder lebendig und wandelten darauf wie am hellen Tage. Das aber bewirkte, daß bald darauf der ganze Strom zu Licht wurde. Als der ganze Strom leuchtete, da ward es fröhlich an seinen Ufern, und viele eilten hin und wuschen ihr Antlitz, und sieh, da leuchteten alle, die in den Strom stiegen und sich reinigten in seiner hellen Flut! 14. Aber ich sah den Strom nachher wieder und sah kein Licht mehr, sondern es rastete abermals die schwerste Nacht über seinem Rücken, und ich sah lange also, und sieh, es wollte nimmerdar licht werden! Und ich hörte eine Stimme wie das Rauschen vieler Winde durch ein dürres Gehölz, und die Stimme sprach: ,Wehe dir, du Nachtbringer, wenn Ich wiederkommen werde! Dich wird Mein Gericht zwiefach hart treffen; denn du warst Licht und bist abermals zu Nacht geworden! Ich sage es dir also, und sage es du abermals deinen Würmern! Also will es der Erste und der Letzte, das Alpha und das Omega!‘“ 15. Hierauf verneigte sich der Priester abermals tief vor seinem Buche und legte es, in feinste Linnen gehüllt, wieder an seinen früheren Ort. 16. Darauf sagte der Oberste zu ihm: „Verstehest du auch das, was du ganz gut gelesen hast?“ 17. Sagte der Priester: „Herr, so ich das verstünde, da säße ich zu Delphi auf Pythias Dreifuß!“ 18. Sagte der Oberste: „Sieh, was du nicht verstehst, das verstehe ich als ein Soldat nun sehr wohl und kann es dir erläutern! Sieh, hier steht der Mann, der aus den Himmeln zu uns Menschen gekommen ist und nun das Licht verbreitet von Melitene bis hierher nach Serrhe! Den höret, und ihr nun Tote werdet lebend werden und im hellsten Lichte schauen euer Heil! Diese anderen Männer aber, die mit Ihm kamen, sind ebendieselben, deren Antlitz da leuchtete gleich dem Vollmonde. Ihre Worte sind ein wahrer Lebensmorgenstern, und die sie annehmen, leuchten dann in ihrem Gemüte voll Leben eben also wie ihre Worte, die unter dem Bilde des Morgensterns in eurem Weisheitsbuche angedeutet sind. Verstehet nun, um welche Zeit es nun ist!“ 19. Da staunten die Priester über die Weisheit des Obersten und fragten ihn mit großer Ehrerbietung, wer und von woher Ich denn sei. 20. Sagte der Oberste: „Ich habe es euch ja ohnehin schon gesagt, von woher dieser Gottmensch ist; wisset ihr aber das, so wisset ihr ja ohnehin, was ihr zu tun habt. Sehet nun zu, daß auch ihr von Ihm lebendig gemacht werdet, auf daß ihr dann auch leuchten könnet vor allen Menschen, die da zu euch kommen werden, um sich bei euch die rechte Weisheit des Lebens der Seele zu holen!“ 21. Darauf kam einer der Priester zu Mir und sagte: „Hoher aus den lichten Höhen der Himmel, gib uns die rechte Weisheit!“ 22. Sagte Ich: „Da stehen Meine Jünger; an diese wendet euch, und sie werden euch den Weg zeigen, auf dem wandelnd und handelnd ihr zur rechten und wahren Weisheit gelangen könnet, – aber nicht hier in diesem Tempel, sondern im Hause des Obersten in der Stadt! Da kommet hin und lasset euch unterrichten!“ 23. Sagte der Priester: „O Hoher, das ist für uns eine sehr schwere Sache, da wir uns eigentlich nach unserer Regel nie von dieser Weisheitshöhe in die tiefe Ebene hinabbegeben sollen! Denn symbolisch wohnt die Weisheit beständig nur auf der reinen Höhe und senkt sich niemals in die schmutzige Tiefe hinab, gleichwie auch der Verstand jedes Menschen in seinem Haupte als dem höchsten Teile seines Leibes wohnt.“ 24. Sagte Ich: „Wenn das also recht wäre, da hätte Ich der Himmel lichte und höchste Weisheitshöhen auch nie verlassen sollen! So ich aber das euch Menschen zuliebe getan habe, da werdet wohl auch ihr diese eure nichtige Weisheitshöhe einmal in eurem Leben einer höheren Weisheit wegen verlassen können; denn um das Höchste zu erlangen, lohnt es sich wohl der Mühe, solch einen Hügel zu verlassen. Von nun an wird ein jeder in die eigene Demutstiefe steigen müssen, so er zur wahren Lebensweisheit wird gelangen wollen.“ 25. Als der eine Priester solches von Mir vernommen hatte, da ging er hin zu seinen zwei Mitpriestern und sagte ihnen das von Mir Vernommene. Diese machten anfangs wohl sehr bedenkliche Mienen, – aber nach einer reiflicheren Überlegung willigten sie doch ein, traten dann zum Obersten hin und baten ihn um die Gewährung, sein Haus betreten zu dürfen, weil Ich das so haben wolle. 26. Da sagte der Oberste: „Das freut mich sogar sehr! Kommet nun nur gleich mit – denn wir werden uns sogleich auf den Rückweg machen –, und seid heute und morgen meine Gäste, weil dieser hohe Mann aller Männer der ganzen Erde auch noch morgen bei mir allergnädigst verweilt!“ 27. Da dankten die Priester und machten sich sogleich mit uns auf den Weg; nur gaben sie ihren Weibern und Kindern zuvor noch die Weisung, was sie unterdessen zu tun und zu reden haben sollten, so da ein Weisheitsforscher ankäme während der Zeit, da sie aus sein würden. Kapitel 138 Großes Evangelium Johannes, Buch 6 138. — Das Wundermahl im Hause des Obersten. Wesen und Wirkung der Liebe 1. Mit der zahlreichen Gesellschaft in der Stadt kaum angelangt, kam uns eine große Menge Volkes entgegen, begrüßte uns von allen Seiten und schrie: „Heil dir, du großer Heiland, und ewig Dank dir; denn du hast uns durch deine wunderbarste Allmacht von einer großen Drangsal erlöst!“ 2. Da stutzten die drei Weisheitspriester, und das um so mehr, als sie auch die andern Priester unter dem Volke ersahen. 3. Wir erreichten nun das große Haus des Obersten. Da empfahlen sich die vielen Begleiter und gingen in ihre Häuser und Wohnungen; Ich und alle die Jünger aber gingen mit dem Obersten und seinem Schwager, dem Hauptmann von Samosata, und mit den andern Hausgenossen in das Haus, um daselbst das Mittagsmahl einzunehmen. Es war aber nun ein wahres Elend; denn des Hauptmanns Weib samt dem Weibe des Obersten, das eine gute Köchin war, hatten in der Eile vergessen, ihre Dienerschaft zu beauftragen, für den Mittagstisch etwas herzurichten, und so war jetzt natürlich noch nichts fertig. 4. Da ward der Oberste ein wenig ärgerlich und mürrisch; aber er ermannte sich dennoch recht bald und sagte: „Nun, so setzet doch jetzt alle eure Kräfte in Bewegung, auf daß wir alle nicht nötig haben, erst am Abend unser Mittagsmahl zu verzehren!“ 5. Ich aber sagte zum Obersten: „Lasse alles das gut sein; öffne da nun nur die Türe zum großen Speisesaal, und wir werden daselbst schon alles antreffen, dessen wir bedürfen!“ 6. Der Oberste tat das und erstaunte nicht wenig, als da alle Tische mit den besten und feinsten Speisen besetzt waren. Nun fragte er freilich die Weiber, warum sie ihm denn das nicht sogleich gesagt hätten, als er sie darum fragte. 7. Die Weiber aber entschuldigten sich abermals und sagten, daß sie darüber ebenso erstaunt seien wie er selbst, da sie von der Bereitung dieses Mittagsmahles ebensowenig wüßten wie er selbst. Es müsse das sicher auch ein Wunder sein. 8. Da besah der Oberste die Speisen und alle die Speisegeschirre genauer, und er sah, daß alle Schüsseln, Löffel, Messer und Trinkbecher aus dem blanksten Golde gemacht waren. Da trat er schnell zu Mir hin und sagte: „Herr, Herr, das ist Dein Werk! Wie bin ich, ein armer Sünder, ein finsterer Heide, von Dir solch einer Gnade für wert befunden worden?! Ich bin ja gar nicht wert, daß Deine zu heiligen Füße mein unratvolles Haus betreten, – geschweige solch einer allerunerhörtesten Auszeichnung, die sogar für einen Kaiser Roms zu edel wäre!“ 9. Sagte Ich: „Was da ist, das ist da; und nun setzen wir uns zu Tische und essen und trinken ganz heiter, was da auf den Tischen steht! Denn so ihr Gottes Kinder werden wollet, so schadet es ja auch nicht, daß ihr es noch in diesem Leben einmal erfahret, wie man als ein Kind im Vaterhause ißt und trinkt.“ 10. Darauf setzten sich alle ganz wohlgemut an die Tische und fingen an zu essen und zu trinken. Aber da war es völlig aus mit dem Obersten, dem Hauptmanne, seinem Sohne und mit den Weibern beider, sowie mit ihren Töchtern und den zehn Brüdern des Hauptmanns, wie auch mit den anderen geladenen Gästen; denn alle versicherten, daß sie so himmlisch gute Speisen und einen so unvergleichbar guten Wein noch nie genossen hätten, und die Weiber umringten Mich und fragten, wie möglich man denn gar so unbeschreiblich gute Speisen bereiten könne. 11. Ich aber sagte: „Ja, Meine Lieben, derlei gibt es auf Erden nicht; wenn aber auf Erden unter den Menschen durch das erkannte Wort Gottes einmal das rechte Feuer der Liebe zu Gott und zum Nächsten so recht intensiv bestehen wird, dann werden die Menschen bei solch einem Feuer sich schon auch Speisen bereiten, die eben also und manchmal noch besser schmecken werden denn diese. Ich sage es euch: Die wahre und reine Liebe ist das heilig-edelste Feuer; dieses vermag alles. Es ist der beste Koch, der beste Wirt, die beste Würze aller Speisen und die beste Speise selbst. Wahrlich, wen die reine Liebe nährt, der ist wahrhaftig wohl genährt, und wen sie sättigt, der wird keinen Hunger haben in Ewigkeit! So euch solche Liebe beleben wird, da werdet ihr ewig nie einen Tod fühlen noch schmecken. Darum befleißiget euch solcher reinen Liebe zu Gott und zu euren Nächsten; denn diese Liebe wird euch alles geben, was euch überselig machen kann! Wie aber diese Liebe beschaffen ist, das habt ihr in den vergangenen drei Tagen vernommen, und so habe Ich euch darüber nichts Weiteres zu sagen.“ 12. Hier dankten Mir alle für diese Belehrung und versprachen Mir feierlichst, in solcher Liebe so groß wie möglich zu werden. 13. Da sagte aber einer der drei Weisheitspriester: „Wie möglich aber kann ein sterblicher, materieller Mensch einen ewig unsterblichen und rein geistigen Gott lieben? Würde ein Gott solch eine Keckheit einem Menschen nicht im höchsten Grade verargen? Was würde schon ein irdischer König sagen, so unsereiner ihm einen Liebesantrag machte? Was ist aber ein König gegen einen Gott!“ 14. Sagte Ich: „Ein dummer und höchst stolzer König, der aber seine Untertanen nicht erschaffen hat, möchte sich wohl eben nicht zu freundlich gebärden, so ihm ein ganz gemeiner und dummer Mensch käme und sagte: ,O großer König, ich fühle eine große Liebe zu dir! Steige herab von deinem hohen Throne, und lasse dich von mir umarmen und küssen!‘ Der König wird solch einen Menschen wohl ganz sicher für einen Narren ansehen und ihn durch seine Diener zur Türe hinausweisen lassen; und geht er nicht in gutem, so wird er sich schon eine Züchtigung gefallen lassen müssen. Aber so solch einem Könige die Untertanen eine wahrhafte tätige Liebe bezeugen werden, so wird er solche auch sicher ehest wiedervergeltend ganz gut aufnehmen und niemanden zur Türe hinausweisen lassen. 15. Gott, der ewig Wahre, aber ist nicht wie ein dummer Heide dieser Erde. Er Selbst ist pur Liebe und also auch die höchste Weisheit Selbst, als welcher und eben solcher Er auch alle Welten und die Menschen aus Sich heraus erschaffen hat. 16. Da Er also Selbst pur Liebe ist, so will Er auch, daß alle Menschen Ihn vor allem über alles lieben sollen und dann aber auch – weil alle Menschen Sein Werk sind – sich untereinander, wie da ein jeder sich selbst liebt. Wenn aber Gott alle Menschen mehr denn als ein bester Vater seine Kinder liebt, warum sollen Ihn denn dann die Menschen nicht wieder über alles lieben, wenn sie Ihn einmal erst nur so recht erkannt haben? 17. Wahrlich, sage Ich euch: Ohne die rechte Liebe werdet ihr Gott nicht finden, Ihn nie recht erkennen und werdet euch sonach Ihm auch nie nahen können! Nur die Liebe zeigt euch den sicheren Weg zu Ihm, – euer Verstand aber ewig nie! Wer aber den Weg zu Gott nicht findet, der findet auch den Weg zu seinem höchsteigenen Leben nicht und wandelt darum im Finstern und auf den Wegen des Gerichtes und des ewigen Todes. Das merket euch von Mir; das andere werdet ihr nachher schon von Meinen Jüngern vernehmen.“ 18. Hierauf schwiegen die drei Weisen und aßen und tranken ganz wohlgemut weiter. 19. Einer von ihnen aber war ein ziemlich heller Kopf und sagte etwas später zu den andern zweien: „Dieser wunderbare Mensch redet die vollste Wahrheit. Darum hören wir ihn nur an, und wir werden da am besten daran sein; denn der ist uns an der gediegensten Weisheit wohl tausendmal tausend Male überlegen!“ 20. Ich aber redete nun während der ganzen Mahlzeit weiter nichts mehr; nach der Mahlzeit aber wandten sich die drei Weisen an die Jünger, und diese unterrichteten sie in den Hauptgrundsätzen Meiner Lehre, an der die drei ein großes Wohlgefallen hatten. 21. Ich Selbst aber ging mit der Familie des Obersten und des Hauptmannes ins Freie und ließ die Jünger nun ganz allein wirken. Es versteht sich von selbst, daß alle die neueren Jünger stets eifrig zugegen waren, so die Altjünger lehrten, und für sich die Hauptsachen auch aufzeichneten. Erst am Abend kamen wir wieder zusammen. Kapitel 139 Großes Evangelium Johannes, Buch 6 139. — Die Schacherjuden 1. An diesem Nachmittag besuchte Ich mit dem Obersten, dem Hauptmanne und ihren Angehörigen einige arme Juden, die in dieser Gegend allerlei Handel und Schacher trieben, aber wenig gewannen, weil ihnen die pfiffigen Griechen überall zuvorkamen. Der Oberste und der Hauptmann beschenkten sie; Ich aber riet ihnen, nach Hause zu ziehen und dort mit ihrer Hände Arbeit, der sie gewachsen seien, ihr tägliches Brot zu verdienen. Denn in welchem Lande jemand mit wenigen Talenten geboren ist, da soll er auch bleiben und sich und die Seinen redlich ernähren. Nur Menschen mit vielen und großen Talenten gehören gleich der Sonne der ganzen Erde an, weil ihr geistiges Licht allen andern Menschen ihre Lebenswege erleuchten soll. 2. Da meinte ein Jude: „Meister, warum sind denn wir von Jehova mit so wenigen Talenten für die Reise durch diese armselige Welt begabt worden? Hätte Er uns nicht auch mit sehr vielen Talenten versehen können?“ 3. Sagte Ich: „O allerdings; aber Er weiß es am besten, was da für jeden Menschen taugt, und so hat Er euch auch eben nur mit so vielen Talenten versehen, als es für euch not tut. Denn der vielen Talente wegen wird kein Mensch selig, weil sie nicht des Menschen Verdienst, sondern nur ein Werk und ein Verdienst Gottes sind. Wem vieles gegeben ist, der wird auch über vieles Rechenschaft geben müssen; wem aber nur weniges gegeben ist, der wird auch nur über weniges Rechnung zu legen haben. Die gleiche Sünde wird bei dem Reichtalentierten dereinst in der Waagschale der göttlichen Gerechtigkeit ein viel stärkeres Gewicht haben, als so sie begangen wurde von einem Armtalentierten. Denn wenn der Gesetzgeber selbst wider seine Gesetze handelt, so ist das sicher schlimmer, als so derjenige dawider sündigt, dem das Gesetz gegeben wurde. Darum beneide ja niemand einen Menschen, dem Gott sehr viele und große Talente verliehen hat; denn ein solcher wird auf der Erde stets auch sehr vieles zu erdulden bekommen. Darum seid froh, daß ihr von Gott aus mit nur wenigen Talenten begabt worden seid!“ 4. Als der Jude das vernahm, sagte er: „Meister, du hast wohl sehr weise und ganz recht geredet, und es ist schon also; aber ich meine, so jemand mit sehr wenig Licht in der Nacht wandelt, so fällt er doch sicher leichter in einen Abgrund als der, dem eine ordentliche Sonne den Weg erleuchtet! Liegt man aber einmal zerschmettert und tot im Abgrunde, so ist dann nachher schon alles eins, ob man mit wenig Licht oder mit viel Licht in einem Abgrund den Tod gefunden hat. Und da meine ich, daß der mit viel Licht begabte Mensch doch immer besser daran ist als der mit wenig Licht begabte, weil der erste den Abgrund schon von weitem merken und ihm ausweichen kann, während der mit wenig Licht begabte oft den Abgrund noch nicht wahrnimmt, obschon er knapp an seinem Rande steht.“ 5. Sagte Ich: „Da hast du auch wieder recht; aber eben darum soll der mit wenig Licht begabte Mensch fein daheim bleiben, wo er den Boden, auf dem er steht, auch in der Nacht kennt und sicheren Schrittes darauf umherwandelt. In seinem Hause wird jeder am besten wissen, wie er zu gehen hat, um keinen Fehltritt zu machen; aber in einem großen, fremden Hause, dessen innere Beschaffenheit er nicht kennt, wird er sich mit seinem schwachen Lampenlichte schlecht zurechtfinden. Denen Gott der Herr also weniger Licht gegeben hat, die hat Er als Kindlein auch sicher recht lieb, weil Er ihnen dadurch ihre irdische Lebensprobeaufgabe sicher so leicht wie möglich gestellt hat, während Er den großen Geistern den Weg mit sehr vielen Dornen besät hat, auf dem eben nicht gar zu geheuer zu wandeln ist. Darum machet ihr kleinen Judengeister euch auf, und ziehet wieder in euer Land! Dort werdet ihr Beschäftigungen, eurem Lichte angemessen, in schwerer Menge finden; aber hier blüht für euch kein Weizen.“ 6. Da sagte auch der Oberste: „Ja, ja, meine Lieben, der Herr hat ganz vollkommen recht! Es geht euch hier meines guten Wissens ganz elend und schlecht, und ich kann eure Lage wahrlich nicht besser machen. Ziehet sonach in euer Land; dort werdet ihr sicher eine bessere Aufnahme finden denn hier! Eure Schacherei trägt euch nichts ein, und unsere Arbeiten könnet ihr nicht verrichten, weil ihr darin nicht bewandert seid; daher werdet ihr euch daheim sicher um vieles besser befinden. Damit ihr aber leichter in euer Land kommt, so will ich euch aus Liebe zu diesem Meister, der auch ein Jude ist, ein Reisegeld zukommen lassen.“ 7. Als die armen Juden das vernahmen, eilten sie nach Hause, wo sie wohnten, und brachten ihre Kinder daher und sagten, daß sie mit diesen die Reise bis noch weit hinter Bethlehem schwer machen würden, weil sie nun keine Lasttiere mehr besäßen. 8. Da sagte der Oberste: „Ich will euch denn auch noch eine gerechte Anzahl Lasttiere zukommen lassen; aber dann ziehet unverzüglich ab! Denn würdet ihr dann noch da verbleiben wollen, so wäre ich genötigt, euch mit Gewalt hinauszuschaffen!“ 9. Da willigten alle gleich ein und sagten, daß sie lieber heute als morgen abzögen. Da wurden gleich Mittel getroffen, und binnen einer Stunde hatten sie alles und machten sich auch gleich an die Abreise. 10. Es waren ihrer bei siebzig an der Zahl, und sie waren daher dieser Stadt, die ohnehin eine Menge einheimischer Armen besaß, eine rechte Last geworden. Daheim aber hatten die meisten Grund und Boden und überließen ihn schlechten Dienern zur Bearbeitung, weil sie meinten, durch ihr Schachern größere Gewinne zu erzielen. Sie verarmten aber und hatten nun durch Mich wieder die Erlösung aus ihrer gar großen Not bekommen. 11. Das war denn doch sicher auch ein sehr gutes Werk! Daher beeifere sich ein jeder wahre Nachfolger Meiner Lehre, derlei Gefangene aus ihrer Not zu befreien, so er die Mittel dazu hat, und Ich werde es ihm entgelten schon diesseits und mehr noch jenseits, so wie Ich es bei dieser Gelegenheit dem Obersten mit tausend Pfunden reinsten Goldes, und zwar schon zum voraus, auch vergolten habe, weil Ich auch zum voraus schon gewußt habe, was er tun werde! 12. Weiterhin ist in diesem Orte nichts besonders Denkwürdiges mehr geschehen. Die Jünger haben die drei Priester vollends bekehrt, und Ich habe auch in dieser Stadt einen gläubigen Arzt gesegnet, daß er dann durch die Auflegung seiner Hände in Meinem Namen gar viele Kranke vollkommen zu heilen imstande war. Und so verlief auch der nächste Tag schnell. Kapitel 140 Großes Evangelium Johannes, Buch 6 140. — Die Rückreise nach Kapernaum. Der Riese und seine Judenpredigt 1. Die Nacht über blieben wir noch in Serrhe und gingen am nächsten Tage unter vielen Liebesbezeigungen wieder zu Fuß stromaufwärts, und zwar nach Zeugma, – auch eine kleine alte Stadt am Euphrat. Wir konnten von Samosata aus in diesem Orte darum nicht einkehren, weil des Hauptmanns Weg uns nach Serrhe führte, seiner Familie wegen; darum wandten wir uns rückwegs von Serrhe aus dahin. Von Samosata nach Serrhe ist der Weg wohl noch mehr als einmal soweit wie nach Zeugma; aber von Zeugma ist es dann wieder näher nach Deba denn von Samosata und gar von Serrhe, das nach der gegenwärtigen Rechnung – da in dieser Zeit von jenen Orten wohl kaum noch irgend etwas vorhanden ist – wohl bei dreißig Meilen von Samosata entfernt war. 2. Nun, in Zeugma machten wir dieselben Geschäfte wie in den anderen Orten. Die Heiden am Euphrat wurden häufig von Juden besucht und hatten daher auch Kenntnisse von deren Gotteserkenntnis, und es war darum mit ihnen eben nicht zu schwer sich zu verständigen. 3. Zur größeren Berichtigung und Verständigung kann hier noch das zum Überflusse beigefügt werden, daß sich die nun von uns bereisten Orte, die bei achthundert Jahren vor Mir zu Syrien gehört haben, nun zu Meiner Zeit zu Kappadokien bekannten; aber Deba, wohin Ich nach zwei Tagen mit Meinen Jüngern zog, gehörte schon nach Syrien, das zu Meiner Zeit an das eigentliche Galiläa grenzte und eigentlich den Norden Galiläas ausmachte. 4. In Deba hielten wir uns nicht lange auf, da mit seinen Bewohnern ob ihres Schweinehandels nicht viel zu machen war. 5. Von Deba zogen wir nach Cyrrhus, einer bedeutenden griechischen Handelsstadt; da blieben wir wohl bei sieben Tage lang, wo wir nahezu auf dieselbe Weise wie in Chotinodora einen sehr großen Anhang bekamen. 6. Von da aus zogen wir in die große Stadt Antiochia, allwo wir uns beinahe einen ganzen Monat aufhielten. Antiochia war schon sehr alt, hatte einen ausgebreiteten Handel in ganz Kleinasien und sogar nach Europa hin. Von da kam die Kunde von Mir an die westlichsten Marken von Kleinasien, und ein kleiner König aus Lydia namens Abgarus zog von da nach Antiochia, um Mich kennenzulernen. Dieser nahm Meine Lehre vollauf an, ließ sich sogar taufen, bekehrte daheim sein Volk und schrieb Mir etliche Briefe, die Ich ihm auch stets beantwortete; aber seiner herzlichen Einladung, zu ihm zu kommen, konnte Ich aus höchst weisen Gründen nicht Folge leisten. – 7. Von dieser Stadt aus zogen wir uns wieder in unser eigentliches Galiläa zurück, besuchten da noch eine Menge kleiner Orte und Flecken und machten mit der neuen Lehre stets ganz gute Geschäfte. 8. Mit dieser Reise, die man eine sehr fruchtbare nennen kann, verbrachten wir auch den ganzen Sommer, und als wir wieder bei unserem Wirte Matthias zu Kapernaum anlangten, da war denn auch schon der Herbst da und mit ihm das Laubhüttenfest nahe. 9. Der Wirt erstaunte über die zehn Neujünger, von denen besonders der wahre Riese – der volle neun Handspannen, also bei neun Fuß Höhe nach dem heutigen Maße hatte – ihm eine ehrfurchtsvolle Bewunderung abnötigte. Diesen Menschen konnte er nicht genug anstaunen, da er einen solchen Riesen noch nie gesehen hatte; aber der Riese war auch im Reden ein Riese und machte mit seinen wahren Donnerworten eine große Wirkung. In der Römerkleidung nahm er sich noch großartiger aus, und das gab seinen Worten einen großen Nachdruck. Widerspruch duldete er keinesfalls; denn erstens war er nun höchst überzeugend fest bewandert in Meiner Lehre, und zweitens hatte er auch durch den Umgang mit den Jüngern, besonders in der letzteren Zeit mit unseren sogenannten Judgriechen, sich aus den alten Propheten sehr vieles zu eigen gemacht, und so wußte er durch seine besondere Rednergabe jeden Einwurf gegen die Göttlichkeit Meines Wesens und so jeden Gegner derart niederzudonnern, daß solchem aller Mut verging, sich mit ihm in einen längeren Wortstreit einzulassen. 10. Es kamen in der Zeit Meiner Ruhenahme von etwa zehn Tagen im Hause unseres Matthias gar viele Bürger und Handelsleute hinaus und fingen an, sich um seinen Stand zu erkundigen und zu fragen, was er nun da in Kapernaum machen werde. 11. Da sah er sie ganz entsetzlich ernst an und sagte (der Riese): „Als Heide und Römer werde ich über euch Gericht halten, ihr elenden und ungläubigen Juden! Euch muß euer Beelzebub gezeugt haben, darum ihr so blind sein möget und nicht wahrnehmet, daß Dieser der ganz alleinige Träger eben desselben Geistes ist, welcher vor endlos langen Zeiten als der höchste Geist den Himmel und diese Erde und alles, was auf ihr und in ihr ist, besteht, lebt, atmet und denkt, bloß durch Seinen Willen erschaffen und gefestet hat. 12. Wir blinden Heiden haben das beim ersten Zeichen klar erkannt, obwohl wir nichts davon wußten, daß Seine einstige Ankunft auf dieser magersten Erde schon vor mehreren Hunderten von Jahren von vielen Propheten ganz einstimmig vorhergesagt worden ist, und daß sogar die Zeit, der Ort und eine Menge anderer Umstände genauest angedeutet wurden, wann, wo und wie Er, der Allmächtige Selbst, aus Seinem höchsten Himmel als ein Mensch auf diese Erde darniederkommen werde. Hier unter uns weilt der Erhabenste! Warum glaubet ihr das denn nicht? Weil ihr Kinder des Beelzebub und nie irgend möglich Kinder Gottes seid! Hebet euch von hinnen, sonst zermalmt euch mein Zorn!“ 13. Wenn er also zu reden anfing, da hob sich auch bald ein jeder von dannen; denn es hatte niemand Lust, ihn noch mehr zu reizen. Kapitel 141 Großes Evangelium Johannes, Buch 6 141. — Der mißglückte Überfall des Synagogenobersten 1. Eines Tages kam der schon bekannte Synagogenoberste mit seinen Pharisäern und Schriftgelehrten zu Matthias und verlangte mit Mir zu reden, da er erfahren habe, daß Ich Mich mit Meinen Jüngern abermals allhier aufhalte. Denn er habe aus Jerusalem die strengsten Befehle erhalten, sich über diesen Nazaräer genauest zu erkundigen, was er tue, und welches Wesen er nun treibe. Ja, er solle ihn sogar aufgreifen und entweder tot oder lebendig nach Jerusalem einliefern. 2. Da sagte Matthias: „Herr, Er wohnt bei mir; aber ich rate dir nicht, Ihn irgend anzugreifen – denn da bist du samt allen deinen Helfern total verloren!“ 3. Sagte der Oberste: „Vergiß du nie, daß sein Zauber die hochgeweihten Priester nicht anzugreifen vermag!“ 4. Sagte Matthias: „Gut, – da in diesem großen Zimmer weilt Er mit allen Seinen Jüngern und hält eben Sein Mittagsmahl! Gehe hinein und rede selbst mit Ihm!“ 5. Da ging der Oberste an die zugemachte Tür und pochte ganz gewaltig an. 6. Und Ich sagte zum Riesen: „Laß ihn herein, und rede du ganz allein mit ihm; denn aus Meinem Munde ist er keines Wortes wert!“ 7. Hier machte der Riese die Tür auf und donnerte dem Obersten entgegen: „Nur herein, ihr allerelendsten Wichte und Schurken! Eure schöne Absicht ist uns schon lange bekannt, und wir sind eben darum hierhergekommen, um sie aus eurem Drachenmund zu vernehmen. Also herein, ihr wilden Nacht- und Sumpfbestien, und redet, auf daß das Gericht nicht solange aufgehalten wird, euch nach Verdienst zu zermalmen!“ 8. Diese Anrede machte auf den Obersten und auf seine Konsorten einen derartigen Eindruck, daß sie zu beben anfingen und keiner imstande war, auch nur einige Worte zu stammeln. Sie hielten den Riesen für einen römischen Vizediktator, der – vom Kaiser mit allen Machtvollkommenheiten ausgestattet – nun alle Juden über die Klinge werde springen lassen. Als nun diese Besucher voll Furcht und Schrecken vor der geöffneten Türe standen, da fingen die Hintersten an, stark Miene zum Durchgehen zu machen. 9. Da herrschte der Riese mit sehr gewaltiger Donnerstimme dem Wirte zu: „Schließe alle Türen fest ab, auf daß mir keine von diesen Menschenbestien entkommen kann!“ 10. Als der Riese noch kaum diese Sentenz ausgedonnert hatte, da hatte der Wirt lange nicht Zeit zur Genüge, die Türen abzuschließen; denn diese Sentenz hatte den Forschern die Füße außerordentlich beflügelt, so daß sie Hals über Kopf davonrannten. 11. Aber der Riese sprang dem Obersten nach und hatte ihn gleich beim Rocke, hob ihn wie eine Feder in die Luft und fragte ihn da, was er gewollt habe. 12. Der Oberste aber sagte, bebend und schlotternd: „Herr, Herr, ich wollte nur laut Auftrag von Jerusalem aus mit dem gewissen Propheten reden, und da kamst du, Allerfürchterlichster, mir, dem Obersten der Synagoge von hier, gar so erschrecklich entgegen, – und so konnte ich mit ihm nichts reden!“ 13. Sagte der Riese: „Elendester Schurke, du bist es auch ewig nimmer wert, dich diesem wahrsten Gottmenschen nur auf zehntausend Schritte zu nahen, geschweige mit Ihm zu reden! Ich weiß um alles, was die elendsten Schurken in Jerusalem und du und deine bösesten Helfershelfer wider den erhabensten Gottmenschen haben. Wehe euch, so ihr es je wagen solltet, Ihn anzurühren mit euren Beelzebubsklauen! Da sollet ihr den großen Römer kennen lernen!“ – Hierauf setzte er den Obersten wieder auf den Erdboden und sagte darauf noch zu ihm: „Hat denn dieser reinste und allmächtige Gottmensch bei euch hier noch keine Zeichen gewirkt, auf daß ihr hättet glauben können, daß Er ganz derselbe Messias ist, den alle eure Propheten vorausgesagt haben, daß Er genau um diese Zeit und in diesem Lande in die Welt kommen und die Menschen vom ewigen Tode erlösen werde? Rede, Elender!“ 14. Sagte der Oberste: „Freilich wohl hat er nur schon zu viele Zeichen gewirkt, darum ihm alles Volk nachrennt und uns, den alten Priestern, die wir auch von Gott eingesetzt sind, den Rücken kehrt, und darin liegt eben der Grund, warum ihm die Hohenpriester zu Jerusalem gar so aufsässig sind! Wir aber hängen von Jerusalem ab und müssen tun, was uns Jerusalem vorschreibt.“ 15. Sagte der Riese: „Wie ist es denn aber, daß alle Heiden in den Städten am Euphrat Ihm beinahe bloß Seiner erhabenen Lehre wegen zugefallen sind, und daß die, die Ihm zufielen, auch alsbald mit irgendeiner rein göttlichen Kraft ausgerüstet wurden?! Ein Arzt in der Stadt Serrhe bekam die Wundergabe, alle seine vielen Kranken bloß durch den Glauben an den allmächtigen Namen dieses Gottmenschen also zu heilen – und das in einem Augenblick –, daß darauf der Kranke also gesund dasteht, als hätte ihm nie etwas gefehlt. Ja sogar schon tote Menschen bekommen wieder ein neues Leben und sind darauf so wohl und gesund wie eine muntere Gazelle im Hochgebirge! Wenn das aber die Heiden tun und einsehen können, warum denn ihr Juden nicht, von denen es doch geschrieben steht, daß sie ein auserwähltes Volk Gottes seien? Ich aber sage es dir im Namen des allererhabensten Gottmenschen: Ihr könnet es darum nicht, weil ihr schon von Geburt an Wechselbälge des Beelzebub seid und darum die abgefeimtesten Feinde Gottes. So ihr aber das leugnet, so verdienet ihr nicht mehr, als von diesem Erdboden gänzlich vertilgt zu werden.“ 16. Als der Oberste solches von dem Riesen vernahm, da fing er an, zu bitten und alles Gute zu versprechen. Darauf ließ ihn der Riese unter allerlei Drohungen gehen und kam dann wieder zurück ins Haus. 17. Der Wirt aber war ganz ängstlich darob, weil er die große Rachgier des Obersten kannte. 18. Aber der Riese sagte zu ihm: „Sei du ganz ohne Sorge und vertraue auf die Macht Dessen, der Tote erweckt, Berge versetzt und eherne Götzenbilder durch Seinen Willen vernichtet! Ich sage es dir: hundert Legionen solcher Lumpen fürchte ich allein nicht, geschweige diesen einen!“ 19. Sagte der Wirt, etwas beruhigter: „Ja, ja, du hast ganz recht! Ich für meine Person fürchte sie auch nicht, und ich selbst habe wohl das größte Vertrauen auf den Herrn, den ich schon von Seiner ersten Jugend an kenne, sowie Seine irdischen Eltern, da Er als ein zarter Knabe schon Dinge geleistet hat, die nur Gott allein möglich sind; aber mir ist nur so ein wenig bange um euch, meine allerliebwertesten Gäste, daß ihr darum hier zu Kapernaum von diesen Wichten sollet Unannehmlichkeiten zu bestehen bekommen! Denn ich kenne diese Schurken nur zu gut!“ 20. Sagte der Riese: „Laß sie nur ankommen, und ich allein werde mit ihnen fertig werden! Denn diese Elenden sind es ja doch ewig nicht wert, daß der Herr, der Heiligste von Ewigkeit, sie mit Seinem allmächtigsten Willen hintanhalten und züchtigen solle!“ 21. Darauf kam der Riese wieder zu uns, setzte sich zum Tische und erzählte, wie er gerechten Zornes mit der Heuschrecke Babels verfahren sei. 22. Sagte Ich: „Das war zwar ganz gut, und Ich ließ es zu, daß du mit dem herrschsüchtigen Pharisäer also verfahren mochtest, – aber es hat auch der Wirt recht: Wir werden nun nicht gar zu lange zu warten brauchen, und er wird mit einer Menge bewaffneter Schergen dasein und wird uns alle binden und in ein Gefängnis legen wollen. Was wirst du da tun?“ 23. Sagte der Riese und mit ihm auch seine nicht minder kräftigen neun Brüder: „Herr, da verleihe uns nur ein wenig von Deiner allmächtigen Gnade, und wir werden ihnen ihr arges Handwerk für immer legen!“ 24. Sagte Ich: „Nun gut, versuchet es; aber nehmet niemandem das Leben!“ 25. Hierauf leerte ein jeder seinen Becher, und sie gingen hinaus und stellten sich am Wege auf, ein jeder bewaffnet mit einer wahren Herkuleskeule. Es währte gar nicht lange, da zog schon eine starke Schar von vierzig Lanzenknechten und Schergen heraus, hinter ihnen der Kommandant und der Oberste mit seinen Helfershelfern. 26. Hier glühte der Riese und sagte zu seinen Brüdern: „Lassen wir sie auf zehn Schritte nahe an uns kommen, dann werde ich sie anschreien, daß sie stehenbleiben! Folgen sie, so werden wir reden, – folgen sie nicht, da werden die Keulen geschwungen!“ 27. Nun kamen sie auf die zehn Schritte nahe, und der Riese herrschte sie mit einer eigens furchterregenden Stimme an: „Haltet, oder ihr seid alle des Todes!“ 28. Hier stutzten die römischen Soldaten und blieben stehen. 29. Hierauf fragte sie der Riese: „Was wollt ihr, und wer führte euch hierher?“ 30. Da sagten die Soldaten zu den zehn, die sie als vermeintlich hohe Römer vor sich stehen sahen: „Herr, der Oberste der Synagoge zeigte dem Kommandanten an, daß sich hier böse Volksaufwiegler aufhalten, und diese müssen wir gefangennehmen und ganz unschädlich machen!“ 31. Hierauf donnerte der Riese: „O des elendesten Schurken von einem Obersten! Warte, du sollst den Königssohn vom Kaukasus kennenlernen, der nun ein Römer ist! Weichet, ihr Soldaten, augenblicklich zurück, und strecket eure Lanzen, sonst ergeht es euch übel!“ 32. Diese aber sagten (die Soldaten): „Das können wir nicht; denn hinter uns steht der Hauptmann, der uns befehligt.“ 33. Hier befahl der Riese fünfen seiner Brüder, sich schnell des Obersten, seiner Helfer und des Kommandanten zu bemächtigen, er aber werde die Soldaten auf sich nehmen. 34. Das geschah alles mit Blitzesschnelle. Die Soldaten wurden wie von einem Sturme ins Meer hineingeweht und hatten zu tun, sich durch Schwimmen vor dem Ertrinken zu retten. 35. Währenddem aber nahm der Riese den Obersten vor, packte ihn, hob ihn in die Höhe und sagte: „Elendester Wicht, so hältst du dein gegebenes Wort?! Diesmal kommst du, infamster Lügner, mir nicht mehr so leichten Kaufes aus meiner Hand! Wo sind hier die Volksaufwiegler und Landesverräter? Wir sind so ruhig bei dem Wirte und ruhen hier einige Tage aus, da wir von den weiten Reisen etwas müde geworden sind, und diese schwarze Bestie denunziert uns als Volksaufwiegler und Landesverräter! – Hauptmann, wo ist das Meer am tiefsten, daß ich diesen Elenden hineinschleudere und er dort sicher sein Ende finde?“ 36. Sagte der Hauptmann: „Freund, laß ihn; denn nun weiß ich es schon, um was es sich so ganz eigentlich handelt! Nur den mir über alles teuren Heiland aus Nazareth wollte dieser Hund durch mich fangen lassen! Oh, hätte ich das nur ahnen können, so hätte er von mir ganz andere Dinge erfahren! Nun laß ihn aber nur gehen; das Weitere werde schon ich mit ihm abmachen und werde ihm zeigen, was das heißt, durch falsche und erdichtete Anzeigen einen Römer zu einer elenden Amtshandlung zu vermögen! Dann aber führe mich zum Herrn meines Lebens!“ 37. Hierauf riß der Riese den Obersten noch einmal in die Luft, daß ihm ordentlich das Hören und Sehen verging, und stellte ihn dann ziemlich unsanft auf die Erde. Da eilte dieser mit seinen Helfern davon und schwor bei sich, in seinem ganzen Leben nie mehr eine Bewegung gegen Mich zu unternehmen. Darauf kehrten die zehn mit dem Hauptmann wieder zu Mir ins Haus zurück, nachdem zuvor der Hauptmann den aus dem Wasser gestiegenen Soldaten befohlen hatte, nach Hause zu ziehen. Kapitel 142 Großes Evangelium Johannes, Buch 6 142. — Der Hauptmann wirbt den Riesen und seine Brüder für Rom an. Werke der Liebe sind das wahre Verdienst vor Gott 1. Als der Hauptmann Meiner ansichtig ward, da kamen ihm die Tränen, so daß er vor Freude kaum reden konnte. Er bat Mich um Vergebung, daß er solches gegen Mich unternehmen konnte. 2. Ich aber beruhigte ihn und sagte: „Wer etwas tut und weiß nicht darum, daß er sündigt, der hat keine Sünde, und somit auch du nicht! Aber der Oberste ist wahrlich ein elender Wicht; doch von nun an wird er wohl Ruhe haben. Mache darum gegen ihn keine weiteren feindlichen Schritte!“ 3. Dies versprach der Hauptmann und aß und trank mit uns, und Ich Selbst erklärte ihm die Herkunft der zehn, worüber er eine große Freude hatte. Darauf besprach sich der Hauptmann mit den zehn und gab ihnen Winke, wie sie durch ihn, durch den Obersten Kornelius und durch den Oberstatthalter Cyrenius nach Rom kommen könnten und dort sogleich mit hohen Ämtern bekleidet werden würden, in denen sie dann viel Gutes zu wirken vermöchten. 4. Aber die zehn sagten: „Edler Freund und Amtsgenosse unseres Bruders zu Samosata! Dieser Antrag ist zwar sehr löblich und schön, – aber wir sind nun einmal Jünger des allerhöchsten Herrn und Meisters, und das genügt tausendmal als ein hinreichender Grund, demzufolge wir deinen liebfreundlichen Antrag in dieser Zeit durchaus nicht annehmen können. Ja, so wir einmal unsere Lebensschule werden durchgemacht haben, dann kann sich vielleicht dein lieber Antrag auch noch bewerkstelligen lassen!“ 5. Der Hauptmann freute sich sehr über die Offenherzigkeit der zehn und sagte: „Daß ihr da vollkommen recht habt, das liegt klar auf der Hand; aber so ihr schon, wie ich's wahrgenommen habe, in allen Hauptgrundsätzen der Lehre völlig bewandert seid und ganz genau wisset, was ihr zu tun und zu lassen habt, so wäre es meines Erachtens auch an der Zeit, daß ihr unter die Heiden ginget und ihnen gelegenheitlich auch von dem großen Gnadenlichte Gottes mitteiltet, das euch zuteil geworden ist. – Was meinet ihr dazu?“ 6. Sagte der Riese: „Freund, da haben wir für uns gar keine Meinung; wir tun nur, was der Herr und Meister haben will! So wir diesem deinem Antrage nach das unternehmen möchten, was du uns vorgestellet hast, dann möchten wir es am ehesten unseres verwaisten Geburtsortes wegen tun und möchten seinen noch sehr rohen und wilden Bewohnern diese Lehre vom Licht, von der Liebe, vom Geist und vom Leben hinterbringen!“ 7. Sagte endlich Ich: „Ja, ja, da habt ihr ganz recht, und ihr möget darum wohl des Hauptmanns Antrag annehmen! Denn ob ihr euch nun noch länger oder kürzer an Meiner Seite herumtummelt, so gewinnet ihr darum nicht mehr an Licht, Liebe, Geist, Kraft und Leben; das wird euch alles durch die treue Beachtung Meiner Lehre gegeben. Und so ihr bei Gelegenheiten einer höheren Kraft als eines Zeugen der Wahrheit eurer aus Mir geschöpften Weisheit benötigt, so bittet im Herzen Mich darum, und es wird euch gegeben werden, um was ihr euch bittend an Mich gewendet habt! 8. Wenn Ich Selbst aber jüngst wieder diese Erde persönlich werde verlassen haben, dann werde Ich den Heiligen Geist aller Wahrheit über alle Meine getreuen Jünger und Brüder ausgießen. Dieser wird sie dann in alle Wahrheit, Weisheit, Macht und Kraft lenken, leiten, führen und erheben und wird eure Seelen mit dem jenseitigen Geiste der Liebe aus Gott einen und also die Wiedergeburt des Geistes in euch zustande bringen, ohne die es kein wahres und freies, ewiges Leben geben kann, sondern nur ein gebundenes und gerichtetes, das dem wahren, freiesten Leben des Geistes gegenüber ein wahrer Tod ist. 9. Denn wenn ein Mensch nicht frei aus sich lebt, sondern nur so wie eine Maschine durch die Allmacht des göttlichen Willens, so ist er in und für sich tot und ist um kein Haar besser daran als ein Stein, eine Pflanze oder ein unvernünftiges Tier. Wer aber streng nach Meiner Lehre lebt und handelt, der wird auch allersicherst das zu gewärtigen haben, was Ich nicht nur jetzt hier, sondern allenthalben schon gar oft ausgesprochen und verheißen habe. Ob jemand nun hier persönlich mit Mir wandelt oder nicht, so ist das ganz einerlei; im Gegenteile wird der von Gott aus mit noch wohlgefälligeren Augen angesehen werden, der bloß im Geiste – ohne Meine persönliche Gegenwart – treu mit Mir wandelt! 10. Kornelius und Cyrenius aber kennen Mich ganz von Meiner Geburt an. Sie werden euch gut aufnehmen und euch in allem an die Hand gehen.“ 11. Mit dem waren die zehn zufrieden, und sie nahmen den Antrag des Hauptmanns an; nur um das baten sie, daß sie so lange bei Mir bleiben dürften, als Ich etwa hier in Kapernaum verbleiben würde. 12. Da sagte Ich: „Das könnet ihr immer tun, obwohl euch das nicht zu irgendeinem besonderen Verdienste angerechnet wird; denn ein rechtes Verdienst vor Mir hat nur der, der in Meinem Namen Liebe wirkt nach Meiner Lehre. Denn Mir könnet ihr unmöglich etwas Gutes tun, da Ich keines Menschen Dienstes bedarf; und wer Mir auch schon etwas Gutes tut, dem kann Ich's allzeit tausendfach ersetzen, und es kann Mir überhaupt niemand etwas geben, das er nicht zuvor von Mir erhalten hätte. 13. Aber wer aus Liebe zu Mir in Meinem Namen seinem Nächsten etwas Gutes tut, der hat das wahre Verdienst eines Arbeiters auf Meinem Acker vor Mir und wird dafür seinen Lohn ernten. Denn was ihr in Meinem Namen den Armen tun werdet, das werde Ich stets also ansehen, als hättet ihr das Mir getan. Darum möget ihr heute oder morgen von hier abgehen, so werdet ihr Mir deshalb nicht ferner, noch näher stehen als eben jetzt; aber wenn ihr in Meinem Namen den Menschen dieser Erde Gutes erweisen werdet, so werdet ihr Mir im Geiste um vieles näher stehen denn jetzt. 14. Mein Fleisch ist nicht Mein Ich, sondern nur Mein Geist ist Mein wahrstes Ich; mit Meinem Geiste aber bin Ich allenthalben gegenwärtig und wirke in einem fort durch die ganze Unendlichkeit. 15. Was Mein Fleisch allein will, das geschieht nicht, sondern ewig nur das, was Mein Geist will. Wo ihr immer sein möget, da bin auch Ich mitten unter euch, und so ihr wirket in Meinem Namen, da wirke Ich mit und in euch; und so ihr redet in Meinem Namen, da bin Ich es, der euch die Gedanken im Herzen schafft und euch die Worte auf die Zunge legt. 16. Also, ihr könnet euch, so ihr tätig bleibet in Meiner Lehre, von Mir unmöglich je entfernen; nur dann würdet ihr euch von Mir entfernen, so ihr Mein Wort verließet und würdet gleich vielen pure Diener der Welt werden. Allein, das werdet ihr nimmer, und so möget ihr zu jeder Stunde Meine sichtbare Persönlichkeit ohne den geringsten Schaden für eure Seele verlassen!“ 17. Mit dieser Erklärung waren die zehn ganz vollkommen zufrieden und waren dann auch bereit, sogleich mit dem Hauptmanne abzugehen. 18. Darüber hatte der Hauptmann auch eine große Freude, solche Männer für Rom gewonnen zu haben, welche als Krieger dem Kaiser gefallen würden und als treue Bekenner Meiner Lehre überaus wohl imstande sein würden, dieselbe auch den Heiden vielfach beizubringen. Der Hauptmann dankte Mir auch noch ganz besonders dafür und versprach Mir vor allem, für den Riesen dahin zu wirken, daß er schon als ein Hauptmann mit seinen Brüdern nach Rom zum Kaiser gesandt werde. Kapitel 143 Großes Evangelium Johannes, Buch 6 143. — Amt und Ehre. Alles ist Gnade; nur der gute Wille ist Verdienst. Vom Bewußtsein des eigenen Unwertes. (Luk. 17,10) 1. Sagte Ich: „Was das Weltliche betrifft, so geht Mich das nichts an; denn das ist eine Sache des menschlichen Weltverstandes. Sie können weltlich werden, was sich für sie ehrlichermaßen ergeben kann, das kommt bei mir zu gar keinem Ansehen, sondern nur das, was sie wirken werden nach Meiner Lehre und dadurch nach dem Willen Gottes. 2. Das äußere Ansehen der Person hat vor Mir nicht den allergeringsten Wert, wohl aber das Ansehen seines durch Gottes Wort erleuchteten Herzens, das voll Leben ist durch die Liebe zu Gott und durch die Liebe zum Nächsten. Aber so da jemand ein hohes weltliches Amt bekleidet, so ist er dadurch auch in den Stand gesetzt, desto mehr Gutes zu wirken; und tut er das, so wird auch sein Amt vor Mir einen verdienstlichen Wert haben, – aber das hohe Amt für sich gar keinen. 3. Kaiser und Bettler sind vor Mir ganz gleich und haben als das, was sie sind, gar kein Ansehen vor Mir, – sondern nur das hat vor Mir einen Wert, wie sie das sind in Meinem Namen; denn vor Mir gilt an und für sich das weltliche Ansehen gar nichts. Das lasset euch alle wohl und hoch und teuer gesagt sein! 4. Elend sei der, der seinen Nebenmenschen darum für gering achtet, weil er selbst ein hohes weltliches Amt bekleidet! Das Amt soll ein wohlrespektiertes Ansehen haben und der Beamte nur insoweit, als er ein Amt vorstellt; aber der Beamte tue sich darauf ja nichts zugute, da er nur ein Diener des Amtes, nicht aber das Amt selbst ist! 5. Ich sagte hier euch dieses nur darum, daß sich niemand irgendeines weltlichen Amtes wegen übernehme; denn wer das tut, der ist nicht mehr in Meiner Liebe, und sein Amt dient ihm dann nicht zu seinem Leben, sondern zu seinem Untergang.“ 6. Da sagten Meine alten Jünger: „Herr, wenn also, da ist es nicht gut, ein Amt zu übernehmen! Wir haben von Dir auch ein Amt übernommen und werden mit der Zeit wahrlich nicht dafür können, so wir dieses Amtes wegen von den Menschen geehrt und irgend als etwas Besseres angesehen werden.“ 7. Sagte Ich: „Daß euch die Menschen darum nicht ehren sollen, dafür habe Ich noch nirgends ein Gebot gegeben; aber so ihr euch darum etwas einbildet, als wäret ihr mehr als die, welche euch ehren, so habt ihr dadurch euren Lohn schon empfangen, und eure Arbeit würde da vor Mir als gar keine und somit auch als ganz unverdienstlich dastehen. 8. Wollt ihr aber als Meine Arbeiter vor Mir als verdienstlich und wohl angesehen dastehen, so saget in euren Herzen, wenn ihr alles auf das gewissenhafteste in Meinem Namen getan habt: ,Herr, wir sind vor Dir faule und unnütze Knechte gewesen!‘ (Luk.17,10). Wenn ihr das lebendig wahr in euch fühlen werdet und einsehen, daß ihr nur freiwillige Diener Meines allein wirkenden Geistes waret, so werde Ich eure Arbeit also ansehen, als hätte Ich Selbst gehandelt, und werde aber euch dafür den gerechten Lohn geben.“ 9. Sagten einige der Jünger: „Herr, wenn so, da sind wir Dir ja ganz entbehrlich; denn Du hast die Macht ja ohnehin, ohne unsere Mithilfe alles Selbst zu tun! Können wir aus uns selbst nichts tun und müssen wir uns stets denken, daß alles, was wir sogar mit der Aufopferung unseres Lebens in Deinem Namen tun, nur Du allein tuest und wir somit nichts als Deine blinden Werkzeuge sind, so können wir vor Dir ja doch unmöglich irgendeinen Verdienstlohn beanspruchen! Welches Verdienst kann denn ein toter Webstuhl vor dem Weber haben, den dieser nur benutzt, um darauf seine Leinwand bequemer zu verfertigen?“ 10. Sagte Ich: „Der Webstuhl hat keinen freien Willen; ihr aber habt einen solchen und könnet ganz frei tun, was ihr wollet. So ihr euch denn Meinem erkannten Willen frei unterwerfet und nach demselben handelt, so handelt da ja nicht ihr selbst, sondern Mein Wille in euch, der allein gut ist! Wie habt ihr dann ein Verdienst des Handelns wegen? Seht, da habt ihr kein Verdienst, – aber wohl darin, daß ihr euren bösen Weltwillen Meinem allein guten Willen untergeordnet habt und dadurch mit Mir eins geworden seid durch die Hilfe eures Glaubens. 11. Wahrlich, Ich sage euch: Ohne Mich könnet ihr nichts Verdienstliches tun zum ewigen Leben! (Joh.15,5). So ihr das anerkennet in euren Herzen, dann erst seid ihr Meine wahren Jünger – und noch mehr: dadurch seid ihr auch Meine rechten Brüder im Geiste Gottes!“ 12. Da sagten wieder einige Jünger: „Das ist wohl alles sehr schön und auch sehr weise geredet; aber wir gestehen es offen, daß alles das etwas hart und auch eben nicht sehr verständlich klingt. Denn mit der eigentlichen Freiheit des eigenen Willens sieht es da nicht sehr günstig aus! Und so man etwas Gutes getan hat, so geht das den freiwilligen Guttäter gar nichts an; für die Tat hat er keinen Lohn zu erwarten, sondern nur dafür, daß er sich freiwillig dem erkannten göttlichen Willen als Werkzeug dargeliehen hatte. Das ist sehr sonderbar! Der Mensch ist und bleibt demnach dennoch nichts anderes als ein Werkzeug der göttlichen Allmacht und ist in und für sich ewig ein pures Nichts. Wahrlich, bei solch einer Lehre könnten sogar wir, die wir schon soviel von Dir gehört und gesehen haben, in unserem Glauben schwach werden!“ 13. Hier aber sagte der Riese: „Liebe Freunde, dieser Meinung bin ich als ein jüngster Jünger dieses Meisters und Gottmenschen nicht! Was ist denn mit einem Kinde, in welchem sich oft auch schon gar früh ein böser Wille kundgibt? Muß es nicht dem weisen Willen seiner Eltern gehorchen und seinen Willen am Ende nur dazu gebrauchen, allein das zu tun, was seine Eltern wollen? Und hat es sich mit der Zeit stets mehr und mehr in dem Willen seiner Eltern zurechtgefunden, so wird es dann selbst weise, weiß dann, was recht und gut ist und verabscheut aus sich selbst das Böse, Falsche und Ungerechte. Es kommt dadurch erst zum wahren Selbstbewußtsein und zur wahren, vernunftgemäßen Selbständigkeit. Würde das Kind aber je dazu gelangt sein, so es nicht der weisen Eltern Willen zu dem seinigen gemacht hätte?! 14. Und so können auch wir Menschen erst dann zum wahren Selbstbewußtsein und zur wahren Lebensselbständigkeit gelangen, so wir durch unseren freiwilligen Gehorsam den uns geoffenbarten göttlichen Willen ganz zu dem unsrigen machen; denn in dem göttlichen Willen muß doch offenbar deshalb auch die höchste Freiheit walten, weil Gott Selbst das weiseste und somit freieste Wesen ist. Und so wir je irgendeinen Anspruch auf eine wahre Lebensfreiheit machen wollen, so können wir diese nur dadurch erreichen, daß wir als ganz eins mit Ihm denken, fühlen und wollen und dann auch völlig also handeln. – Habe ich recht oder nicht?“ 15. Sagten die Jünger: „Ja, ja, in dieser Hinsicht hast du wohl recht, und wir können dich darum nur loben! Aber das ist denn auch eben nicht unwahr, daß am Ende doch ein jeder Mensch mit dem Gesichte, das er bekommen hat, völlig zufrieden sein muß; denn es würde ihm bei aller seiner Unzufriedenheit kein anderes gegeben werden. Und kurz und gut, alle Ehre der großen Weisheit, Macht und Güte unseres Herrn und Meisters, – aber darum wird aus einem Menschen doch nie ein freier Gott und aus Gott nie ein beschränkter Mensch! Und damit haben wir viel und alles gesagt; denn daß der Mensch mit seinen ohnehin höchst beschränkten Kräften alles tun und am Ende noch bei sich sagen soll – und das sogar in seiner innern vollstlebendigen Überzeugung –, daß er gar nichts getan habe und nur ein sträflich fauler und unnützer Knecht war, das ist ein so sonderbares Verlangen, wie ein ähnliches auf dieser Erde noch nie erhört worden ist! 16. Ein weiser Vater wird seine Kinder nur loben, wenn sie auf seinen Feldern fleißig gearbeitet haben; hier aber wird davon nicht nur gar keine Erwähnung gemacht, sondern noch verlangt, daß man darob, so man alles mit dem größten Eifer getan hat, sich selbst noch obendrauf über ein Aas verachten soll. Ah, das geht denn doch wohl nicht an! Wie kann denn ein Mensch da je zu einer guten Handlung einen Eifer bekommen, so er sich der guten Handlung wegen selbst verachten soll?! Ja, der Mensch soll sich selbst verachten und verabscheuen einer Sünde wegen, die er irgend leichtsinnigermaßen begangen hat, – aber einer guten Handlung wegen nicht! Da muß er nur eine rechte Freude daran haben und seinem Gemüte selbst ein erhebendes Lob bei sich selbst im stillen erteilen und in seinem Gewissen beruhigt sein, auch dann, so ihn der guten Tat wegen die ganze Welt verachten würde! Aber sich selbst dafür noch verachten und mit sich im höchsten Grade unzufrieden sein, so man alles mit allem möglichen Eifer getan hat, was man nur immer als dem göttlichen Willen gemäß für gut und recht erkannt hat, das ist wahrlich zu viel von dem ohnehin schwachen Menschen verlangt! 17. Herr, da bitten wir Dich um eine nähere Erklärung, sonst gehen auch wir gleich denen, die schon früher gegangen sind! Du kamst zu uns, und wir sind Dir gefolgt auf Deinen Ruf und haben Dir allzeit alles geglaubt; aber das glauben wir Dir einmal nicht also, wie wir es verstehen und einsehen, – und das darum, weil es nicht leicht anders einzusehen und zu verstehen ist!“ Kapitel 144 Großes Evangelium Johannes, Buch 6 144. — Die Abhängigkeit des menschlichen Wirkens von Gottes Gnade 1. Sagte Ich in einem ganz gemütlich ernsten Tone: „Es ist wahrlich nicht sehr löblich von euch, hier auf einmal also aufzutreten! Gibt es denn noch irgend ein Leben, eine Kraft und eine Macht außer Gott? Gott aber will euch möglichst frei und selbständig lebend machen für ewig und zeigt euch, wie ihr es anzufangen habt, um euch ein gottähnliches, freiestes und völlig selbständiges Leben eigen zu machen. Warum ärgert euch dann solche Liebe Gottes zu euch?! 2. Ist denn das eigene Naturmittelleben irgend etwas anderes als nur der Arm, mit dem ihr das wahre Gottesleben an euch ziehen könnet? Wenn aber also, da hat es an und für sich ja doch keinen andern Wert als eben den nur, der ihm von Gott aus bestimmt ist. 3. So ihr aber nun nur noch als naturlebende Menschen handelt und in solchem Handeln eure eigene Ehre suchet, so ihr euch selbst das gute Zeugnis gebt, da seid ihr gleich dem im Tempel sich vor Gott rechtfertigenden Pharisäer und saget auch: ,Herr, ich danke Dir, daß ich nicht bin wie viele andere, daß ich das Gesetz hielt vom ersten bis zum letzten Buchstaben und alles genau erfüllt habe, was Moses und die Propheten vorgeschrieben haben!‘ Ich habe euch dieses Gleichnis zwar schon einmal gegeben, – aber ihr habt es vergessen! Hättet ihr es behalten, so wüßtet ihr auch, daß da nicht der Pharisäer, sondern nur der sich vor Gott sehr demütigende Zöllner gerechtfertigt den Tempel verließ. 4. So ihr saget: ,Wir haben dieses und jenes Gute gewirkt!‘, da lüget ihr erstens euch selbst, dann Gott und auch eure Nächsten an, weil kein Mensch aus sich etwas Gutes zu wirken vermag, und das darum, weil erstens schon sein Naturleben nur ein von Gott ihm gegebenes ist – und zweitens aber auch die Lehre, nach der er zu leben und zu handeln hat. Wenn ein Mensch das nicht einsieht und begreift, so ist er für sich auch soviel wie nichts, und es ist bei ihm von einer Selbständigkeit noch lange keine Rede, weil er zwischen seinem eigenen Wirken und dem Wirken Gottes in ihm und durch ihn noch nicht unterscheidet und beides als ein und dasselbe fühlt und betrachtet; nur dann erst tritt der Mensch in den Kreis der Lebensselbständigkeit, so er es wahrnimmt, daß sein eigenes Lebenswirken ein eitel nichtiges ist und nur das göttliche Wirken in ihm allein gut ist. 5. Sieht der Mensch das ein, so wird er sich auch sicher stets mehr und mehr bestreben, sein eigenes Wirken mit dem wohlerkannten göttlichen zu vereinen und sich so nach und nach völlig mit der Lebenskraft Gottes in ihm zu einen, durch welches Einen der Mensch dann erst zur wahren Lebensselbständigkeit gelangt, da er dann weiß und klar einsieht, daß das göttliche, früher wie ein fremdes Wirken also nun zu seinem eigenen geworden ist durch die Demut vor Gott und durch die rechte Liebe zu Gott. Und darin liegt der eigentliche Grund, warum Ich vorhin zu euch gesagt habe: Und so ihr auch alles getan habt, so saget und bekennet dennoch: ,Herr, nur Du hast das alles getan; wir aber waren aus unserem Selbstischen nur faule und unnütze Knechte!‘ (Luk.17,10). 6. So ihr das in euch selbst wohlerkenntlich saget, da wird euch die Gotteskraft unter die Arme greifen und wird euch vollenden; wenn ihr das aber nicht wohleinsichtlich in euch selbst bekennet und dafür nur euch selbst auf den Altar der Ehre erhebet, da ihr euch als selbst stark fühlet, da wird euch die Kraft Gottes nicht unter die Arme greifen und eure höchst mühsame Lebensvollendung euch selbst anheimstellen, und es wird sich dann bald zeigen, wieweit ihr mit eurer eigenen Kraft ausreichen werdet. Und darum sagte Ich euch denn auch, daß ihr ohne Mich nichts Verdienstliches und Endzweckliches tun könnet. (Joh.18,5). Und so Ich euch nichts vorenthalte, was zur Gewinnung des wahren, freiesten und völlig selbständigen Lebens eurer Seele unerläßlich notwendig ist, warum ärgert euch dann solche Meine sorgliche und weise Mühe um euch?“ 7. Sagte Andreas: „Das ärgert uns wahrlich nicht; aber das ist uns eben nicht zu angenehm, wenn Du dann und wann gelegenheitlich mit irgend etwas Neuem zum Vorscheine kommst, das irgendeinem schon früher Gegebenen ganz entgegenzustehen scheint, und wenn Du uns dann keine weitere Erklärung darüber frei aus Dir Selbst gibst, sondern es zumeist darauf ankommen lässest, daß wir Dich darum angehen müssen. Das mußt Du mit Deiner wahren Allwissenheit ja doch wohl einsehen, was wir einsehen und begreifen können! Denn es ist eben nichts Angenehmes, Dich um eine nähere Erklärung zu bitten, weil man von Dir dann stets einen nicht sehr wohltuenden Verweis bekommt. Wenn Du uns in der Folge wieder etwas Neues lehren willst, so gib uns auch gleich das rechte Licht dazu, auf daß wir dann nicht nötig haben, Dich mit allerlei Fragen zu belästigen! Du bist sonst höchst gut – was wir alle nur zu klar einsehen –; aber im Lehren bist Du dann und wann ganz unverdaulich! 8. Ich und wir alle wissen und glauben, daß Du des lebendigen Gottes Sohn bist, und daß die Gottheit in aller Ihrer Fülle wie körperlich in Dir wohnt; aber das hindert mich gar nicht, Dir allzeit ganz offen zu sagen, wo es uns irgend drückt, wenn Du den Druck bei Dir Selbst oft nicht merken willst. Denn wir sind Menschen, solange wir leben, und fühlen allerlei Druck; und da das der sichere Fall ist, so muß es uns denn auch freigestellt sein, uns auch Gott gegenüber äußern zu dürfen, wo es uns drückt und schmerzt. Will Gott uns helfen, so wird Er wohl daran tun, – und will Er das nicht, so muß Er sich's gefallen lassen, daß wir Ihm so lange vorjammern werden, solange Er uns in diesem Jammerleben lassen wird. – Das verstehen wir nun alle ganz gut und werden es auch getreu befolgen; aber für die Folge gib uns keine Lehre ohne Erklärung mehr!“ 9. Sagte Ich: „Brüder, was Ich tue, davon weiß Ich wohl den Grund, warum Ich dieses und jenes also tue; aber was ihr tut und redet, davon sehet ihr den Grund noch gar lange nicht ein! Aber es wird auch einmal die Zeit kommen, in der auch ihr den Grund alles des von Mir Gelehrten und Getanen einsehen werdet.“ 10. Doch nun gut von allem dem! Denn es kommt die Zeit, wo uns die zehn Neujünger verlassen werden, und es ist da notwendig, ihnen noch eine eigene Stärkung auf ihren Weg mitzugeben, auf daß sie tüchtig werden, für euch die Wege auch in einem andern Weltteile vorzubereiten; denn zu diesem guten Zwecke haben sie der Kenntnisse in Meiner neuen Lebenslehre zur Genüge.“ 11. Hierauf sagte Ich zu den zehn: „Auf daß ihr als Menschen heidnischer Abkunft den andern Heiden ein vollgültiges Zeugnis von Mir dahin ablegen könnet, daß Ich, der euch zu ihnen gesandt hat, Der bin, als den ihr Mich habt kennen lernen, so erteile Ich euch die Gabe, alle Kranken zu heilen, gleichwie Ich dem Arzte in Chotinodora und dem in Serrhe die gleiche Gabe erteilt habe. 12. Leget den Kranken die Hände in Meinem Namen auf, und es wird mit ihnen sogleich besser werden, und sie werden euren Worten glauben! Und nun brauchet ihr vorderhand nichts mehr; wenn Ich aber aufgefahren sein werde dahin, von wannen Ich gekommen bin, da wird der von Mir über euch ausgegossene Geist euch schon in alle weitere Wahrheit und Weisheit leiten. Es sei und es geschehe also!“ 13. Dafür dankten Mir die zehn über alle Maßen, und der Hauptmann hatte darüber eine übergroße Freude und fragte Mich, wie lange Ich Mich noch an diesem Orte aufhalten werde. 14. Und Ich sagte: „Das, Freund, hängt von den Umständen und von dem Willen Dessen ab, der Mich in diese Welt gesandt hat; denn auch Ich, als purer Mensch für Mich, muß Mich streng nach dem richten, was der Vater im Himmel Mir auferlegt! Es ist zwar alles auch Mein, was da ist des Vaters, und Ich und der Vater sind im Grunde des Grundes eins, – aber dennoch stehet in Mir Selbst die Liebe höher als ihr Licht, die Weisheit. Darum kann auch Meine Weisheit Meiner Liebe keine Gesetze geben, sondern nur umgekehrt. Du wirst es aber schon noch erfahren, wie lange Ich noch hier verweilen werde.“ 15. Hierauf dankte Mir der Hauptmann, erhob sich dann und ging mit den zehn nach Hause, allwo noch einige Geschäfte seiner harrten. 16. Diesen Nachmittag blieben sie bei ihm; am nächsten Morgen aber sandte er sie mit guten Führern und besonderen Empfehlungen nach Sidon an den Cyrenius ab, der sich bei ihrer Ankunft vor lauter Freude gar nicht zu helfen wußte, als er vernahm, daß sie bei Mir gewesen waren und Meine Lehre angenommen hatten. Er behielt sie über einen Monat lang bei sich und beförderte sie mit guter und sicherer Gelegenheit nach Rom, wo sie vom Kaiser abermals sehr gut aufgenommen und auch alsbald mit hohen militärischen Ämtern bekleidet wurden, und wo der Riese sogar in dem Palaste des Kaisers als dessen Leibwächter eine längere Zeit verblieb und viel Gutes stiftete, da der Kaiser sich oft und gern in geheimsten Dingen bei ihm Rat holte. Kapitel 145 Großes Evangelium Johannes, Buch 6 145. — Die Vorwürfe und Zweifel der Jünger 1. Ich aber verblieb mit den Jüngern den ganzen Tag über im Hause des Matthias und erzählte ihm vieles, was Mir alles auf dieser Reise von mehreren Wochen begegnet ist, was den Wirt in hohem Grade interessierte. Die Jünger aber gingen für sich ins Freie – bis auf den Johannes und Matthäus, die bis zum Abend hin ihre Aufzeichnungen ordneten und in einen größeren Zusammenhang brachten. Auch die zwanzig Judgriechen gingen für sich ins Freie und weideten sich an dem Anblick des sehr belebten und bewegten Meeres. 2. Erst spät am Abend kehrten alle die Jünger wieder ins Haus zurück, als das Abendmahl schon eine Zeitlang bereitet war. Wir nahmen das Nachtmahl in aller Stille ein und begaben uns darauf bald zur Ruhe. Wir brachten dann noch etliche Tage allda zu und beschäftigten uns mit allerlei guten und nützlichen Dingen. 3. Der Hauptmann selbst war alle Tage bei Mir, und Ich heilte mehrere von ihm Mir genannte Kranke bloß durch Mein Wort. Darüber ärgerten sich heimlich etliche Meiner alten Jünger, weil Ich das alles Selbst tat und nicht sie dazu beorderte, daß sie das täten in Meinem Namen, was nach ihrer Meinung Meiner Lehre ein größeres Zeugnis geben würde, als so Ich Selbst in einem fort Zeichen wirke, die wohl für Mich Selbst ein Zeugnis wären, der Ich als ein göttlicher Meister dastehe, aber für die Wirkung Meiner Lehre auch bei Meinen Jüngern nahe gar kein besonderes Zeugnis abgäben, weil die Leute sagten: ,Jetzt ziehen diese schon so lange mit Ihm umher und haben noch wenig gelernt, da sie beinahe gar nichts vermögen!‘ 4. Ich sagte aber zu ihnen: „Meine Freunde und Brüder! Es wird die Zeit auch an euch kommen, in der ihr in Meinem Namen Zeichen wirken werdet; aber jetzt ist sie noch nicht da. Ich habe aber den meisten von euch auch dieselbe Kraft verliehen, Kranke jeder Art zu heilen, und ihr habt sie auch geheilt, und dieselbe Kraft ist euch noch eigen bis auf einen, der sich dafür bezahlen ließ. Aber so ihr bei Mir seid, da ist es wohl nicht nötig, daß ihr in Meiner Gegenwart Zeichen wirkt; wo es aber nötig ist, da lasse Ich auch euch ganz besondere Zeichen wirken. Was wollet ihr denn noch mehr?! Ich bin noch nicht aufgefahren dahin, von wannen Ich gekommen bin, zu Meinem Gott und zu eurem Gott, und habe über euch noch nicht ausgegossen den heiligen Geist Gottes, der euch leiten wird in alle Wahrheit und Weisheit. Darum geduldet euch bis dahin, – danach werdet auch ihr das tun, was Ich nun tue! – Seid ihr damit nicht zufrieden?“ 5. Sagte nun Thomas: „Herr, damit sind wir wohl zufrieden; aber eines begreifen wir an Dir noch immer nicht! Sieh, bei den Heiden hast Du Dich in Deinem Zeichenwirken wahrlich nahezu Selbst übertroffen! Der Heiden Tempel und Götzen hast Du auf einen Wink vernichtet, und die starrsten Priester haben sich Dir wie Lämmer gefügt; warum tust Du das gleiche nicht auch in Juda? Die Templer wären schon lange Deine Jünger, wenn Du ihnen den Tempel mit derselben Leichtigkeit hinweggehaucht hättest, wie Du den Heiden am Euphrat ihre Götzen hinweggehaucht hast! Tue das auch in Judäa, und Deine Lehre ist geborgen!“ 6. Sagte Ich: „Ihr redet, was ihr verstehet, und Ich rede, was Ich weiß vom Vater aus, und was Ich auch also gar wohl verstehe! Ihr wisset nicht den Grund, warum dieses und jenes geschehen muß, um diesen und jenen Zweck sicher zu erreichen; Ich aber weiß es nur zu klar und genau, warum dieses und jenes geschehen muß, um diesen und jenen Zweck bestimmtest zu erreichen. Darum ist es wahrlich nicht fein von euch, so ihr Mir nun vorschreiben wollet, was Ich tun soll! Ich habe euch aber schon bei verschiedenen Gelegenheiten klar auseinandergesetzt, warum Ich dies und jenes tue, und warum nun die Verhältnisse der Menschen zu Gott auf einem gar so schlechten und finsteren Boden stehen, und warum es sogar geschehen wird, daß dieser Mein Leib in Jerusalem getötet werden wird. 7. Aber ihr merket euch nichts und denket auch nie tiefer darüber nach, so daß Mein Wort in euch nie völlig die rechten Wurzeln greifen und schlagen kann; und sehet, eben aus diesem Grunde ist euer Glaube an Mich bei euch noch lange kein lebendiger, und ihr seid denn auch eben darum nicht tauglich und fähig, Zeichen zu wirken, aus denen die Menschen ersehen würden, daß ihr wahrhaft Meine Jünger seid! – Warum merket ihr euch denn sowenig nur und denket auch gar sowenig darüber nach?“ 8. Sagte abermals Thomas: „Herr, stärke unser Gedächtnis, und wir werden dann auch alles sicher behalten und darüber nachdenken, was wir alles aus Deinem Munde vernehmen!“ 9. Sagte darauf Ich: „Das habe Ich ohnehin insoweit getan, als es möglich war, weiter, als es eure Natur verträgt, aber geht das nicht. Wenn aber der Geist über euch kommen wird, dann wird er euch ohnehin in alle Weisheit leiten, und ihr werdet dann hinfort eures irdischen Gedächtnisses nicht mehr bedürfen. Aber der Bildung der Seele wegen ist dem Menschen auch ein irdisches Gedächtnis gegeben, das bei einem recht festen Willen stark genug ist, sich eine zahllose Menge von Worten, Wahrheiten und Taten zu merken; nur wenn ein Mensch über allerlei Dinge und Vorkommnisse ganz gleichgültig hinweggeht, so bleiben sie ihm auch sicher nicht im Gehirne haften, wovon Ich euch den Grund bei Cäsarea Philippi klar und deutlich gezeigt habe. Denket darüber nach, und ihr werdet ihn schon finden!“ 10. Auf diese Meine Rede sagte kein Jünger mehr etwas, und Ich redete dann mit dem Hauptmanne, der diese Tage stets anwesend war, so manches, was ihm nun in dieser Zeit so manche Verhältnisse in der Welt aufhellte. 11. Die Jünger aber unterhielten sich in ihrer Art und machten gegenseitig allerlei Betrachtungen. Einige behaupteten, daß Gott in Seiner Macht denn auch beschränkt sein müsse, weil Er Sich bei allem, was Er hervorbringen wolle, auch auf gewisse Bedingungen sowohl der Zeit als auch der Beschaffenheit nach binden müsse, ohne die Er so manches gar nicht effektuieren könnte. Andere sagten wieder, solches tue Gott nicht um Seiner Selbst willen, sondern der Geschöpfe wegen, um ihnen diejenige Konsistenz zu geben, durch welche sie für die Ewigkeit gediegen und beständig werden. Zudem müsse Ihm das eine eigene Seligkeit bereiten, so Er Seine Werke in einer bestimmten Ordnung, die Er Selbst gestellt habe, erst so nach und nach zu Sich emporreifen sehe. Daß aber Gott durch die Allmacht Seines Willens auch momentan etwas bewirken könne, dafür hätte Ich ihnen schon gar sehr viele Beweise geliefert. 12. Da wurden wieder Gegenbemerkungen gemacht, – kurz und gut, es ward dadurch der Glaube selbst bei dem größten Teile Meiner Jünger etwas wankend gemacht, und einige behaupteten, daß Ich etwa doch nicht mehr sei als ein großer Prophet, etwa Moses oder Elias ähnlich, bei denen es an den großartigsten Zeichen auch niemals gemangelt habe. Mit dergleichen Betrachtungen und Vergleichen kam der Abend, und wir begaben uns nach dem Abendmahle wieder zur Ruhe. Kapitel 146 Großes Evangelium Johannes, Buch 6 146. — Die unzufriedenen Jünger ziehen allein nach Jerusalem zum Laubhüttenfest; der Herr folgt heimlich nach (Ev. Joh. 7,2-13) 1. Am Morgen aber kamen schon viele Juden von allen Gegenden, die hinter Kapernaum sich befanden, daher, um zu Schiff übers Meer nach Jerusalem zu ziehen, weil das Laubrüstfest der Juden ganz nahe herbeigekommen war. (Joh.7,2) Es waren auch zu dem Behufe von allen Seiten und Gegenden des Meeres Schiffe hierher gekommen, um die vielen Wallfahrer über das Meer zu befördern. 2. Ich aber ging nach dem Morgenmahle mit allen Jüngern auch hinaus an das Meer, und wir besahen uns die Schiffe und die vielen Wallfahrer. 3. Und es kam bald auch der Hauptmann zu Mir und sagte: „Herr, wie gefallen Dir denn diese vielen blinden Narren? Dorthin gehen sie mit vielen Unkosten und mit vieler Mühe Den suchen, der ihnen hier gar so nahe wäre!“ 4. Sagte Ich: „Lassen wir das, es wird schon noch auch für sie die Zeit der Erkenntnis kommen! Aber doch ziehen auch mehrere Meinetwegen hinauf nach Jerusalem, weil sie der Meinung sind, Mich daselbst anzutreffen.“ 5. Als die Jünger, die nun auch die altgewohnte Reiselust anwandelte, das von Mir vernahmen, da sagten sie ganz laut zu Mir: „So mache Dich denn auf von dannen nach Jerusalem hin, und gehe dann auch wieder in Judäa umher, auf daß Deine dortigen vielen Jünger auch die Werke sehen, die Du tust. (Joh.7,3) Es tut aber niemand etwas im Verborgenen, von dem er will, daß es vor aller Welt offenbar werde; da Du aber das auch willst und auch danach tust und wirkest, so offenbare Dich nun auch vor der Welt!“ (Joh.7,4) 6. Die Brüder aber redeten nun deshalb also, weil ihr Glaube an Mich ganz schwach geworden war. (Joh.7,5) 7. Da fragt freilich so mancher, wie das bei den vielen Zeichen und Lehren wohl möglich war. Oh, das ist bei jedem Menschen gar leicht möglich! Er darf sich nur irgend ein wenig überheben und sich auf seine Fähigkeiten etwas einzubilden anfangen, und seine Seele befindet sich dann sogleich in einem zweifelhaften Dunkel, aus dem ihr nur irgendeine kleine Demütigung helfen kann. 8. Und das war denn auch hier bei den Brüdern der Fall, aus welchem Grunde Ich ihnen auch keine Rüge gab, sondern nur sagte: „Ihr habt da ganz leicht reden! Meine Zeit ist noch nicht da, – eure Zeit aber ist allewege! (Joh.7,6) Die Welt kann euch nicht hassen, da ihr bis jetzt noch nicht irgend offen wider sie gezeugt habt, daß ihre Werke böse sind; darum habt ihr auch noch allerwege eine freie Zeit und einen gefahrlosen Weg. Mich aber haßt die Welt allewege, weil Ich offen zeuge, daß ihre Werke böse sind.“ (Joh.7,7) 9. „So ihr alle aber schon so festdurstig seid, so gehet ihr allein hinauf auf dieses Fest! Ich aber will noch nicht hinaufgehen auf dieses Fest; denn Meine Zeit ist noch nicht erfüllt.“ (Joh.7,8) 10. Da sahen die Brüder einander an und wußten nicht, wie sie daran waren. 11. Einer sagte: „Gehen wir hinauf! Wegen 4-5 Tagen unseres Ausbleibens wird es nicht aus sein!“ 12. Einige wieder meinten, daß Ich so etwas etwa doch übel aufnehmen und unterdessen irgendwohin gehen könnte, wo Ich nicht leicht wieder aufzufinden wäre; denn ihre Absicht war nicht, Mich zu verlassen. Wieder andere meinten, es wäre doch rätlich, hinaufzugehen, da man daselbst bei dieser Gelegenheit vieles vernehmen könnte, was jetzt so die Menschen über Mich redeten. Bei dieser Meinung kamen alle überein und beschlossen, ganz allein zum Feste hinaufzugehen. 13. Es kam aber gerade das Schiff des Simon Juda (Petrus) an, und er trat zu Mir hin und sagte (Petrus): „Herr, so lasse uns denn allein hinaufziehen! In längstens fünf Tagen sind wir wieder hier!“ 14. Da sagte Ich: „Ich habe es euch schon gesagt, was ihr zu tun habt, und so ziehet denn alle hinauf!“ 15. Als Ich solches zu ihm gesagt hatte, da bestiegen sie alsbald das Schiff und fuhren ab. Ich aber verblieb noch hier in Galiläa. (Joh.7,9) 16. Als aber alle die Brüder schon mehr als den halben Wasserweg hinter sich hatten, da wandelte sie plötzlich eine große Trauer und Reue an, so daß sie wieder umkehren wollten, um Mich um Vergebung zu bitten für die schnöden Reden, mit denen sie Mir entgegengekommen waren. 17. Und Petrus sagte laut: „Herr, Herr, welcher Teufel hat uns denn diesmal gar so verrückt, daß wir Dich verlassen konnten? Oh, lasse Dich nur noch einmal wiederfinden von uns, Du ewiger Sohn und Vater in einer Person, und wir werden Dich nimmer also verlassen!“ 18. Johannes und Matthäus weinten und drangen ordentlich auf die Rückfahrt; aber es erhob sich ein starker Wind gerade hinter ihrem Rücken und trieb das Schiff mit großer Schnelle an das obere Ufer hinter Tiberias, wo der Jordan das Meer verläßt. Als sie da ans Land gestiegen waren, fühlten sie sich so verlassen, daß sie kaum den Mut hatten, den Weg nach Jerusalem weiter fortzusetzen. 19. Jakobus aber sagte: „Daß wir alle hoch gefehlt haben, daran liegt gar kein Zweifel; denn der starke Wind, der uns so schnell hierher trieb und sich gerade in dem Augenblick erhob, als wir reuig zu Ihm zurückkehren wollten, war ein sprechender Beweis, daß Er uns für immer von Sich verstoßen hat. Wir dummen und blinden Ochsen wollten Ihm, dem Allweisesten und dem Allmächtigen vorzuschreiben anfangen, was Er tun solle! Oh, wir nun überelenden Toren! Wo ist denn der elendste Satan, der uns also berückt hat? Die elendste Bestie der Bestien trete vor uns, und sie soll erfahren, was das heißt, sich an den Freunden des Herrn zu vergreifen!“ 20. Da erschien ihnen plötzlich eine Lichtgestalt und sagte in einem ganz ernsten Tone zu ihnen: „Eure Beschuldigung trifft den verlorenen Sohn ungerecht; denn euer eigener Übermut hat euch das angetan. Darum klaget euch selbst an, ihr Höchstbegnadeten, und lasset den in Ruhe, der diesmal keinen Teil an eurer Dummheit hat!“ 21. Darauf verschwand die Gestalt, und die Jünger sagten: „Herr, sei uns armen Sündern gnädig und barmherzig!“ 22. Darauf machten sie sich still und ruhig auf den Weg und kamen, schon ziemlich spät am Abend, zu dem schon bekannten Wirt im Tale bei Jerusalem. Als er sie ersah und erkannte, hatte er eine große Freude; aber als er Mich nicht unter den Brüdern fand, ward er sehr bekümmert und fragte die Brüder, warum Ich diesmal nicht mit ihnen gekommen sei. 23. Da sagte Petrus: „Siehe, Freund, wir wollten herauf zu diesem Feste, auf daß uns kein Jude etwas vorhalten könnte also, als wären wir Samariter. Aber der Herr wollte diesmal noch nicht herauf, ließ uns allein ziehen, da unsere Zeit allewege, für Ihn aber die rechte Zeit noch nicht da wäre; und so sind wir nun da. Der Herr Selbst aber blieb in Galiläa zurück, und zwar nicht ferne von Kapernaum, allwo Er uns auch sicher erwarten wird.“ 24. Sagte der Wirt: „Das glaube ich kaum; denn Er ist wahrhaft ewig unerforschlich in Seinen geheimen Ratschlüssen! Übermorgen ist der große Sabbat; wer weiß es, ob Er nicht noch eher in den Tempel kommt, als wir seine Vorhöfe betreten werden!“ 25. Sagte Petrus: „Bei Gott sind wohl alle Dinge möglich, aber das glaube wieder ich kaum! Aber nun vor allem, lieber Freund, – können wir heute eine Herberge bei dir haben?“ 26. Sagte der Wirt: „O allerdings; denn bei mir gibt es noch Raum zur Genüge! Aus der größten Liebe und Achtung zu eurem und auch meinem Meister und Herrn gebe ich euch alles unentgeltlich, solange ihr immer bei mir bleiben wollet!“ 27. Darauf ward sogleich für ein gutes Abendmahl gesorgt; aber es hatte keiner der Brüder besondere Lust zum Essen und Trinken; denn ihnen ging noch immer ihr Benehmen vor Mir zu Kapernaum wie glühende Gewissensbisse in ihrem Herzen herum. 28. Nach dem Mahle erzählten sie dem Wirte viel von Meinen Reisen und blieben also beinahe die ganze Nacht wach; und es wurde ihnen auch leichter, so sie von Mir redeten. Erst gegen Morgen schliefen sie ein und wurden bald wach. Diesen Tag brachten sie zur Hälfte noch bei dem Wirte zu, die andere Hälfte aber in Bethania bei Lazarus, dem Ich auch gar sehr abging; aber die vielen Erzählungen über Meine Taten und Lehren bei Meinen Reisen in Großgaliläa ersetzten in etwas Meine Gegenwart. 29. Als aber, wie nun gezeigt ward, Meine Brüder hinauf zum Feste gezogen waren, da machte auch Ich Mich um einen Tag später auf den Weg nach Jerusalem, sagte aber niemandem, wohin Ich gehe, obwohl Mich der Wirt und der Hauptmann sehr darum fragten; denn Ich Selbst wollte es nicht ruchbar werden lassen, daß auch Ich ganz heimlich nach Jerusalem zum Feste zöge. (Joh.7,10) Ich ging aber denn auch ganz allein abseitigen Weges dahin und benötigte – wie leicht begreiflich – nur eine ganz kurze Zeit zu dieser Reise. 30. Am Tage des Festes aber, als alle Meine Jünger und Brüder sich schon sehr früh morgens auf dem Platze des Tempels eingefunden hatten und von den Mich wohl kennenden Juden bemerkt wurden, da dachten eben die Juden: ,Aha, das sind ja die Jünger des Nazaräers! Da wird Er Selbst wohl auch dahier sein!‘ 31. Und sie suchten Mich darum kreuz und quer und fragten auch einen und den andern Jünger, wo denn Ich wäre. (Joh.7,11) 32. Und die Jünger sagten: „Diesmal wissen wir nicht, wo Er ist; denn wir gingen allein auf dieses Fest, und Er blieb irgendwo in Galiläa.“ 33. Da aber entstand ein großes Gemurmel unter den Juden, und es kamen da sehr verschiedene Meinungen und Anforderungen auf Meine Person zum Vorschein. 34. Viele sagten: „Dieser Mensch ist höchst fromm, und Gott hat ihm alle Gaben der Propheten verliehen wie einst Moses, und dieser allein ist geeignet, uns vom Joche der Heiden zu erlösen!“ 35. Andere wieder sagten: „Wenn er das wäre, so brauchte er sich nicht vor den Pharisäern und Schriftgelehrten zu fürchten und wäre zu diesem Feste gekommen und hätte uns einmal klar gezeigt, was er eigentlich will! Aber er ist bekanntlich mehr ein Freund der Römer und Griechen und kann daher bei uns Juden keinen besonderen Anhang finden.“ 36. Und noch andere traten hinzu und sagten – aber freilich nicht gar zu laut –: „Ei was, er ist nichts als ein verkappter Essäer, ist mit allen Zauberkünsten ausgerüstet und verführt fein und sauber das Volk!“ 37. Doch niemand getraute sich, gar zu offen eine Äußerung wider Mich laut werden zu lassen, und das aus Furcht vor jenen vielen Juden, die da fest an Mich glaubten und auf Mich hofften. (Joh.7,13) 38. Aber mitten durch das tolle Gewühl des Festes und durch das berauschte und unsinnige Volk ging Ich, von niemandem erkannt und bemerkt, hinauf in den Tempel. Kapitel 147 Großes Evangelium Johannes, Buch 6 147. — Der Herr im Tempel. Mißglückter Anschlag der Templer (Ev. Joh. 7,14-36) 1. Als Ich Mich im Tempel auf eine Ausruferbank stellte, da gebot Ich Ruhe, und die Juden erkannten Mich und fragten geheim einander, wie Ich nun auf einmal auf das Fest gekommen sei, da doch Meine um Mich befragten Jünger nichts von Mir wußten. Aber Ich fing an, dem Volke das leichtverständliche, aber sehr vielsagende vierte und fünfte Kapitel des Propheten Jesaja erstens von Wort zu Wort vorzutragen, und gab dann zweitens dazu eine scharf markierte und wohlverständliche Erklärung, die ganz in diese Zeit und für die halsstarrigen und hochmütigen Juden auf ein Haar paßte. (Joh.7,14) 2. Da wunderten sich die Juden und sagten: „Wie kennt denn dieser doch die Schrift so gut, da er sie unseres Wissens ja nie gelernt hat? (Joh.7,15) Seine Lehre ist demnach keine falsche Lehre, da sie ja doch ganz nach der Schrift geht.“ 3. Ich aber antwortete ihnen und sagte: „Diese Lehre nach der Schrift, die ihr Meine Lehre nennet, ist nicht Mein, sondern Dessen, der Mich gesandt hat! (Joh.7,16) So jemand diese Lehre beachten und nach dem darin ausgesprochenen Willen Gottes tun will, der wird innewerden, ob diese Lehre von Gott ist, oder ob Ich darin von Mir selber rede! (Joh.7,17) Wer von sich selbst redet, der sucht auch sicher nur seine eigene Ehre; wer aber gleich Mir nur allein sucht die Ehre dessen, der ihn gesandt hat, der ist wahrhaftig, und es ist keine Ungerechtigkeit an ihm!“ (Joh.7,18) 4. Da fingen einige Pharisäer an zu murren und sagten untereinander: „Jetzt wäre es ganz an der Zeit, diesen Menschen zu ergreifen und zu töten, und man brauchte ihn dann nicht mehr mit großen Unkosten in aller Welt umher suchen zu lassen, wo er sich leicht irgendwo versteckt; denn er lehrt ja offenbar wider uns und macht uns aller Schändlichkeiten vor dem Volke verdächtig. Daher nur frischen Mut gefaßt, und nieder mit ihm!“ 5. Ich aber merkte wohl solch ihren Rat und sagte zu ihnen: „Hat euch nicht Moses das Gesetz gegeben? Ihr saget wohl: ,Ja!‘; warum tut denn von euch nun niemand mehr nach dem Gesetze?“ 6. Und die Juden murrten und sagten: „Wie kannst du sagen, daß wir Mosis Gesetze nicht hielten?“ 7. Darauf erst sagte Ich: „Nun gut, – wenn ihr Mosis Gesetz haltet, warum suchet ihr Mich denn zu töten?“ (Joh.7,19) 8. Da sprach das Volk: „Hast du denn den Teufel? Wer sucht dich denn zu töten?“ (Joh.7,20) 9. Sagte Ich ganz voll Ernstes: „Ihr nicht, aber jene dort, die auf den hohen Stühlen sitzen! Sehet, ein einziges Werk habe Ich getan vor etlichen Monden hier an dem achtunddreißig Jahre lang krank Gewesenen, und das hat euch alle ärgerlich wundergenommen! Man verdammte Mich als einen Sabbatschänder. (Joh.7,21) 10. Moses hat euch gegeben, das Werk der Beschneidung zu verrichten – nicht, als käme sie von ihm, sondern von den Erzvätern –, und ihr beschneidet den Menschen auch am Sabbat noch heutzutage. (Joh.7,22) So ihr aber den Menschen beschneidet auch am Sabbat ohne Furcht, daß dadurch das Gesetz Mosis gebrochen werde, – warum zürnet ihr denn über Mich, daß Ich einen ganzen Menschen am Sabbat gesund gemacht habe?! (Joh.7,23) Ich sage es euch: So ihr aber schon durchaus richten wollet, so richtet nicht nach dem leeren Anscheine, sondern richtet ein gerechtes Gericht nach der vollen Wahrheit!“ (Joh.7,24) 11. Da sprachen unter sich etliche vornehme Jerusalemer: „Ist das nicht der, den die hohen Pharisäer zu Ostern zu töten suchten? (Joh.7,25) Und sehet, er redet nun ganz frei, und sie sitzen dort ganz ruhig und sagen ihm nicht eine Silbe entgegen! Erkennen denn unsere Obersten nun ganz sicher, daß er ganz gewiß Christus ist? (Joh.7,26) Doch das kann ja wohl nicht so sein; denn wir wissen ja alle, von woher dieser ist. Wenn aber Christus kommen wird, so wird niemand wissen, von woher Er gekommen ist!“ (Joh.7,27) 12. Da rief Ich laut auf im Tempel und lehrte also weiter: „Ja, ihr kennet Meine Person wohl und wisset auch wohl, von woher Ich bin; aber das wisset ihr nicht, daß Ich als ein Mensch nun nicht von Mir Selber gekommen bin, sondern es ist ein Wahrhaftiger, der Mich gesandt hat, und Den kennet ihr nicht, und so wisset ihr auch nicht, von woher Ich so ganz eigentlich bin. (Joh.7,28) Ich aber kenne Den wohl, der Mich in diese Welt gesandt hat. (Joh.7,29) Weil ihr aber Den nicht kennet, so kennet ihr auch Mich nicht! – Habt ihr Mich verstanden?“ 13. Diese Meine Rede erfüllte die stolzen Jerusalemer mit Ärger, und sie suchten, wie sie Mich ergreifen und dafür züchtigen könnten; aber da Meine Zeit noch nicht da war, so vermochte niemand, seine Hand an Mich zu legen. (Joh.7,30) 14. Das Volk aber glaubte vielfach an Mich und sagte unter sich: „He, wenn Christus kommen wird, wird Er wohl mehr und größere Zeichen tun, als Dieser da tut?“ (Joh.7,31) 15. Es kam aber bald vor die hohen Pharisäer, daß das Volk unter sich solches von Mir murmelte. 16. Da schrien sie (die Pharisäer): „Seht, wie der uns das Volk verführt!“ 17. Da sandten sie gleich ihre Knechte aus, daß sie Mich ergreifen und mit Stricken binden sollten. (Joh.7,32) 18. Sagte Ich zu ihnen: „Lasset das jetzt nur noch gut sein! Ich bleibe ohnehin nur noch eine ganz kurze Zeit bei euch, und dann gehe Ich hin zu Dem, der Mich in diese Welt gesandt hat. (Joh.7,33) Ihr werdet Mich dann suchen und wahrlich nicht finden! Und wohin Ich gehe, da könnet ihr Mir nicht nachkommen.“ (Joh.7,34) 19. Da hielten die Knechte inne, und es legte keiner die Hand an Mich. 20. Aber die Juden murmelten untereinander: „Wohin will er denn gehen, daß wir ihn nicht finden sollen? Will er vielleicht unter die Griechen gehen, die hin und her zerstreut liegen, und sie lehren? (Joh.7,35) Was ist das für eine sonderbare Rede, daß er sagt: ,Ihr werdet mich suchen und nicht finden!‘ und ,Wo ich bin, dahin könnet ihr nicht kommen!‘ (Joh.7,36) Ah, der Mensch redet ja ganz verwirrt! Er fürchtet sich sicher vor den Hohenpriestern und redet also, auf daß die ihn nicht aufgreifen lassen möchten.“ 21. Da sagte Ich: „Bevor nicht Meine Zeit da ist, wird Mich niemand aufzugreifen vermögen!“ 22. Da schrien einige Juden, Schriftgelehrte und Pharisäer: „Das werden wir gleich sehen, ob wir nicht imstande sind, dich eben jetzt aufzugreifen!“ 23. Darauf drängten sie sich auf Mich zu; aber als sie Mich ergreifen wollten, da verschwand Ich plötzlich aus dem Tempel, und die Juden und die Pharisäer sahen einander groß an und sagten: „Wohin ist er denn so plötzlich verschwunden? Das ist ein offenbarstes Wunder!“ 24. Die Pharisäer aber sagten voll Ärger: „Was Wunder, was Wunder, – habt ihr denn nicht bemerkt, wie ihn der Beelzebub hinausriß, als er in der Gefahr stand?! Den können wir nun freilich lange suchen und werden ihn doch nicht finden, so er irgend in einem Winkel der Hölle versteckt ist!“ 25. Auf diese Rede aber entstand ein gewaltiges Murren unter jenen vielen Juden, die an Mich glaubten, und es ließen sich ganz gewaltige Stimmen also vernehmen: „Diese elenden Pharisäer sehen ja wahrlich den Wald vor lauter Bäumen nicht! Sie selbst sind die allerärgsten Beelzebubs und stecken mit Haut und Haaren mitten in der Hölle; um ihre grobe Verworfenheit vor dem blinden Volke zu beschönigen, sagen sie aber, dieser augenscheinlichst mit aller göttlichen Macht ausgerüstete Mann Gottes sei des Beelzebub Knecht. Oh, wartet, ihr wahren Beelzebubs! Wir werden euch eure Scheinheiligkeit schon noch ganz geziemend austreiben! Wir werden euch eure Larve herabreißen, auf daß ihr dann der Wahrheit nach als das dastehen werdet, was ihr seid! Na wartet nur, ihr schwarzen und grauen Bösewichte, es wird für euch der zahlende Tag nicht lange auf sich warten lassen!“ 26. Als das Volk solche seine Gedanken ziemlich laut werden ließ, da war bald kein Pharisäer mehr im Tempel sichtbar, und die Knechte, die Mich hätten ergreifen sollen, waren auch auf einmal unsichtbar geworden. Daheim hatten sie freilich eine große Not mit den Pharisäern, weil sie sich rechtfertigen sollten, warum sie Mich nicht alsogleich ergriffen hätten. 27. Aber die Knechte sagten: „Oh, warum habt denn ihr selbst nicht eure Hände an ihn gelegt oder uns wenigstens angetrieben, als wir wie gelähmt zauderten?“ 28. Sagte ein hoher Pharisäer: „Geziemt sich denn so etwas für uns an einem Sabbat?“ 29. Die Knechte aber sagten: „Auch wir sind Juden und müssen gleich euch den Sabbat heiligen!“ 30. Da sagte der Pharisäer: „Nun gut! So ihr ihn treffet morgen oder übermorgen, wenn kein Sabbat ist, sondern bloß zwei heitere Festtage, dann ergreifet ihn und bringet ihn alsogleich zu uns!“ 31. Sagten die Knechte: „O ja, das können wir schon tun; wenn nur das große Volk nichts dagegen haben wird!“ 32. Sagte der Pharisäer: „Wer wird da auf das Volk sehen, das schon lange verflucht ist?“ 33. Sagte ein Knecht: „Ja, verflucht hin oder verflucht her, – wenn aber das verfluchte Volk dann uns und euch ganz sicher dafür steinigt, was dann?! Heute schon hat dazu eben nicht gar zuviel gefehlt! Wenn wir alle nicht gar so behende den Tempel verlassen hätten, so wäre es uns eben nicht am besten ergangen! Das verfluchte Volk hätte uns sicher unseren ihnen erteilten Fluch mit wahren Wucherprozenten zurückerstattet! Was aber heute noch nicht geschehen ist, das kann ganz leicht morgen oder übermorgen geschehen. Wir aber meinen, man sollte den Menschen gehen lassen! Denn ist er ein Prophet, von Gott aus an uns gesandt, so werden wir mit aller unserer Macht nichts wider ihn ausrichten; ist er aber keiner, so wird sich die Sache von selbst wieder zerschlagen.“ 34. Sagte der Pharisäer: „Ihr wisset nichts und redet also! Steht es denn nicht geschrieben, daß aus Galiläa, wohin nur die Übeltäter verbannt werden, nie ein Prophet ersteht?!“ 35. Sagte ein Knecht: „Das ist wohl wahr; aber soviel wir von anderen Menschen erfahren haben – was auch unsere Beschneidungsbücher dartun – so ist er kein Galiläer, sondern er ist aus Bethlehem gebürtig, und das ist ja eben die alte Stadt Davids, in der dieser seine Weissagungen niederschrieb. Zudem ist es aber auch noch bekannt, daß der Prophet Jesajas sehr vielfach und langehin in Galiläa zubrachte, wie im gleichen der Prophet Jeremias, – und doch waren das wohl die größten Propheten!“ 36. Da sagte der Pharisäer: „Seid denn auch ihr schon des Teufels?! Wer sagte euch dieses?“ 37. Sagten alle Knechte: „Ihr selbst erst unlängst bei einer Rede über die Propheten, wo ihr dem Volke erzähltet, wer die Propheten waren, wie und wo sie geboren wurden, und wo sie sich aufhielten und gewirkt haben! Dürfen wir also auch das uns nicht mehr merken, was ihr selbst vorprediget?“ 38. Darauf ward der Pharisäer sehr verlegen, sagte weiter nichts mehr und zog sich zurück. Die Knechte aber gingen auch und lachten sich heimlich in die Faust, daß es ihnen gelungen war, die hohen und mächtigen Pharisäer auch einmal ins Bockshorn zu treiben. Kapitel 148 Großes Evangelium Johannes, Buch 6 148. — Des Herrn Einkehr bei Lazarus in Bethania 1. Ich Selbst aber kam außerhalb des Tempels in einer ganz abgelegenen Herberge mit Meinen Brüdern und Jüngern zusammen. Es war das dieselbe Herberge, in der Ich an den Festen oftmals mit Joseph und Maria und mit den Brüdern übernachtete. Die Freude der Brüder, als Ich zu ihnen kam, war natürlich eine unbeschreiblich große, da sie alle ganz traurig beisammensaßen und unter sich darüber Meinungen austauschten, ob Ich Mich ihrer je wieder erbarmen und sie annehmen würde. 2. Ich aber fragte sie und sagte zu ihnen: „Kinder, Freunde und Brüder, habt ihr etwas zu essen, zu trinken?“ 3. Da fielen Mir alle zu Füßen und baten Mich um Vergebung. Ich aber hieß sie, sich sogleich vom Boden zu erheben und ganz offen mit Mir zu reden, da sie wohl wüßten, daß Ich einer offenen Rede nie gram bin. Da erhoben sich die Brüder und dankten Mir, daß Ich sie nicht verlassen habe. 4. Als Ich aber mit den Brüdern also redete, da kamen eilig auch die zwanzig Judgriechen. Und als sie Mich ersahen, da sagten sie: „Herr, Du bist uns zuvorgekommen! Wir waren im Tempel und haben alles gehört, was Du allerweisest gelehrt hast; als Du aber ob der entsetzlichen Ungezogenheit der Juden und Pharisäer auf einmal unsichtbar wurdest, da eilten denn auch wir, so gut es bei dem großen Gedränge nur immer gehen konnte, aus dem Tempel und wollten soeben den Brüdern die Nachricht von Deiner Gegenwart bringen, was sie sicher im höchsten Grade erfreut hätte, – und siehe, wir treffen Dich schon hier! Ja, das ist für die Brüder freilich wohl noch ums unaussprechliche erfreulicher, und wir sind auch über alle Maßen froh, Dich, o Herr, wieder unter uns zu haben! Von nun an geschieht sicher keine solche Trennung mehr!“ 5. Sagte Ich: „Oh, es werden noch Zeiten und Umstände kommen, wo ihr euch alle an Mir ärgern werdet, und wenn der Hirte geschlagen wird, da werden die Schafe fliehen und sich zerstreuen! Aber so der Hirte dann wiederkommen wird, so wird Er die guten Schafe abermals um Sich versammeln auf immer. Nun, die Pharisäer wären heute gar übel zuteile gekommen, wenn Ich nicht so eilig aus dem Tempel entwichen wäre; denn die Zahl derer, die an Mich glauben, war bei weitem die stärkste im Tempel, und so jemand die Hand an Mich gelegt hätte, so wäre im Tempel ein großer Tumult entstanden, und die großen Jerusalemer samt den Pharisäern, Schriftgelehrten und Tempeljuden wären dabei gar übel bedient worden. Um das zu vermeiden, verließ Ich denn auch den Tempel und bin nun da. 6. Den morgigen Tag tun wir nichts und heute auch nichts mehr; aber übermorgen, an welchem Tage bekanntlich dieses Fest mit dem größten Pomp begangen wird, da werden auch wir uns im Tempel einfinden und das Volk lehren. Jetzt aber verlassen wir diese Herberge, die zu streng und zu dumm nach dem altjüdischen Gebrauche eingerichtet ist; denn da bekommen wir vor dem Untergange weder etwas zu trinken – und noch weniger etwas zu essen. Machen wir uns darum auf und gehen nach Bethania; dort werden wir gleich etwas zu essen und zu trinken bekommen!“ 7. Das war allen sehr recht; aber da kam der Wirt der Herberge uns entgegen und sagte: „Ja, was ist denn das?! Ist denn meine Herberge nicht gut genug für euch? Warum wollt ihr mich denn verlassen, und gar du, Sohn Josephs aus Nazareth, der du mit deinen Eltern doch schon so oft hier in der Herberge warst und ich mit Joseph sogar sehr nahe verwandt bin?“ 8. Sagte Ich: „Du bist Mir fürs erste zu viel Jude und hältst auf alles Äußere große Stücke, – aber das Innere, Wahre und Lebendige ist dir fremd; dazu aber kommt noch, daß man überall stets besser aufgenommen ist als im Hause der nächsten Blutsverwandten, aus welchem Grunde Ich Mich auch nur höchst selten in Nazareth sehen lasse, – denn der Prophet gilt nirgends weniger als in seinem Vaterlande!“ 9. Sagte der Wirt: „Aber dein Vater Joseph war doch stets gerne bei mir, und wir haben stets vieles von Moses und all den andern Propheten miteinander beredet, und er hat mir auch stets ganz sonderbare Dinge von dir erzählt! Warum willst denn nun du gar so durchaus nicht in meinem Hause verbleiben, wo du jetzt ohnehin schon beinahe drei volle Jahre nicht in Jerusalem warst?!“ 10. Sagte Ich: „Hättest du dich nur irgend erkundigt, dann wärest du wohl zur Kenntnis gekommen, daß Ich beinahe noch an jedem Feste hier war! Aber du bist ein Erzjude und dabei doch auch ein Erzwirt, und als solchem geht es dich auch nichts an, was da irgend in der Stadt Großes geschieht! Darum bleibe du nur, wie und was du bist, und Ich und diese Meine Jünger werden auch bleiben, wie und was wir sind! Schuldig sind wir dir noch nichts, weil wir noch nichts verzehrt haben; und wir gehen darum!“ 11. Darauf erhoben wir uns und gingen schnell von dannen und zogen nach Bethania hin. 12. Hinterdrein aber sagte der Wirt zu seinen Leuten: „Bin wohl recht froh, daß die abgezogen sind; denn bei den Verwandten schaut für einen Wirt stets sehr wenig Nutzen heraus!“ 13. Ich aber sagte solches den Jüngern, und sie wurden ganz ärgerlich auf diesen Augendiener von einem Wirte. 14. Vor Bethania aber sagte Ich zu den Brüdern: „Gehet nun ein wenig voraus und saget es dem Lazarus, daß er ein gutes Mittagsmahl richten möge; aber Meinen Namen nennet ihm noch nicht! Ich werde aber dann kommen, woran er eine übergroße Freude haben wird.“ 15. Da gingen die Brüder mit den anderen zwanzig Jüngern schnell voraus und sagten das zu Lazarus. 16. Dieser aber fragte gleich nach mir und sagte (Lazarus): „Ja, meine lieben Freunde, das wird sogleich geschehen nach eurem Wunsche; aber ich gäbe etwas darum, wenn auch der große, heilige Meister bei euch wäre! Es gingen vor einer halben Stunde ein paar Griechen hier vorüber, und ich fragte sie, was es irgend auf dem Feste Neues gäbe. Denn ich blieb nur eine Stunde in Jerusalem und eilte dann ob des mir höchst ärgerlichen tollen Festtreibens nach Hause und konnte dann auch nicht von dem in Kenntnis sein, was sich irgend Weiteres zugetragen hat. 17. Da sagten die Griechen: ,Wir haben vernommen, daß der berühmte Magier aus Galiläa im Tempel sein Wesen treibe; aber wir sahen ihn nicht, weil wir vor lauter Gedränge nicht hineinkommen konnten.‘ Nun, das sagten mir die zwei Griechen. Ich habe darauf sogleich etliche meiner Knechte entsandt, daß sie sich darum näher erkundigen und mir sogleich die Nachricht bringen sollen, auf daß ich dann hingehen, Ihn aufsuchen und Ihn als den allergeliebtesten Gast zu mir einladen könnte; aber die ausgesandten Knechte sind noch nicht zurückgekehrt. – Saget es mir, ihr lieben Freunde, ob ihr nicht auch so etwas in der Stadt vernommen habt!“ 18. Diese Frage setzte die Jünger in eine nicht geringe Verlegenheit, und sie wußten nicht, was sie darauf für eine Antwort geben sollten. Aber da machte Ich ihrer kurzen Verlegenheit ein Ende, indem Ich im selben Moment in das Zimmer des Lazarus trat und ihn als einen Bruder grüßte. Da war es mit dem Lazarus aus vor Freude, und seine beiden Schwestern weinten vor Seligkeit, daß nur Ich einmal wieder gekommen sei. Kurz, es war das eine Freude nun im ganzen Hause des Lazarus, wie eine ähnliche noch nicht erlebt ward. 19. Sogleich ward alles ins Werk gesetzt, um uns ein allerbestes und glänzendstes Mahl zu bereiten. Davon durfte freilich ein echter Jude und Pharisäer nichts erfahren, weil so etwas vor dem Untergange der Sonne den hohen Festsabbat im höchsten Grade geschändet hätte. Aber an diesem Sabbat hatten alle Pharisäer im Tempel viel zuviel zu tun und ihre Diener ebenfalls, und so konnte in Bethania schon so manches geschehen, wovon der Tempel nie eine Kunde erhielt. Während der Bereitung des Mahles aber gingen wir hinaus auf den schon bekannten Hügel, lagerten uns unter den schattigen Palmen auf den Rasenbänken, und Ich erzählte dem Lazarus, wie es Mir nun im Tempel ergangen war. 20. Da schrieben dann auch Johannes und Matthäus das Evangelium nieder, aber freilich nur die Hauptpunkte mit Hinweglassung der meisten Nebenumstände. 21. Und als Lazarus von Mir das vierte und fünfte Kapitel des Propheten Jesajas erklärt vernahm, da sagte er: „Ja, Herr, das paßt aber schon so haarklein auf die jetzige Zeit und auf ihre Menschen, daß es auch nicht irgendeinen noch so kleinen Punkt gibt, von dem man sagen könnte, daß er nicht gar so genau hierher taugete! Ja, da ist es denn wohl sehr begreiflich, daß die Templer es auf Dich scharf abgesehen haben! Oh, diese Lektion war ihnen sehr heilsam; denn diese Kerle tun ja jetzt schon gerade also, als ob sie gleich schon die Götter und Engel selbst wären!“ Kapitel 149 Großes Evangelium Johannes, Buch 6 149. — Eine Voraussage des Herrn über unsere jetzige Zeit. Die Notwendigkeit göttlicher Offenbarungen 1. Sagte Ich: „Freund, wie es jetzt steht, also wird es in nahe 2000 Jahren nach uns wieder stehen, und der Anfang dazu wird schon um vieles früher dasein! Hier ist das Judentum nun um vieles ärger denn das Heidentum – denn bei den Heiden gilt doch noch die Vernunft etwas, während sie bei den Juden mit Füßen getreten wird –; in jener Zeit aber wird Meine Lehre, also das Christentum, ärger sein als jetzt das Judentum und Heidentum zusammen. Da wird dann sein eine große Drangsal unter den Menschen. 2. Das Licht des wahren, lebendigen Glaubens wird erlöschen und die Liebe völlig erkalten. Der Hochmut der wohlhabenden Menschen wird alle Grenzen übersteigen, und die Herrscher und Priester werden sich für um vieles höher halten als nun die Juden ihren ungekannten Jehova und die Heiden ihren Zeus. 3. Aber Ich werde dann auch von Zeit zu Zeit Männer und Mägde erwecken und ihnen geben das rechte Licht, und dieses Licht wird stets größer und mächtiger werden und am Ende verschlingen alle Werke der großen Hure Babels. Also wundert euch nicht, daß es nun also ist; denn es war schon oft also und ärger noch, und es wird dereinst noch ärger werden. 4. Die Welt wird allzeit Welt bleiben; aber Ich werde dennoch die Meinen stets führen und über die Welt Mein Gericht ausbrechen lassen, wenn sie derart arg geworden ist, daß neben ihrem Tun und Treiben kein Fünklein des wahren Lebenslichtes aus Gott mehr bestehen könnte. 5. Jetzt war es einmal bis auf einen solchen Punkt gelangt, daß im ganzen Judenlande ohne Johannes und ohne Mich jeder Funke der wahren Gotteserkenntnis erstickt worden wäre, und es war daher notwendig, daß Ich Selbst als ein Mensch in diese Welt kam, um allen Menschen, die noch eines guten Willens sind, das verlorene Licht des Lebens wiederzubringen und ihnen von neuem zu zeigen die Wege zur wahren Gotteserkenntnis. Es wird freilich wohl noch so manchen Kampf geben zwischen Meinen Kindern und den Kindern der Welt, weil die Zahl der Meinen auf der Erde stets kleiner sein wird als die Zahl der Kinder der Welt; aber am Ende werden doch die Meinen siegen über alle Welt, und diese wird ihnen nichts mehr anhaben können. Denn mag euch nun alle Materie noch so hart und unzerstörbar dünken, so wird sie endlich doch der Macht des Geistes weichen müssen. 6. Gott aber ist allein der Herr über alles und weiß es am besten, was, wie und warum Er eines und das andere zuläßt, anordnet, danebst das rechte Licht unter den Menschen ausgießt und dasselbe mit allem Ernste unter Seinen Kindern erhält, daß dann niemand sagen kann: ,So es einen allweisen Gott, der alles, was da den endlosen Raum erfüllt, erschaffen hat, gäbe, so müßte Er ja doch so viel Einsicht, mit Liebe vereint, haben, daß Er Sich Seinen vernünftigen und denkenden Geschöpfen, wie es die Menschen sind, wenigstens insoweit offenbarte und zeigte, daß sie daraus entnähmen, daß Er der wahre Grund aller Dinge ist, und was die Menschen von Ihm zu erwarten haben, und wie sie leben sollen, daß solche Erwartung an ihnen realisiert wird!‘ 7. Würde Gott Sich den Menschen gar nie und auf gar keine Weise offenbaren, so hätten die Menschen auch ganz vollkommen das Recht, an gar keinen Gott zu glauben und jeden Menschen, der da aus sich sagte, daß es dennoch einen Gott oder auch mehrere unsichtbare Götter gäbe, niederzuschlagen und zu sagen: ,Was geht uns dein dummer Phantasiegott an?! Wenn er einer ist, so zeige er sich und gebe uns kund, was er mit uns will! Tut er das nicht, so besteht er in Wahrheit auch nirgends sonst als nur in der faulen Phantasie eines hirnverbrannten Faulenzers! 8. Ein sich seiner selbst voll bewußter Gott als Zentralpunkt aller Weisheit und Macht würde auf die Menschen als seine vollendetsten Werke doch insoweit eine vernunftgemäße Rücksicht genommen haben, daß er sich ihnen irgendwann selbst geoffenbart und ihnen gezeigt hätte, warum sie da sind, und was er mit ihnen irgend Weiteres vorhat. Ist aber das nicht der Fall, und kann er der vollsten Wahrheit nach schon einmal oder auch mehrere Male als daseiend nicht erwiesen werden, so ist er auch nicht, und wer immer von einem Dasein Gottes etwas redet und schreibt, verdient allerschärfst gezüchtigt zu werden. 9. Denn es genügt, daß der mit aller Vernunft und Einsicht begabte und seiner selbst nur zu klar bewußte Mensch alle die empörendsten Lasten des von ihm unverschuldeten Lebens tragen muß, geschweige, daß er sich für nichts und wieder nichts von einem nirgends seienden Gotte irgend harte und aller Natur widerstrebende Gesetze vorschreiben lassen soll; denn ein Gott, der sich nicht anders als durch die Zunge eines hirnverbrannten und arbeitsscheuen Narren uns Menschen offenbaren kann und will, ist entweder gar nichts anderes als ein Hirngespinst eines solchen bezeichneten Narren, oder er ist bloß irgendeine rohe, dumme und blinde Kraft, die nur so viel Selbstbewußtsein und Verstand besitzt, daß sie sich ohne Schande des Ausgelachtwerdens eben nur wieder einem sehr dummen, nichts wissenden und nichts verstehenden, leichtgläubigen Narren ganz verstohlen und geheim zu offenbaren getraut.‘ 10. Sehet, diese Schlüsse der Gottheit gegenüber zu machen wäre jeder vernünftige Mensch berechtigt, wenn die Gottheit sich nie und nicht anders den Menschen zeigen und offenbaren würde als nur auf dem Wege des faulen und nichtswürdigen Priestertums! 11. Aber gehen wir zurück bis auf Adam hin, und wir werden gar viele kurz aufeinanderfolgende Zeitepochen finden, in denen sich Gott vor tausendmal tausend Menschen sicher auf eine denkwürdigste Weise geoffenbart und ihnen Seinen Willen samt Seiner weisesten Absicht mit den Menschen kundgetan hat; aber weil der Mensch ohne Belassung seines freiesten Willens gar kein Mensch wäre, so tat er auch mit dem göttlichen Worte nicht um ein Haar anders als mit dem Worte eines Menschen. 12. Ein kleiner Teil achtete eine Zeitlang noch darauf; aber der größte Teil vergaß dessen bald und ganz und hielt am Ende alles für eitle Erfindung und Faselei der Menschen, genoß die Weltfreuden in vollsten Zügen und hielt die Weisen für Toren und Schwärmer, die wegen eines höchst unsicheren und unerweisbaren jenseitigen Himmelreiches das wahre Himmelreich dieser Welt mit ihren Füßen treten. 13. Durch solche Ansichten ging der Glaube an einen wahren Gott dann einerseits ganz sicher verloren, und das um so mehr, weil anderseits der faule Priesterstand durch seine selbstsüchtigste Verfälschung des geoffenbarten Wortes Gottes die nüchternen und reif denkenden Menschen mit der Zeit denn doch darauf hatte aufmerksam machen müssen, daß ihnen mit solch einem geoffenbarten Willen Gottes noch dümmer zumute sein müßte als dem dümmsten Menschen auf Erden. Die Lehren waren lauter höchst unverständliche Geheimnisse, die aber von der ganz blinden Menschheit dennoch als heilig gehalten wurden, die sich selbst für höchst unwürdig hielt, solche hohen, tiefen und heiligsten Geheimnisse je zu verstehen. 14. Oder ist es heutzutage anders? Geht nicht das dumme, blinde Volk in den Tempel und betet die Schrift an? Aber was darin steht, von dem weiß es wenig oder nichts und hat auch kein Bedürfnis danach, da es sich schon damit vollkommen zufriedenstellt, daß solches der geweihte Priester Gottes versteht und der gemeine Mensch nichts anderes braucht, als was der Priester ihm sagt, und daß er das tut, was der Priester will; denn der Priester weiß schon ganz sicher warum. 15. Wenn es aber von seiten der Menschheit mit dem geoffenbarten Worte und Willen Gottes allzeit also geht, was Wunder, daß die Menschen schon in hundert Jahren nach einer noch so großartigen Offenbarung der Wahrheit kaum mehr wissen und glauben als die schlafenden Kinder von dem, was sie im wachen Zustande gemacht und getan haben?! Gott aber läßt dennoch nie ab, Sich den Menschen auf die mannigfachste Art also zu offenbaren, daß der Mensch bei nur einigem Nachdenken bald finden kann, daß es da nicht mit natürlichen Dingen zugegangen ist.“ Kapitel 150 Großes Evangelium Johannes, Buch 6 150. — Echte und falsche Propheten und Offenbarungen 1. (Der Herr:) „In größerem Maße offenbart Sich Gott durch den Mund völlig geweckter Propheten. Solche Propheten sind für den geweckteren Menschen allzeit sehr kenntlich, – erstens durch ihr geschriebenes und gesprochenes Wort, zweitens durch so manche Wundertätigkeitsbeigaben, zum Beispiel daß sie im Notfalle den Menschen zukünftige Dinge zum voraus verkünden, so daß sich die Menschen danach kehren und bessern können und Gott bitten mögen, daß Er das angekündigte Unheil von ihnen abwenden wolle, wie das zu Ninive der Fall war. Drittens können solche rechten, von Gottes Willen erweckte Propheten auch Kranke heilen durch ihr Gebet und durch die Auflegung ihrer Hände, wenn dem Kranken seine Wiedergenesung zum Seelenheile gereicht. Und viertens können sie aber auch im Vereine mit dem Willen Gottes ein Strafgericht über die unverbesserliche Menschheit verhängen, wie, im Gegenteil, auch ein Volk segnen. 2. Durch solche und mehrere andere Eigenschaften wohl gekennzeichnet, sind die rechten Propheten, als von Gott erweckt, von den falschen sehr leicht zu unterscheiden, und ganz besonders leicht noch dadurch, daß sie als rechte Propheten stets voll Demut und Nächstenliebe sind, während die falschen Propheten in allerlei verbrämten und noch durch anderartige Dinge bezeichneten Kleidern einhergehen, voll Hochmutes sind und voll der schreiendsten Selbstsucht, sich nur an gewissen geheiligten Stellen sehen lassen, wenig reden, und das sehr dumm und unsinnig, und zu gewissen Zeiten allerlei falsche Wunder durch ganz geheimgehaltene natürliche Mittel wirken – und wehe dem, der sie ihnen nachahmte! –, während der rechte Prophet aus seinen wahren Wundern kein Hehl macht, sondern die Menschen noch dazu anhält und aneifert, daß auch sie auf dieselbe wahre und gute Art ganz gleiche Wunder wirken können. 3. Da aber an dem die wahren Propheten von den falschen ganz leicht zu unterscheiden sind und ein jeder nüchterne Mensch daraus wohl entnehmen kann, daß es also im vollsten Ernste rechte und falsche Propheten gibt – welch letztere sicher nie entstanden wären, so ihnen nicht die rechten vorangegangen wären –, so können die Menschen ja daraus auch dessen ganz leicht innewerden, daß es einen wahren Gott gibt, der die Menschen niemals als ganz verwaist auf der Erde umherwandeln läßt, sondern ihnen Seinen Willen allzeit kundgibt und ihnen Seine große und weise Absicht mit ihnen auch stets offenbart. 4. Diese Art Offenbarung aber ist den Menschen, die sich danach offen kehren wollen, stets am heilsamsten, weil sie dadurch keine außerordentliche Nötigung erleiden. Bei den nur seltenen großen Offenbarungen gewinnen die Menschen für ihre Seelen um vieles weniger, weil solche Offenbarungen nur mehr ein Gericht für die entartete Menschheit sind denn irgendein Heil. 5. Als Adam im Paradiese auf dieser Erde vor Gott gesündigt hatte, dadurch, daß er als Mensch mit freiem Willen sich den ihm wohlbekannten Willen Gottes nicht wollte gefallen lassen, da erlebte er bald eine große Offenbarung Gottes und bereute dann seine Sünde; aber diese große Offenbarung war für ihn ein Gericht. 6. Darauf kam wegen der entarteten Kinder der Welt, die in der Tiefe wohnten, mehrere Male eine große Offenbarung Gottes an die Menschen; aber sie war für die Kinder der Welt stets ein Gericht. 7. Zu den Zeiten Noahs kam wieder eine sehr große Offenbarung Gottes zu den Menschen; aber sie war für die Menschen ein sehr großes Gericht. 8. Zur Zeit Abrahams geschah wieder eine große Offenbarung, und zwar wegen der gar entsetzlich entarteten Bewohner von Sodom, Gomorra und der diese beiden Großstädte umgebenden zehn kleineren Städte. Sie war abermals ein Gericht für diese Menschen; das Tote Meer ist heutigentags noch ein sprechender Zeuge davon. 9. Der Vater Jakob hatte abermals eine große Offenbarung Gottes; aber seine Kinder mußten sie in Ägypten büßen. 10. Zur Zeit Mosis war eine neue, übergroße Offenbarung Gottes, und auf steinernen Tafeln mußten Gottes Donnerworte an die Menschen eingegraben werden. Aber welch ein furchtbares Gericht war diese Offenbarung Gottes, besonders für die zu blind, zu hochmütig und zu entmenscht gewordenen Ägypter, deren Hauptherrlichkeit da völlig gebrochen wurde; aber auch den Israeliten ward nichts nachgesehen. 11. Als die Israeliten unter Josua die Wüste verließen, geschah wieder eine große Offenbarung Gottes, und das große Jericho verschwand von der Erde. 12. So war es zu Samuels und zu Elias' Zeiten und auch zu den Zeiten der anderen vier großen Propheten; und sehet nach, welche Gerichte darauf folgten! Selbst die kleinen Propheten waren nicht ohne Gericht in diese Welt gesandt worden. 13. Nun aber ist vor euren Augen die größte und unmittelbarste Offenbarung Gottes an die Menschen; aber das ihr folgende übergroße Gericht für die Juden wird nicht lange auf sich warten lassen. 14. Von nun an werden nahe volle 2000 Jahre hindurch zahllos viele Seher und Propheten erweckt werden, weil auch eine noch größere Anzahl falscher Propheten und sogar höchst hochmütiger, herrschsüchtiger und aller Liebe barer falscher Christusse erstehen werden. Da werden die Gerichte aber auch gleich fortdauern, und es wird selten einen Herrscher geben, der wegen seiner Finsternis samt seinem Volke nicht ein arges Gericht zu bestehen haben wird. 15. Gegen Ende der angezeigten Zeit werde Ich auch stets größere Propheten erwecken, und mit ihnen werden auch die Gerichte sich mehren und ausgedehnter werden. Da werden auch kommen große Erderschütterungen und sehr verheerende Stürme der Elemente, große Teuerungen, Kriege, Hungersnot, Pestilenz und noch viele andere Übel, und, wie Ich schon vorhinein bemerket habe, der Glaube wird – außer bei höchst wenigen – nicht unter den Menschen sein, die im Eise des Menschenhochmutes ganz erkalten werden, und ein Volk wird ziehen wider das andere. 16. Es werden die Menschen auch gewarnt werden durch Seher und besondere Zeichen am Firmamente, woran sich aber nur die wenigen Meinen kehren werden, während die Weltmenschen das alles nur für seltene Wirkungen der Natur ansehen werden und ausspucken werden vor allen jenen, die noch an Mich glauben. 17. Aber darauf wird geschehen eine allergrößte Offenbarung durch Meine abermalige Darniederkunft auf diese Erde; aber dieser Offenbarung wird auch schon vorangehen ein allergrößtes und schärfstes Gericht und nachfolgen eine allgemeine Sichtung der Weltmenschen durchs Feuer und sein Geschoß, auf daß dann Ich Selbst eine ganz andere Pflanzschule für wahre Menschen auf dieser Erde werde errichten können, die dann dauern wird bis ans Ende der Zeiten dieser Erde. 18. Ich sagte euch nun dieses zum voraus, auf daß ihr Mir ja nicht der Meinung werdet, daß es nach Mir also vollkommen werden wird wie in Meinen Himmeln. Ja, wenige werden wohl Meinen Engeln gleich sein, – aber viele noch um vieles ärger, als da nun sind die Menschen zu diesen unseren Zeiten. 19. Aber ihr dürfet euch alles dessen wegen nicht ärgern; denn Ich habe es euch allen ja schon gar oft gesagt, daß der Mensch ohne seinen völlig freien Willen gar kein Mensch, sondern nur ein menschenähnliches Tier wäre. 20. Man könnte solche Menschen im höchsten Falle dann wohl gleich den Tieren zu irgendeiner Beschäftigung abrichten, aber sie nie auf den Standpunkt setzen, daß sie einsähen, daß solch eine Arbeit für den wahren Menschen und für den Tiermenschen gut und nützlich ist, auf daß sie sich dann selbst bestimmten, solche nützlichen Arbeiten zur rechten Zeit zu verrichten. 21. Der Mensch, der gegen das Gesetz sündigt, zeigt dadurch ebensogut an, daß er ein freier Mensch ist, wie der, welcher freiwillig das Gesetz beachtet. Daher sollet ihr auch keinen Menschen richten und verdammen, sondern ihn nur mit aller Geduld und Sanftmut belehren und dem Verirrten zeigen den rechten Weg. Will er ihn wandeln, so ist es wohl und gut für ihn; will er das aber nicht, so sollet ihr ihm darum auch keinen Zwang antun, sondern ihn höchstens aus einer besseren und reineren Gemeinde ausscheiden, – denn ein gezwungen gläubiger Mensch ist zehnmal schlechter als ein offen Ungläubiger und Abtrünniger. 22. Sehet an die Pharisäer! Das sind lauter gezwungen Gläubige zum Schein; aber in sich glauben sie gar nichts und tun alles, wonach es sie nur immer gelüstet. 23. Darum habt dann wohl acht, so ihr in Meinem Namen wieder Nachfolger für euch wählen werdet, daß ihr erstens ja niemanden dazu zwinget und zweitens niemanden annehmet, dem ihr es schon von weitem ansehet, daß er aus zeitlichen Interessen in euer Amt treten möchte. 24. Ihr werdet zwar solches wohl beachten; aber es werden dennoch solche in Unzahl in euer Amt treten, teils durch äußeren Zwang und teils durch die Aussicht, in eurem Amte eine gute und sorglose Verpflegung zu finden. Aber diese werden von Mir alle in das Regiment des Antichristen gezählt werden, und ihre Werke werden vor Gott ein Ekelgeruch sein und aussehen wie ein stinkendes Aas. 25. Wahrlich, Ich sage euch: Alle eure Nachfolger, die nicht von Mir, sondern nur von den Menschen in gewissen Weltschulen zu eurer Amtsnachfolge, zubereitet werden, werde Ich nicht ansehen; denn nur der Antichrist wird also seine Jünger qualifizieren. 26. Denen ihr aber die Hände auflegen und sie taufen werdet in Meinem Namen, die werden erfüllt werden mit Meinem Geiste; diese sind es auch, die Ich Selbst zu allen Zeiten als eure Nachfolger erwähle und durch die wahrhafte Erteilung Meines Geistes bestätige. 27. Aber in den späteren Zeiten wird es deren gar wenige mehr geben, weil der Antichrist sein Regiment zu sehr ausdehnen wird; wenn er sich aber zuallerhöchst in der Welt dünken wird, dann wird er auch gestürzt werden für immerdar! – Habt ihr das nun wohl und hell aufgefaßt?“ Kapitel 151 Großes Evangelium Johannes, Buch 6 151. — Die Kennzeichen der Widerchristen 1. Sagte darauf Johannes als Mein Liebling: „Herr, da lohnt es sich wohl kaum der Mühe, solche Anstrengungen der dummen Menschen wegen zu machen! Denn so Dein nun den Menschen gegebenes hellstes Lebenslicht nur zu bald wieder verfinstert wird durch die stets siegreiche Mühe des Satans, so soll er die Menschen haben, wie sie nun sind, als ganz reif für sein höllisches Weltreich. Wozu sollen diese Menschen zuvor mit Deinem Lebenslichte begnadet werden?! Wahrlich, so das die Früchte Deiner göttlichen Lehre sein werden, so hieße das wohl – wenn man nämlich die Weltmenschen in Deiner Lehre unterwiese – allen Schweinen der Welt Deine Lebensperle zu einem gemeinsten Fraße vorwerfen! Man gebe ihnen den edlen Stoff gar nicht, so werden sie ihn auch nicht verderben und verunreinigen können!“ 2. Sagte Ich: „Ja, Mein Freund, um derjenigen Menschen willen, die nicht daran glauben und das, was sie von Meiner Lehre irgend hören, des weltlichen Gewinnes wegen noch verfälschen werden, wird die Lebenslehre von Mir auch nicht gegeben; denn für solcher Menschen Seelen mögliche und weitere Ausbildung habe Ich noch gar endlos viele und große Schulhäuser in der ganzen Unendlichkeit. 3. Nur für Meine wahren Kinder auf dieser Erde gebe Ich diese Lehre, und diese sind auch in der wahren Erlösung vom ewigen Tode einbegriffen. Diese aber werden diese Lehre auch stets rein erhalten und werden sich nie in die Macht des Weltbetruges fügen, sondern sie werden diamantenfest an der ewigen Lebenswahrheit festhalten. 4. Was liegt uns an all den Weltmenschen? Die Gelegenheit ist ihnen gegeben, auch in die Reihen der Kinder Gottes zu treten. Wollen sie das ernstlich, so sollen sie daran nicht irgend behindert werden, – und wollen sie es nicht, so sollen sie tun, was sie wollen, und ihr habt euch um sie dann auch nicht weiter zu kümmern! 5. Siehe, also steht die Sache! Denn Ich bin nicht gekommen, um etwa die Welt von ihren alten Gerichtsfesseln zu erlösen, sondern nur, um Meine Kinder von der Welt und ihrem Gerichte frei zu machen. Und was und wie Ich es nun tue, also werdet es auch ihr und eure Nachfolger in der Folge tun. 6. Was auf dieser Erde in und nach Meiner Ordnung zu lösen ist, das löset auch ihr, und was ihr also lösen werdet, das wird auch sofort bei Mir im Himmel gelöst sein; was aber nicht zu lösen ist, das lasset gebunden, oder so jemand eure Lösung nicht achtet, so lasset ihn in seinen Fesseln und bindet ihn, damit ihr dann Ruhe habt vor dem Gebundenen, – und wahrlich sage Ich es euch, der wird auch vor Mir im Himmel gebunden sein und gar langehin ein Sklave seines finsteren Weltwillens verbleiben! – Sehet, also stehen die Sachen!“ 7. Sagte Johannes weiter: „Aber wie werden wir solche finsteren Widerchristen erkennen? Denn das sehe ich nun schon ganz gut ein, daß Deine Lehre von vielen aufgegriffen wird, und namentlich von den vielen Magiern, die damit ihre Zaubereien beschönigen werden. Oh, sage uns auch sichere Kennzeichen an, auf daß wir sie schnell erkennen mögen und dann sogleich wider sie zu Felde ziehen!“ 8. Sagte Ich: „Ihr werdet sie gar leicht an ihren Werken erkennen! Denn auf den Dornen wachsen keine Trauben und auf den Disteln keine Feigen. Wer da etwas gibt und will dafür noch mehr zurücknehmen, der ist wahrlich Mein Jünger nicht! Denn sehet, Ich gebe alles hin für die Meinen, am Ende sogar das Leben dieses Meines Leibes, und Ich nehme dafür von niemandem ein Opfer dieser Welt, sondern will nur, daß Mich der Mensch liebe über alles, auf daß Ich ihm dann noch endlos mehr und Größeres geben kann. 9. Meinet ihr, daß solches auch der Widerchrist tun wird? Oh, mitnichten! Er wird seinen Anhängern ganz entsetzlich wenig geben – etwa nichts anderes als leere, erdichtete Verheißungen im großen Jenseits –, wird aber dafür gar große Opfer verlangen, so wie es nun die Templer tun, die sich für ihre mehrere Ellen langen Gebete gar vieles zahlen lassen; aber diese Gebete nützen niemand etwas, weder für diese Welt und noch weniger für die jenseitige! Und sehet, geradeso wird es der Widerchrist machen, und die Meinen werden ihn und seine Jünger und Bekenner gar leicht an diesen nichtigen und hohlen Früchten erkennen! 10. Was tun die Pharisäer nun mit den Sündern aller Art und Gattung? Sehet, sie nehmen eine Sündenlöse, entweder in Geld oder auch in anderen reichlichen Opfern, und geben darauf den Sündern einen Freibrief für die schon begangenen Sünden und auch schon für die, welche ein Mensch, wie es deren nun genug gibt, besonders in der reichen Welt, in Zukunft zu begehen gedenkt und sagen den Menschen: ,Es ist euch dienlicher, so ihr opfert, wenn ihr nicht das schwere Gesetz halten möget!‘ Und so heben die Templer das Gebot Gottes auf und stellen an dessen Stelle ihre selbstsüchtigsten Weltsatzungen, da ihr Sinn nur das Wohlleben der Welt auf Kosten der armen, blinden Menschheit ist. 11. Sehet, geradeso wird es auch der Widerchrist tun und alle seine Jünger, und ihr werdet ihn daran um so leichter erkennen! Und so dann seine Jünger in aller Welt mit weit geöffneten Mäulern schreien werden: ,Sehet, hier ist der wahre Christus!‘ oder ,Dort ist er!‘, so glaube ihnen solches niemand von den Meinen! Die echten Kinder der Welt aber lasset und rufet sie nicht, auf daß ihr Ruhe habt vor dem Drachen und seinem Anhange; denn er wird sich auf eine Zeitlang eine große Macht aneignen und wird seine Feinde gar übel behandeln! Aber eben damit wird er sich selbst sein Gericht und seinen Untergang bereiten. 12. Ich aber werde in derselben Zeit allerlei große Erfindungen von den Menschen machen lassen, die wie glühende Pfeile in des Drachen finstere Kammern dringen und seine elenden Trugkünste und seine falschen Wunderwerke gewaltig zerstören werden, und er wird wie nackt sogar zur Schande seiner glühendsten Anhänger dastehen, die sich bald in großen Scharen von ihm abwenden werden. 13. Darum sorget euch nicht, was aus dieser Meiner Lehre mit der Zeit wird; denn Ich allein weiß es, was da in dieser Welt alles zu geschehen hat, und was da zuzulassen ist, damit es dereinst auch in der blinden Welt lebenshelle wird! 14. Aber so schnell, wie ihr es meinet, geht das nicht; denn Ich allein kenne die Lebenselemente in dieser Erde und weiß auch am besten, was dazu gehört, um sie mit den Zeiten einem höheren Lebenslichte zuzuführen. Darum fraget nicht weiter und seid frohen Mutes! 15. Sehet, Mich erwarten noch ganz sonderbar elende Begegnisse in dieser Welt, die eigentlich gar nicht lange werden auf sich warten lassen! Allein ihr werdet darum noch keine Traurigkeit an Mir gemerkt haben. Komme da, was da wolle, Ich allein bin der Herr! Über Meine Weisheit und über Meinen Willen hinaus kann nichts gehen. Was da geschieht und noch geschehen wird, ist berechnet und bestimmt von oben und hat seinen tiefst heiligen Grund; wer aber mit Mir ist im Herzen und in der Liebe und im Willen, dem wird die allerärgste Welt nie etwas anhaben können. Aber wer nur eins ist mit Mir in der Weisheit, der wird in der Welt viele und arge Kämpfe zu bestehen haben; denn die Welt wird in ihrem materiellen Verstande ewig nie einsehen, daß ihr scheinbares Etwas vor dem Geiste ein eigentliches Nichts ist. – Mit dem begnüget euch und seid nun mit Mir völlig heiteren Mutes!“ Kapitel 152 Großes Evangelium Johannes, Buch 6 152. — Die Mannigfaltigkeit der Geschöpfe und ihr Zweck 1. Nach dieser Meiner Rede wurden auch alle heiter, und wir wurden von der Martha zum Mittagsmahle geladen. Wir aßen und tranken ganz wohlgemut und waren voll heiterer Dinge, und Lazarus erzählte Mir, was er alles während Meiner Abwesenheit mit den Templern zu bestehen hatte, und wie er sich am Ende trotz aller seiner Geduld derart habe ärgern müssen, daß er darauf ordentlich krank geworden sei. 2. Insbesondere erzählte er, sagend (Lazarus): „Herr, auf der Erde gibt es gar kein Insekt von solch einer lästigen Anhabigkeit (Zudringlichkeit)! Man kann sie nicht los werden, man kann da schon anfangen, was man will! Droht man ihnen mit den Gesetzen Roms, so suchen sie unsereinem mehrere Tage lang wie kriechende Schlangen zu beweisen, daß sie allein im vollsten Rechte seien, und daß gar kein weltliches Gesetz mit ihnen etwas zu tun habe und sie die alleinigen Gesetzgeber aller Welt seien. Ein jeder Mensch, ohne alle Ausnahme, habe von ihnen allein alles Wohl oder Wehe zu erwarten. 3. Ich kam bei solchen ihren Beweisen in eine förmliche Wut und hätte mich beinahe an den heillosen Gleisnern vergriffen und verbot ihnen, mein Haus je wieder zu betreten. Aber es half da alles nichts. Heute habe ich zehn hinausgetrieben, – morgen sind dafür schon wieder zwölf andere hereingekommen und fangen so unschuldig und geschmeidig dasselbe Thema an, dessentwegen ich ihren Vorgängern das Haus verboten habe, und stellen sich dabei so, als wäre zwischen mir und ihnen nie etwas vorgefallen! 4. In diesem Monat aber war ich gegen große Bezahlung denn doch genötigt, alle Zuwege zu meinem Hause mit römischen Wachen besetzen zu lassen, und zwar mit dem allerschärfsten Gebot, ja keinen Templer in mein Haus kommen zu lassen. Nun, da hatte ich wohl eine Zeitlang eine äußere Ruhe, aber eine innere gar nicht; denn diese unverschämtesten Tempelwichte sandten allerlei Drohbriefe an mich und belästigten mich dann auf solche Weise, weil sie es nicht mehr persönlich durften. Wenn Du, o Herr, mich nur von dieser Plage befreien möchtest, da wäre ich ganz selig schon in dieser Welt! 5. Nun, diese drei Tage hindurch wird aus dem Tempel wohl niemand zu mir kommen, weshalb ich auch die Wachen für diese Zeit hin habe abtreten lassen; aber nach den drei Festtagen werde ich sie wohl wieder auftreten lassen, sonst habe ich keine Ruhe vor den überlästigen Tempelwespen. Ich weiß es wohl, daß Deine große Wunderheilung vor einem halben Jahre und meine Dir bekannt erwiesene Freundlichkeit den eigentlichen Hauptgrund ausmachen, dessentwegen mich die Templer gar so verfolgen. Aber stelle ich ihnen das als Grund entgegen, so lassen sie es mir nicht gelten, sondern sagen, allein das sei der Grund, daß ich ihnen nicht wenigstens 8-10 Diener überlassen wollte. Ich sagte zu den Templern: ,Dann machet es mit den Dienern aus! Ihr könnet sie gar alle haben, wenn sie zu euch gehen wollen!‘ Aber da sagten sie: ,Das redest du uns umsonst ins Gesicht; du rätst heimlich deinen Dienern ab, und darum gehen sie nicht zu uns! Du wirst darum eine harte Rechnung vor Gott haben!‘ So in der Art ging es nun fort, und darum habe ich römische Wachen genommen! Was noch ferner daraus wird, das weißt Du!“ 6. Sagte Ich: „Lasse du das alles gut sein; auch der Wachen wirst du fürder nicht bedürfen. Ich werde dir einen Wächter stellen, der mehr vermögen wird als alle Heereslegionen der Römer und Griechen! Morgen lassen wir das Fest und seine Tollheiten unbesucht vorübergehen; aber übermorgen, allwann das Fest am glänzendsten begangen wird, werde Ich wieder in den Tempel gehen und werde den Juden einen Spiegel ihrer Todsünden vorhalten, daß sie sich werden schämen und vor dem Volke verkriechen müssen, um seinen Steinwürfen zu entgehen. Darum seien wir jetzt nur ganz ruhig und heiter; denn wir sind diesmal sicher vor ihren Besuchen!“ 7. Sagte hier Petrus: „O Herr, würdest Du hier also tun und wirken wie am Euphrat, dann würden die Finsterlinge bald eine ganz andere Meinung von Dir bekommen!“ 8. Sagte Ich: „Du redest, wie du eben die Sache verstehst; aber in ein paar Jahren wirst auch du ganz anders reden! Sieh, betrachte die große Mannigfaltigkeit der Blumen auf den Feldern, die große Mannigfaltigkeit der Gewächse, der Bäume, ihrer Früchte, dann die große Verschiedenheit der Tiere im Wasser, auf der Erde und in der Luft, ebenso die sehr verschiedenen Mineralien und ebenso die höchst verschiedenen Sterne am Himmel! Kannst du Mir den Grund aller dieser Mannigfaltigkeit und Verschiedenheit angeben? Sagt dir deine höchst einfache Vernunft nicht vielmehr: Dazu kann Gott Selbst keinen so ganz eigentlich weisen Grund gehabt haben, sondern Er hat das nur aus einer Art göttlicher Laune getan, weil Er Selbst irgendein besonderes Wohlgefallen daran hatte, Seine Erde so bunt wie möglich auszuschmücken und sie dann auch ebenso bunt durcheinander zu bevölkern. Denn warum sieht ein Feigenbaum ganz anders aus als ein Apfel- oder Birnbaum? Warum haben die beiden Obstgattungen nicht eine und dieselbe Gestalt und nicht einen und denselben Geschmack? 9. Siehe, wenn Gott nicht die große Absicht gehabt hätte, auf dieser Erde Seine Menschengeschöpfe zu Seinen Kindern auszubilden, so hätte Er für sie die Erde auch ganz mager und höchst einfach mit ein paar Fruchtgattungen und nur mit wenigen zahmen Haustieren bevölkern können, gleichwie Er solches auf zahllos vielen anderen Weltkörpern getan hat, weil auf jenen die Menschengeschöpfe nicht dieselbe hohe Bestimmung haben! Damit aber auf dieser Erde der Mensch eine übergroß vorzügliche Gelegenheit habe, sich im Betrachten und Denken zu üben und dadurch die vollste Freiheit seines Willens kennenzulernen, so hat Gott für ihn diese Erde als sein Lebensschulhaus auch so außerordentlich mannigfaltig ausgestattet, daß der Mensch von seiner Wiege an bis zu seinem Grabe genug zu denken hat, allerlei Betrachtungen und Vergleiche anstellen kann und das eine als ein ihm zusagendes Gutes erwählen und das andere als ein ihm nicht zusagendes Schlechtes verwerfen kann. 10. So sind die zahllos vielen Gattungen der Tiere auf die mannigfachste Art tätig und lassen sich mit allerlei Stimmen hören und mit allerlei Gebärden sehen, und der Mensch hat da eine übergroße Gelegenheit, den Tieren allerlei nützliche Beschäftigungen abzulernen und sie zu veredeln und ins Große und Zusammenhängende zu übertragen. So waren die Vögel, manche Fliegen, Käfer, Grillen und sogar die Frösche die ersten Gesangslehrer der Naturmenschen, und die Meeresschnecken lehrten den Menschen die Schiffe bauen und mit Segeln weit umherfahren. 11. Aber wie Gott eben der Menschen wegen auf dieser Erde eine so außerordentliche Mannigfaltigkeit von allem möglichen in allen Reichen der Natur hervorgerufen hat, so hat Er aber auch die Menschen selbst in einer so außerordentlichen und nie abzusehenden Verschiedenheit sowohl in der Gestalt wie im Charakter werden lassen, daß ihr unter tausendmal tausend Menschen schwerlich je zwei finden dürftet, die sich so gleich sehen wie ein Auge dem andern. Das aber bewerkstelligte Gott auch aus dem Grunde, damit die Menschen sich in allem und vielem voneinander unterscheiden und eben dadurch sich auch gegenseitig mit mehr Liebe begegnen. Und auf daß sie sich gegenseitig stets mehr Liebe dienend bezeigen sollen, sind sie auch mit höchst verschiedenen Fähigkeiten wohl versehen worden. 12. Was da gesagt ist von einzelnen Menschen, ist auch für einzelne Gemeinden und gar für ganze Völker gültig. Weil es aber also ist – was auch tausendfache Erfahrungen lehren –, so ist dann aber auch wohl sehr zu berücksichtigen, daß nicht alle Menschen auf eine und dieselbe Art zu wecken und zu belehren und für Licht und Leben zu erwecken sind. Was aber gegenüber einzelnen Menschen gilt, das gilt auch gegenüber ganzen Gemeinden und gegenüber ganzen Völkern.“ Kapitel 153 Großes Evangelium Johannes, Buch 6 153. — Voraussage des Herrn vom Gericht über die Juden. Die Vergänglichkeit der Materie 1. (Der Herr:) „Die Juden von Jerusalem benötigen eine ganz andere Behandlung als die Galiläer oder die Samariten oder gar die Heiden, und diese wieder eine ganz verschiedene nach ihren Ländern und Gemeinden. 2. Überall ist vor allem darauf zu sehen, auf was für Boden sie erstens naturgemäß, und auf welchem sie moralisch stehen. Wenn man das erforscht hat, dann erst kann man die Wege bestimmen, auf denen man sich diesen und jenen Menschen fruchtbringend nähern und sie für die Wahrheit und für das Licht des Lebens gewinnen kann. Daher würden wir hier in Jerusalem ganz schlechte Wirkungen hervorbringen, so wir mit den Mitteln von Chotinodora, Malaves, Samosata, Serrhe u. dgl. m. diese Menschen zum Lichte bekehren wollten. 3. Die Heiden stecken ohnehin bis weit über die Ohren im finstersten Gerichte. Wenn Ich dort ein großes Zeichen wirke, um ihren alten Aberglauben und ihr altes Gericht durch ein neues Gericht zu brechen, so schadet ihnen das darum nicht, weil sie durch ein sanftes Gericht von ihrem alten und harten befreit worden sind und sich im neuen Gerichte ganz frei bewegen können durch ihren Glauben an Gott und durch ihre Liebe zu Ihm. Wenn Ich aber hier in Jerusalem – besonders jetzt in dieser Zeit – dasselbe tun würde wie am Euphrat, so würden nicht wenige Juden vor lauter Schreck und Angst verschmachten und sterben, und wir hätten dann eben nicht gar zu viele Menschen mehr, denen wir das Evangelium vortrügen. Die da noch am Leben blieben, die würden fliehen vor uns, und die Priester würden heulen, fluchen und schreien: ,Sehet, nun hat Beelzebub das Werk Jehovas vernichtet! Wehe uns! Jehova hat uns, Sein Volk, verlassen und uns den Teufeln übergeben!‘ 4. Ich habe vor ihren Augen nur etwas Kleines getan, – und sie schrien schon, daß Ich ein Sabbatschänder und Gottesleugner sei und Meine Werke mit Hilfe des Beelzebub wirke! Was würden sie erst sagen und dann tun, so Ich ihnen nun im Augenblick den Tempel mit allem darin Seienden vernichtete?! Oh, so Ich das nun täte, so würdet ihr Greuel über Greuel erleben und am Ende selbst gar jählings die Flucht ergreifen. Aber da es geschrieben steht, daß das Heil von Jerusalem ausgehen wird, so müssen wir hier nur durch Worte wirken und am Ende lieber selbst den Leibestod bestehen, als diesem Volke irgendeine solche überirdische Gewalt antun, durch die es physisch und geistig unfehlbar aufgerieben würde. 5. Ja, Ich sage es euch: Es wird diese Stadt und der Tempel in längstens fünfzig Jahren derart zerstört werden, daß man gar nicht wissen wird, wo der Tempel gestanden ist; aber das wird geschehen durch die äußere Macht der Römer. Das wird sein eine mächtige Zuchtheimsuchung Gottes, und die Juden werden vertrieben werden in alle Welt, werden nimmerdar ein Volk werden und, von aller Welt verachtet, sich unter den Heiden kümmerlich ihr Brot verdienen müssen. Dieses Land wird ihnen für immerdar genommen und von den Heiden zu einer Wüste umgewandelt werden! 6. Aber diese große, unfehlbar eintreffende Plage wird das Gemüt der Menschen dieses Landes dennoch nicht also zerstören, als wie es dadurch zerstört würde, so Ich ihnen jetzt den Tempel hinwegräumte; denn jenes werden sie der Grausamkeit der Römer zuschreiben, und es werden sich dann viele wieder zu Gott bekehren. Dieses Gericht aber würde ihnen den Weg zu Gott gänzlich verrammen; denn sie würden es als ein alleraugenscheinlichstes und unversöhnbarstes Gericht Jehovas dahin auslegen und auch fest dafür halten, daß Er ihnen Seinen höchsten und unversöhnlichsten Zorn eben dadurch zu erkennen gegeben hätte, daß Er vor ihren Augen – und auch noch dazu an einem hohen Feste! – den Tempel samt dem Allerheiligsten rein durch den Beelzebub habe hinwegräumen lassen und somit sie alle diesem übergeben habe. 7. Wenn das arme Volk nicht im Spiele wäre, so würden wir uns der Priester allein wegen wahrlich kein besonders graues Haar wachsen lassen, so wir den Tempel wenigstens seines losen Inhaltes bar gemacht hätten; aber um des armen Volkes willen, das dennoch sehr am Tempel hängt, weil es noch an die Gegenwart des Geistes Gottes in ihm glaubt, wollen und werden wir hier durchaus keine Zerstörung bewirken. 8. Aber dieser Mein Leib als Tempel des wahren Geistes Gottes wird niedergerissen und von Mir Selbst in drei Tagen wieder auferbaut werden. Und das wird ein ärgeres Zeugnis wider sie sein und ein ärgeres Gericht über sie, die nun im Tempel wirtschaften nach ihrem Belieben, als so Ich ihnen nun tausend solche Tempel hinwegräumen würde. Denn was da mit diesem Meinem Tempel geschehen wird, das wird alles gläubige Volk gegen die Übeltäter im Tempel waffnen. Es wird von ihnen abfallen und Stützen an den Römern finden. Das wird die sehr reiche Priesterschaft in die größte Wut gegen die Römer versetzen. Sie werden geheim aus allen Gegenden Söldlinge mieten und die Römer aus dem Lande vertreiben wollen. Und seht, dann wird ihr Ende kommen! Darum denket nun nicht weiter darüber nach; denn es wird alles also geschehen, wie Ich es euch nun zum voraus angezeigt habe! 9. Wahrlich, Ich sage euch: Diese Erde und dieser ganze jetzt sichtbare Sternenweltenhimmel werden dereinst auch vergehen, – aber Meine Worte und der, der sie lebendig innehat, ewig nicht! Denn niemand bedient sich eines Werkzeuges länger, als es ihm als brauchbar dienen kann; ist es einmal ganz bis an den Rand abgenützt, so wirft man es weg und schafft sich ein neues. Und sehet, ebendasselbe tue auch Ich! 10. So aber jemand hat einen schon alten Schlauch, der schon viele Jahre den geistigen Wein in sich barg, wird er ihn wohl noch ferner behalten, so er mürbe und weinunhältig geworden ist? O nein, er wird den alten Schlauch hinwegtun und sich dafür einen neuen herbeischaffen. Sehet, dasselbe tue auch Ich, – wie mit einem alt und morsch gewordenen Baume, also auch mit einer alt und morsch gewordenen Welt. Denn sind einmal alle Meine in einer Welt niedergelegten Gedanken und Ideen in ein freies, selbständiges, reingeistiges Leben übergegangen, dann ist eine solche Erde nichts mehr als eine leere Hülse, die kein neues, kräftiges Leben mehr tragen und ausreifen kann. Dann wird die leere Hülse aufgelöst, und an ihre Stelle tritt eine neue, mit neuen Lebenskeimen erfüllte Erde. Alles in Zeit und Raum altert, wird schwach und stirbt und vergeht; nur der reine denkende und schaffende Geist bleibt ewig.“ Kapitel 154 Großes Evangelium Johannes, Buch 6 154. — Über die Notwendigkeit der Vergänglichkeit der Materie 1. Sagte einer der Judgriechen: „Aber Herr, da Du nun schon einmal wieder so im Zuge bist, uns gar überaus große Dinge zu enthüllen, so wolle uns auch gnädigst den Grund angeben, warum denn so ganz eigentlich nichts Materielles in seiner Art für ewig fortbestehen kann! Die Felsen verwittern, die größten Bäume, die oft beinahe zweitausend Jahre allen Stürmen getrotzt haben, wie allenfalls die Urzedern auf dem Libanon, sterben ab und vermodern so, daß von ihnen gar nichts übrigbleibt. Auch Seen und Meere vertrocknen, und kurz, man sieht auf der ganzen Erde nichts als ein fortwährendes Entstehen und Vergehen! Nur am gestirnten Himmel bleibt es stets noch so hübsch beim alten; denn dieselben Sterne mit ihren unveränderlichen Stellungen, die Adam geschaut hat, sind noch die gleichen, unveränderlichen und unvergänglichen. So Du aber sagst, daß auch sie dereinst vergehen werden, so läßt sich da allerdings die sehr gewichtige Frage aufwerfen: Wenn jene nach Deiner Aussage übergroßen Weltkörper schon sicher eine unaussprechlich lange Reihe von unseren Erdenjahren hindurch bestehen, so könnten sie ja ebensogut auch ewig fortbestehen. Wo ist die Zeit ihres ersten Entstehens, wer kann sie messen und nach Jahren oder gar nach Jahrtausenden zählen? Für unseren Menschenverstand bestehen sie so gut wie von Ewigkeit her und können auch ebensogut fürder die ganze Ewigkeit hin fortbestehen. Warum also müssen sie denn endlich doch vergehen?“ 2. Sagte Ich: „Mein Freund, eben darum, weil sie eigentlich keine Materie, sondern in sich nur ein gerichtetes Geistiges sind, Ich habe euch ja schon bei einer andern Gelegenheit gesagt, wie alles sichtbar Erschaffene nichts als ein Gedanke Gottes ist, festgehalten durch den allmächtigen Willen Gottes. 3. Solange aber ein großer Gedanke Gottes durch Seinen Willen festgehalten wird, solange erscheint er auch als etwas für sich Bestehendes und ist dadurch gewisserart ausgeschieden von den zahllos vielen anderen Gedanken, damit er sich in sich selbst konsolidiere und für immer ein selbständiges Ich werde. Hat der Gedanke Gottes in sich selbst diese Aufgabe gelöst und sich nach allen Richtungen hin frei und selbständig gemacht, wozu sollte er dann noch länger durch die Macht des göttlichen Willens festgehalten und von allen anderen großen Gedanken Gottes als völlig ausgeschieden gehalten werden? 4. Wenn ein Mensch die innere, geistige Lebensreife vollständig erreicht hat – wozu er eines materiellen Leibes benötigte –, wozu wäre ihm dann noch eine weitere und längere und auch stets mühsamere Herumschleppung des Leibes nötig? Wenn ein Mensch ein Haus ganz fertig erbaut hat und es dann vollkommen bewohnbar ist, wird er dann mit dem fertigen Hause auch das Baugerüste um dasselbe stehenlassen?! Oder so du Fleisch in einem Topfe gehörig weich gekocht und es genießbar gemacht hast, wirst du es dann wohl also behalten samt dem Topfe? Sicher nicht; du wirst es samt der Brühe aus dem Topfe nehmen und den leeren Topf hinwegtun! Siehe, darum hat auf dieser Welt alles seine Zeit! 5. Du siehst einen Baum, der im Frühjahre voller Knospen ist. Würdest du da nicht auch sagen: ,Warum denn diese vergänglichen Knospen?‘ Aber die Knospe schwillt an, entfaltet sich stets mehr und mehr, und es kommen Blätter und schöne, anmutige, duftende Blüten zum Vorschein. Du bewunderst sie, weil sie dir sehr gefallen. Aber sie fangen an, bald welk zu werden und fallen ab. Da fragst du wieder ärgerlich: ,Warum denn diese Zerstörung der größten Pracht und erhebenden Schönheit des Baumes?‘ Ja, du hast recht, ein blühender Baum wäre wohl immerfort so recht anmutig anzuschauen; aber vom Schauen allein wird kein Mensch satt, und so muß offenbar die dem Fruchtkeime zum Beleben dienliche Blüte nach ihrem geleisteten Dienste wieder hinweggenommen werden, damit darauf die wirkliche Frucht sich frei für sich entwickeln kann. Und du ersiehst darauf bald eine Menge süßer Früchte auf des Baumes Zweigen, an denen du ein großes Wohlgefallen hast. Nun, sollen etwa die Früchte auch ewig mit dem Baume vereinigt bleiben?“ 6. Sagte der Judgrieche, der ein Bürger von Jerusalem war: „Das, o Herr, sehe ich alles recht gut ein. Es geht eines aus dem andern hervor, und das sicher so weit und so lange hin, bis aus allen den vielen Vorgängen irgendein Hauptzweck erreicht ist. Aber warum muß denn auch der Baum, der oft viele Jahre hindurch den Menschen gute Früchte getragen hat, am Ende sterben, vermodern und völlig zunichte werden? Er dienete ja gut und muß doch einem andern den Platz räumen!“ 7. Sagte Ich: „Siehe, alle Materie ist ein zeitweiliges Aufnahmegefäß von einem bestimmten Maße des geistigen Lebenselements! Von diesem entwickelt sich alljährlich ein bestimmter Teil, macht sich frei und geht in eine höhere Lebenssphäre über. Nach einer größeren oder oft auch minderen Anzahl von Jahren dieser Erde aber ist der letzte Lebenselementsfunke aus dem schon mehr hart und unbrauchbar gewordenen Baume entschwunden und in eine höhere Lebenspotenz übergegangen, und der Baum steht dann lebensleer da. 8. Sollte man nun dem alten, harten und unbrauchbar gewordenen Baume neue Lebenselemente einhauchen, damit sie von des Baumes schon zu grob gewordener Materie verdorben werden, gleichwie da auch verdorben wird selbst der beste Wein, so man ihn dummermaßen in ein altes, unreines Gefäß gibt? Ist es da nicht klüger, einen neuen Wein in neue und reine Gefäße zu tun und die alt gewordenen ganz zu verwerfen, besonders so man der neuen Gefäße in großer und nie versiegbarer Anzahl besitzt? – Was meinst du über diese Sache?“ 9. Sagte der Judgrieche: „Herr, da hat jede Meinung ein Ende! Du allein hast die höchste Weisheit und kennst alle Verhältnisse in der ganzen Kreatur und hast sonach denn auch in allen Dingen allein alles Recht. Wir können Dich nur fragen und alles, was Du uns sagst, gläubig annehmen. Es ist alles also, wie Du, o Herr, es uns gnädigst erläuterst. Darin aber liegt auch der größte und allerbelebendste Beweis, daß eben Du in Deinem Geiste alles von Ewigkeit her also geordnet und geschaffen hast, was irgend nur immer da ist in der ganzen Unendlichkeit. 10. Dein Jünger Johannes hat Dir in seiner Einleitung zu dem aufgezeichneten Worte aus Deinem Munde das rechteste und wahrste Zeugnis gegeben, indem er sagt: ,Im Anfang war das Wort, das Wort war bei Gott, und Gott war das Wort. Das Wort ist Fleisch geworden und wohnte unter uns. Er kam zu den Seinen, und diese haben Ihn nicht erkannt.‘ 11. Siehe, Herr, also ist es denn auch! Du kamst zu uns Menschen, und wie wenige haben Dich erkannt, und wie viele erkennen Dich trotz all der großen Zeichen und weisesten Lehren auch jetzt noch nicht! Es ist wahrlich sogar merkwürdig, wie ungeheuer dumm und verblendet die Menschen da sind!“ 12. Sagte Ich: „Es ist schon also, du vermagst aber dennoch nichts dagegen zu machen; denn den freien Willen dürfen wir ihnen nicht nehmen, weil sie da aufhören würden, Menschen zu sein. Ihnen noch mehr Zeichen geben, wäre eine vergebliche Mühe; denn wir würden damit nichts erreichen als nur das, was Ich euch klar auseinandergesetzt habe bei der Gelegenheit, als ihr meintet, daß Ich auch hier die Zeichen vom Euphrat wirken solle. 13. Wir haben für dieses Volk nur das Wort; wem dieses nicht die Augen öffnet, dem öffnet sie auch kein Zeichen. Es werden vor ihnen aber schon noch Zeichen gewirkt werden, – aber nicht zu ihrem Aufkommen, sondern zu ihrem offenbaren Untergange. 14. Ich sage es euch: Das letzte Zeichen, das hier in Jerusalem gewirkt wird, wird sein nahe gleich dem des Propheten Jonas vor Ninive, wie er drei Tage im Bauche eines großen Fisches zubrachte. Und dieses Zeichens wegen wird dann das große Gericht über sie losgelassen werden, das diese Täter alles Übels verschlingen wird, wie da verschlingt ein feuriger Drache seine elende Beute. – Aber nun lassen wir das und gehen noch ein wenig ins Freie, bevor die Sonne untergeht!“ 15. Das war allen recht, und wir erhoben uns vom Tische und stiegen wieder auf unseren Hügel, von dem aus man auch einen Teil von Jerusalem übersehen konnte. Kapitel 155 Großes Evangelium Johannes, Buch 6 155. — Selbstverschuldete und unverschuldete Krankheiten und Unglücke 1. Als wir uns auf dem Hügel gelagert hatten, da sagte Lazarus: „Wahrlich, es ist ewig schade um diese große und schöne Stadt, daß sie dereinst gar so gänzlich zerstört wird! Aber wer kann da helfen, so ihre argen Bewohner es selbst also wollen?“ 2. Sagte Ich: „Du hast nun ganz gut gesprochen; denn dem, der selbst irgend etwas noch so Arges über und für sich will, dem geschieht in Ewigkeit kein Unrecht. Ich war schon oft da und wollte sie versammeln unter die Fittiche Meines Schutzes, gleichwie da versammelt eine Henne ihre Küchlein unter ihre Flügel; aber es war bis jetzt alle Mühe vergeblich, und so sind sie ganz allein schuld an allem Ungemach, das ihnen begegnen wird. 3. Ich werde es aber darum an allerlei Lehren und scharfen Ermahnungen niemals fehlen lassen, auf daß doch noch einige gerettet werden mögen. Und was Ich Selbst nun tue, dasselbe werdet auch ihr nach Mir um so leichter tun, weil euch Mein letztes und größtes Zeichen, das von Mir in Jerusalem gewirkt werden wird, dazu befähigen wird. Wer euch hören wird, der wird auch Mich hören – da ihr nur das reden werdet, was euch Mein Geist in den Mund legen wird –, und es wird ihm geholfen werden; die aber bleiben werden in ihrer alten Verstocktheit, die sollen auch deren Früchte ernten. 4. Weil dem Menschen das Wasser wie das Feuer den Tod gibt, wenn er entweder in ein tiefes Wasser fällt oder bei einem großen Brande vom Feuer ergriffen wird, soll Ich etwa deshalb auf der Erde kein Wasser und kein Feuer mehr bestehen lassen? Oh, mitnichten! Der Mensch hat darum Verstand und Kraft und den freien Willen. Er kennt die guten und schlechten Eigenschaften sowohl des Wassers wie des Feuers. Er gebrauche beides mit Vernunft und die beiden Elemente werden ihm nützlich sein; so er aber entweder mutwillig oder aus großer Unvorsichtigkeit in ein tiefes Wasser fällt oder in einen Kalkofen springt, dann ist er offenbar – freiwillig oder öfter noch unfreiwillig – selbst schuld daran, daß er dabei um sein irdisches Leben kommt. Dem wahrhaft verständigen und vorsichtig klugen Menschen wird solch ein Unglück nicht leichtlich begegnen – und denen, die nach Meiner Lehre wandeln werden, aber schon gar nicht!“ 5. Sagte ein Judgrieche: „Herr, aber überall reicht der Menschenverstand samt aller seiner Vorsicht dennoch nicht aus! Man nehme nur diesen Fall zum Beispiel her: Ich müßte in dringenden Geschäften zu Schiff übers große Meer nach Rom reisen. Ich bin aber inmitten des Meeres, und es erhebt sich ein Sturm. Das Schiff scheitert an einer unterseeischen Klippe und geht mit Mann und Maus unter. Wer trägt wohl da die Schuld an meinem Unglück? Ich gewiß nicht, und der Schiffshauptmann auch nicht; denn woher sollte er wissen, daß sich plötzlich ein Sturm erheben werde, und woher hätte ich wohl so etwas wissen können?“ 6. Sagte Ich: „Mein Freund, wenn so etwas geschieht, so ist das ganz gewiß eine bestbegründete Zulassung von oben, und es ist ungefähr dasselbe, als so jemand an irgendeiner Krankheit dahinstirbt, weil die Krankheit eine böse und unheilbare war. Denn kein Mensch auf der ganzen Erde bleibt am irdischen Leibesleben, und es kann daher ein Mensch ebensogut im Wasser wie im Feuer ganz unverschuldet ums Leibesleben kommen. Ich meine, daß wir darüber kein weiteres Wort mehr zu verlieren haben sollten. Und somit gehen wir jetzt zu etwas anderem und um vieles Wichtigerem über! Kapitel 156 Großes Evangelium Johannes, Buch 6 156. — Die bevorstehende Mondfinsternis 1. (Der Herr:) „Sehet, die Sonne ist bereits untergegangen, das Firmament ist rein, und schon lassen sich einige Sterne sehen; dort im Osten aber steigt eben der Vollmond über den etwas umdunsteten Horizont. Es wird aber eben heute in zwei Stunden eine Mondverfinsterung durch den ganz natürlichen Schatten dieser Erde erfolgen, die da gerade zwischen die Sonne und den Mond zu stehen kommen wird. Das wird bei den Jerusalemern und namentlich bei den dummen Pharisäern einen Mordsspektakel abgeben, weil diesmal der Mond beinahe auf eine Halbstundendauer gänzlich verschwinden wird. Da wird geheult werden, und große Opfer werden in den Gotteskasten gelegt werden; wir aber werden hier dieses kleine Schauspiel der Natur mit ganz ruhigen Augen betrachten und uns daran vergnügen. 2. Übrigens ist diese ganz natürliche Erscheinung unserem gegenwärtigen und jetztmaligen Wirken ganz günstig; denn die Priester wie das Volk halten solch eine Erscheinung für ein Anzeichen des Zornes Gottes, und es wird das an Mich haltende Volk den Priestern laut vorwerfen, daß sie Mich heute haben aufgreifen lassen wollen, und da werden die Priester einen schweren Stand haben. Aber dann werden die Priester sich entschuldigen und die Schuld den ihnen über alles verhaßten Essäern in die Schuhe schieben und werden diese recht zu verwünschen und zu verdammen anfangen. Währenddem wird der Mond wieder zum Vorscheine kommen, und die Priester werden mit großem Pathos zum Volke sagen: ,Siehe, du überblindes und dummes Volk, da wir die ärgsten Feinde Gottes nun mit unserer von Gott uns allein verliehenen Machtvollkommenheit gerichtet haben, so hat sich Gottes Zorn wieder gelegt, und wir können wieder frei atmen und Ihm aus großem Danke gar reiche Opfer in Seinen Kasten legen!‘ 3. Darauf wird gleich in der Nacht wieder ein Opfergang angeordnet werden, und das blinde und dumme Volk wird opfern nach allen seinen Kräften. Aber Meine vielen Anhänger werden sich an dem Opfergange nicht sehr beteiligen, und viele anwesende Essäer werden die Pharisäer herausfordern und ihnen eine Gegenpredigt über die Mondfinsternis halten, die ganz rar sein wird; denn die Essäer wissen wohl um den Grund der Mondverfinsterung und haben diese wie noch andere schon zum voraus berechnet, was sie den Priestern vor dem Volke dartun werden. 4. Da wird das Volk die Priester sehr angehen, und viele werden die Rückgabe ihrer Opfer verlangen, aber diese nicht erhalten; denn die Priester werden ihnen dartun, daß dieses Opfer für diesen und jenen wohltätigen Zweck verwendet werden wird. Das wird einen Teil des Volkes beschwichtigen, den andern Teil aber noch mehr aufbringen, so daß darum ein rechter Tumult im Tempel und auch außer dem Tempel entstehen wird, und es wird die römische Wache bewaffnet einschreiten und mit großem Ernste die Ruhe herstellen müssen. Sehet, das alles wird in dieser Nacht die ganz natürliche Mondverfinsterung bewirken; aber uns wird das nicht im geringsten irgend stören. Es werden wohl einige sich bis hierher flüchten vor dem Ernste der Römer; aber wir haben uns vor ihnen doch nicht zu fürchten. – Nun, wie gefällt euch das?“ 5. Sagten alle: „O Herr, ganz außerordentlich gut; nur den argen Priestern geschieht bei weitem zuwenig dabei! Für die wäre so eine Steinigung, wenigstens von seiten der Essäer, in der schönsten Ordnung!“ 6. Sagte Ich: „Oh, da irret ihr euch sehr! Die Wortsteinigung von seiten der Essäer ist um sehr vieles angezeigter und besser; denn diese erklären ganz klar vor dem Volke die Natürlichkeit dieser Erscheinung, und das Volk fällt dann erst recht über die Priester her und kündigt ihnen für die Zukunft den Glauben an sie ganz auf und schwört, ihretwegen nie mehr den Tempel zu betreten. Und sehet, so etwas ist für die Templer ärger, als so sie mit Steinwürfen bedient würden!“ 7. Sagte Lazarus: „Herr, wenn die Mondfinsternis noch nicht alsbald eintreten dürfte, da könnten wir ja vorher noch das Abendmahl einnehmen!“ 8. Sagte Ich: „Lieber Bruder, wir sind erst vor einer Stunde vom Tische aufgestanden, und so wäre es ein förmlicher Übermut, jetzt schon ein Abendmahl zu nehmen. Lassen wir die ganze Erscheinung vorübergehen, die im ganzen bei drei Stunden währen wird, – dann werden wir schon eine Stärkung zu uns nehmen!“ 9. Damit war Lazarus ganz zufrieden und sagte zu den beiden Schwestern, daß sie nun nicht um die Bereitung eines Abendmahles, wohl aber hernach um die Herstellung eines ordentlichen Nachtmahles besorgt sein sollen. Darauf fragte Mich Lazarus, was denn so ganz eigentlich der Mond sei. 10. Sagte Ich: „Lieber Bruder, sieh, das wissen Meine Jünger genau, und Ich Selbst habe dir schon einmal – bei einer geheimen Unterredung bloß zwischen uns – auch angedeutet, was die Sonne, die Sterne und der Mond sind; aber du scheinst die Sache nicht ganz gut aufgefaßt zu haben. Allein das macht nichts! Ich werde euch hernach eure innere Sehe auftun, und ihr werdet da den Mond ebenso besehen können, wie ihr nun die Gegenden dieser Erde besehen könnet, und das wird besser sein, als so Ich euch diese Sache mit vielen tausend Worten erklärte.“ 11. Damit waren auch alle zufrieden und dankten Mir schon zum voraus. Kapitel 157 Großes Evangelium Johannes, Buch 6 157. — Das gewährte Beschauen des Mondes durch die innere Sehe 1. Nun aber begann der Schatten der Erde am Monde schon sichtbar zu werden. Aller Augen waren nun auf den Mond gerichtet und betrachteten das Fortschreiten des Schattens. Bald ward der ganze Mond total finster, und es wurden bei dieser Gelegenheit eine viel größere Anzahl der Sterne sichtbar als zuvor im Vollichte des Mondes. 2. Da fragte Mich Lazarus: „Herr, wie kommt es denn, daß nun eine so große Anzahl Sterne sichtbar geworden ist, die man früher nicht sah?“ 3. Sagte Ich: „Das, lieber Bruder, kommt daher, daß das starke Licht des Vollmondes dein Auge nicht beirrt. Deine Sehpupille ist nun sehr erweitert, und du kannst darum auch das schon sehr schwache Lichtgeflimmer der sehr fernen Sternlein wahrnehmen. Am Tage siehst du gar keine Sterne, weil das Licht der Sonne des Auges Sehpupille notwendigerweise sehr beengt. Darum ist das Auge des Menschen von Gott so kunstvoll eingerichtet, daß es jeden Grad des Lichtes wahrnehmen und sogar genau berechnen kann. 4. Aber so kunstvoll auch das fleischliche Auge des Menschen gebaut ist, so steht es dennoch in keinem Vergleiche zu der Wunderbarkeit des geistigen Auges, das alles im rechten Maße und alles durch und durch sieht. 5. Gib nur recht acht darauf, wie die kleinsten Sterne nach und nach verschwinden werden, wenn nun der Mond aus dem Schatten der Erde treten wird, und du wirst dich dadurch überzeugen, daß solches das stets stärker werdende Licht des Mondes bewirkt. 6. Aber ganz anders verhält es sich mit der Sehe der Seele. Diese beirrt kein irdisches Licht, und die Nacht der Erde oder deren hellster Tag sind ihr gleich. Es gibt darum für die Seele nur einen beständigen Tag und nimmerdar irgendeine Nacht, das heißt für eine solche Seele, die in Meinem Lichte lebt und wandelt; aber für eine Seele, die nur im Lichte dieser Welt, das heißt in der Lehre der Welt wandelt, gibt es dort über dem Grabe auch nur Nacht und Finsternis. 7. Aber nun gebet alle acht! Ich werde euch nun auf einige Augenblicke gewisserart gewaltsam innerlich erwecken und euch den Mond also sehen lassen, als wäret ihr auf seinem Boden!“ 8. Ich wollte nun das, und alle stießen zu gleicher Zeit einen Schrei des Entsetzens aus, und Lazarus bat Mich, daß Ich ihm die innere Sehe wieder nehmen möchte; denn die Monderde kam ihm zu wüst, öde und leer vor. 9. Ich aber sagte: „Sehet nur genauer hin, und ihr werdet schon auch Wesen, den Menschen dieser Erde ähnlich, entdecken!“ 10. Da strengten alle ihre Sehe noch mehr an, und sieh, da entdeckten sie wohl menschliche Wesen, und zwar auf der der Erde stets zugekehrten Seite eine Art sehr luftig aussehender, nahezu ganz durchsichtiger und dabei doch sehr verkümmert aussehender kleiner Menschenwesen, aus denen sie nichts zu machen wußten; aber auf der entgegengesetzten Seite des Mondes gefiel es ihnen etwas besser. Da sie diese aber nun zur vierzehntägigen Nachtzeit des Mondes beobachten konnten, so fanden sie auch aus ganz natürlichen dem Monde entsprechenden Gründen die Menschen und die wenigen Tiere in tiefem Schlafe. 11. Als alle sonach den ganzen Mond besichtigt hatten und sich auch dahin zu äußern begannen, daß sie sich nun die Monderde zum höchsten Überflusse lang und gut genug angesehen hätten und Ich ihnen allen die innere Sehe wieder nehmen möchte, tat Ich solches denn auch; denn es fing alle eine Angst dahin anzuwandeln an, daß sie nun etwa gar in dieser sehr traurig aussehenden Welt verbleiben würden. 12. Als sie nun alle den Mond wieder mit den Fleischaugen ersahen, da waren sie sehr froh, und ein Ältester der Judgriechen sagte zu Mir: „Herr, wenn es in Deiner großen Schöpfung irgendwo eine Welt gibt, wo die Seelen als Verdammte gequält werden, so ist wahrlich der Mond ganz vollkommenst dazu geeignet, besonders auf dieser uns zugekehrten Seite! Und die sonderbaren, sehr häßlich aussehenden, dunkelgrau durchsichtigen und nebelartig luftigen Menschenwesen sind sicher nichts anderes als solche gar nicht beneidenswerte, unglückliche Seelen. Wenn ein Mensch auf unserer Erde Gegenden und Länder bereist, so kommt er von einer schönen Gegend in eine oft noch um vieles schönere; aber auf der Welt da oben ist gerade der umgekehrte Fall. Schon der erste und sicher noch der beste Punkt, den man ersieht, sieht schon so entsetzlich wild und wüst aus, daß man davor wie vor einem Ungeheuer erschrickt. Die andern Punkte und Gegenden aber sind dann noch um vieles abschreckender und entsetzlicher, und in solchen Gegenden wohnen Menschenwesen, und diese sehen so traurig und verkümmert aus, daß man dagegen die Bewohner unserer schlechtesten und stinkendsten Pfützen wahre Könige nennen könnte. Herr, Herr, was sind denn das für Wesen?“ 13. Sagte Ich: „Ja, ja, das sind wohl eben nicht sehr glückliche Wesen, und sie tragen viel des Höllischen in sich; aber sie können und werden mit der Zeit dennoch in ein besseres Leben übergehen, – freilich wohl nicht sehr eiligen Schrittes. Die sich einmal schon auf der Oberfläche jener Monderde herumtreiben und zu einer Art Durchsichtigkeit gelangt sind, die sind ohnehin schon besser daran; aber die noch in den tiefen Höhlen, Löchern und Kratern wohnen, denen geht es noch schlimm, und es wird noch einer geraumen Zeit benötigen, bis sie in einen besseren Lebenszustand übergehen werden. 14. Seht, das sind Seelen der Menschen dieser Erde, die in ihrem Leibesleben auf dieser Erde über alle Maßen in die allertollste Weltsucht und Selbstliebe übergegangen sind. Diese eigentlich materiellsten Seelen werden auf der Monderde aus sich heraus mit einer Art halbmateriellem Leib angetan, durch den sie auch noch die schlechten materiellen Eindrücke, wie die der Kälte, der Hitze, sowie des Lichtes der Sonne und des Gegenscheines dieser Erde und der anderen Gestirne, wahrnehmen; aber sie können mit nichts Irdischem mehr ihre Habgier stillen. Sie sehen diese Erde ganz gut und wissen auch, daß sie einst gar sehr gut auf ihrem Boden gelebt haben, wo sie viele Güter und ein großes Ansehen besaßen und viele Menschen ihnen dienten; jetzt sind sie allein sich selbst überlassen, nackt und haben außer der sehr dünnen Luft gar keine Nahrung, sogar kein Wasser und noch weniger einen Wein. Ihrer Erde Boden ist bimsartiges Gestein, und nicht ein Moospflänzchen kommt irgendwo vor. 15. Und so ist die Monderde für solche Seelen ein ganz tauglicher Platz, auf dem sie ganz gehörig abgeödet werden und zu der Einsicht kommen, daß all die irdischen Güter höchst trüglich und wertlos sind, und sie werden endlich von der Sehnsucht ergriffen, ganz zu vergehen und nicht mehr zu sein. 16. Viele versuchen sich zu töten, andere durch eine Art Schlaf sich aller weiteren Weltanschauung zu berauben; aber es geht weder das eine noch das andere. Darauf fangen sie zu suchen an, ob nicht irgendein Ausweg aus den Gruben und Tälern ihrer Leiden führe in irgendeine Gegend, wo sie etwa mit weiseren Menschen zusammenkämen, um sich mit ihnen über den Grund ihres so sehr traurigen Daseins zu besprechen. Und seht, da geschieht es, daß sie mit vieler Mühe und Anstrengung einen Ausweg finden. Sie kommen da auf große Ebenen, besteigen die sehr hohen Gebirge und kommen da auch mit weisen Geistern zusammen, die sie recht weise belehren und auch sagen, daß es einen allmächtigen, weisesten und höchst guten Gott gibt, an den sie glauben und den sie lieben sollen, und so sie das tun würden, dann werde es ihnen auch bald besser ergehen. 17. Das nehmen sie dann auch gerne an und sie werden dann bald ihre Materie los und bekommen ein geistiges Gewand und werden darauf in eine andere Erde, wie etwa in die Venus oder in den Merkur, später in den Jupiter, Saturn und noch in mehrere Planetarerden, gebracht. Da streifen sie dann gewöhnlich schon alles Materielle eben durch die Materie der zu durchwandelnden kleinen und großen Erden ab. Darauf können sie in die Sonne übergehen, in der sie sich dann gar viel Weisheit und auch Liebe zu eigen machen können. Von da an erst werden sie zu reinen Geistern und gehen in die reingeistige Sonne über, in der es an zahllos vielen weisesten Unterrichtsanstalten wahrlich keinen Mangel hat. 18. Also werden denn derlei materiellste Menschen nach vielen und langen Zeitläufen auch rein und können eine große Seligkeit genießen; aber dahin können sie doch nimmerdar kommen, wohin eines der geringsten Meiner Kinder kommen wird. 19. Doch auch diesen elenden Monderdbewohnern soll eine Erlösung werden, wenn Ich wieder dahin zurückgekehrt sein werde, von wannen Ich gekommen bin. – Also wisset ihr nun, was der Mond ist?“ 20. Sagte Lazarus: „Ja, Herr, das wissen wir nun ganz genau, das heißt, was die uns nun zugekehrte Seite betrifft! Aber die Rückseite scheint mit unserer Erde mehr Ähnlichkeit zu haben. Wir gewahrten dort Gewächse und Gewässer, und wir sahen dort auch Wolken am Firmament. Was gibt es denn dort?“ 21. Sagte Ich: „Ganz so natürliche Menschen wie etwa im tiefen Norden dieser Erde, aber freilich wegen der ganz anderen Tag- und Nachtverhältnisse jener Monderde ein wenig anders organisiert. Das Weitere wird euch der Geist lehren. Und da nun auch die Erscheinung zu Ende ist, so können wir denn auch wieder ins Haus gehen und eine mäßige Nachtstärkung zu uns nehmen.“ 22. Das war nun allen recht, und wir begaben uns ins Haus, allwo Ich allen riet, den andern Menschen nichts von diesem Gesichte zu erzählen. Kapitel 158 Großes Evangelium Johannes, Buch 6 158. — Die Folgen der Mondfinsternis. Wiedergeburt und Geistesgaben 1. Im Zimmer setzten wir uns an den großen Tisch wie gewöhnlich, und Lazarus ließ Brot und Wein auftragen, da sonst nichts bereitet war. Martha aber wollte dennoch in die Küche gehen, um wenigstens für Mich etwas Besseres zu bereiten. 2. Ich aber sagte zu ihr: „Lasse das, Meine Schwester, es ist Brot und Wein ja ohnehin die beste Kost für den menschlichen Leib! Machst du aber nun ein Feuer, so würden das einige Flüchtige aus Jerusalem merken und hereinkommen, – was weder euch noch Mir angenehm wäre. Darum laß nun das, was uns nicht nötig ist! Morgen wird sich das schon besser fügen.“ 3. Da ließ Martha von ihrem Eifer ab, und wir aßen und tranken. 4. Als wir aber dem Leibe die nötige Stärkung gegeben hatten, da kamen ein paar Knechte des Lazarus zu uns ins Zimmer und erzählten, daß sich außerhalb der Mauern, mit denen der Ort Bethania umfangen war, eine Menge Menschen herumtrieben und sich gegenseitig erzählten, daß in Jerusalem bei der Gelegenheit der Mondfinsternis ein wahrer und arger Tumult derart ausgebrochen sei, daß am Ende die Römer mit den Waffen in der Hand hätten Ruhe schaffen müssen, ansonst die Sache sicher eine sehr bedenkliche Wendung hätte nehmen können. 5. Viele der Wallfahrer hatten das Weite und Freie gesucht. Die, die sich aber hierher geflüchtet hatten, versuchten hereinzukommen; aber sie vermochten das nicht, weil wir heute schon mit dem Untergange der Sonne alle Tore fest verschlossen hatten. Einige fragten sich untereinander, ob etwa der Prophet aus Galiläa nicht hier in Bethania wäre. Darauf aber sagten andere: ,Oh, der ist zu klug und hat sicher schon vormittags den bösen Braten gerochen und empfahl sich darum noch zur rechten Zeit!‘ – Herr des Hauses, was sollen wir mit diesen Menschen machen? Sollen wir sie hereinlassen oder nicht?“ 6. Sagte Ich anstatt des Lazarus: „Lasset sie nur draußen; sie werden weiter nicht verfolgt werden! Morgen ist die ganze Sache verraucht, und das Fest geht ohne alle weitere Störung vor sich.“ 7. Da gingen die Knechte wieder hinaus und hielten mit den andern Knechten Wache, daß da niemand in den großen Hofraum, etwa über die Mauer, gelangen könne. 8. Ich aber machte sie alle auf das aufmerksam, was Ich ihnen zuvor auf dem Hügel von der Wirkung der Mondfinsternis in Jerusalem gesagt hatte, und sie staunten alle, daß Ich das so genau wissen konnte, was die Erscheinung für eine Wirkung hervorbringen werde, ohne daß Ich in Jerusalem gegenwärtig gewesen sei. 9. Ich aber sagte zu ihnen: „Wie mag euch das gar so wunderbar vorkommen? Seht, das hätte euch auch ein anderer kluger und weiser Mensch ebenso wie Ich voraussagen können, so er aus vieler Erfahrung sicher wüßte, wie die habsüchtigen Templer sich bei solchen Gelegenheiten verhalten, und wie sie sich alle derlei Naturerscheinungen stets zunutze zu machen verstehen! So etwas zu bestimmen, was für jeden reifen Denker offen auf der Hand liegt, ist gerade keine gar so außerordentliche Sache; aber ohne Berechnung zu bestimmen, wann eine solche Erscheinung eintritt, das ist etwas von einer größeren Bedeutung, obschon die Essäer das auch durch Rechnung ziemlich genau zum voraus bestimmen können und sich solche ihre geheime Rechenkunst auch allzeit zunutze gemacht haben. 10. Die späteren Nachfolger aber werden solche Erscheinungen noch um vieles genauer bloß durchs Rechnen zu bestimmen imstande sein und dennoch nicht im geringsten irgend allwissend sein, und so ist auch daran nicht gar soviel, wie ihr meint. 11. Aber sehr viel ist daran, die Gedanken eines Menschen in seinem Herzen zu prüfen! Wer das kann, der ist Gott gleich allwissend und allsehend und allfühlend. Die nach Meiner Lehre leben werden, und dadurch erreichen die Wiedergeburt des Geistes in ihrer Seele, die werden auch das vermögen; die aber das nicht erreichen, die werden auch nie etwas wahrhaft Geistiges vermögen. 12. Der Leib des Menschen weiß es ewig nicht, was alles im Menschen verborgen ist; denn er hat kein Auge zur Beschauung dessen, was inwendig in ihm ist. Der Geist aber, der inwendig im Menschen ist, der allein sieht und weiß um alles, was im Menschen ist. Darum bestrebe sich ein jeder der wahren Wiedergeburt des Geistes; denn ohne die kann niemand in das Reich Gottes eingehen. 13. Aber bevor Ich aufgefahren sein werde, wird niemand die vollkommene Wiedergeburt des Geistes in seiner Seele zu erlangen imstande sein, – aber nach Meiner Auffahrt ein jeder, der an Mich glauben wird und leben nach Meiner Lehre.“ 14. Da sagten die Jünger: „Herr, wie und wann wird das wohl geschehen?“ 15. Sagte Ich: „Das werdet ihr bald erleben und sehen mit euren Augen. Mehr brauchet ihr vor der Zeit nicht zu wissen. Denket aber lieber darüber nach, daß wir bis dahin noch vieles zu tun haben werden, und daß Ich zuvor noch vieles zu erleiden haben werde, damit allem Gerichte, in welchem sich nun alle Menschen befinden, der Stachel des Todes genommen werde! – Jetzt aber begeben wir uns zur Ruhe, auf daß wir morgen wieder ganz kräftig an unsere Arbeit gehen können; denn ein schläfriger Mensch ist niemals tüchtig zu einer Arbeit des Geistes.“ 16. Darauf begaben wir uns zur Ruhe und schliefen fest bis zum hellen Morgen. Kapitel 159 Großes Evangelium Johannes, Buch 6 159. — Die Erfahrungen der Jünger auf dem Feste in Jerusalem 1. Als wir erwachten – was diesmal um eine gute Stunde später als sonst geschah –, war das Morgenmahl auch schon bereitet und stand auf dem Tische. Wir setzten uns denn auch sogleich zu Tisch und nahmen fröhlichen Mutes das wohlbereitete Morgenmahl ein. Nach dem Morgenmahl aber fragten Mich die Jünger, was Ich an diesem Tage alles tun werde. 2. Ich aber sagte: „Diesen Tag werde Ich für Mich zu einem Feiertage machen und somit eben nicht besonders vieles tun. Ihr aber könnet hinauf zum Feste gehen und sehen, was da alles geschieht, und was da alles geredet wird! Und so ihr dann am Mittage wiederkommet, könnet ihr es Mir sagen, was die Menschen so von Mir reden; denn Ich will heute mit Meinem Geistesauge und -ohre beim Feste gegenwärtig sein, da heute ein wahres Heidenfest abgehalten werden wird. Wer aber hier bleiben will, der bleibe und denke nicht an das dumme Fest!“ 3. Darauf erhoben sich einige Jünger und zogen gemachen Schrittes hinauf zum Feste; aber Petrus, Johannes, Jakobus, Andreas, Simon und Matthäus blieben, und die Judgriechen blieben auch bei Mir, – denn die letzteren hatten eben gar wenig Lust dazu, daß sie in der Stadt von irgend jemandem trotz ihrer Griechenkleidung erkannt würden. 4. Als die etlichen Jünger aber hinauf zum Feste kamen, da wurden sie von einigen Juden bald erkannt, und diese traten um sie und fragten mit heftigen Worten: „Seid ihr nicht Galiläer und Jünger des Zimmermanns aus Nazareth? Wo ist er, auf daß wir hingehen und mit ihm selbst reden?“ 5. Die Jünger aber gaben den Juden auf solche ihre Fragen gar keine Antwort. Da drangen aber die Juden noch mehr in sie. 6. Das machte den Nathanael ärgerlich, und er sagte zu den Zudringlichen: „Was fraget ihr darum? Gehet hin und suchet Ihn selbst! Wir aber sind hier Wallfahrer so gut wie ihr, und ihr habt keinen Grund, uns irgend zu belästigen. Wollt ihr aber mit uns euer Wesen fortsetzen, so werden wir euch schon durch die Römer von uns zu entfernen verstehen.“ 7. Hierauf murrten die Juden und ließen von den Jüngern ab; darauf gingen die Jünger in den Vorhöfen des Tempels umher. 8. Es wurde aber hie und da vieles von Mir gesprochen, und viele Juden, die an Mich glaubten, suchten Mich und fragten andere, ob Mich jemand irgendwo gesehen habe. Aber niemand wußte, wohin Ich gegangen sei. 9. Und einige sagten: „Er hat gestern doch recht geredet, da er sagte: ,Ihr werdet mich suchen und dennoch nicht finden! Und wo ich sein werde, da könnet ihr nicht hinkommen!‘“ 10. Es waren aber mehrere, die da sagten, daß Ich ein purer Betrüger und ein gelernter Magier sei. Andere wieder sagten, daß Ich augenscheinlichst ein Prophet sei, da Ich Taten verrichte, die noch nie ein Magier verrichtet habe. Wieder andere sagten, daß Ich vor allem nur ein recht frommer Mensch sei. Dagegen behaupteten wieder andere und sagten, Ich sei besessen von irgendeinem mächtigen Geiste der Unterwelt, der durch Mich seine Wunder wirke und dadurch die Menschen verführe. Aber niemand behauptete und glaubte, daß Ich Christus wäre. 11. Es kam aber den Jüngern das Fest äußerst öde und wüst vor, und sie machten sich darum bald auf den Rückweg. Als sie wieder in Bethania ankamen, da wurden sie alsbald gefragt, wie es auf dem Feste zugehe. Und sie erzählten alles haarklein, was ihnen begegnet war, und was sie gesehen und gehört hatten. Da ärgerten sich Lazarus und die anderen Jünger und die Judgriechen, daß das Volk gar so verstockt sei. 12. Und Lazarus sagte: „Nein, das ist denn doch das mir Unbegreiflichste, daß gerade dieses Volk gar so entsetzlich verstockt ist! Was sind da schon alles für Zeichen geschehen, und was sind da schon für Lehren gegeben worden, – und alles vergeblich! Nein, nein, das ist zu arg! Ein Mensch wie Du, o Herr, der den Menschen nichts als nur in einem fort die größten Wohltaten erweist und meines Wissens nie von jemandem nur einen Stater begehrte, sondern so viele Arme schon gar überglücklich gemacht hat und jeden, der Ihm eine Freundschaft erwies, gleich tausendfach dafür entschädigte, ist bei diesem allerblindesten Lumpenvolke ein Betrüger! O Herr, gib mir nur auf etwelche Augenblicke Deine Allmacht, und dieser Platz wird in einem Nu von seinem alten Unrate gereinigt sein! O du verzweifelte Menschheit! Nein, die braucht nicht noch fünfzig Jahre bis zu ihrer Reife für ein allerschärfstes Gericht; die ist schon jetzt überreif dazu!“ 13. Sagte Ich: „Mein lieber Bruder, ereifere dich nicht darob und denke dir, daß Ich Selbst das alles am besten einsehe, warum ihnen solches unsinnigste Benehmen zugelassen wird! Wir werden sie aber dennoch nicht richten, sondern das wohl verständliche Wort, das Ich zu ihnen so oft schon ganz vergeblich geredet habe, wird sie richten. Es ist aber nun gut, daß auch ihr es vernommen habt, wie das meiste Volk nun über Mich urteilt. Morgen, als am schönsten Festestage, werde Ich abermals im Tempel lehren und ihnen auf ein Haar zeigen, wessen Geistes Kinder sie sind, und was sie als solche zu erwarten haben. – Darum lassen wir nun das und beschäftigen uns mit etwas Besserem!“ 14. Sagte Lazarus: „Ja, Herr, das wird am besten sein! Aber was gäbe es da nur gleich, das sich nun vornehmen ließe? Das Mittagsmahl wird erst in einer Stunde fertig sein.“ 15. Sagte Ich: „Oh, dafür sorge nur du dich nicht, – das werde schon Ich bestimmen und machen!“ Kapitel 160 Großes Evangelium Johannes, Buch 6 160. — Die sieben Schutzhunde des Lazarus. Die Sternenwelten als Schulhäuser für Geister 1. (Der Herr:) „Sieh, als Noah nach dem Rate Gottes die Arche baute, da wurde er von den sehr verweltlichten Nachbarn verspottet und ausgelacht, und man sagte: ,Da seht einmal den alten Traumnarren an! Hoch auf den Bergen hier, weit entfernt von einem Meere, baut er einen Wasserkasten in der Meinung, daß Gott solche Wasser werde kommen lassen, die ihre Wogen sogar über diese hohen Berge treiben werden, und er wird sich mit den Seinen dann hineinsetzen und sich vor dem Ersaufen retten!‘ 2. Solche Reden und noch Ärgeres mußte Noah erfahren; ja sogar sein Bruder Mahal lachte ihn aus und ging mit seinen Töchtern in die Tiefe Hanochs. Die Nachbarn aber wo